Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 25.03.2010, Az.: L 7 AS 1453/09 B ER
Begrenzung des Zuschusses zu den Beiträgen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld II; Anordnungsgrund für eine Durchsetzung des Anspruchs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 25.03.2010
- Aktenzeichen
- L 7 AS 1453/09 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 21320
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2010:0325.L7AS1453.09B.ER.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 29.10.2009 - AZ: S 23 AS 1742/09 ER
Rechtsgrundlagen
- § 26 SGB II
- § 5 Abs. 5a S. 1 SGB V
- § 86b Abs. 2 S. 2 SGG
- § 12 VAG
- § 192 VVG
- § 193 Abs. 6 S. 5 VVG
- § 206 Abs. 1 VVG
- § 850b Abs. 1 Nr. 4 ZPO
Redaktioneller Leitsatz
Der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz für Hilfebedürftige im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB II, die privat- und pflegeversichert sind, besteht gemäß § 193 Abs. 6 S. 5 VVG weiter und ruht nicht, selbst wenn Beitragsrückstände entstanden sind, denn nach § 206 Abs. 1 S. 1 VVG ist die Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 S. 1 VVG zur Aufrechterhaltung einer solchen Versicherung erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen. Dies gilt sowohl für die Fälle des Zahlungsverzugs, in denen gemäß § 193 Abs. 6 VVG bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen grundsätzlich ein Ruhen des Leistungsanspruchs eintritt. Das Ruhen tritt zudem von vornherein dann nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer bereits Grundsicherungsleistungen nach demSGB II bezieht. Somit sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gegeben. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Wege der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes über einen Anspruch des Antragstellers aufÜbernahme der Beiträge zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung in vollem Umfang.
Der im Jahr 1946 geborene Antragsteller war seit 1981 bis zum 30. Juni 2004 u. a. als Rechtsanwalt, GmbH-Geschäftsführer, Wirtschaftsberater und Vertragsmittler selbstständig tätig. Seit 1981 ist er privat kranken- und pflegeversichert, gegenwärtig bei der C ... Mit Wirkung ab 01. August 2009 beträgt der monatliche Versicherungsbeitrag auf der Grundlage des Basistarifs 265,62 EUR. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben aufgrund zweier Herzinfarkte gesundheitlich stark eingeschränkt. Er sei gezwungen, regelmäßig Medikamente zu nehmen, die ihn erheblich gesundheitlich beeinträchtigten. Er sei z. B. nicht mehr in der Lage, selbstständig Auto zu fahren.
Der Antragsteller beantragte am 11. August 2009 bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Daraufhin bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller durch Bescheid vom 20. August 2009 vorläufig Leistungen mit Wirkung ab 01. August 2009 bis 31. Januar 2010 in Höhe von insgesamt 742,32 EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus 349,00 EUR an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, 241,21 EUR an Leistungen für die Kosten für Unterkunft und Heizung sowie einem Zuschuss gemäß § 26 SGB II zur Krankenversicherung in Höhe von 124,32 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,79 EUR. Mit seinem Widerspruch vom 16. September 2009 wandte sich der Antragsteller gegen den seines Erachtens zu niedrigen Zuschuss zur Krankenversicherung. Er habe Anspruch auf Leistungen für den Krankenversicherungsbeitrag in der tatsächlich zu zahlenden Höhe von 265,62 EUR monatlich. Die Beschränkung des Zuschusses durch die Antragsgegnerin führe zu einer die Existenz gefährdenden Bedarfsunterdeckung. Zum Erhalt der Absicherung im