Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.06.2010, Az.: 1 U 53/09

Schmerzensgeld- und Schadensersatzbegehren sowie die Feststellung der Einstandspflicht für zukünftige Schäden im Zusammenhang mit drei Wirbelsäulenoperationen; Korrekte Länge der bei der Operation eingebrachten Platte

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.06.2010
Aktenzeichen
1 U 53/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 48112
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
R. R., A., I.,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. K. H., V.Weg, H.,
Geschäftszeichen:
gegen
1. Prof. Dr. med. S., MH., A.Straße, H.,
2. I.H. GmbH, vertreten durch die
Geschäftsführer Dr. M. K. u. a., A.Straße, H.,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigter zu 1, 2:
Rechtsanwalt Dr. V., A., H.,
Geschäftszeichen:
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts C. auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2010 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts H., die Richterin am Oberlandesgericht S. und den Richter am Oberlandesgericht G. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Juni 2009 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts H. wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens durch

Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schmerzensgeld, Schadensersatz sowie die Feststellung ihrer Einstandspflicht für zukünftige Schäden im Zusammenhang mit drei Wirbelsäulenoperationen im Frühjahr 2003.

Anfang des Jahres 2003 stellte sich die am ... Oktober 19.. geborene Klägerin nach jahrelangen Beschwerden im Bereich von Hals- und Lendenwirbelsäule sowie aufgrund leichter Blasenentleerungsstörungen bei dem Beklagten zu 1 im Hause der Beklagten zu 2 vor. Die in der Vergangenheit durchgeführte konservative Behandlung mit Medikamenten (etwa Ibu-Tropfen und Tramal) sowie eine 7-malige PRT (periradikuläre Therapie: Injektionen in die betroffenen Nerven unter Röntgen- oder CT-Kontrolle) hatten keine deutliche Linderung gebracht. Die klinisch-neurologische Untersuchung ergab ein Schmerzschonhinken links. Auf der von der Klägerin mitgebrachten Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule war ein leichter Bandscheibenvorfall in Höhe des Lendenwirbelkörpers (LWK oder L) 5 mit Berührung der Nervenwurzel erkennbar. Vom 29. Januar bis zum 1. Februar 2003 hielt sich die Klägerin zunächst zur Diagnostik im Krankenhaus der Beklagten zu 2 auf. Bei einer am 31. Januar 2003 durchgeführten Kernspintomographie wurden fortgeschrittene degenerative Veränderungen im Sinne einer Osteochondrose (verschleißbedingte Veränderungen des Bandscheibenknorpels) im Bereich der Halswirbelsäule Höhe HWK 3/4 und 5/6 sowie im Bereich der Lendenwirbelsäule Höhe LWK 5 festgestellt. Auch die Vordiagnose eines Bandscheibenvorfalls im Bereich LWK 5 bestätigte sich. Daraufhin wurde in einem ambulanten Termin vom 19. Februar 2003 vereinbart, zunächst die Lendenwirbelsäule und nach einer Erholungsphase die Halswirbelsäule zu operieren.

Nachdem die Klägerin am ... März 20.. stationär aufgenommen worden war, operierte der Beklagte zu 1 am 12. März 2003 den Bandscheibenvorfall LWK 5. Danach kam es zu einer Verschlechterung der Halswirbelsäulenbeschwerden und zu Sensibilitätsstörungen im linken Arm.

Am ... März 20.. führte der Beklagte zu 1 eine Operation der Halswirbelsäule im Bereich der Halswirbelsäulenkörper 5/6 durch, bei der er die Bandscheibe ausräumte und die Wirbelkörper mit einer Knochenersatzplastik stabilisierte. Nach dieser Operation verstärkten sich die Sensibilitätsstörungen im linken Arm bis hin zu Lähmungserscheinungen.

Am ... April 20.. operierte der Beklagte zu 1 die Klägerin dann ein drittes Mal. Dabei entfernte er die Knochenersatzplastik im Segment HWK 5/6 sowie die degenerativ veränderten Bandscheiben im Bereich der Halswirbelkörper 3/4 und 4/5, stabilisierte die Halswirbelkörper mit Knochenspanmaterial, das er zuvor aus dem Beckenkamm der Klägerin entnommen hatte, und führte schließlich eine Verplattung zwischen den Halswirbelkörpern 3 und 6 durch. Nachdem die Klägerin am ... April 20.. aus der stationären Behandlung entlassen wurde, litt sie unter starken Kopfschmerzen und linksseitigen Bewegungseinschränkungen.

Wegen weiterer Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule stellte die Klägerin sich am ... Juni 20.. erneut im Hause der Beklagten zu 2 bei der Oberärztin Dr. K. vor, die eine Myelographie (röntgendiagnostisches Verfahren zur Diagnose eines Bandscheibenvorfalls) vorschlug. Diese Untersuchung wurde am ... Juni 20.. stationär durchgeführt und ergab den Verdacht auf das Vorliegen eines kleinen Rest- oder Rezidivbandscheibenvorfalls bei LWK 5. Am ... Juni 20.. wurde die Klägerin wegen massiver Kopfschmerzen im Zusammenhang mit einem Liquorverlust-Syndrom erneut stationär aufgenommen. Daraufhin erfolgte eine Infusions- und Schmerztherapie bis zum ... Juli 20.. In der Folgezeit unterzog sich die Klägerin bis zum ... Juni 20.. einer Schmerztherapie im Kreiskrankenhaus G., in deren Verlauf sie ein- bis zweimal wöchentlich starke Schmerzmittel per Infusion bekam.

Am ... Dezember 20.. stellte sich die Klägerin wegen weiterhin bestehender Schmerzen erneut bei Frau Dr. K. vor. In dem daraufhin erstellten Befund vom ... Dezember 20.. wurde der Verdacht einer zunehmenden Beweglichkeit in dem oberhalb der am ... April 20.. eingebrachten Platte befindlichen Segment HWK 2/3 geäußert. Außerdem wurde festgestellt, dass sich in den seitlichen Röntgenaufnahmen eine verstärkte ventrale Kippung des Halswirbelkörpers 2 im Vergleich zur Oberkante der eingebrachten Platte zeige. In einem ambulanten Termin bei dem Beklagten zu 1 vom 10. März 2004 wurde eine weitere Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule angefertigt. Darauf war erkennbar, dass sich die Kippung des Halswirbelkörpers 2 im Vergleich zur Oberkante der eingebrachten Platte gegenüber der Voraufnahme vom ... Dezember 20.. verstärkt hatte.

