Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 03.06.2010, Az.: 16 U 135/09
Haftung des Gläubigerausschusses wegen unzureichender Überwachung des Insolvenzverwalters hinsichtlich einer Veruntreuung von zur Insolvenzmasse gehörenden Geldern
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 03.06.2010
- Aktenzeichen
- 16 U 135/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 25970
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0603.16U135.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 25.08.2009 - AZ: 2 O 203/08
- nachfolgend
- BGH - 21.03.2013 - AZ: IX ZR 109/10
Rechtsgrundlagen
- § 71 InsO
- § 69 InsO
Fundstellen
- EWiR 2010, 723
- KSI 2010, 236-237
- NJW-Spezial 2010, 629-630
- NZG 2010, 980
- NZI 2010, 609-614
- NZI 2010, 6
- ZIP 2010, 1862-1867
- ZInsO 2010, 1233-1239
Amtlicher Leitsatz
Zur Haftung des Gläubigerausschusses wegen unzureichenderÜberwachung des Insolvenzverwalters gemäß §§ 69, 71 InsO; hier Geldtransfer zwischen sog. Festgeldkonto und sog. Poolkonto.
In dem Rechtsstreit
Rechtsanwalt M. S. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. Wasser und Rohrtechnik GmbH, ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
gegen
1. W. G., ...,
2. P. H., ...,
3. U. S., ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 3:
Anwaltsbüro ...,
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 20. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 25. August 2009 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover teilweise geändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.366.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunktenüber dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2008 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die ...bank aus dem Verfahren 11 O 413/07 (LG Hannover).
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu 74 %, der Kläger zu 26 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 6,366 Mio. €.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist seit dem 30. Juni 2005 Insolvenzverwalterüber das Vermögen der P. Wasser- und Rohrtechnik GmbH. Das Insolvenzverfahren war bereits am 9. September 2002 eröffnet worden und zunächst R. M. zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Dieser ist mittlerweile wegen Untreue in 106 Fällen (Verfügungen von Insolvenzsonderkonten zu Lasten zahlreicher Insolvenzmassen für eigene Zwecke oder für von ihm gehaltene Firmen) rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt worden (K 7), darunter auch Abbuchungen zu Lasten der P. in der Größenordnung von über 6 Mio. €.
Im vorliegenden Verfahren nimmt der Kläger die Beklagten als Mitglieder des Gläubigerausschusses, wobei der Beklagte zu 3 seit dem 25. September 2002 als Kassenprüfer bestimmt war (Anlage K 23, Anlagenband), wegen behaupteter Pflichtverletzungen im Hinblick auf die Prüfung undÜberwachung des Insolvenzverwalters M. auf Schadensersatz in Anspruch.
M. führte als Hinterlegungskonten (Beschluss der Gläubigerversammlung, K 6) bei der ... Bank AG das Konto mit der Endnummer 838 sowie bei der ...bank das Konto mit der Endnummer 4100 (Anlage K 6). Nach den Feststellungen der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Hildesheim (K 7, dort LGU Seite 13 f.) erfolgten die Untreuehandlungen von M. - in dem hier interessierenden Fall der P. Wasser- und Rohrtechnik - in der Weise, dass M.Überweisungen von dem bei der ...bank eingerichteten Hinterlegungskonto mit der Endnummer 4100 auf das von ihm eingerichtete Konto bei der ...bank mit der Endnummer 1800 vornahm (hier erstmals am 15. Oktober 2002 in Höhe von 1 Mio. €), von wo er die Gelder sodann hauptsächlich auf Konten der K. oder anderer Firmen und auf private Konten weiterleitete, wodurch sie der Masse verloren gingen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung im Strafurteil des LG Hildesheim (K 7, Seite 13, und die Tabelle Bl. 32 f.) Bezug genommen. Hierbei war das Konto 1800 bei der ...bank als sog. Poolkonto eingerichtet, auf das Gelder aus verschiedensten Verfahren, in denen M. zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, geflossen sind, um nach seinen Angaben eine bessere wirtschaftliche Anlage der treuhänderisch gebundenen Gelder zu erreichen.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagten hätten ihre Pflichten als Mitglieder des Gläubigerausschusses durch nachlässige und nicht zeitgerechte Prüfungen verletzt und dadurch den eingetretenen Schaden der Masse verursacht. Sie hätten - insbesondere der Beklagte zu 3 als Kassenprüfer - die treuwidrigen Verfügungen über die Gelder von dem Insolvenzsonderkonto der ...bank Nr. ...4100 über das Poolkonto und letztlich auf private Konten von M. bemerken können und müssen. Es fehle an hinreichenden Kassenprüfungen und Überprüfung der erforderlichen Belege. So hätten die Beklagten sich auch nicht die angeblichen Festgeldvereinbarungen vorlegen lassen und die Zinsberechnungen auf Plausibilität überprüft. M. habe zudem durch die Abbuchungen auch gegen § 149 Abs. 2 InsO a. F. verstoßen, weil er nicht alleinüber die Konten habe verfügen dürfen.
Folgende Abbuchungen sind ausweislich der Buchhaltung durch M. vorgenommen worden (K 15):
15.10.2002 | 1.000.000,00 € |
---|---|
30.05.2003 | 100.000,00 € |
26.06.2003 | 250.000,00 € |
25.07.2003 | 450.000,00 € |
15.08.2003 | 3.000.000,00 € |
22.08.2003 | 1.000.000,00 € |
22.09.2003 | 86.996,57 € |
14.01.2004 | 740.003,43 € |
04.06.2004 | 100.000,00 € |
14.07.2004 | 150.000,00 € |
13.10.2004 | 40.000,00 € |
Abzüglich erfolgter Rückbuchungen zwischen dem 21. Januar 2003 und 1. September 2004 über insgesamt 551.000 € (Bl. 33 und K 15) ergibt sich die Klagesumme von 6.366.000 €.
