Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 10.06.2010, Az.: 16 U 3/10
Verjährungsbeginn von Schadensersatzansprüchen wegen arglistigen Verschweigens eines Mangels durch den Bauunternehmer
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 10.06.2010
- Aktenzeichen
- 16 U 3/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 43827
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0610.16U3.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 08.12.2009 - AZ: 5 O 267/09
Rechtsgrundlagen
- § 635 a.F. BGB
- § 638 a.F. BGB
Fundstelle
- IBR 2010, 565
Amtlicher Leitsatz
Zur Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus § 635 BGB a.F. und den Voraussetzungen der Arglisthaftung des Unternehmers.
In dem Rechtsstreit
R. B., ..., als Verwalter der Wohnungseigentumsanlage ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
gegen
P. N., ...,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 8. Dezember 2009 verkündete Urteil des Landgerichts Lüneburg - 5. Zivilkammer - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: bis zu 22.000 €.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz und Feststellung weiterer Ersatzpflicht aus einem Bauvertrag von 1994 über die Herstellung von Fliesenarbeiten und Abdichtung der seinerzeit errichteten Balkone. Als einzige Vertragsunterlage ist dazu noch die Rechnung von 1994 vorhanden (Bl. 7 der BA) sowie eine Schnittzeichnung des damals tätigen Architekten D. (Bl. 6 der BA), die nach Behauptung des Klägers Vertragsgrundlage mit dem Beklagten gewesen sein soll.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen, das die Klage wegen Verjährung abgewiesen hat. Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine Ausführungen im Hinblick auf arglistiges Verhalten des Beklagten wiederholt und vertieft. Nach seinem Vortrag habe der Beklagte arglistig gehandelt, weil eine nach DIN 18195 vorgeschriebene Abdichtung der Balkonarbeiten nicht eingebaut sei. Zu den vertraglichen Vereinbarungen hat der Kläger sich bereits in erster Instanz auf das Zeugnis D. berufen (Bl. 3, ergänzend BB Bl. 71).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 8. Dezember 2009 abzuändern:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.892,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins auf 16.089,97 € seit dem 11. September 2008 und auf 3.802,45 € seit dem 27. August 2009 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte etwaige nachgewiesene Mehrkosten der Mängelbeseitigung und auch die bei der Mängelbeseitigung angefallene und nachgewiesene Mehrwertsteuer zu erstatten hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen D. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27. Mai 2010 verwiesen.
II. Die Berufung hat im Ergebnis keinen Erfolg.
1. Die in der Berufung vom Beklagten erstmals (Bl. 102) in Frage gestellte Aktivlegitimation des Klägers ist insoweit geklärt, als der Kläger eine Abtretungserklärung des damaligen Bauherrn M. (Bl. 122) vorgelegt hat, nachdem die Gewährleistungsansprüche aus dem damaligen Bauvertrag mit dem Beklagten an die vom Kläger vertretene Wohnungseigentümergemeinschaft abgetreten worden sind.
Darauf kommt es jedoch letztlich nicht einmal an, weil die Klage aus sachlichen Gründen keinen Erfolg haben kann (dazu 2.).
2. Allein denkbare Schadensersatzansprüche aus dem Bauvertrag von 1994 nach § 635 BGB a. F. sind verjährt, es sei denn, dem Beklagten kann Arglist zur Last gelegt werden. Dies erfordert, dass er bei den Arbeiten in 1994 bewusst und in Kenntnis mangelhaft gearbeitet und dies verschwiegen hat. Nur dann würde die damals 30ig-jährige Verjährungsfrist gelten, die folglich nach § 195 BGB n. F. i. V. m. Art. 229 § 6 EGBGB erst nach 3 Jahren, beginnend ab Kenntnis des Klägers, ablaufen würde, so dass Ansprüche nicht verjährt wären (zur Verjährung in sog. Überleitungsfällen vgl. OLG Celle, 7. Zivilsenat, BauR 2009, 667 [OLG Celle 26.03.2008 - 7 U 89/07] Rz. 22, zitiert nach juris). Kenntnis in diesem Sinne (oder grob fahrlässige Unkenntnis) hatte der Kläger aber erst durch die Arbeiten des Malers im Jahre 2008 als erstmals die Mängel zutage traten und sodann (rechtzeitig) das Beweisverfahren eingeleitet worden ist. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann hier nicht ein etwaiges Mitverschulden des damals tätigen Architekten D. dem Kläger bzw. der WEG zugerechnet werden, weil der Architekt eine etwa fehlende Abdichtung auch nicht erkannt hat aber hätte erkennen müssen.