Im September 20.. begab sich die Klägerin in die Behandlung von Dr. G. im A.Stift, der aufgrund des Röntgenbildes vom ... März 20.. in einer Operation vom ... Oktober 20.. den Halswirbelkörper 2 versteifte und die Klägerin im vorliegenden Verfahren fachlich unterstützt. Mit Bescheid des Versorgungsamtes Hannover vom ... September 20.. wurde der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 % ab dem ... August 20.. bescheinigt.

Die Klägerin hat den Beklagten Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit der zweiten Operation vom ... März 20.. und Behandlungsfehler hinsichtlich aller drei vorgenommenen Wirbelsäulenoperationen, insbesondere hinsichtlich der dritten, vorgeworfen. Bei dieser Operation am ... April 20.. habe der Beklagte zu 1 zum einen eine zu lange Platte eingebracht und diese zum anderen nicht richtig positioniert, wodurch der Halswirbelkörper 2 geschädigt worden sei. Bereits anhand des Röntgenbefundes vom ... Dezember 20.., spätestens aber aufgrund des Röntgenbildes vom ... März 20.. habe der Beklagte zu 1 eine sofortige Revisionsoperation durchführen müssen, weil u. a. Schrauben aus der Platte herausgeschaut hätten, durch die die Speiseröhre schwer hätte beschädigt werden können. Schließlich liege eine fehlerhafte Befunderhebung vor, weil eine Funktionsaufnahme, die der Sachverständige nach seinen Feststellungen auf S. 2 der ergänzenden Stellungnahme vom 7. November 2007 durchgeführt hätte, nicht vorgenommen worden sei.

Aufgrund der Behandlungsfehler habe sich die Klägerin weiteren Operationen unterziehen und lang andauernde Schmerzbehandlungen sowie Krankengymnastik durchführen müssen. Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 3. April 2003 bis zum 31. Mai 2005 einen Haushaltsführungsschaden von 10.938,80 € geltend gemacht sowie wegen des künftigen Haushaltsführungsschadens die Zahlung einer monatlichen Geldrente von 348 € verlangt (vgl. Seite 13 - 16 der Klageschrift = Bl. 13 - 16 d. A.). An materiellem Schadensersatz hat die Klägerin für Fahrtkosten in dem Zeitraum vom 6. Oktober 2003 bis zum 8. Februar 2005 1.271 €, für den Erwerb krankentechnischer Hilfsmittel 57,04 € und für vorgerichtliche Anwaltskosten 928 € verlangt. Als Schmerzensgeld (für die nach ihrem Vortrag allesamt fehlerhaften drei Operationen des Beklagten zu 1 und die damit eingetretenen Beeinträchtigungen) hat sie ein Schmerzensgeld in Höhe von 24.000 € für angemessen erachtet.

Die Klägerin hat beantragt (Bl. 2 d. A.),

  1. 1.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 24.000 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 10.938 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

  3. 3.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ab dem 1. Mai 2004 zukünftig jeweils eine drei Monate im Voraus fällige Rente in Höhe von 1.044 € zu zahlen,

  4. 4.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 2.256,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

  5. 5.

    festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr auch den künftigen aus der medizinischen Behandlung vom 06.02.2003 bis zum 21.08.2004 entstehenden materiellen sowie gegenwärtig noch nicht hinreichend absehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen, und zwar den materiellen Schaden insoweit, als die Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten haben beantragt (Bl. 74 d. A.),

die Klage abzuweisen.

Sie haben die behaupteten Aufklärungs- und Behandlungsfehler bestritten und auch Einwendungen gegen die Höhe der geltend gemachten Ansprüche erhoben. Insbesondere haben sie die Darlegungen der Klägerin zum Haushaltsführungsschaden und auch zu den Fahrtkosten bestritten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. T. vom 7. Juli 2006 sowie einer ergänzenden Stellungnahme vom 7. November 2007 (s. jeweils im Akteneinband). Seine Gutachten hat der gerichtliche Sachverständige in der Sitzung vor dem Landgericht vom 23. April 2009 (vgl. Protokoll auf Bl. 292 ff. d. A.) mündlich erläutert.

Mit Urteil vom 11. Juli 2009 (Bl. 323 ff. d. A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass auf der Grundlage der überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Fehler bei den drei Wirbelsäulenoperationen vom 12. März, 25. März und 2. April 2003 nicht festzustellen seien. Insbesondere sei die von dem Beklagten zu 1 bei der dritten Operation am 2. April 2003 eingebrachte Platte nicht zu lang gewesen. Das intraoperative Röntgenbild belege vielmehr eine reguläre Länge der Platte im Verhältnis zum Wirbelkörper HWK 3 und zum Bandscheibenraum 2/3, insbesondere einen ausreichenden Zwischenwirbelraum zur Platte. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Privatsachverständigen Dr. G.. Denn Prof. Dr. T. habe anhand der Röntgenbilder nachvollziehbar erläutert, dass die von dem Beklagten zu 1 eingebrachte Platte eine korrekte Länge aufgewiesen habe. Soweit auf den Bildern vom 3. Dezember 2003 und 10. März 2004 eine Verkeilung des zweiten Halswirbelkörpers in die Oberkante der Platte zu erkennen sei, liege das nicht an deren Länge, sondern an einer sekundären Verlagerung des zweiten Halswirbelkörpers als Folge einer Segmentinstabilität oberhalb der Platte.