Die Beklagten haben Pflichtverletzungen in Abrede genommen und eine erste Kassenprüfung am 5. Februar 2003 behauptet, die allerdings als nicht prüfbar abgebrochen worden sei. Weitere Prüfungen der Kasse seien am 25. Juni 2003, 6. August 2003 und 17. Oktober 2003 vorgenommen worden; eine letzte Prüfung sei am 4. März 2004 erfolgt. Treuwidrige Verfügungen seien nicht erkennbar gewesen. Ein Kausalzusammenhang zu dem geltend gemachten Schaden bestehe nicht, weil M. ohnehin zu den schädigenden Handlungen fest entschlossen gewesen sei.
Das Landgericht hat die Klage vor allem mit der Erwägung abgewiesen, dass die behaupteten Pflichtverletzungen nicht schadensursächlich geworden seien.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand verwiesen wird, richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlich gestellten Anträge (in etwas modifizierter Form) weiterverfolgt.
Er greift die Auffassung des Landgerichts zur fehlenden Kausalität der Pflichtverletzungen als fehlerhaft an und vertieft sein Vorbringen zur Verletzung der Kontrollpflichten des Gläubigerausschusses und des Kassenprüfers sowie zur Kausalität der Pflichtverletzung und zum Schaden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hannover vom 25. August 2009, Aktenzeichen 2 O 203/08, aufzuheben.
Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 6.366.000 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent auf den jeweils ausstehenden Betrag für die Zeit vom 15. Oktober 2002 bis 12. Dezember 2007, insgesamt 1.121.803,12 €, sowie Zinsen auf 6.366.000 € in Höhe von 4 Prozent für die Zeit vom 13. Dezember 2007 bis Rechtshängigkeit und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise:
Die Beklagten Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen die ...bank aus dem Verfahren 11 O 413/07 (LG Hannover) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 6.366.000 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent auf den jeweils ausstehenden Betrag für die Zeit vom 15. Oktober 2002 bis 12. Dezember 2007, insgesamt 1.121.803,12 €, sowie Zinsen auf 6.366.000 € in Höhe von 4 Prozent für die Zeit vom 13. Dezember 2007 bis Rechtshängigkeit und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und vertiefen ihre Auffassung zur fehlenden Pflichtverletzung und zum Schaden.
II. Die Berufung des Klägers hat im Umfang des Tenors Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 71 InsO gegen die Beklagten zu, weil diese als Mitglieder des Gläubigerausschusses ihre Pflichten zur Überwachung und Kontrolle des ehemaligen Insolvenzverwalters M. schuldhaft verletzt haben und dies zu einem Schaden geführt hat.
1. Die Beklagten wurden dem Insolvenzgericht als Mitglieder des vorläufigen Gläubigerausschusses vorgeschlagen und vom Insolvenzgericht entsprechend eingesetzt, nachdem sie ihre Bereitschaft zur Übernahme des Amtes am 11. September 2002 erklärt hatten. Dies räumen die Beklagten in der Berufungserwiderung (Bl. 415) selbst ein. Am 27. November 2002 wurden sie im Rahmen der ersten Gläubigerversammlung zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses gewählt (K 6), nachdem bereits am 25. September 2002 eine erste Sitzung des Gläubigerausschusses stattgefunden hatte, in der der Beklagte zu 3 zum Kassenprüfer gewählt worden war (K 23 Anlagenband). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Passivlegitimation der Beklagten mit der Annahme des Amtes beginnt (dazu OLG Rostock ZInsO 2004, 814; Vallender WM 2002, 2040, 2042; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 67 Rn. 19). Dies war hier der 25. September 2002, spätestens aber der 27. November 2002 (Gläubigerversammlung).
2. Pflichtverletzungen
Nach § 69 InsO haben die Mitglieder des Gläubigerausschusses den Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen und zu überwachen. DieÜberwachung gehört dabei zu der wichtigsten Aufgabe (Uhlenbruck aaO.,§ 69 Rn. 12), wobei diese sowohl nachträgliche als auch begleitende und vorausschauende Kontrolle umfasst und sich nicht allein auf die Rechtmäßigkeit, sondern auch auf Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung erstreckt (Pape ZInsO 2004, 955 ff.; zu Risiken der Mitwirkung im Gläubigerausschuss auch Pape WM 2006, 19 ff.). Zu prüfen ist insbesondere auch der Geldverkehr, d. h. Prüfung der Kasse und Konten einschließlich der dazugehörigen Belege (BGHZ 71, 253; BGH ZIP 2008, 124, [BGH 29.11.2007 - IX ZB 231/06] zitiert nach juris Rn. 10; BGHZ 124, 86 juris Rn. 31; neuerdings zur Kassenprüfung auch Gundlach, Frenzel, JahnZInsO 2009, 902 ff.). Zu überwachen hat der Gläubigerausschuss auch, dass der Verwalter die Vorschrift des § 149 Abs. 2 InsO a. F. (hier gültig in der Fassung bis 2007) beachtet, nach der er hinterlegte Gelder nur dann in Empfang nehmen darf, wenn ein Mitglied des Gläubigerausschusses die Quittung mit unterzeichnet. Gleiches gilt für die Erteilung einer Anweisung.