Krankheits- bzw. Pflegefall sei der von ihm zusätzlich zu erbringende Betrag in Höhe von 123,51 EUR aus dem Regelsatz aufzubringen. Dies sei indes nicht möglich. Weil ausreichender Krankenversicherungsschutz Bestandteil des Existenzminimums sei, habe er einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Leistungen in der tatsächlichen Höhe der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Anderenfalls sei die gerichtliche Geltendmachung der rückständigen Krankenversicherungsbeiträge durch die Versicherung und ggf. die Zwangsvollstreckung die Folge. Das gleiche gelte, falls er die Behandlungskosten des in Anspruch genommenen Arztes oder Krankenhauses nicht zahle. Falls er zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gezwungen sei, habe er erhebliche Nachteile im täglichen Geschäftsverkehr, z. B. bei der Eröffnung eines Bankkontos, bei der Anmietung einer Wohnung oder dem Abschluss von Telefon- bzw. Internetnutzungsverträgen. Der lediglich anteilig bewilligte Zuschuss zu dem Versicherungsbeitrag bringe ihn in eine sicher vorhersehbare und unzumutbare Situation. Diese Folge der gesetzlich verursachten Zwangssituation widerspreche zweifellos der Verfassung bzw. der Menschenrechtskonvention. Außerdem sei der Krankenversicherungsschutz akut gefährdet, weil die Erstattung der Honorarforderungen von Ärzten infolge einer Aufrechnung durch die Krankenversicherungsgesellschaft wegen der Beitragsschulden nicht erfolge. Daraus folge wiederum, dass er trotz Behandlungsbedürftigkeit von Ärzten nicht mehr behandelt werde. Dies sei insbesondere wegen seines aktuellen, behandlungsbedürftigen Gesundheitszustandes von Bedeutung. Schließlich sei er als privat versicherter Bezieher von Arbeitslosengeld II (Alg II) mit Wirkung ab 01. Januar 2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. Daraus folge eine Verpflichtung des Staates die Krankenversicherungsbeiträge in vollem Umfang zu übernehmen. Nach der gesetzlichen Konzeption des SGB II solle den Beziehern von Alg II ein umfassender Krankenversicherungsschutz zukommen, ohne zusätzlich mit Beitragsanteilen belastet zu werden. Danach sei die Regelung des § 26 SGB II für privat versicherte Bezieher von Alg II anzuwenden wie Hilfebedürftige, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert seien, deren Beiträge von dem Leistungsträger in voller Höhe übernommen würden. Die Interessenlage beider Gruppen von Hilfebedürftigen sei identisch. Falls schließlich die Antragsgegnerin einen Zuschuss zu den Krankenversicherungsbeiträgen in der beantragten Höhe nicht leisten wolle, komme ein entsprechender Anspruch auf Leistungen gemäß § 73 SGB XII in Betracht.
Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 25. September 2009 als unbegründet zurück. Der Gesetzgeber habe es "sehenden Auges" in Kauf genommen, dass bei privat Krankenversicherten eine Lücke zwischen dem hälftigen Basistarif und dem Zuschuss nach § 26 SGB II auftrete. Eine höhere Leistung komme daher nicht in Betracht.
Hiergegen hat der Antragsteller Klage zum Az. S 23 AS 1822/09 des Sozialgerichts (SG) Hildesheim erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.
Der Antragsteller hatte zuvor am 28. September 2009 beim SG Hildesheim den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 26 SGB II in voller Höhe zu leisten. Zur Begründung hat der Antragsteller sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und zusätzlich auf einen Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 16. September 2009 hingewiesen, in dem ebenfalls die Auffassung vertreten wird, dass die privat versicherten Hilfebedürftigen einen Zuschuss für ihren Krankenversicherungsbeitrag in voller Höhe beanspruchen können.