Soweit Dr. G. in seiner nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Stellungnahme vom 7. Mai 2009 weiterhin eine andere Ansicht vertrete, überzeuge dies nicht. Als Neurochirurg sei der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. dem Privatsachverständigen Dr. G. als Orthopäde und Unfallchirurg bei der Beurteilung der streitgegenständlichen Frage fachlich überlegen. Dr. G. verweise lediglich auf eine Vielzahl englischsprachiger Literatur, ohne zu sagen, was dort im Einzelnen stehe. Auch aus der nach der Operation vom ... April 20.. aufgetretenen Instabilität im Segment des Halswirbelkörpers 2, dessen Abknicken oder der späteren Materiallockerung lasse sich nicht auf Fehler bei der Operation schließen. Dabei habe sich vielmehr ein typischerweise mit der Verplattung verbundenes Operationsrisiko realisiert.

Auch sei dem Beklagten zu 1 nicht vorzuwerfen, anhand der Röntgenbefunde vom 3. Dezember 2003 und 10. März 2004 keine sofortige Revisionsoperation durchgeführt zu haben. Eine revisionspflichtige Instabilität habe sich aus den Röntgenbildern nicht ergeben. Zwar habe man in dieser Situation nach den Feststellungen des Sachverständigen sog. "Funktionsaufnahmen der Halswirbelsäule" durchführen müssen, die Aufschluss über die Stabilität bzw. Instabilität der Wirbelsäule gegeben hätten. Selbst wenn dies als fehlerhafte Unterlassung einer medizinisch gebotenen Befunderhebung bewertet würde, helfe dies der Klägerin nicht weiter. Denn nach der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen lasse sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % sagen, dass die gebotenen Funktionsaufnahmen eine operationsbedürftige Instabilität ergeben hätten. Vielmehr sei das hypothetische Ergebnis der Funktionsaufnahmen rein spekulativ. Für das von der Klägerin beantragte Obergutachten fehle es an den Voraussetzungen des § 412 Abs. 1 ZPO.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter verfolgt (Bl. 363 f. d. A.) sowie hilfsweise einen Antrag auf Zurückverweisung der Sache an das Landgericht gem. § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO stellt (Bl. 450 d. A.) Die Klägerin rügt eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung durch das Landgericht, im Einzelnen:

Die Feststellung des Landgerichts, dass die von dem Beklagten zu 1 bei der dritten Operation am ... April 20.. eingebrachte Platte nicht zu lang gewesen sei, sei unrichtig.

- Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. entsprächen insoweit nicht dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Dies ergebe sich aus der Stellungnahme des Privatgutachters Dr. G. vom 7. Mai 2009 (Bl. 321 d. A.), in der es u. a. heiße, "dass die Platte im cranialen Anteil der Spondylodese zu lang gewählt worden ist... Fakt ist, dass in der gesamten Fachliteratur unisono geraten wird, die Platte nicht höher als bis zum Übergang des oberen zum mittleren Drittels eines Wirbelkörpers reichen zu lassen." Fachliteratur dazu habe Dr. G. in seinem Gutachten vom 20. September 2006 (s. Akteneinband) auf Seite 12/13 genannt. Darüber setze der gerichtliche Sachverständige Dr. T. sich hinweg, ohne selbst aber entsprechende Fachliteratur anzuführen. Nicht nur die englischsprachige Literatur stütze die Ansicht von Dr. G., sondern auch deutsche Fachliteratur. So heiße es in dem Werk von Tscherne/Blauth, Unfallchirurgie, 1998, auf Seite 23: "Die Plattenenden dürfen daher nicht an die Wirbelkörper-Abschlussplatten und die benachbarten Bandscheiben heranreichen" (Bl. 393 d. A.). Gleiches ergebe sich auch aus dem Buch von Blauth/Dick, 1996, Operationen an der Wirbelsäule, auf Seite 70 f. Anders als der gerichtliche Sachverständige gehe Dr. G. auch in seiner Stellungnahme vom 7. Mai 2009 eindeutig von einem Behandlungsfehler aus.

- Eine fachliche Überlegenheit des Neurochirurgen Dr. T. gegenüber dem Privatsachverständigen Dr. G. bestehe nicht. Dr. G. sei ärztlicher Direktor und Leitender Arzt des Orthopädischen Fachkrankenhauses A.Stift und damit fachlich hinreichend kompetent. Zudem werde seine Auffassung von den Ärzten der W-Klinik in B., nämlich Dr. P. M. und Dr. F. H. geteilt, die der Klägerin bei ihrer Vorstellung dort erläutert hätten, dass die eingebrachte Metallplatte zu lang gewesen sei und den Wirbel C 2 beschädigt habe. Diese hätten vom Landgericht als sachverständige Zeugen geladen werden müssen.

- Zu Unrecht habe das Landgericht den Privatgutachter Dr. G. nicht zur mündlichen Verhandlung geladen, obwohl dies mehrfach von der Klägerin beantragt worden sei. Im Sinne einer "Waffengleichheit" sei auch sein Erscheinen zur Sachverhaltsaufklärung notwendig gewesen.

Die fehlerhafte Operation vom 2. April 2003 habe zu Schmerzen, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Dauerschäden bei ihr geführt, nämlich:

- Dadurch sei die Nachfolgeoperation durch Dr. G. im A.Stift am ... Oktober 20.. erforderlich geworden, bei der dieser zusätzlich den Wirbel C 2 versteift habe. Dadurch sei sie noch mehr in ihrer Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt worden und nunmehr voll erwerbsgemindert.

- Sie habe dadurch eine neue lange senkrechte Narbe am Hals davongetragen.

- Wegen des von dem Beklagten zu 1 weggenommenen Knochenanteils im Bereich des rechten vorderen Beckenkammes sei es zu starken Druckschmerzen gekommen. Deshalb habe eine Transplantation mit der Knochenmasse eines Pferdes durchgeführt werden müssen, um den weggenommenen Tei zu ersetzen.

- Neben der neuen OP-Narbe an der Hüfte müsse sie sich voraussichtlich im Oktober einer weiteren Hüftoperation zwecks Entfernung einer Schraube und eines Drahtes unterziehen.

- Zusätzlich müsse sie wieder für drei Monate eine Campa-Krawatte Tag und Nacht tragen. Während dieser Zeit sei ihre Lebensqualität stark gemindert, sie dürfe dann auch kein Kfz führen.