Diesen so beschriebenen Pflichten sind die Beklagten, insbesondere aber auch der Beklagte zu 3 in seiner Eigenschaft als Kassenprüfer in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nicht gerecht geworden. Sie haben im Gegenteil ihre Überwachungspflichten schon nach dem eigenen Vortrag in hohem Maße verletzt.
a) Die von den Beklagten behauptete Kassenprüfung vom 5. Februar 2003, über die es kein Protokoll gibt und offenbar auch sonstige Unterlagen nicht zur Verfügung stehen, fand nicht nur zu spät statt, nämlich erst gut vier Monate nach der ersten Gläubigerausschusssitzung, in der der Beklagte bereits zum Kassenprüfer bestellt worden war; sie wurde nach dem eigenen Vortrag der Beklagten (Bl. 86) auch ergebnislos abgebrochen, weil die vorgelegten Unterlagen sich "in einem desolaten Zustand" befanden und nicht prüfbar waren. Zwar ist nach § 69 InsO - anders als noch nach § 88 KO - nicht mehr eine Prüfung wenigstens einmal pro Monat vorgeschrieben. Der Turnus der Prüfung kann vielmehr nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Ausschusses flexibel gestaltet werden. Daraus kann aber nicht hergeleitet werden, dass eine Prüfung auch noch erst vier Monate nach der ersten Ausschusssitzung rechtens ist. Dies vor allem auch deshalb, weil bereits in dieser Sitzung der Verkauf von Geschäftsanteilen der Gemeinschuldnerin an die H. für 2,25 Mio. € genehmigt worden war und allein schon deshalb eine begleitende Beobachtung der Abwicklung dieses Geschäfts geboten war. Das braucht allerdings auch nicht weiter vertieft zu werden, weil jedenfalls die Kassenprüfung vom Februar 2003 als nicht prüfbar abgebrochen worden ist und eine nächste - diesmal allerdings protokollierte - Prüfung erst wieder am 25. Juni 2003 stattgefunden hat. Die Beklagten legen auch nicht näher dar, welche Folgerungen und Konsequenzen denn die abgebrochene Prüfung gehabt haben soll. Jedenfalls ist offensichtlich zeitnah zu der begonnenen Prüfung im Februar 2003 keine weitere Prüfung der Konten und Belege vorgenommen worden. Dies legen die Beklagten auch nicht dar. Für eine derartige zeitnahe und intensive Prüfung hätte aber aller Anlass bestanden, weil die Unterlagen und Belege nach dem eigenen Vortrag der Beklagten völlig ungeordnet und unvollständig waren. In der erst am 25. Juni 2003 vorgenommenen und beendeten Prüfung, die nach dem Protokoll ohne Beanstandungen verlaufen ist (K 10), liegt somit eine weitere Pflichtverletzung, weil hierdurch eine kontinuierliche Kontrolle (dazu Pape WM 2006, 22) des Insolvenzverwalters M. gerade nicht stattgefunden hatte. Diese Pflichten trafen nicht nur den Beklagten zu 3 als Kassenprüfer, sondern auch die Beklagten zu 1 und 2 als weitere Mitglieder des Gläubigerausschusses, denn ihre eigene Aufgabe ist auch bei der Delegierung der Kassenprüfung, dass sie sich von deren Richtigkeit und Qualität selbst zu überzeugen haben (Pape aaO.; OLG Rostock ZInsO 2004, 814). Insoweit fehlt es auch an jeglichem Vortrag, was die Beklagten zu 1 und 2 auf die wegen desolater Unterlagen abgebrochene Prüfung veranlasst haben. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten kann nur davon ausgegangen werden, dass sie nichts veranlasst und sich auch nicht um eine zeitnahe Wiederholung der Prüfung gekümmert haben.
Die gleichen Erwägungen gelten auch für die nach Behauptung der Beklagten am 6. August 2003 vorgenommene weitere Kassenprüfung (nicht protokolliert), die ebenfalls wieder zu einer Vielzahl von Beanstandungen geführt haben soll (Bl. 96), während die aus der ersten Kassenprüfung gerügten Vorfälle zwar größtenteils (!) korrigiert waren, sich diese (Beanstandungen) jedoch bei der Fortführung der Kasse sowie der Konten fortsetzten. Die Beklagten teilen selbst mit: "ohne die vorstehend genannten Ergänzungen und Unterlagen zur Beseitigung der Belegmängel war es dementsprechend gar nicht möglich, die daraufhin weiteren notwendigen Prüfungen - insbesondere der ...bank-Konten - vornehmen zu können." Auch nach weiteren Anmahnungen wurden dann, so die Behauptung der Beklagten (Bl. 97), die Kassenunterlagen am 17. Oktober 2003 zur Verfügung gestellt und wiederum bemängelt und die Anfertigung eines Prüfungsprotokolls verweigert, um Druck auszuüben. Auch diese behauptete Prüfung musste deshalb ergebnislos abgebrochen werden, weil die Unterlagen offenbar nicht prüfbar und nachvollziehbar waren. Schließlich wurde dann erst am 4. März 2004 eine weitere Kassenprüfung vorgenommen (Protokoll K 11), die nach dem Protokoll keine Beanstandungen aufweist.