Das SG Hildesheim hat den Antrag durch Beschluss vom 29. Oktober 2009 abgelehnt. Der Antragsteller könne weitere monatliche Leistungen in Höhe von 141,30 EUR für seinen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag im Wege der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht beanspruchen, weil er keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Während des Bestehens der Hilfebedürftigkeit drohe kein Verlust seines Krankenversicherungsschutzes. Dies folge aus dem Umstand des für private Krankenversicherer geltenden absoluten Kündigungsverbots gemäß § 206 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 193 Abs. 3 und 5 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und der Vorschrift des § 193 Abs. 6 VVGüber das Ruhen der Versicherungsleistungen für Hilfebedürftige nach dem SGB II. Danach habe der privat versicherte Hilfebedürftige zwar die über den Beitrag für einen Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehende Belastung selbst zu tragen, müsse jedoch nicht das Ruhen der Versicherungsleistungen bei Beitragsrückständen befürchten. Der Versicherungsnehmer habe als Schaden die Verzugszinsen zu tragen. Dies bedeute, dass durch diese Regelung das finanzielle Ausfallrisiko bei Hilfebedürftigkeit den privaten Versicherungen übertragen werde, ohne dass der Versicherungsschutz des Hilfebedürftigen entfalle. Soweit der Antragsteller demnach verpflichtet sei, die über die Höhe des Zuschusses nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II hinausgehenden Belastungen selbst zu tragen und damit ggf. aufgrund der Beitragsrückstände Schulden aufzubauen, seien verfassungsrechtliche Fragen über die Zulässigkeit einer Begrenzung des Zuschusses nach§ 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ggf. in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Der Auffassung des LSG Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 16. September 2009 und des SG Stuttgart, wonach die Regelung des § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG so zu verstehen sei, dass diese Regelung nur auf diejenigen Hilfebedürftigen anzuwenden sei, die bereits Beitragsrückstände aufwiesen und dann hilfebedürftig würden, sei nicht zu folgen. Vielmehr könne nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift keine Rolle spielen, ob Hilfebedürftigkeit erst noch entstehe oder bereits bestehe. Die Regelung sei so zu verstehen, dass das Ruhen auch dann nicht eintrete, wenn Hilfebedürftigkeit bereits bei Vorliegen des Beitragsrückstandes bestehe. Die Vorschrift des § 193 Abs. 6 Satz 5 2. Alternative VVG schließe es auch aus, dass der Versicherer vom Vertrag zurücktreten könne oder der Versicherungsschutz erst gar nicht beginne, wenn der erste Beitrag im Basistarif nicht in voller Höhe gezahlt werde. Anderenfalls könne die Regelung nicht wirksam werden.
Soweit der Antragsteller hilfsweise die Übernahme des Zuschusses als Darlehen beanspruche, müsse dieser Antrag aus den obigen Gründen erfolglos bleiben. Der Versicherungsschutz des Antragstellers sei nach dem Zweck des Gesetzes gewährleistet, so dass kein unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 23 SGB II vorliege.
Gegen den am 31. Oktober 2009 zugestellten Beschluss führt der Antragsteller am 27. November 2009 Beschwerde. Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen im Eilverfahren sowie im Hauptsacheverfahren und wiederholt, dass ohne die beantragte Verpflichtung der Antragsgegnerin ihm schwere aktuelle und erhebliche Nachteile drohten, so dass ein Abwarten auf den Ausgang der Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzumutbar sei. Die von dem SG in dem angefochtenen Beschluss vorgenommene Auslegung des § 26 Abs. 2 SGB II habe zur Folge, dass er einen Schaden in Form des Verzugsschadens zu tragen habe, der nicht ausgeglichen werden könne, weil er ohne Vermögen sei. Dies führe letztendlich zu einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit weiteren Kosten und zur Zwangsvollstreckung bis hin zur eidesstattlichen Versicherung des Vermögensverzeichnisses. Die von ihm genannten Entscheidungen des SG Stuttgart vom 13. August 2009, des SG Karlsruhe vom 10. August 2009 und des LSG Baden-Württemberg vom 16.09.2009 teilten seine Auffassung, dass die Antragsgegnerin den Zuschuss zu seinen Krankenversicherungsbeiträgen in voller Höhe zu leisten habe; in gleicher Weise habe das LSG Nordrhein-Westfalen durch Beschluss vom 19. November 2009 und das SG Gelsenkirchen durch Beschluss vom 02. Oktober 2009 entschieden. Insbesondere sei unverständlich, dass das SG Hildesheim von einem Verzugsschaden bzw. von Verzugszinsen aufgrund der rückständigen Versicherungsbeiträge ausgehe sowie von einer bevorstehenden gerichtlichen Auseinandersetzung, die Entscheidung über die Frage des Ersatzpflichtigen allerdings dem Hauptsacheverfahren vorbehalten wolle. Das bedeute zugleich eine für die Versicherung günstige Entscheidung der Zivilgerichte und eine nachfolgende Zwangsvollstreckung wegen der Beitragsrückstände mit allen Nachteilen, die sich hieraus für ihn, den Antragsteller, ergäben.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des SG Hildesheim vom 29. Oktober 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der Gewährung vorläufigen Rechtschutzes zu verpflichten, ihm vorläufig einen weiteren monatlichen Zuschuss zu den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung mit Wirkung ab 01. August 2009 bis 31. Januar 2010 in Höhe von 141,30 EUR zu bewilligen,
hilfsweise,
den beantragten weiteren Zuschuss als Darlehen zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf den angefochtenen Beschluss des SG Hildesheim und ihren bisherigen Vortrag.