Die Feststellung des Landgerichts, dass dem Beklagten zu 1 nicht vorzuwerfen sei, anhand der Röntgenbefunde vom 3. Dezember 2003 und 10. Februar 2004 keine sofortige Revisionsoperation durchgeführt zu haben, sei ebenfalls fehlerhaft. Auch dies widerspreche den Ausführungen des Privatgutachters Dr. G. So ergebe sich aus dessen Gutachten vom 20. September 2006 (Seite 5 - 7, 9), dass bereits am 3. Dezember 2003 eine Befundänderung eingetreten sei, die eine zeitnahe Revisionsoperation erforderlich gemacht hätte. Jedenfalls nach dem Röntgenbefund vom 10. März 2004 sei eine zeitnahe Revisionsoperation erforderlich gewesen, weil sich eine deutliche Profilstörung des Segments C 2/C 3 und eindeutige Lockerungszeichen bei dem eingebrachten Osteosynthese-Material gezeigt hätten. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Revisionsoperation aus folgenden Gründen unbedingt indiziert gewesen:

1. Verdacht auf Pseudo-Arthrosebildung wegen des gelockerten Osteosynthese-Materials,

2. Entstehen einer segmentalen Instabilität zwischen 2. und 3. Halswirbel,

3. Gefahr der Oesophagus-Arrosion durch dislozierte Plattenschrauben,

zumal die Klägerin am 10. März 2004 bei ihrer ambulanten Vorstellung bei dem Beklagten zu 1 von starken Schmerzen und Beschwerden berichtet habe.

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. habe auf Seite 18 f. seines Gutachtens zu den Röntgenaufnahme vom 10. März 2004 selbst ein "Überstehen der oberen Plattenbegrenzung in Richtung der vorderen Grundplatte von HWK 2" festgestellt. Zu der Röntgenaufnahme vom 3. Dezember 2003 habe er auf Seite 18 seines Ausgangsgutachtens zudem ausgeführt, dass "in der intraoperativen Kontrolle vom 2. April 2003 ... diese Situation nicht so zu sehen (gewesen sei), so dass man von einer Befundänderung ausgehen" müsse. Warum Prof. Dr. T. trotzdem keinen Befunderhebungsfehler angenommen habe, sei nicht verständlich. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum er im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens einen reaktionspflichtigen Befund verneint und angenommen habe, dass bei Durchführung weiterer Befunderhebungen (Durchführung einer Funktionsaufnahme) nicht mit mindestens 50 %-iger Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, dass eine Instabilität hätte festgestellt werden können. Insoweit sei auch zu beachten, dass die Ärztin Dr. K. bei der ambulanten Vorstellung der Klägerin am 3. Dezember 2003 selbst die Situation so bewertet habe, dass Vorbereitungen für eine Operation getroffen worden seien.

Insgesamt sei das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T. nicht objektiv. Die Klägerin wiederholt deshalb ihren Antrag auf Einholung eines neuen Gutachtens.

Dem treten die Beklagten, die Zurückweisung der Berufung beantragen (Bl. 410 d. A.), entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil. Sie weisen darauf hin, dass die notwendigen Tatsachenfeststellungen auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. T. vom Landgericht zutreffend getroffen worden seien, ohne dass Zweifel an der Richtigkeit und/oder Vollständigkeit dieser Feststellungen ersichtlich seien. Insbesondere habe der gerichtliche Sachverständige auch bestätigt, dass bei der Operation vom ... April 20.. der geschuldete Facharztstandard eingehalten worden sei. Er habe ausgeführt, dass auf der am 2. April 2003 hergestellten Röntgenaufnahme noch eine reguläre Länge der Platte im Verhältnis zum cranialen Wirbelkörper HWK 3 und zum Bandscheibenraum HWK 2/3 dokumentiert sei. Erst durch eine sekundäre Degeneration bzw. Kyphosierung sei es zu einem Abknicken des Wirbelkörpers HWK 2 in Richtung cranialer Begrenzung der eingebrachten Platte gekommen, so dass - lediglich - der Anschein erweckt worden sei, dass die Platte primär zu lang gewesen sei. Tatsächlich sei dies während der Operation aber nicht der Fall gewesen. Auch die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen im Übrigen seien überzeugend, mit den Einwendungen des Privatgutachters habe er sich auseinander gesetzt. Im Übrigen habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Einwendungen, die jetzt Gegenstand der Berufungsbegründung seien, dem Sachverständigen bereits in erster Instanz vorhalten können und ihn zu einer detaillierteren Stellungnahme veranlassen können.

Gemäß § 273 ZPO hat der Senat den gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T. zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens zu der mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2010 geladen. Wegen des Ergebnisses seiner Anhörung wird auf das Protokoll dieser Sitzung auf Bl. 450 ff. d. A. sowie die dazugehörige Abschrift der Tonbandaufzeichung zu den Erläuterungen von Prof. Dr. T. auf Bl. 453 ff. d. A. Bezug genommen. Nach Vorlage einer weiteren Stellungnahme des Privatsachverständigen Dr. G. vom 12. Februar 2010 durch die Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 8. März 2010 (Bl. 510 ff. d. A.) gemäß § 156 Abs. 1 ZPO die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sowie die Einholung einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen angeordnet. Auf das daraufhin erstattete weitere Ergänzungsgutachten von Prof. Dr. T. vom 26. April 2010 (im Akteneinband) wird Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin, mit der sie die von ihr erhobenen Behandlungsfehlervorwürfe gegen die Beklagten nur noch in eingeschränktem Maße weiterverfolgt, hat keinen Erfolg.

Nach dem Ergebnis der in der Berufungsinstanz durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme durch Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T. in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 2010 sowie Einholung einer ergänzenden schriftlichen Stellungnahme von ihm unter dem 26. April 2010 hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht das Vorliegen eines Behandlungsfehlers und damit auch eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach verneint. Die dagegen erfolgten Angriffe in der Berufung gehen fehl.

1.

Ein Behandlungsfehler durch den Einsatz einer zu langen Platte bei der (dritten) Operation am 2. April 2003 kann - weiterhin - nicht festgestellt werden.