Der Ablauf dieser von den Beklagten selbst so dargestellten Prüfungen belegt sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch inhaltlich, dass die Kassen- und Belegprüfungen - hier vor allem der Geldtransfer zwischen verschiedenen Konten - entweder gar nicht ordnungsgemäß vorgenommen werden konnten, weil Unterlagen unzureichend und nicht prüfbar waren, andererseits aber auch gerade in zeitlicher Hinsicht keine geeigneten Maßnahmen getroffen wurden, um festgestellte Mängel zeitnah zuüberprüfen und notfalls auch korrigierend und mit weiteren Maßnahmen einzuschreiten (z. B. Information des Insolvenzgerichtsüber die unzulänglichen Unterlagen und die eingetretene Zeitverzögerung der Prüfungen). Gerade die nach der Darstellung der Beklagten offen zutage getretenen Mängel in der Belegführung und offenbar gewordenen Unzulänglichkeiten hätten sowohl den Beklagten zu 3 als Kassenprüfer als auch die Beklagten zu 1 und 2 bereits frühzeitig in Aktion setzen und warnen müssen, um sofort eine vollständige Überprüfung zu ermöglichen. Das ist indessen nicht geschehen. Jedenfalls im Nachhinein zeigt sich, dass der Insolvenzverwalter M. in dem Zeitraum beginnend am 15. Oktober 2002 bis Oktober 2004 offenbar unschwer die Gelegenheit hatte - und dies (wie in vielen anderen Insolvenzverfahren) auch genutzt hat - Gelder der Schuldnerin zum Teil in Millionenhöhe von dem bei der ...bank geführten Konto (genannt Festgeldkonto mit der Endziffer 4100) auf das sog. Poolkonto bei der ...bank mit der Endziffer 1800 zu übertragen, ohne dass dies von den Beklagten auch nur einmal hinterfragt worden wäre. Wie bekannt, sind die Gelder sodann von dem sog. Poolkonto letztlich auf Privatkonten bzw. Firmenkonten von M. weitergeleitet und so beiseite geschafft worden. Alles dies hätten die Beklagten bei einer sorgfältigen Kontrolle aber bereits frühzeitig bemerken und verhindern können und müssen.
Soweit die Beklagten meinen, es hätte von ihnen keine zusätzliche besondere Überwachungssorgfalt abverlangt werden können, weil es sich bei M. um einen branchenkundigen und erfahrenen Insolvenzverwalter mit einem über die Region hinaus praktisch unanfechtbarem Ruf gehandelt habe, verkennen sie offenbar die dem Gläubigerausschuss obliegende Aufgabe, die aus derÜberwachungspflicht des § 69 InsO folgt. Diese Pflicht ist gerade nicht etwa abhängig zu machen von dem Ruf oder der Erfahrung des Verwalters, vor allem gerade dann nicht, wenn schon die erste und verspätete Prüfung zu erheblichen Beanstandungen führt. Gerade dann setzt die Aufgabe eines verantwortlichen Mitglieds des Gläubigerausschusses ein, denn sonst wäre das gesetzliche Ziel derÜberwachung im Sinne der Masse und vor allem der beteiligten Gläubiger von vornherein verfehlt.
Ebenso wenig durfte der Beklagte zu 3 sich allein damit beruhigen, dass durch die Nichterteilung eines Prüfungsprotokolls ausreichend Druck auf den Verwalter M. ausgeübt werde, weil das Insolvenzgericht die Kassenprüfungsprotokolle anzufordern hatte (Bl. 95). Auch eine solche Auffassung verkennt nach Ansicht des Senats die ureigenste Aufgabe des Gläubigerausschusses, der gerade in eigener Zuständigkeit dazu berufen ist, die Prüfungen vorzunehmen und Beanstandungen seinerseits unmittelbar dem Insolvenzgericht anzuzeigen, damit es von dort aus tätig werden kann. Es verkehrt geradezu die Aufgabenverteilung, wenn die Kassenprüfung es dabei belässt und ihrerseits lediglich abwartet, dass andere die Überwachungsaufgaben doch wahrzunehmen hätten. Die schlichte Behauptung, man habe die Beanstandungen vielmehr dem Insolvenzverwalter bzw. seinen verantwortlichen Mitarbeitern vorgehalten mit der Bitte um zügige Aufklärung und Nachbesserung (Bl. 96), wobei dies jeweils umfassend erfolgt sei, ist substanzlos und einer weiteren Aufklärung nicht zugänglich. Dieser Vortrag lässt sich auch nicht mit der oben dargestellten Abfolge der Prüfungstermine und deren Ergebnissen in Einklang bringen.
b) Eine weitere Pflichtverletzung liegt darin, dass die Beklagten, insbesondere der Beklagte zu 3, es offenbar unterlassen haben, das von M. als sog. Poolkonto bei der ...bank eingerichtete Konto hinreichend zu überprüfen. Schon die erste Überweisung von 1 Mio. € erfolgte am 15. Oktober 2002 von dem als Hinterlegungskonto geführten Konto ...bank Nr. ...4100 auf das Festgeldpoolkonto bei der ...bank Nr. ...1800 (Anlage K 8). In den einzig vorliegenden Kassenprüfungsprotokollen (K 10, 11) finden sich zu diesem Konto überhaupt keine Feststellungen, obwohl dies hätte naheliegen müssen.