Wegen des Vortrags der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte Bezug genommen. Die den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakten (Nr. der Bedarfsgemeinschaft D. liegen vor und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
II. Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das SG Hildesheim hat zu Recht den Antrag des Antragstellers abgelehnt.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG als Regelungsanordnung zulässig. Er ist jedoch nicht begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie des Anordnungsgrunds - die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung - sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 3 Zivilprozessordnung - ZPO -). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, hat der Antragsteller Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, 1. Senat, 3. Kammer, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff).
Diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor, weil das SG in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt hat, dass der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht hat.
Der Erlass einer einstweiligen Regelung ist "nötig" im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, wenn das von dem Antragsteller mit seinem Hauptsacheverfahren verfolgte Rechtsschutzziel nicht erreicht werden kann, weil die Rechtsschutzgewährung im Hauptsacheverfahren zu spät käme.Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt jedenfalls dann die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entständen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, 1. Senat, 1. Kammer, Beschluss vom 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02 - NZS 2003, 253 f). Streitgegenstand in einem Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 SGG ist demnach nicht das zu sichernde Recht oder das zu regelnde Rechtsverhältnis, sondern nur dessen vorläufige Sicherung bzw. vorläufige Regelung. Die Verknüpfung des Eilverfahrens mit dem Hauptsacheverfahren ist indes insoweit gewahrt, als es im Eilverfahren um die vorläufige Sicherung bzw. einstweilige Verwirklichung des im Streit stehenden materiellen Rechts geht. Daher bietet die Begründetheit des Hauptsachebegehrens das primäre Kriterium für den Erlass oder den Nichterlass der einstweiligen Anordnung.Über die rechtsdogmatische Figur des Anordnungsanspruchs wird der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch zwar nicht Gegenstand aber Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Rdnr. 61).
Der Antragsteller verfolgt demnach dann mit seinem Eilverfahren die Sicherung der Entscheidungsfähigkeit über einen Anspruch auf dieÜbernahme seines Beitrags zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe, wenn anderenfalls, d. h. ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entständen, die auch durch eine Entscheidung in der Hauptsache zu seinen Gunsten nicht mehr beseitigt werden könnten (BVerfGE 79, 69 [BVerfG 25.10.1988 - 2 BvR 745/88] f).