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. hat bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom 7. Juli 2006 einen Behandlungsfehler in diesem Zusammenhang verneint. Auf S. 13 des Gutachtens hat er dazu ausgeführt, dass es besonders wichtig sei, zu betonen, dass bei der Operation am 2. April 2003 nach Platzierung von Platte und Schrauben eine Durchleuchtungsaufnahme angefertigt worden sei, welche eine reguläre Länge der Platte im Verhältnis zum kranialen Wirbelkörper HWK 3 und zum Bandscheibenraum HWK 2/3 dokumentiere. Es liege zu diesem Zeitpunkt noch ein regulärer Zwischenwirbelraum von HWK 2/3 vor. Durch die sekundär eingetretene - in den Aufnahmen von September 2003 sichtbare - Kyphosierung (Knickbildung) gerade in dem Segment HWK 2/3 sei der zweite Wirbelkörper nach unten/vorne in Richtung kraniale Begrenzung der eingebrachten Platte geknickt, so dass der Anschein erweckt worden sei, dass die Platte primär zu lang gewesen sein könnte. Die während der Operation durchgeführte und im Krankenblatt dokumentierte Durchleuchtung beweise aber, dass dies nicht der Fall gewesen sei.

Diese Einschätzung hat Prof. Dr. T. in seinem Ergänzungsgutachten vom 7. November 2007 auf S. 3 wiederholt und ergänzend noch ausgeführt, dass sich in diesem Falle das Segmentinstabilitätsrisiko durch die Verkeilung von HWK 2 in die Oberkante der Platte sogar verringert habe, so dass in der Regel zwingende klinische Gründe vorhanden sein müssten, um eine derart komplex stabilisierte Halswirbelsäule zu revidieren. Im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Landgericht am 23. April 2009 ist Prof. Dr. T. (S. 4 des Protokolls) dabei geblieben, dass die Platte am 2. April 2003 nicht zu lang gewählt worden sei, und hat dies - ohne dass dazu allerdings weitere Einzelheiten protokolliert sind - anhand der intraoperativen Bilder noch einmal erläutert. Aus den von dem Privatgutachter Dr. G. beurteilten Röntgenbildern ergebe sich nichts anderes. Ein Fehler wäre nur dann anzunehmen, wenn die Platte über das Segment hinaus gewählt worden wäre.

Zwar ist der Privatgutachter Dr. G. dieser medizinischen Bewertung schon in erster Instanz mit Substanz entgegen getreten. Er hat auf S. 7 f. seines Gutachtens vom 20. September 2006 und auf S. 5 ff. seines Ergänzungsgutachtens vom 16. Januar 2008 auf der Grundlage der Röntgenaufnahmen vom 2. April 2003 (intraoperativ) und vom 10. April 2003 festgestellt, dass bei der dritten Operation am ... April 20.. von dem Beklagten zu 1 eine zu lange Platte eingesetzt worden sei. Schon die am 2. April 2003 durchgeführte intraoperative Durchleuchtungsaufnahme zeige, dass die obere Plattenbegrenzung exakt an die Deckplatte des 3. Halswirbelkörpers herangereicht habe. In der einschlägigen Fachliteratur sei aber völlig unzweifelhaft, dass wegen der Gefahr cranialer Segmentsinstabilitäten im Anschlussbereich die obere Plattenbegrenzung maximal bis zum mittleren Drittel des Wirbelkörpers reichen solle (S. 6 des Ergänzungsgutachtens).

Zu dieser - anderweitigen - Bewertung hat der Privatgutachter Dr. G. sowohl auf S. 12/13 seines Ausgangsgutachtens als auch auf S. 8 ff. seines Ergänzungsgutachtens eine Vielzahl englischsprachiger Literatur angegeben. Auch wenn der Privatsachverständige Zitate aus den von ihm angegeben Literaturstellen, in denen konkret etwas zu der Länge der einzubringenden Platten steht, in seinen Stellungnahmen nicht wiedergegeben hat, hätte bereits in erster Instanz von Amts wegen Anlass bestanden, seinen Einwendungen durch eine weitere gezielte Befragung des gerichtlichen Sachverständigen nachzugehen und insbesondere die Frage des in diesem Bereich geschuldeten medizinischen Facharztstandards weiter herauszuarbeiten. Nachdem das Landgericht, das trotz der Tätigkeit von Dr. G. als Chefarzt des Orthopädischen Fachkrankenhauses im A.Stift in H., der in dieser Funktion auch vielfach mit Wirbelsäulenoperationen befasst ist, mit nicht überzeugender Begründung pauschal eine überlegene Fachkunde des gerichtlichen Gutachters Prof. Dr. T. als Neurochirurgen gegenüber dem Privatgutachter Dr. G. angenommen hat, dies verfahrensfehlerhaft unterlassen hat, hat der Senat dazu in der Berufungsinstanz ergänzend Beweis erhoben.

Im Rahmen dieser ergänzenden Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz hat Prof. Dr. T. sich eingehend mit den Einwendungen des Privatsachverständigen Dr. G., die in der Berufungsinstanz zudem noch mit deutschsprachiger Literatur (Tscherne/ Blauth, "Unfallchirurgie", 1998, 223 = Bl. 393 d. A.; Blauth/Dick, "Operationen an der Wirbelsäule", 1996, 70 f. = Bl. 407 d. A.) weiter belegt worden sind, auseinander gesetzt und ist ihnen in überzeugender Weise entgegen getreten. Er ist mit schlüssiger und nachvollziehbarer Begründung bei seiner Einschätzung geblieben, dass die Länge der bei der Operation am ... April 20.. eingebrachten Platte nicht zu beanstanden und eine Abweichung vom geschuldeten Facharztstandard nicht anzunehmen sei.