Ein Einblick in die Auszüge des als Hinterlegungskonto geführten Kontos mit der Endnummer 4100 ...bank (K 8) zeigt, dass dort bis auf wenige Ausnahmen nur kurzfristig Gelder der Schuldnerin gutgeschrieben wurden und innerhalb weniger Tage eine Umbuchung auf das sog. Poolkonto mit der Endnummer 1800 erfolgte. Bereits dieser Eindruck hätte in jedem Falle eine genaue Überprüfung dieses Kontos als unbedingt erforderlich angezeigt sein lassen müssen. Dem Insolvenzverwalter war zwar die Einrichtung weiterer Konten gestattet (K 6), das entband aber die Mitglieder des Gläubigerausschusses nicht etwa davon, auch diese weiteren Konten zu prüfen und insbesondere den Geldfluss und die Mittelverwendung zu kontrollieren.
Unabhängig davon sind die Feststellungen in der Kassenprüfung vom 25. Juni 2003 auch offensichtlich unzutreffend, denn das Konto ...4100 konnte zum 2. Juni 2003 nicht den im Protokoll ausgewiesenen Stand von 733.235,17 € aufgewiesen haben. Das ergibt sich aus den Anlagen K 8, Auszug Nr. 5 und 6 vom 30. Mai 2003 (Stand 3,43 €) bzw. am 26. Juni 2003: 50.003,43 €.
Ähnliches ergibt sich zur Kassenprüfung vom 4. März 2004 (K 11), in der für das Konto ...4100 ein Stand von 5.578,654,84 € ausgewiesen wird per 31. Dezember 2003. Auch dies lässt sich mit den entsprechenden Kontoauszügen dieses Kontos (K 8) nicht in Einklang bringen. Dagegen ergibt sich fast genau dieser vorgenannte Betrag aus der "Abrechnung Festgeldpool" des Treuhandanderkontos M. (K 13) Auszug Nr. 6 bzw. 5 per 31. Dezember 2003. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass der Kassenprüfung tatsächlich lediglich die sog. Eigenbelege von M. vorgelegen haben. Aus diesen war allerdings für einen unbefangenen Betrachter unschwer zu erkennen, dass es sich keineswegs um einen Kontoauszug einer Bank handelte, wenngleich das äußere Erscheinungsbild den Auszügen der ...bank entsprach. Es fehlte jedoch jede Kontonummer und die sonst üblichen Bankbezeichnungen, so dass für einen Kassenprüfer wie den Beklagten zu 3, der immerhin Rechtsanwalt und in Insolvenzverfahren erfahren ist, unschwer zu erkennen war, dass es sich hier lediglich um Eigenbelege von M. persönlich handeln konnte. Dies hätte dringenden Anlass zu weiterer Überprüfung geben müssen, die allerdings unterblieben ist (vgl. die Gegenüberstellung der Belege Bl. 383).
Zu der Einrichtung eines sog. Poolkontos gilt im Übrigen, dass auf diesem Konto Einzahlungen aus verschiedenen Insolvenzverfahren gepoolt werden, um auf diese Weise - so die Erklärung von M. - eine günstigere Anlageform zu erhalten und damit letztlich der verwalteten Masse günstigere Zinskonditionen zu verschaffen. Gleichwohl ist eine derartige Vorgehensweise nicht unproblematisch (dazu Paulus WM 2008, 473, 474), weil damit eine "erhöhte Gefahr treuwidriger Verdunkelungen durch den Verwalter" verbunden ist und die genaue Zuordnung der Guthaben erschwert werden kann. Diese Frage kann jedoch im Ergebnis offen gelassen werden (der nicht Gesetz gewordene Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung und Vereinfachung der Aufsicht im Insolvenzverfahren [GAVI, BT Drs. 16/7251] mag immerhin dafür sprechen, dass auch die Führung eines solchen Kontos nicht als von vornherein unzulässig anzusehen ist). Gleichwohl wird hierdurch jedenfalls die Zuordnung von Gutschriften für die jeweilige Insolvenzmasse erschwert und dies muss umgekehrt auch zu erhöhten Anforderungen an die Aufsichtspflichten des Gläubigerausschusses und insbesondere des Kassenprüfers führen.
Das Vorbringen der Beklagten (Bl. 100) versteht der Senat dahin (so auch der Kläger Bl. 353), dass sie (bzw. der Beklagte zu 3) ausschließlich das Konto der B.-Bank (Treuhandkonto) und dasjenige der ...bank mit der Endziffer 4100 (Festgeldkonto und ebenfalls Hinterlegungskonto) kontrolliert haben, nicht aber die Auszüge des hier in Rede stehenden Festgeldpoolkontos bei der ...bank mit der Endziffer 1800, welches M. am 12. November 2001 (K 14) als Anderkonto eröffnet hatte. Offenbar sind insoweit lediglich die "gefälschten" Kontoauszüge gemäß Anlage K 13 vorgelegt worden. Die Originalauszüge seien in Unkenntnis der Beklagten nicht vorgelegt worden, auch nicht der als Anlage K 12 nunmehr vorgelegte "Festgeldvertrag", den M. entgegen § 181 BGB mit sich selbst und zugleich für die Insolvenzschuldnerin abgeschlossen hatte (tatsächlich dürfte es sich insoweit eher um ein Darlehen an M. persönlich gehandelt haben).
Dies alles belegt, dass die Prüfung der Konten und Belege des Geldverkehrs durch die Beklagten (wenn überhaupt) insgesamt nachlässig und oberflächlich durchgeführt worden ist. Sie hätte anderenfalls dringend der weiteren Überprüfung und Nachfrage bedurft, um die angebliche Geldanlage auf dem Poolkonto und den Verbleib der Gelder einschließlich der Zinskonditionen und Gutschriften sowie den Geldrückfluss nachzuprüfen.
