Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 01.06.2010, Az.: 3 U 59/10
Pflichten des Verteidigers eines alkoholabhängigen, einschlägig vorbelasteten Mandanten in einem Strafverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 01.06.2010
- Aktenzeichen
- 3 U 59/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 18803
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0601.3U59.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden - AZ: 7 O 347/09
Rechtsgrundlage
- § 280 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- StRR 2010, 355-356 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- VRR 2010, 384-385
- ZAP 2011, 294
- ZAP EN-Nr. 209/2011
Amtlicher Leitsatz
1. Ein Rechtsanwalt, der einen mehrfach einschlägig vorbelasteten Mandanten in einem Strafverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr vertritt, muss diesen zwar auf das Erfordernis, seinen Alkoholabusus zu bekämpfen, hinweisen, wird aber regelmäßig erwarten dürfen, dass der Mandant von sich aus den Antritt einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie in Betracht zieht.
2. Allein der hypothetische Antritt einer solchen Therapie genügt zur Feststellung der Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung nicht. Ohne weitere Anhaltspunkte kann nicht angenommen werden, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder später Gnade erwiesen worden wäre.
In dem Rechtsstreit
R... B..., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
1. Rechtsanwalt K... S..., ...,
Beklagter,
2. XVersicherung AG, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:
Anwaltsbüro ...,
Tenor:
beabsichtigt der Senat, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Gründe
I. Der Kläger, der erstinstanzlich auch seinen früheren - mittlerweile in Insolvenz gefallenen - Rechtsanwalt (Beklagter zu 1) auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat, richtet seinen Anspruch in zweiter Instanz nur noch gegen dessen Haftpflichtversicherung (Beklagte zu 2).
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der damals 71jährige Kläger wurde am ... September ... angetroffen, als er seinen PKW mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,95 g ‰ führte. Zum damaligen Zeitpunkt war der Kläger, der an einer Alkoholerkrankung litt, bereits wiederholt - seit 1994 - strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zuletzt war er mit Urteil des Amtsgerichts X vom ...Juli ... wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden war. Aufgrund der jüngsten Alkoholstraftat wurde der Kläger vom Amtsgericht Y (Aktenzeichen ...) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Während des Strafverfahrens wurde der Kläger durch den Beklagten zu 1 verteidigt. Die vom Kläger gegen das Urteil des Strafrichters eingelegte Berufung wurde vom Landgericht ... verworfen (Aktenzeichen ...), weil weder der Kläger noch der Beklagte zu 1 zum Termin erschienen waren. Der dagegen gerichtete Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand blieb erfolglos. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht ... wurde mit Beschluss vom ... November ... verworfen (Aktenzeichen ...). In den Gründen heißt es, der Senat sehe sich angesichts der Besonderheiten des Falles und des eher geringen Verschuldens des Angeklagten an der Versäumung des Hauptverhandlungstermins ausnahmsweise zu dem Hinweis veranlasst, dass im Falle eines Erfolgs der von dem Angeklagten in Angriff genommenen Alkoholentwöhnungstherapie die positive Entscheidungüber ein etwaiges Gnadengesuch nahe liegen könnte. Der daraufhin am ...Dezember ... eingereichte Gnadenantrag, dem eine Bescheinigung der Diakonie X und eine Reihe von Arztbefunden, aus denen die Leberwerte des Klägers hervorgingen, beigefügt waren und mit dem der Kläger nachträglich eine Strafaussetzung zur Bewährung erreichen wollte, hatte gleichwohl keinen Erfolg. Zu diesem Zeitpunkt hatte er zwar an einer Reihe von Einzelgesprächen in der Beratungs und Behandlungsstelle der Diakonie teilgenommen und parallel hierzu in wöchentlichem Rhythmus so genannte Motivationsgruppen aufgesucht, sich einer stationären Therapie jedoch nicht unterzogen. Die Staatsanwaltschaft führte in der Folge eigene Ermittlungen durch, wobei der behandelnde Arzt des Klägers erklärte, das von ihm formulierte Attest "bewusst etwas offen gehalten zu haben", und darauf hinwies, dass bei den Blutwerten eine ansteigende Tendenz des GammaGT Faktors zu erkennen sei, was auf erneuten Alkoholgenuss zurückzuführen sei, theoretisch aber auch andere Gründe haben könne. Der maßgebliche GammaGT Wert mit dem Faktor 28 als maximal zulässiger Indikator wurde aber auch zuvor niemals erreicht. Der Leiter der Diakonie in Y erklärte gegenüber der Staatsanwaltschaft, der Kläger leide zweifellos an einer schweren Alkoholabhängigkeit, so dass dringend eine Therapie erforderlich sei. Ob eine solche Maßnahme im Hinblick auf das Lebensalter des Probanden noch viel bewirken könne, hielt er für offen. Das weitere Trinkverhalten des Probanden sei nicht vorhersagbar. Seine Rückfälligkeit sei ebenso möglich wie eine Abstinenz.
