Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 08.06.1999, Az.: 5 U 32/99

Bestehen eines Anspruchs auf Verzicht auf eine Grunddienstbarkeit bei bloßer Veränderung der Bedarfssituation nach den Grundsätzen von Treu und Glauben

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
08.06.1999
Aktenzeichen
5 U 32/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 29169
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1999:0608.5U32.99.0A

Fundstelle

  • OLGReport Gerichtsort 1999, 351-352

Amtlicher Leitsatz

Kein Anspruch auf Verzicht auf eine Grunddienstbarkeit bei bloßer Veränderung der Bedarfssituation.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten, ihrer Grundstücksnachbarin, Verzicht und Löschung bez. einer gem. notariellem Vertrag vom 28.07.1982 - UR.-Nr. 300/82 des Notars E. W., A. - im Grundbuch von V... eingetragenen Grunddienstbarkeit mit dem Recht zur Anlegung und Nutzung von Parkplätzen auf dem Grundstück der Klägerin, solange das herrschende Grundstück als Bankgrundstück genutzt wird. Dementsprechend hat die Beklagte auf dem in der Urkunde näher bezeichneten Wegstück neun Parkplätze angelegt und nutzt sie entsprechend.

2

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte benötige nach dem Ankauf eines Nachbargrundstücks mit ausreichendem Parkraum die durch die Grunddienstbarkeit abgesicherten Parkplätze nicht mehr und müsse auf die Grunddienstbarkeit verzichten, da die Anwohner der zwischenzeitlich angelegten benachbarten Neubausiedlung das Wegstück überquerten und dort auch ihren PKW abstellten, und zumal die Klägerin von dieser Siedlung aus jetzt auch über eine Anbindung an eine öffentliche Straße verfüge.

3

Die Beklagte hält die Voraussetzungen für die Grunddienstbarkeit weiterhin für gegeben; die Anwohner der Neubausiedlung überquerten allenfalls das ihr - der Beklagten - gehörende Grundstück.

4

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die neuen Parkplätze auf dem hinzu erworbenen Grundstück stellten den Bestand der Grunddienstbarkeit ebenso wenig in Frage wie die angrenzende Siedlung. Die Bilddokumentation zeige zudem, dass die Fußgängerüberquerung allenfalls über das Grundstück der Beklagten erfolgen könne.

5

Mit der angefochtenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren insgesamt weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

7

Ein allenfalls denkbarer Anspruch auf Verzicht auf die Grunddienstbarkeit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB käme nur in Betracht, wenn infolge endgültiger Veränderungen der für das herrschende Grundstück bestehende Nutzen in keinem Verhältnis zum Schaden für das belastete Grundstück stünde und diesem Umstand auch nicht durch Inhaltsänderungen begegnet werden könnte (allgemeine Ansicht, vgl. nur Palandt/Bassenge, BGB, 58. Aufl., § 1018 Rdn. 35 m.w.N.). Diese Voraussetzungen, für die aus Gründen der Rechtssicherheit wegen des damit verbundenen Eingriffs in ein an sich wirksames Vertragsverhältnis ein strenger Maßstab zu gelten hat, hat die Klägerin bereits nicht schlüssig darlegen können.

8

Der für die Geltung des Nutzungsrechts vorausgesetzte Bankbetrieb dauert an. Die Parkplätze werden dafür unstreitig auch genutzt. Auf weitere zuerworbene Grundstücksflächen braucht sich die Beklagte nicht verweisen zu lassen. Dabei kommt es auf den Nachweis eines fortgeltenden Bedarfs in gleichem Umfang infolge gestiegenen Verkehrsaufkommens nicht an. Entscheidend ist, dass die Beklagte die Grunddienstbarkeit weiterhin so nutzen kann und will, wie es der Bestellung entspricht. Das wird durch einen Neuerwerb von Grundstücksflächen nicht in Zweifel gezogen. Die Nutzung dieser Flächen ist in das Belieben der Eigentümerin gestellt und wirkt sich grundsätzlich nicht auf andere bestehende Rechte aus, auch wenn diese eine entsprechende Nutzungsart ermöglichen.

9

Die Anbindung des Grundstücks der Beklagten an die seit der Grundschuldbestellung neu entstandene Siedlung auf dem ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebiet stellt das berechtigte Nutzungsinteresse der Beklagten aus der Grunddienstbarkeit ebenfalls nicht entscheidend in Frage. Auf den durch die Neubauansiedlung über den W... des J... entstandenen Zugang zum öffentlichen Straßennetz braucht sie sich nicht verweisen zu lassen. Schon gar nicht vermag ein solcher - umständlicherer - Zugang einen Anspruch auf Verzicht der durch die Grunddienstbarkeit für den Bankbetrieb erworbenen Zuwegung über die W...-V... Straße zu begründen. Es mag zwar sein, dass die Frage der Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz in die Überlegungen im Zusammenhang mit der Bestellung der Grunddienstbarkeit miteingeflossen sind. Dass das anerkennenswerte, dinglich abgesicherte Nutzungsinteresse durch die Veränderungen der Nachbarbebauung nunmehr unter die Vernachlässigungsgrenze gesunken sein sollte, ist nach der vertraglichen Ausgestaltung der Grunddienstbarkeit und der tatsächlichen Gegebenheiten nicht zu erkennen.

10

Eine Veränderung der Bedarfssituation stellt entgegen der Aussicht der Berufung den Bestand des Nutzungsrechts allein nicht in Frage.

11

Im Übrigen ist auch die Behauptung der Klägerin, ihr Grundstück werde durch nicht vorgesehene Fremdnutzung - Fußgänger- in nicht hinnehmbarer Weise - weil in unverhältnismäßigem Umfang - beeinträchtigt, nach wie vor unschlüssig. Nach Auswertung der vorgelegten Bilder und Karten über das der Grunddienstbarkeit zu Grunde liegende Wegstück bleibt offen, inwieweit Anlieger der Siedlung Grund und Boden der Klägerin überqueren. Nachvollziehbar ist vielmehr allenfalls ein Überqueren des Grundstücks der Beklagten. Dem entspricht es, dass die Beklagte 1982 ihrerseits auf ihrem Grundstück im Zusammenhang mit den Parkplätzen der Klägerin ein Wegerecht eingeräumt hat. Eine nicht tolerierbare, den Grund und Boden der Klägerin unverhältnismäßig schädigende Auswirkung der im Streit stehenden Grunddienstbarkeit der Beklagten ist daher nicht dargetan oder sonst ersichtlich.

12

Der Vollständigkeit halber sei nur darauf hingewiesen, dass auch unberechtigtes Überqueren und Parken durch Dritte nicht ohne weiteres der Beklagten zugerechnet werden kann und den Bestand ihrer Grunddienstbarkeit allein nicht in Frage zu ziehen vermag.