Zur Begründung hat er bei seiner mündlichen Erläuterung des Gutachtens vor dem Senat am 1. Februar 2010 zu dem geschuldeten Facharztstandard zunächst ausgeführt, es gebe keine Leitlinien für die ärztliche Behandlung in diesem Bereich (Bl. 453 d. A.). In der nationalen und internationalen Literatur, die der gerichtliche Sachverständige in seiner als Anlage zum Verhandlungsprotokoll genommenen schriftlichen Stellungnahme (Bl. 462 ff. d. A.) noch einmal in einer Literaturliste aufgeführt hat, gebe es aber Empfehlungen, die besagten, dass die Platte das darüber- bzw. darunterliegende Segment nicht überschreiten solle. Über die angrenzenden Bandscheiben solle also nichts hinwegragen. Idealer Weise solle die Platte - nach den in den Empfehlungen am meisten genannten Wert - 2 bis 3 Millimeter unterhalb der Oberkante des oberen Wirbels bzw. oberhalb der Unterkante des unteren Wirbels enden. Aber auch der Arzt, der die Plattenlänge bis zur Oberkante des zu versteifenden Halswirbelkörpers wähle, handele noch innerhalb des Facharztstandards. Wenn dagegen die angrenzende Bandscheibe durch die Länge der Platte miterfasst würde, handele er außerhalb des Standards (Bl. 454 d. A.).

Ziehe man im vorliegenden Fall die gefertigten (Röntgen-/Licht-)Bilder zur Rate, sei darauf zu erkennen, dass der Operateur in dem vorhandenen Spielraum eine ausreichend kurze, aber auch ausreichend lange Platte gewählt habe (Bl. 456 d. A.). Zu berücksichtigen sei hier, dass die Situation einmal dadurch erschwert worden sei, dass eine Strecke von vier Wirbelkörpern habe überbrückt werden müssen. Innerhalb dieser langstreckigen Stabilisierung, die a priori problematisch sei, sei die Wahl der Plattenlänge begrenzt, weil die Plattenlänge ja auch die Position der Schrauben determiniere. Wenn eine wesentlich kürzere Platte gewählt worden wäre, dann wäre die obere Schraube sehr nah an dem Zwischenwirbelraum des ersten zu fusionierenden Wirbels gesetzt worden, was ein sehr schwerwiegender Fehler gewesen wäre. Die Platte dürfe keinesfalls in dem Zwischenwirbelraum verankert werden, weil dort eine maximale Bewegung stattfinde. Außerdem sei die Situation dadurch erschwert worden, dass die vorgenommene Verplattung recht hoch rauf gehe, nämlich bis zum Segment 2/3 (Bl. 456 d. A.). Abschließend hat Prof. Dr. T. noch einmal bekräftigt, dass die Platte für die Länge der zu überbauenden oder zu überbrückenden Fusionsstrecke adäquat gewesen sei (Bl. 456 d. A. unten).

Nach dem die Klägerin danach eine weitere Stellungnahme des Privatsachverständigen Dr. G. vom 12. Februar 2010 samt Kopien von Röntgenbildern vom 10. April 2003 mit "Einzeichnungen" eingereicht und unter Hinweis darauf vorgetragen hat, das obere Plattenende überrage die obere Endplatte vom 3. Halswirbelkörper eindeutig nach oben und rage deutlich erkennbar in das benachbarte Bandscheibenfach hinein, womit eine Standardabweichung begründet sei, ist der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. auch dazu auf der Grundlage des Beweisbeschlusses des Senats vom 8. März 2010 (Bl. 512 ff. d. A.) noch einmal befragt worden. In seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 26. April 2010 (im Akteneinband) hat er klargestellt, dass es keine Abweichung vom geschuldeten Facharztstandard darstellte, wenn die eingebrachte Platte nicht nur bis zur Oberkante des zu versteifenden Halswirbelkörpers reiche, sondern initial darüber hinaus gehe und bis in das benachbarte Bandscheibenfach hineinrage, insbesondere dann nicht, wenn sich für diese Platzierung ein plausibler Grund aus dem Operationsverlauf ableiten lasse. Ferner hat er nachvollziehbar festgestellt, dass das obere Plattenende die obere Endplatte des 3. Halswirbelkörpers (Deckplatte) nicht von Anfang an, also mit Abschluss der Operation vom 2. April 2003 nach oben überragt habe. Dies belege der Ausdruck der beiden intraoperativen Durchleuchtungsbilder vom Operationstag, die am 2. April 2003 um 14.45 Uhr und um 14.58 Uhr angefertigt worden seien und sich in Teil I/II der Krankenakte befänden. Ziehe man eine Linie durch die Deckplatte des HWK 3, so berühre diese Linie gerade das obere Ende der Platte. Die Platte rage also nicht über diese Linie nach oben.

Aus dem Ausdruck des Röntgenbildes vom 10. April 2003 ergebe sich nichts anderes. Der Privatgutachter Dr. G. habe auf diesen Bildern - unrichtig - eine Linie so eingezeichnet, dass die Hinterkante des HWK 3 die gezogene Linie noch schätzungsweise um 1 - 1,5 mm nach oben überrage. Hier sei aber die Ebene der Deckplatte anzunehmen. Lege man diese Linie also dort an, so ende sie auch wieder an der Oberkante der Platte. Zusammenfassend sei also auf beiden Bildern die Platte nicht so angebracht, dass sie in die Höhe des Bandscheibenraumes hineinrage.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist für den Senat gut nachvollziehbar, dass und warum der gerichtliche Sachverständige weiterhin bei seiner Einschätzung bleibt, dass der maßgebende Facharztstandard nicht verletzt worden ist und demgemäß ein Behandlungsfehler nicht vorliegt. Die neuerliche Stellungnahme des Privatgutachters Dr. G. vom 10. Mai 2010 (Bl. 545 d. A.), in der er in wenigen handschriftlichen Sätzen seine anderweitige Bewertung noch einmal wiederholt, vermag die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. T. nicht zu erschüttern.

Insbesondere sieht der Senat auch keine Veranlassung dazu, noch weiter ergänzend Beweis zu erheben. Der im vorliegenden Fall geschuldete Facharztstandard bei der Einbringung der Platte ist, insbesondere hinsichtlich der Plattenlänge, durch schriftliche und mündliche Befragung des gerichtlichen Sachverständigen eingehend medizinisch aufgeklärt worden. Prof. Dr. T. sind sämtliche Einwendungen des Privatsachverständigen Dr. G. - wiederholt - vorgehalten worden. Er hat sich damit eingehend beschäftigt und sie in allen Einzelheiten "abgearbeitet", ist aber trotzdem mit für den Senat schlüssiger und gut nachvollziehbarer Begründung bei seiner Bewertung geblieben, dass ein Behandlungsfehler durch den Einsatz einer zu langen Platte bei der (dritten) Operation am 2. April 2003 nicht vorliegt.