Ebenso unüberprüft geblieben sind die angeblichen Festgeldvereinbarungen mit der Bank und die Abrechnung der gezahlten Zinsen. Auch hier hätte weiterer Anlass zur Nachforschung und Prüfung bestanden. Offenbar haben sich die Beklagten nicht ein einziges Mal die Zinskonditionen vorlegen lassen, um festzustellen, ob die Zinsgutschriften tatsächlich auch bankmäßig zutreffend gewährt und gutgeschrieben wurden.
c) Eine weitere Pflichtverletzung der Beklagten liegt darin, dass sie nicht ihre Pflichten zur Mitunterzeichnung von Verfügungen über die Hinterlegungskonten wahrgenommen haben.
Bei dem Konto der ...bank mit der Endziffer 4100 handelte es nach dem Beschluss der Gläubigerversammlung um ein Hinterlegungskonto im Sinne des § 149 InsO a. F. (gültig bis 1. Juli 2007). Ein Beschluss der Gläubigerversammlung, dass der Insolvenzverwalter allein verfügen durfte, lag nicht vor. Deshalb hätte jede Anweisung zur Verfügungüber Guthaben dieses Kontos der Mitunterzeichnung nach § 149 Abs. 2 InsO a. F. bedurft. Schon damit wäre jede Überweisung oder Umbuchung von Geldern der Schuldnerin auf das sog. Poolkonto und vor allem auch jede weitere Überweisung von dort auf andere Konten zur Mitunterzeichnung vorzulegen gewesen. Auch diese haben die Beklagten, obwohl ihnen erkennbar spätestens aus der ersten Umbuchung vom 15. Oktober 2002, nicht beanstandet und nichts gegen die eigenmächtige Handlungsweise von M. unternommen (zur Überwachungspflicht RGZ 149,182; BGH WM 62, 349).
3. Verschulden
Die Beklagten trifft auch ein Verschulden, wobei Fahrlässigkeit bereits ausreicht. Sie hätten bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt eines gewissenhaften Gläubigerausschussmitgliedes die Konten und Belege zeitnah prüfen können und müssen. Die unter Ziffer 2 dargelegten Pflichtverletzungen wären bei sorgfältiger Ausübung des ihnen übertragenen Amtes vermeidbar gewesen. Es entlastet sie auch nicht, dass etwa das Insolvenzgericht selbst keine Maßnahmen getroffen hat. Ebenso wenig können sich die Beklagten etwa darauf berufen, ihnen seien ihre Pflichten und Aufgaben unbekannt gewesen.
4. Kausalität und Schaden
Im Ergebnis sind durch Untreuehandlungen des ehemaligen Verwalters M. der Masse Gelder in Höhe von insgesamt 6.366.000 € entzogen worden.
Entgegen der Ansicht des Landgerichtes ist auch die Kausalität der beschriebenen Pflichtverletzungen für den letztlich eingetretenen Schaden zu bejahen sein.
Der Bundesgerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass nach der Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass ein Vermögensverwalter es bei sorgfältiger Überwachung nicht wage, sich durch strafbare Handlungen an den ihm anvertrauten Werten zu vergreifen; dies stelle einen Anscheinsbeweis dar (BGHZ 124, 86, 95). Zwar ist normalerweise die Kausalität vom Anspruchsteller zu beweisen. In Ausnahmefällen komme jedoch ein Beweis des ersten Anscheins in Betracht, beispielsweise wenn ein Verwalter Unterschlagungen begangen hat, da hier die Lebenserfahrung dafür spreche, dass der Verwalter vom Gläubigerausschuss mangelhaft überwacht worden sei (MüKo-InsO/Schmid-Burgk, § 71 Rn. 10 m. w. N.).
In einem Vergleichsvorschlag hat der Bundesgerichtshof allerdings ausgeführt, dass problematisch sei, ob sich die erforderliche Kontrolldichte durch frühere Kontrolldefizite, die Schädigungen der Masse zur Folge hatten, steigern kann und ob Mitglieder des Gläubigerausschusses auch für weitere Schädigungen einstehen, die nicht mit normalen, wohl aber mit gesteigerten Kontrollmaßnahmen hätten verhindert werden können. Hinsichtlich der Kausalität sei fraglich, ob die Pflicht zur Überwachung des Verwalters dazu diene, solche Straftaten zu verhindern, die auch bei sorgfältiger Überwachung nicht erkennbar sind und ob insoweit der Anscheinsbeweis greife, dessen Reichweite dabei zu prüfen ist. Der Bundesgerichtshof hat insoweit die Frage aufgeworfen - ohne sie abschließend zu beantworten -, ob das bedeute, dass die "Kontrolleure" die (künftigen) Taten des Verwalters schon dadurch verursacht haben, dass sie ihm durch oberflächliche Kontrollen das Gefühl vermittelt haben, er könne sich relativ risikolos bedienen. Dabei könne entscheidend sein, ob den Mitgliedern des Gläubigerausschusses zum Vorwurf zu machen ist, die Taten nicht verhindert oder aber nur sie nicht aufgedeckt zu haben. Im letzteren Fall sei der Antragsteller dafür beweisbelastet, dass der untreue Insolvenzverwalter in der Lage war, den Fehlbetrag aus dem eigenen Vermögen zu entnehmen (BGH, Beschl. v. 22. März 2007, Az.: IX ZR 136/06).