Die Entscheidung hängt somit davon ab, ob der Kläger arglistiges Verschweigen eines Mangels durch den Beklagten zu beweisen vermag.
Arglistiges Verschweigen eines Mangels liegt vor, wenn der Unternehmer den Mangel zu irgendeinem Zeitpunkt während der Herstellung wahrgenommen, seine Bedeutung als erheblich für den Bestand oder die Benutzung der Leistung erkannt, ihn aber dem Besteller wider Treu und Glauben nicht mitgeteilt hat. Dies setzt sichere Kenntnis des Mangels voraus und das Bewusstsein, die Leistung vertragswidrig erbracht zu haben (MüKo BGB, 5. Aufl., § 634 a BGB m. w. N. aus der Rechtsprechung).
Diese Voraussetzungen vermag der Senat aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festzustellen.
Entscheidend ist dabei zunächst die Frage, was im Jahr 1994 mit dem Beklagten vertraglich vereinbart war im Hinblick auf die streitige Abdichtung der Balkone.
Schon dies vermag der Senat nicht zuverlässig festzustellen, denn vertragliche Unterlagen oder ein Leistungsverzeichnis über die auszuführenden Arbeiten gibt es nicht mehr. Aus der allein vorliegenden Rechnung des Beklagten lassen sich zur Ausführung der Arbeiten und vor allem der konkreten und damit geschuldeten Ausführungsart der Abdichtung keine zuverlässigen Schlüsse ziehen, denn dort ist - soweit hier von Interesse - lediglich von einer "Balkonisolierung auf Estrich" die Rede.
Auf welche konkrete Art und Weise die Abdichtung hergestellt werden sollte, kann auch nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung einschließlich der Aussage des Zeugen D. nicht mehr festgestellt werden. Allerdings ist mit der Aussage dieses Zeugen davon auszugehen, dass die Abdichtung zum Auftrag des Beklagten gehörte, wie sich dies auch aus der in der Rechnung aufgeführten Position "Balkonisolierung" ergibt. Der Zeuge hat darüber hinaus bekundet, ob eine Abdichtung durch dicke Spachtellage oder Abdichtfolie vereinbart gewesen sei, könne er nicht mehr sagen; Genaueres könne nur dem Leistungsverzeichnis entnommen werden, was aber leider nicht mehr vorliege.
Danach kann mit dem im Beweisverfahren eingeholten Gutachten und den dortigen ergänzenden Stellungnahmen des Sachverständigen Z. zwar wohl davon ausgegangen werden, dass die Abdichtung der Balkone nicht mangelfrei und vor allem nicht nach der damals gültigen DIN 18195 hergestellt worden ist, denn eine Abdichtungsfolie vermochte der Sachverständige nicht festzustellen, ebenso wenig die Hochführung der Abdichtung an der Wand. Dies alles vermag aber lediglich einen Mangel in der ausgeführten Abdichtung durch den Beklagten zu begründen, nicht aber die Voraussetzungen der Arglist im oben genannten Sinne. Der Beklagte - persönlich angehört - hat zudem erklärt, dass - abweichend von der ursprünglichen Planung - die Fliesen nicht (mehr) im Mörtelbett verlegt, sondern verklebt werden sollten; auch dies konnte der Zeuge D. nicht ausschließen, wenn er auch meinte, jedenfalls mit ihm sei eine Absprache insoweit nicht erfolgt. Nach den Ausführungen des Beklagten sei dann auf den vom Estrichleger verlegten Estrich von ihm eine Isolierschicht und sodann der Kleber im Verfahren nass in nass aufgebracht worden. Dies mag erklären, warum der Sachverständige Z. eine solche Schicht nicht (mehr) hat feststellen können.
Nach allem lässt sich mithin die für die Arglist - und damit eine Verlängerung der Verjährung - erforderliche sichere Kenntnis eines Mangels und damit das Bewusstsein, die Leistung vertragswidrig erbracht zu haben, nicht mit der für eine Verurteilung hinreichenden Sicherheit feststellen, so dass die Klage keinen Erfolg haben kann.
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.