2.

Ein Behandlungsfehler liegt auch nicht darin, dass aufgrund der Röntgenbefunde vom 3. Dezember 2003 oder (jedenfalls) vom 10. März 2004 keine zeitnahe Revisionsoperation durchgeführt worden ist. Dass eine solche Revisionsoperation damals erforderlich gewesen wäre, lässt sich nach dem Ergebnis der auch insoweit ergänzten Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz nicht feststellen.

Der Gerichtsgutachter Prof. Dr. T. hat das Erfordernis einer zeitnahen Revisions-Operation in Anbetracht des Röntgenbefundes vom 3. Dezember 2003 bereits auf S. 2 f. seines Ergänzungsgutachtens nachvollziehbar verneint. Zwar habe sich damals im Vergleich zu den Aufnahmen vom Juni 2003 der Verdacht auf eine zunehmende Beweglichkeit in dem oberhalb der Fusion befindlichen Segment HWK 2/3 gezeigt. Im Vordergrund habe zu diesem Zeitpunkt aber neben den von der Patientin empfundenen "knackenden" Halswirbelsäulenbewegungen die linksseitige Lumboischialgie gestanden. Die Schrägaufnahmen der Halswirbelsäule hätten beidseits eine regelrechte postoperative Weite der Formina gezeigt. Die verstärkte ventrale Kippung des HWK 2 im Vergleich zur Oberkante der Platte habe, aber nicht unbedingt, Veranlassung zu einer operativen Revision geben können. Wegen des Fehlens von zusätzlichen klinischen Symptomen sei der dann eingeschlagene Weg zu einer konservativen Therapie mit einer Kontrolle nach Ablauf von drei Monaten aber nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Auch in Anbetracht des Röntgenbildes vom 10. März 2004 habe er nicht an eine sofortige oder zeitnahe Revision gedacht (S. 2 des Ergänzungsgutachtens). Allerdings fügt Prof. Dr. T. dann hinzu, dass er eine Funktionsaufnahme durchgeführt hätte und, falls diese, wie zu erwarten gewesen sei, eine ausreichende Stabilität gezeigt hätte, er eine Revisions-OP nicht empfohlen hätte.

Im Rahmen der mündlichen Erläuterung des Gutachtens vor dem Landgericht (Bl. 295 d. A.) hat er diese Auffassung bekräftigt und ergänzt, dass die zur Verfügung stehenden Bilder nicht belegt hätten, dass die Gefahr einer Schädigung der Speiseröhre bestanden habe. Allerdings hätte er dann engmaschigere Kontrollen durchgeführt und Kräftigungsübungen der Nackenmuskulatur angeordnet. Bei weiteren Befunderhebungen habe man allerdings nicht mit mindestens 50 %-iger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass eine Instabilität festgestellt worden wäre. Dies sei rein spekulativ.

Zwar hat der Privatsachverständige Dr. G. auch hierzu eine anderweitige Bewertung vorgenommen. Er hat auf S. 9 f. seiner Stellungnahme vom 20. September 2006 die Erforderlichkeit einer zeitnahen Revisionsoperation auf der Grundlage des Röntgenbefundes vom 10. März 2004 angenommen und diese Indikation mit dem Verdacht einer Pseudoarthrosebildung aufgrund der gelockerten Osteosynthesematerialien, des Entstehens einer segmentalen Instabilität zwischen dem 2. und 3. Halswirbel und der Gefahr der Oesophagusarrosion durch dislozierte Plattenschrauben begründet. Schon aufgrund des Röntgenbefundes vom 3. Dezember 2003 habe diese Indikation bestanden. Diese Bewertung hat Dr. G. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16. Januar 2008 auf S. 2 bis 4 bestätigt. Im Hinblick darauf, dass es in dem bis dahin dokumentierten radiologischen Verlauf eher zu einer Verschlechterung als zu einer Verbesserung der Nachbarsegmentproblemtaik C2/C3 gekommen sei, hat er die Einschätzung des Gerichtsgutachters, eine abwartende Haltung mit konservativer Behandlung sei vertretbar gewesen, als nicht plausibel bezeichnet. Auch sei nicht verständlich, warum eine Funktionsaufnahme der Halswirbelsäule trotz der bereits in den Nativaufnahmen erkennbaren Instabilität und Profilstörung plötzlich eine stabile Situation habe zeigen sollen.

Auch diese Einwendungen des Privatsachverständigen hat Prof. Dr. T. im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Senat am 1. Februar 2010 entkräftet. Mit überzeugender Begründung hat er aufgrund des vorliegenden Krankheitsverlaufs, der Angaben aus den Akten und der vorliegenden Röntgenbilder vom 3. Dezember 2003 und/oder 10. März 2004 eine Indikation für die Vornahme einer zeitnahen Revisionsoperation, an deren Vorliegen bei der Entfernung einer Platte über vier Segmente ohnehin hohe Voraussetzungen zu stellen seien, weiterhin verneint (Bl. 458 d. A.). Zur Begründung hat er nachvollziehbar ausgeführt, die - hier nicht gegebenen - klassischen Indikationen, um eine solch langstreckige Operation oder Fusion noch einmal aufzulösen, seien das Auftreten von Lähmungen, Gefühlsstörungen, also neurologische Ausfallerscheinungen, die auf eine Fehllage von Interponat (Platte, Schrauben oder eingebrachte Knochenchips) oder Wirbelkörpern zueinander zurückgingen, als auch eine Kompression, also ein Druck auf das Rückenmark oder Nervenwurzeln, sowie eine die umliegenden Weichteile gefährdende Lockerung und Migration von Platten oder Schrauben. Eine sichtbare Instabilität, die man - erst - annehmen könne, wenn ein zusätzliches Abkippen von etwa 11 Grad oder mehr oder eine nach vorn oder hinten stattfindende Gleitverschiebung von 2 oder mehr Millimetern stattfinde, sei auf den vorliegenden Bildern in diesem Umfang nicht zu erkennen (Bl. 457 d. A.). Diese Bewertung hat der gerichtliche Sachverständige mit Hinweisen auf einschlägige Lehrbücher (Tscherne sowie Börm/Meyer zur Wirbelsäulenchirurgie) belegt. Dass eine den Ösophagus gefährdende Migration der Schraubenköpfe durch Ausdrehen oder Auswandern stattgefunden habe, lasse sich auf den Bildern nicht erkennen. Dass es teilweise zu leichten knöchernen Überbauungen gekommen sei, sei eine normale Reaktion des Körpers. Auch daraus könne keinesfalls gleich eine Indikation für die Vornahme einer Revisionsoperation hergeleitet werden (Bl. 459 d. A.).