Der Antragsteller hat das Entstehen derartig schwerer und unzumutbarer Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Es besteht allerdings kein vernünftiger Zweifel, dass dem Antragsteller der Verlust des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes nicht zuzumuten wäre, denn eine Kranken- und Pflegeversicherung gehört zur Existenzsicherung. In diese Situation gerät der Antragsteller, der gemäß § 5 Abs. 5a SGB V nicht versicherungspflichtig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V ist, jedoch selbst dann nicht, wenn er von den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen der privaten Krankenversicherung mit Wirkung ab 01. August bis 31. Dezember 2009 141,30 EUR monatlich und mit Wirkung ab 01. bis 31. Januar 2010 139,57 monatlich schuldet und er lediglich den von der Antragsgegnerin geleisteten Zuschuss gemäß § 26 Abs. 2 SGB II an die private Krankenversicherungsgesellschaft weiterleitet. Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt, dass der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz für Hilfebedürftige im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB II, die, wie der Antragsteller privat- und pflegeversichert sind, gemäß § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG weiterbesteht und nicht ruht, selbst wenn Beitragsrückstände entstanden sind, denn nach § 206 Abs. 1 Satz 1VVG ist die Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die, wie hier, eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG zur Aufrechterhaltung einer solchen Versicherung erfüllt, durch den Versicherer ausgeschlossen. Dies gilt sowohl für die Fälle des Zahlungsverzugs, in denen gemäß § 193 Abs. 6 VVG bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen grundsätzlich ein Ruhen des Leistungsanspruchs eintritt. Das Ruhen tritt zudem von vornherein dann nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer bereits Grundsicherungsleistungen nach demSGB II bezieht, wie dies hier der Fall ist (so LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009 - L 15 AS 1048/09 B ER).
Der Versicherungsschutz entfällt auch nicht aufgrund einer Aufrechnung rückständiger Beitragsansprüche des Versicherers gegen die Erstattungsansprüche des Hilfebedürftigen, weil eine derartige Aufrechnung rechtlich nicht zulässig ist (vgl. Klerks, Der Beitrag für die private Krankenversicherung im Basistarif bei hilfebedürftigen Versicherungsnehmern nach dem SGB II und dem SGB XII, info also 2009, 153, 158). Danach verbietet sich eine Aufrechnung zum einen, weil die Forderungen der Versicherungsnehmer gegen die Versicherer gemäß § 850b Abs.1 Nr. 4 ZPO unpfändbar und deshalb auch gemäß § 394 Satz 1 BGB im Rahmen der Aufrechnung geschützt seien; die Regelung des § 394 Satz 2 BGB sei im Basistarif nicht anwendbar. Zum anderen sei eine Aufrechnungsmöglichkeit aus Gründen von Treu und Glauben ausgeschlossen, weil diese die Versicherung im Basistarif faktisch beende, denn die weitere Behandlung des Hilfebedürftigen durch die behandelnden Ärzte sei stark gefährdet, wenn die Hilfebedürftigen die Ärzte nicht mehr bezahlen könnten. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Zwar begründet der Antragsteller die Unzumutbarkeit des Abwartens einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren auch mit der Erwägung, dass sein Versicherer das Aufrechnungsverbot nicht beachten werde und er daher aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage sei, die Honorarforderungen seiner behandelndenÄrzte zu begleichen. Falls dies geschähe und das Krankenversicherungsunternehmen des Antragstellers sich nicht rechtstreu verhalten würde, wäre es dem Antragsteller allerdings zuzumuten, ggf. Rechtsschutz durch die Zivilgerichte in Anspruch zu nehmen. Das System der staatlichen Rechtsschutzgewährung sieht in den Fällen zivilrechtlicher Streitigkeiten, wie es bei der Auseinandersetzung über Rechte und Pflichten der Parteien eines privaten Krankenversicherungsvertrags der Fall ist, die Zuständigkeit der Zivilgerichte vor; dies gilt natürlich auch in Streitigkeiten von für die Parteien existenzieller Bedeutung, wie dies z. B. im Bereich des Familienrechts üblicherweise der Fall ist. In Fällen der Mittellosigkeit können die Parteien ggf. Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen. Daher besteht für den Senat kein Zweifel, dass der Antragsteller in der von ihm geschilderten - möglichen - Situation einer Aufrechnung des Versicherungsunternehmens sich ggf. zumutbarer Weise an die Zivilgerichte wenden muss (so auch SG Dresden, Beschluss vom 11.02.2010 - S 21 AS 438/10 ER -; anderer Ansicht LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, aaO.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2009 - L 2 SO 2529/09 ER-B -; SG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.10.2009 - S 31 AS 174/09 ER -). Schließlich kann der behandelnde Arzt seinen Honoraranspruch im Fall einer Behandlung des Antragstellers in jedem Fall durchsetzen, weil er gemäß § 192 Abs. 7 VVG seinen Anspruch auf Leistungserstattung auch gegen den Versicherer geltend machen kann; eine evtl. Gefährdung einer erforderlichen Behandlung des Antragstellers besteht demnach ferner aus diesem Grund nicht.