Aufgrund seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Y wurde die Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts X widerrufen. Der Kläger verbüßte in der Folge zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafe.
Mit der Klage beansprucht der Kläger Schadensersatz in Höhe von 30.000 € für die aufgrund der Verbüßung der Strafhaft erlittenen Beeinträchtigungen. Soweit er überdies entgangenen Gewinn in Höhe von rd. 109.000 € verlangt hat, hat er dieses Begehren mit der Berufung fallen gelassen. Er hat die Auffassung vertreten, sein Gnadengesuch wäre erfolgreich gewesen, wenn der Beklagte zu 1 ihm unmittelbar nach der Straftat eindringlich vor Augen geführt hätte, dass eine stationäre Therapie die einzige Chance sei, noch einmal eine Bewährungsstrafe zu erhalten. Die Erfolglosigkeit des Erkenntnis und anschließenden Gnadenverfahrens habe daher der Beklagte zu 1 zu vertreten. Tatsächlich habe der Beklagte zu 1 dem Kläger lediglich empfohlen, die örtliche Diakonie aufzusuchen sowie die später eingereichten Arztberichte einzuholen. Von der Notwendigkeit einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie sei niemals die Rede gewesen. Der Kläger hätte - so hat er behauptet - diesen Rat uneingeschränkt akzeptiert, wenngleich niemand in der Lage sei, eine sichere Prognose über einen bestimmten Verlauf einer Entzugstherapie abzugeben.
Die Beklagten sind dem entgegen getreten. Insbesondere habe der Beklagte zu 1 nach der Verurteilung durch das Amtsgericht Y mit dem Kläger alle Möglichkeiten erörtert und in diesem Zusammenhang mit Nachdruck und mehrfach darauf hingewiesen, dass der Kläger die Zeit bis zu der Entscheidung im Berufungsverfahren intensiv nutzen müsse, um die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Aussetzung zur Bewährung zu schaffen. Dazu gehöre vor allem eine stationäre Entziehungskur und ein laufender konsequenter Nachweis der Alkoholabstinenz. Ferner habe der Beklagte zu 1 dem Kläger geraten, sich ständig in psychologische Betreuung zu begeben. Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, es gehöre nicht zu den Pflichten eines Anwalts, seinem Mandanten zu raten, auf welchem therapeutischem Wege eine Krankheit geheilt werden könne. Dies zu veranlassen, sei Sache des behandelnden Arztes. Sie haben überdies bestritten, dass eine etwaige Pflichtverletzung im weiteren Verlauf kausal geworden wäre. Der Kläger wäre dem Rat nach einer stationären Behandlung nicht gefolgt. Eine stationäre Therapie hätte auch keinen Erfolg gehabt. Der verlangte Schadensersatzbetrag in Höhe von 30.000 € sei überdies nicht nachvollziehbar.
Das Landgericht hat die Klage gegen den Beklagten zu 1 als unzulässig verworfen und die Klage gegen die Beklagte zu 2 als unbegründet zurückgewiesen. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte zu 2 kein Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Verletzung des anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages durch den Beklagten zu 1 gemäß § 281 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG zu. Der Beklagte zu 1 habe im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit für den Kläger keine Pflichtverletzung begangen, die einen Schadensersatzanspruch seitens des Klägers begründen könne. Der Kläger habe keinen hinreichenden Beweis dafür, dass ihm der Beklagte zu 1 nicht dazu geraten habe, eine stationäre Alkoholentwöhnungstherapie zu durchlaufen, angeboten. Zudem sei fraglich, ob der Vortrag des Klägers zu einer fehlerhaften Beratung überhaupt schlüssig sei. Zum Inhalt des Beratungsgesprächs nach Verurteilung durch das Amtsgericht Y trage er nichts vor. Insoweit müsse dem Beweisantritt auf Parteivernehmung auch nicht nachgegangen werden. Letztlich könne jedoch dahinstehen, ob der Beklagte zu 1 einen Rat zur Durchführung einer stationären Therapie abgegeben habe oder nicht, denn ein Gnadengesuch hätte nur dann Erfolg haben können, wenn eine Alkoholentwöhnungstherapie erfolgreich gewesen wäre. Selbst wenn der Kläger eine Therapie durchgeführt hätte, stelle dies keine Garantie dafür dar, dass diese auch erfolgreich verlaufen wäre. Der Kläger selbst trage vor, dass niemand in der Lage sei, eine sichere Prognose für einen bestimmten Verlauf einer Entzugstherapie abzugeben.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er seinen erstinstanzliche Klagantrag auf Zahlung einer Entschädigung von 30.000 € gegen die Beklagte zu 2 weiterverfolgt.
Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er behauptet erneut, eine stationäre Entziehungsbehandlung habe der vormalige Beklagte zu 1 dem Kläger nicht nahe gelegt, wenngleich er ihn darauf hingewiesen habe, dass die Strafaussetzung zur Bewährung auf jeden Fall voraussetzen würde, dass er seinen Alkoholabusus künftig bekämpfe, weshalb er ihm Beratung und Unterweisung durch die Diakonie X und zusätzliche Beratung und ambulante Therapie durch seinen Hausarzt empfohlen habe. Zur einer stationären Entziehungsbehandlung habe er nicht geraten. eine solche sei dem Kläger nach seinem Wissenstand auch unbekannt bewesen. Ein solcher Rat wäre aber nach dem Grundsatz des sichersten Weges - wie er meint - erforderlich gewesen und hätte bereits bei Übernahme des Mandats kurz nach dem Vorfall vom ... September ... erfolgen müssen. Wäre dies geschehen, wäre ihm - so behauptet der Kläger - spätestens im Gnadenwege Bewährung zuerkannt worden.
II. Die zulässige Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Da der Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und die Zulassung der Revision weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts geboten ist, hält der Senat die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für gegeben.
1. Dem Kläger steht der gegen die Beklagte zu 2 als Versicherung des Beklagten zu 1 geltend gemachte Direktanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 2 VVG nicht zu.
a) Der Rechtsanwalt ist grundsätzlich zu allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrungen seines Auftraggebers verpflichtet. Unkundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern bewahren. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziele zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGHZ 171, 261 ff. hier zitiert nach Juris Rn. 9 und ständig)
b) Auch unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist zweifelhaft, ob dem Beklagten zu 1 vorliegend überhaupt eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann, denn auch nach dem Klägervortrag hat der Beklagte zu 1 ihn im Zusammenhang mit dem Mandat darauf hingewiesen, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung nur dann zu erlangen sei, wenn er seinen Alkoholabusus bekämpfe. Soweit der Kläger behauptet, in diesem Zusammenhang habe der Beklagte zu 1 ihm lediglich angeraten, sich in die Beratung der Diakonie X zu begeben sowie eine ambulante Therapie bei seinem Hausarzt durchzuführen, anstelle ihm mit der gebotenen Deutlichkeit die Durchführung einer stationären Therapie nahe zu legen, ist bereits zweifelhaft, ob es nicht nur Aufgabe des Rechtsanwalts ist, seinem Mandanten aufzuzeigen, was erforderlich ist, um den rechtlich erstrebten Erfolg (hier Strafaussetzung zur Bewährung aufgrund Alkoholabstinenz) zu erreichen, sondern es ihm auch obliegt, seinem Mandanten den medizinisch effizientesten Weg vorzuschlagen. Insoweit liegt es in der Tat nahe, dass - wie die Beklagten vortragen - der Rechtsanwalt von seinem Mandanten auch ein gewisses Maß an Eigeninitiative erwarten darf, zumal es sich insoweit um kein spezifisch juristisches Problem handelt. Auf den vom Kläger für die Richtigkeit seiner Tatsachenbehauptung angebotenen Beweis - in erster Instanz Parteivernehmung des Beklagten, in zweiter Instanz Beweis durch Vernehmung des mittlerweile aus dem Verfahren ausgeschiedenen Beklagten zu 1 als Zeugen - kommt es dann nicht an.
2. Jedenfalls würde ein Schadensersatzanspruch des Klägers an der fehlenden Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden scheitern.
a) Selbst wenn man mit Blick auf die in diesem Fall wegen des jahrelangen Alkoholmissbrauchs durch den Kläger nahe liegende stationäre Therapie annehmen wollte, dem Beklagten zu 1 hätte eine entsprechende Beratungspflicht oblegen, und weiter die Behauptung des Klägers, ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer stationären Therapie sei nicht erfolgt, als wahr unterstellt, ist deren Kausalität schon deshalb zweifelhaft, weil es auch für den Kläger offenkundig war, dass der wirksamste Weg für einen Entzug eine stationäre Therapie gewesen wäre. Soweit er mit der Berufungsbegründung behauptet, ihm sei bei damaligem Wissensstand die Möglichkeit einer stationären Entziehungsbehandlung nicht bekannt gewesen, ist dies wenig glaubhaft, denn eine solche Kenntnis dürfte zum Gemeingut eines erwachsenen Menschen gehören.
b) Des Weiteren ist nicht mit der gebotenen Sicherheit festzustellen, dass dann, wenn der Kläger eine stationäre Therapie sogleich nach der Tat im September 2005, spätestens aber nach der Verurteilung im Juni 2006 begonnen hätte, er notwendig eine Strafaussetzung zur Bewährung entweder im Erkenntnisverfahren oder spätestens im Gnadenweg hätte erlangen müssen.