Im Ergebnis widerspricht der gerichtliche Sachverständige mit einer schlüssigen und gut nachvollziehbaren Begründung auch insoweit weiterhin der Einschätzung des Privatsachverständigen. Im Ergebnis kann deshalb nicht festgestellt werden, dass das Unterlassen der Vornahme einer Revisionsoperation aufgrund der Röntgenaufnahmen vom 3. Dezember 2003 und/oder 10. März 2004 behandlungsfehlerhaft war.

3.

Schließlich kommt auch eine Haftung des Beklagten wegen eines sogenannten Befunderhebungsfehlers nicht in Betracht. Zwar hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. T. festgestellt, dass er in Anbetracht des Röntgenbildes vom 10. März 2004 eine Funktionsaufnahme gemacht hätte, um die ausreichende Stabilität der Halswirbelsäule insbesondere in dem der eingebrachten Platte angrenzenden Bereich zu überprüfen (vgl. S. 2 seines Gutachtens vom 7. November 2007 und S. 4 des Sitzungsprotokolls = Bl. 300 d. A.). Eine solche Funktionsaufnahme ist von dem Beklagten zu 1 unstreitig nicht durchgeführt worden.

Trotzdem hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht eine Haftung der Beklagten auf der Grundlage der Rechtsprechung des BGH zu den sog. Befunderhebungsfehlern deswegen verneint, weil es jedenfalls am erforderlichen Nachweis der Kausalität fehlt. Denn nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. T. lässt sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (mindestens 50 %) feststellen, dass die gebotenen Funktionsaufnahmen eine operationsbedingte Instabilität ergeben hätten. Schon in erster Instanz hat er festgestellt, das hypothetische Ergebnis der Funktionsaufnahme sei rein spekulativ (S. 4 des Sitzungsprotokolls vor dem Landgericht = Bl. 300 d. A.).

Diese Einschätzung hat er im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat am 1. Februar 2010 bestätigt und überzeugend damit begründet, dass im Verlaufe der ganzen Bilder aus den Krankenakten, also nicht nur den ersten intraoperativen Aufnahmen, sondern auch denjenigen aus den Tagen nach dem Eingriff bis nach 11 Monate postoperativ, ein zusätzliches Abknicken bzw. Abkippen nach vorn nicht erkennbar sei (Bl. 459, 461 d. A.). Am 10. März 2004 stellte sich der Winkel zwischen dem zweiten und dem dritten Halswirbelkörper kaum anders dar als in der Zeit davor. Im Gegenteil erkenne man, dass die leichte Knickbildung, die dort bestanden habe, zu einer knöchernen Überbauung geführt habe (Bl. 459 d. A.). Im übrigen hätte allein eine entsprechende Bildgebung nicht ohne weiteres eine Revisionsoperation nach sich gezogen. Neben der Klinik der Patientin falle nämlich auch hier wieder das ganz erhebliche Risiko einer Revisionsoperation über vier Höhen - und dann auch noch oben an der Halswirbelsäule - ins Gewicht (Bl. 460 d. A.). Im Ergebnis könne er deshalb nicht sagen, dass mit einer über 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit ein revisionspflichtiger Befund vorgelegen hätte. Auf Nachfrage hat Prof. Dr. T. dann klargestellt, dass er einen revisionspflichtigen Befund im vorliegenden Fall sogar eher mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 50 % erwartet hätte (Bl. 460, 461 d. A.).

Im Ergebnis kommt danach auch eine Haftung der Beklagten wegen eines Befunderhebungsfehlers nicht in Betracht. Schon dem Grunde nach haften die Beklagten der Klägerin danach nicht für die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Die Voraussetzungen für eine Einholung des von der Klägerin mehrfach beantragten Obergutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere sind die Gutachten von Prof. Dr. T. weder inhaltlich widersprüchlich oder unvollständig noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass er bei seiner Begutachtung von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist oder er nicht über die zur Beantwortung der Beweisfragen erforderliche Sachkunde verfügt hat. Im Gegenteil ist er den mehrfach erhobenen Einwendungen des Privatsachverständigen Dr. G. in für den Senat überzeugender Weise entgegen getreten. Dass Dr. G. über weitergehende Erkenntnismöglichkeiten oder eine überlegene Erfahrung als der gerichtliche Sachverständige verfügt, ist im Rahmen der fachlichen Auseinandersetzung nicht erkennbar geworden. Allein die Tatsache, dass der Privatsachverständige, wie dies in Arzthaftungsfällen im übrigen häufig vorkommt, weiterhin im Ergebnis, insbesondere zur Länge der am 2. April 2003 eingesetzten Platte, eine andere medizinische Bewertung vornimmt als der gerichtliche Sachverständige, rechtfertigt die Einholung eines neuen Gutachtens nicht.

Auch bedurfte es nicht der von der Klägerin beantragten Ladung des Privatsachverständigen zu einem Verhandlungstermin vor dem Senat. Vielmehr genügt es insoweit, dass sich der gerichtliche Sachverständige - wie hier ausführlich geschehen - mit den Einwendungen des Privatsachverständigen auseinander setzt. Die förmliche Anhörung des Privatsachverständigen ist dagegen nach der Rechtsprechung des BGH (VersR 2009, 69 f. m. w. N.) nicht veranlasst. Es war der Klägerin unbenommen, Dr. G. selbst zum Termin mitzubringen, worauf sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter auch hingewiesen worden ist. Darauf hat sie allerdings verzichtet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen dafür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.