Der Antragsteller kann das Vorliegen eines Anordnungsgrundes aufgrund eines anderenfalls eintretenden unzumutbaren Nachteils im Sinne des§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht mit Erfolg mit der Erwägung begründen, dass es ihm nicht zuzumuten sei, sich rechtswidrig zu verhalten, indem er einer Verpflichtung zur Beitragszahlung nicht nachkomme. Außerdem bestehe die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm die verlangten seine Existenz sichernden Leistungen zu bewilligen, weil eine Verlagerung der Kosten der Existenzsicherung auf ihn, den Antragsteller, bzw. auf Dritte, d. h. den privaten Versicherer von Verfassungswegen ausgeschlossen sei. Dieser Gesichtspunkt berücksichtigt nach Auffassung des Senats nicht ausreichend die Entscheidung des Gesetzgebers des § 193 Abs. 6 Satz 5 VVG und des § 26 SGB II, der trotz Bestehens einer Deckungslücke bei den Versicherungsbeiträgen einen Anspruch der Hilfebedürftigen im Sinne des SGB II auf Kranken- und Pflegeversicherungsschutz statuiert hat. Zwar wird ein Anspruch des Hilfebedürftigen auf die Bewilligung von Leistungen zur Begleichung der Beitragsschuld in voller Höhe im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gerade aufgrund der angenommenen Rechtswidrigkeit der genannten Regelung des § 26 SGB II angenommen. Diese Erwägungen mögen für die Frage eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die beantragten Leistungen zumal in einem Hauptsacheverfahren von Bedeutung sein. Für die Frage des Vorliegens eines Anordnungsgrundes spielen sie nach Auffassung des Senats indes keine Rolle, weil insoweit von der Rechtmäßigkeit der genannten Regelungen auszugehen ist.
Schließlich ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruch auch nicht deshalb anzunehmen, weil, wie der Antragsteller betont, aufgrund der rückständigen Beitragszahlungen erhebliche Schulden entstehen. Allein das Vorhandensein von Schulden rechtfertig nicht die Annahme des Vorliegens eines Anordnungsgrundes, denn maßgebend ist insoweit allein, ob bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren ein schwerer, unzumutbarer Nachteil für den Antragsteller entsteht. Ein solcher Nachteil besteht, wie auch in sonstigen Fallkonstellationen nach dem SGB II aufgrund des Bestehens von Schulden noch nicht. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, wie z. B. der drohende Verlust der Wohnung, die die Annahme eines wesentlichen Nachteils im Sinn des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG rechtfertigen können. Die vom Antragsteller dargestellten möglichen Schwierigkeiten im Geschäftsverkehr aufgrund der Anhäufung von Schulden können einen Nachteil in dem genannten Sinn nicht begründen. Zudem bestehen die geschilderten Situationen nicht akut, sondern sind lediglich als mögliche Folge denkbar, deren Eintritt allerdings ungewiss ist.
Liegt demnach ein Anordnungsgrund für den beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor, kann die Frage eines etwaigen Anordnungsanspruchs dahin stehen. Ob der Antragsteller die beantragten Leistungen beanspruchen kann, ist daher im Hauptsacheverfahren zu entscheiden.
Weil der Antragsteller im Beschwerdeverfahren unterlegen ist, hat er keinen Anspruch auf die Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten (§ 193 Abs. 1 SGG).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).