Voraussetzung für eine günstige Sozialprognose, die Voraussetzung für die Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 1 StGB ist, ist die begründete Erwartung, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig, also nicht nur während der Dauer der Bewährungszeit keine Straftaten mehr begehen wird. Daran bestanden aufgrund der einschlägigen Vorstrafen des Klägers und seiner langjährigen Alkoholerkrankung durchgreifende Zweifel. Eine Chance hätte er nur gehabt, wenn er seine nachhaltige Alkoholabstinenz hätte belegen können. Eine solche wäre zwar - wie ausgeführt - am ehesten durch eine stationäre Therapie zu erreichen gewesen. Sicher oder auch nurüberwiegend wahrscheinlich war dies aber nicht. Selbst wenn der Kläger eine solche stationäre Therapie durchgeführt hätte, hätte dies keine Gewähr für ihren (dauerhaften) Erfolg geboten. Insbesondere bestand die Gefahr, dass der Kläger, sobald er den schützenden Raum der stationären Therapie verließ und nicht mehr der dort gewährleisteten Kontrolle unterlag, wieder rückfällig wurde. Dies zeigt sich schon daran, dass etwa der Leiter der Diakonie Zweifel an der Fähigkeit des Klägers zur dauerhaften Abstinenz geäußert hat, wenngleich nicht zu verkennen ist, dass er dies nicht als ausgeschlossen erachtet hat.
Ohne einen greifbaren Erfolg, der aufgrund der Vorgeschichte des Klägers keineswegs in einer nur zeitweiligen Verbesserung seines Trinkverhaltens zu finden gewesen wäre, hätte eine Strafaussetzung zur Bewährung keinesfalls erfolgen können. Zwar hätte der Antritt einer stationären Therapie eine gewisse Krankheitseinsicht nach außen zum Ausdruck gebracht. Dies reichte für sich genommen jedoch noch nicht aus, um eine günstige Sozialprognose stellen zu können, die eine begründete Aussicht auf eine dauerhafte Abstinenz des Klägers erfordert hätte. Dafür gibt es aber keinerlei Anhalt. Zwar ist denkbar, dass der Kläger unter einer stationären Therapie und den damit verbundenen strengen Kontrollen Erfolge hätte erzielen können. Ob diese indes nachhaltig gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Der Kläger behauptet selbst nicht, dass eine Therapie einen dauerhaften Erfolg gezeitigt hätte. Ebenfalls offen bleibt, ob der Kläger mittlerweile abstinent ist, etwa weil er sich nach Verbüßung der Strafe freiwillig in eine stationäre Alkoholentwöhnungstherapie begeben hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben sich jedenfalls nicht.
Ob er eine Strafaussetzung zur Bewährung hätte erreichen können, bleibt deshalb bloße Spekulation ohne gesicherte Tatsachengrundlage.
c) Nach der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers wäre zwar theoretisch ein Gnadenerweis in Betracht gekommen. Dafür hätten aber erhebliche Gnadengründe vorliegen müssen, denen gegenüber die Schuld des Täters - hier des Klägers - sowie die Verteidigung der Rechtsordnung, die Wiederherstellung des Rechtsfriedens, die Wirkung der Bestrafung auf Dritte und andere Strafzwecke im Einzelfall hätten zurücktreten müssen, wobei sich solche Gründe insbesondere aus der Eigenart und den besonderen Anlagen des Täters, seinem Vorleben, den Umständen seiner Tat, seinem Verhalten vor und nach der Tat sowie im Strafvollzug, seinen Lebensverhältnissen und schließlich aus den von dem Gnadenerweis zu erwartenden Wirkungen ergeben können (§ 14 GnO). Dafür gibt es zum einen bereits keinen ausreichenden Vortrag, zum anderen darf nicht vergessen werden, dass auf einen Gnadenerweis - wie sich schon aus seiner Rechtsnatur ergibt - kein Rechtsanspruch besteht. Im Übrigen gelten die vorstehenden Ausführungen insoweit entsprechend.
III. Der Kläger erhält Gelegenheit, zur beabsichtigen Zurückweisung seines Rechtsmittels binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen oder auch, insbesondere zur Vermeidung weiterer Kosten, seine Berufung zurück zu nehmen.