Nach Auffassung des Senats ist auch unter Berücksichtigung dieser (eher sibyllinischen) Erwägungen die Kausalität der Pflichtverletzungen im Ergebnis zu bejahen, allerdings mit Ausnahme der ersten durch M. begangenen Untreue durch die Überweisung von 1 Mio. € am 15. Oktober 2002.
a) Aus der beschriebenen Vorgehensweise von M. und der oben dargestellten Pflichtverletzungen der Beklagten spricht der erste Anschein und die Lebenserfahrung bereits dafür, dass M. es nicht (weiterhin) gewagt hätte, sich an den anvertrauten Geldern zu vergreifen, wenn er denn von Beginn an einer konsequenten Kontrolle durch die Beklagten unterlegen gewesen wäre.
In diesem Zusammenhang mag die erste Abbuchung von 1 Mio. € am 15. Oktober 2002 noch außer Betracht gelassen werden, weil sie bereits kurze Zeit nach der ersten Gläubigerausschusssitzung erfolgt ist und bis dahin noch keine eingehende Kontrolle durch die Beklagten veranlasst gewesen ist.
Jedenfalls aber bis zu der hier erfolgten zweiten Veruntreuung durch Abbuchung am 30. Mai 2003 hätte längst eine eingehendeÜberprüfung der Konten und Geldbewegungen vorgenommen sein müssen, was jedoch gerade durch die nur begonnene und nicht beendete Kassenprüfung vom 5. Februar 2003 nicht der Fall gewesen ist. Daraus kann vernünftigerweise nur der Schluss gezogen werden, dass sich M. gerade auch durch diese groben Nachlässigkeiten der Überwachung darin bestärkt sehen konnte, auch diese Insolvenzmasse - wie in vielen anderen Fällen auch bereits in der Zeit davor (Strafurteil des LG Hildesheim) - in der Weise zu nutzen, dass Gelder zur Schließung des in den privaten Unternehmungen von M. aufgetretenen akuten Finanzbedarfs aus der Masse abgezweigt werden konnten und das Entdeckungsrisiko als gering zu veranschlagen sei. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil - wie oben bereits ausgeführt - die Benutzung des sog. Poolkontos die Beklagten ohnehin schon zu erhöhter Wachsamkeit hätte veranlassen müssen, weil gerade damit schon eine Vermischung unterschiedlicher Gelder verbunden war und die Geldströme unübersichtlicher wurden. Es liegt deshalb nach Auffassung des Senats auf der Hand, dass M. bei einer gebotenen und strengen Überwachung schon die erste Transaktion von 1 Mio. € am 15. Oktober 2002 nicht hätte nachvollziehbar erklären können. In diesem Zusammenhang hätte er auch den mit sich im eigenen Namen geschlossenen Festgeldvertrag (K 12) auf entsprechende Nachfrage vorlegen müssen. Auch dies hätte bei den Beklagten allerdings nunmehr erst recht alle "Alarmglocken" zum Klingen bringen müssen.
Nach Auffassung des Senats treffen deshalb die vom BGH bereits in BGHZ 49, 121 angestellten Überlegungen zum Beweis der ersten Anscheins (auch dort ging es um Veruntreuungen zu Lasten der Konkursmasse und völlig unzureichende Kontrolle seitens des Gläubigerausschusses) auch auf den vorliegenden Fall zu. An dieser Rechtsprechung hat der BGH auch weiterhin festgehalten (BGHZ 124, 86). Greifbare Anhaltspunkte, die geeignet sind, den Anscheinsbeweis zu entkräften, haben die Beklagten nicht geltend gemacht.
Insbesondere vermag das Argument des Landgerichts, es fehle an der Kausalität der Pflichtverletzungen, weil der Verwalter M. ohnehin zu den Straftaten entschlossen gewesen sei, nicht zu überzeugen. Die vom Landgericht zitierte Entscheidung des OLG Rostock (ZInsO 2004, 814) gibt für eine derartige Rechtsauffassung schon nichts her. Sie ist aber auch in der Sache nicht tragfähig. Es gehört gerade auch zu den Aufgaben des Gläubigerausschusses, bei Fällen der planmäßigen Masseschädigung durch den Insolvenzverwalter durch sorgfältigeÜberwachung die Masse zu schützen. Es würde die vom Gesetz statuierte Haftung aus §§ 69, 71 InsO geradezu in ihr Gegenteil verkehrt, wollte man etwa bei vorsätzlichem und planmäßigem Handeln des untreuen Insolvenzverwalters eine Haftung des Gläubigerausschusses verneinen. Bei dieser Überlegung kann es nur darum gehen zu fragen, ob denn pflichtgemäßes Handeln die Schädigung der Masse hätte verhindern können, oder ob - wie vom BGH in dem Vergleichsvorschlag (IX ZR 136/06) formuliert - die Kontrolleure die künftigen Taten des Verwalters schon dadurch verursacht haben, dass sie ihm durch oberflächliche Kontrollen das Gefühl vermittelt haben, er könne sich relativ risikolos bedienen. Diese Frage ist indes nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall zu bejahen, denn die vielfältigen Pflichtverletzungen, die oben zu Ziffer 2 aufgezeigt worden sind, zeigen, dass eine sorgfältige Überwachung gerade dazu geführt hätte oder hätte führen müssen, dass zumindest die erste Untreuebuchung des Verwalters M. am 15. Oktober 2002 über 1 Mio.€ bei sorgfältiger Überwachung allen Anlass zur Nachfrage und Prüfung hätte geben müssen und sodann nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass M. sich nicht ohne weiteres weiterhin an der Masse vergriffen hätte. Denn eine sorgfältige Kontrolle hätte es ihm erschwert, weitere Verfügungen vorzunehmen. Es spricht gerade alles dafür, dass M. jedenfalls bei einer sorgfältigen Kontrolle undÜberwachung von weiteren Untreuhandlungen zu Lasten der hier gegenständlichen Masse abgehalten worden wäre, weil sein System der Poolschädigung hier frühzeitig aufgeflogen wäre.
