Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 02.06.1999, Az.: 2 U 53/99
Anspruch auf Ersatz der zur Abwendung eines Schadens dienenden Aufwendungen ; Entschädigung für Rettungskosten aus einer Feuerversicherung; Vorliegen einer Rettungshandlung im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 02.06.1999
- Aktenzeichen
- 2 U 53/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 29113
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1999:0602.2U53.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 62 VVG
- § 63 VVG
Fundstellen
- NJW-RR 2000, 478-479 (Volltext mit amtl. LS)
- NVersZ 2000, 290-291
- OLGReport Gerichtsort 1999, 343-344
- VersR 2000, 968-969 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Feuerversicherung: Entschädigung für fermentationsgeschädigtes, aber nicht wertloses Erntegut unter dem Gesichtspunkt Rettungskosten.
Tatbestand
Es kann unterstellt werden, dass - bezogen auf die Nacht vom 31.08. zum 01.09.1998 - auf Grund des § 8 LZB 87 ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall nicht vorliegt, weil die auf Veranlassung der Feuerwehr aus der Remise entfernten und auf der Weide gelagerten 111 Ballen Bestandteile eines Großballenlagers im Sinn der Versicherungsbedingungen waren, als sie in Brand gerieten. In diesem Fall hat die Klägerin jedenfalls gemäß § 63 VVG einen Anspruch auf Ersatz des ihr - nach der Auslagerung noch - entstandenen Schadens als Rettungskosten.
Gemäß § 63 VVG sind dem Versicherungsnehmer die Aufwendungen zu ersetzen, die dem Zweck dienten, den versicherten Schaden abzuwenden oder zu mindern, § 62 VVG. Der Versicherungsfall muss dabei nicht bereits eingetreten sein, es genügt, dass er unmittelbar droht (Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 62 Rn. 3 m. w .N.). Entscheidend ist dabei nicht, dass die Maßnahme objektiv geboten war, sondern dass der Versicherungsnehmer, ohne sich dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ausgesetzt zu sehen, sie den Umständen nach für geboten halten durfte (Prölss/Martin, § 63 Rn. 9; Römer/Langheid, VVG, § 63 Rn. 6).
Entscheidungsgründe
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Unmittelbar vor der Auslagerung der Heuballen bestand akute Brandgefahr. Das Verbringen der Ballen auf die Weide diente dem Zweck, einen solchen Brand zu vermeiden. Wäre es zum Brand in der Scheune gekommen, hätte ein Versicherungsfall vorgelegen. Denn das Heu wäre dann, ohne dass die Voraussetzungen der Ausschlussklausel des § 8 LZB vorgelegen hätten, durch einen Brand gemäß § 1 Nr. 1 a AFB 87 zerstört worden. Zwar stellt ein Fermentationsschaden, also ein Schaden durch Gärung und Verkohlung, welcher mangels Luftzutritts ohne Lichterscheinung eintritt, keinen ersatzfähigen Brandschaden dar; entsteht jedoch - wie es vorliegend auch in der Scheune, also an einem versicherten Ort, der Fall gewesen wäre - im Verlauf des Gärungsprozesses durch Selbstentzündung ein Feuer, liegt ein bedingungsgemäßer Brand vor (Prölss/Martin, § 82 Rn. 3; Römer/Langheid, § 82 Rn. 2; Boldt, Die Feuerversicherung, 7. Aufl., S. 76).
Eine Rettungshandlung gemäß §§ 62, 63 VVG läge allerdings nicht vor, wenn die 111 verbrannten Heuballen bereits bei ihrer Auslagerung aus der Remise durch Fermentierung wertlos gewesen wären. Dies ergibt sich entgegen der Ansicht des Landgerichts und der Beklagten jedoch nicht aus der von der Klägerin und ihrem Ehemann unterschriebenen Verhandlungsniederschrift vom 02.09.1998. Darin heißt es zwar unter anderem: " ... d. h. hier wurden die optisch schon verfärbten und teilweise verkohlten Ballen abgelegt. Die Gesamtzahl dieser Ballen beträgt 111 Stück. .... Die übrigen auch durch Fermentation beeinträchtigten Großballen wurden auf dem Hofgrundstück auf einer Siloplatte abgelegt. Hierbei handelte es sich um 49." Zum Verständnis dieses Textes ist es jedoch erforderlich, auch die unter 6.) gemachten Angaben zum Schadensumfang zu berücksichtigen. Dort heißt es unter anderem: "111 Großballen .... nach Fermentation verbrannt." Weiter ist ausgeführt: "49 Großballen wie oben durch Fermentation unbrauchbar." Daraus folgt, dass lediglich 49 Heuballen durch Fermentation völlig unbrauchbar geworden sind. Eine gänzliche Wertlosigkeit der 111 später verbrannten Heuballen im Zeitpunkt ihrer Auslagerung lässt sich der Verhandlungsniederschrift dagegen gerade nicht entnehmen.
Der Anspruch auf Ersatz von Rettungskosten besteht ferner nicht, wenn der Versicherer auch bei Eintritt des Versicherungsfalls gemäß § 61 VVG wegen einer vorangegangenen grob fahrlässigen Handlungsweise des Versicherungsnehmers nicht hätte leisten müssen (Römer/Langheid, § 63 Rn. 14). Die Beklagte vertritt insoweit die Auffassung, die Klägerin hätte sich bei der Lagerung des Heus in der Remise nicht auf Handtemperaturmessungen verlassen dürfen. Ein solches Verhalten ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Senat r + s
1997, 470), an der festgehalten wird, ohne Hinzutreten besonderer Umstände grundsätzlich nur als fahrlässig und nicht als grob fahrlässig zu bewerten, dass die Auslagerung selbst - also die Rettungsmaßnahme der Klägerin - sich als grob fahrlässig darstellt, behauptet die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht.
Zu den zu ersetzenden Aufwendungen gehört jede - auch unfreiwillige - Vermögensminderung beim Versicherungsnehmer, die sich als adäquate Folge der getroffenen Maßnahme darstellt (Römer/Langheid, § 63 Rn. 9). Dies ist vorliegend der Schaden an den Heuballen, der nach deren Auslagerung durch Brand entstanden ist.