Den Beklagten ist mithin vorzuwerfen, dass sie durch nachlässige Kontrollen die weiteren Veruntreuungen durch M. nach dem 15. Oktober 2002 (erste Abbuchung in dem hier gegenständlichen Insolvenzverfahren) nicht verhindert haben, obwohl dies möglich gewesen wäre.
b) Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Schaden in Höhe von 5.366.000 € durch die unzureichenden Kontrollen der Beklagten verursacht worden ist.
Die erste Abbuchung über 1 Mio. € wäre allerdings nicht mehr zu verhindern gewesen, so dass eine Ersatzpflicht der Beklagten insoweit nur in Betracht käme, wenn dieser bereits veruntreute Betrag - später aufgedeckt - noch hätte behoben werden können (vgl. dazu die Erwägungen im Vergleichsvorschlag des IX. Zivilsenats aaO., juris Rn. 13). Dies lässt sich nach Auffassung des Senats indessen nicht feststellen.
Hatte der Verwalter M. die veruntreuten Beträge erst einmal vereinnahmt, konnte der Schaden nicht mehr behoben werden, denn M. war zum Ausgleich eines entdeckten Fehlbetrages - hier unterstellt nach der entdeckten Verfügung über die 1 Mio. € nach dem 16. Oktober 2002 - zum Ausgleich aus eigenem Vermögen nicht in der Lage, sondern hätte dies - wie nach seinem schon seit 1998 praktizierten System (vgl. die Feststellungen dazu im Strafurteil des Landgerichts Hildesheim, Anlage K 7, ebenso die Ausführungen dazu in der Anlageschrift der StA Hannover, Anlage K 2) nur aus anderen Insolvenzmassen entnehmen können.
Soweit der Kläger behauptet, eine Rückführung (ohne Schädigung anderer Massen) wäre möglich gewesen, so dass auch insoweit eine Haftung der Beklagten aus § 71 InsO bestehe (Bl. 380) vermag der Senat dem nicht zu folgen; Anlass für eine Beweiserhebung insoweit besteht nicht, zumal der Kläger zureichende tatsächliche Grundlagen für eine Überprüfung durch einen Sachverständigen nicht darzulegen vermocht hat. Der Kläger bezieht sich im Übrigen selbst mehrfach auf die Feststellungen der Strafkammer und der Staatsanwaltschaft, wie sie in der Anklageschrift niedergelegt sind. Dies zugrunde gelegt kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass M. im Jahr 2002 zur Rückführung von 1 Mio. € aus eigenen Mitteln in der Lage gewesen wäre. Zureichende Anhaltspunkte in dieser Hinsicht trägt der Kläger auch nicht vor.
5. "Zulässigkeit" des Leistungsantrags
Der Kläger hat allerdings Ansprüche gegen die Beklagten als Gesamtschuldner im Ergebnis nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Hinterlegungsstelle (...bank). Dies macht er mit dem Hilfsantrag in der Berufungsbegründung geltend (Bl. 338 zu Ziffer I.2), so dass der Klage teilweise nach dem Hilfsantrag statt zu geben ist.
Insoweit besteht zwischen den Beklagten als Mitgliedern des Gläubigerausschusses und der Bank als Hinterlegungsstelle andererseits (sollte ggf. auch ihre Haftung festgestellt werden können) kein echtes Gesamtschuldverhältnis (nach RGZ 149, 182 unechtes Gesamtschuldverhältnis). Jedenfalls aber sind die Beklagten zum Schadensersatz an die Masse nur in entsprechender Anwendung des § 255 BGB gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Hinterlegungsstelle verpflichtet (so auch Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 71 Rn. 18 m. w. N. sowie § 149 Rn. 18), weil der Kläger den Schaden nur einmal ersetzt verlangen kann. Diesem Umstand hat der Kläger mit dem Hilfsantrag zutreffend Rechnung getragen.
6. Zinsen
Der Kläger begehrt neben der Hauptforderung kapitalisierte Zinsen in Höhe von 1.121.803,12 € für die Zeit vom 15. Oktober 2002 bis 12. Dezember 2007 aus dem Gesichtspunkt des §§ 849, 246 BGB.
Dieser Anspruch ist nicht berechtigt, denn die Beklagten haften nicht aus unerlaubter Handlung, für die allein § 849 BGB einschlägig ist. Ihre Haftung folgt allein aus § 71 InsO. Die Beklagten haften nicht wegen Entziehung einer Sache, sondern wegen Verletzung ihrer Kontrollpflichten.
Zinsen kann der Kläger deshalb von den Beklagten nur aus dem Gesichtspunkt des Verzuges beanspruchen auf 5.366.000 €. Verzug ist eingetreten mit Rechtshängigkeit seit dem 15. Januar 2008 (Zustellung der Mahnbescheide). Die Zinshöhe folgt aus § 288 Abs. 1 BGB.
7. Nebenentscheidungen
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 92, 711 ZPO. Bei der Kostenentscheidung hat der Senat neben dem Unterliegen in Höhe von 1 Mio. € auch berücksichtigt, dass ein großer Teil der Zinsforderung nicht begründet ist und die Verurteilung nur nach dem Hilfsantrag erfolgen konnte.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.