Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 18.06.1999, Az.: 13 U 16 / 99
Schadensersatzanspruch aufgrund einer Amtspflichtverletzung; Schadensersatzanspruch bei Beurkundung von Schenkung ohne Hinweis auf Schenkungssteuer; Anforderungen an Pflicht des Notars zur Belehrung über Kettenschenkung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 18.06.1999
- Aktenzeichen
- 13 U 16 / 99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 20214
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1999:0618.13U16.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 18.01.1999 - AZ: 2 O 352/98
Rechtsgrundlage
- § 42 AO
In dem Rechtssstreit
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 04. Juni 1999
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht Dr. ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 18. Januar 1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000,00 DM.
Tatbestand
Die Beklagte beurkundete am 21. Februar 1996 einen Vertrag, durch den die Schwiegermutter der Klägerin dieser und ihrem Ehemann jeweils zur ideellen Hälfte ein Hausgrundstück übertrug. In der Vereinbarung verpflichteten sich die Erwerber, ihrer Mutter bzw. Schwiegermutter ein lebenslanges Wohnrecht einzuräumen und sie in alten und kranken Tagen zu hegen und zu pflegen.
Die Klägerin wurde vom Finanzamt Osnabrück mit Bescheid vom 27. April 1998 auf Schenkungssteuer in Höhe von 8.316,00 DM in Anspruch genommen.
Sie macht geltend, die Beklagte habe sie bei der Beurkundung auf ihre Frage hin fehlerhaft dahingehend belehrt, es falle keine Schenkungssteuer an. Wäre sie richtig belehrt worden, so hätte sie die Schenkung nicht angenommen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, sie darauf hinzuweisen, daß die Schenkungssteuer dadurch hätte vermieden werden können, wenn ihre Schwiegermutter das Hausgrundstück zunächst ihrem Sohn geschenkt und dieser dann der Klägerin später die Hälfte abgetreten hätte.
Die Beklagte hat bestritten, bei der Beurkundung den Anfall von Schenkungssteuer verneint zu haben.
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Beklagte die Klägerin hinsichtlich der Schenkungssteuer rechtsfehlerhaft belehrt habe. Denn auf jeden Fall sei der Klägerin dadurch kein Schaden entstanden. Der Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück sei ohne den Anfall von Schenkungssteuer nicht möglich gewesen. Die Schenkungssteuer hätte nicht dadurch erspart werden können, daß die Schwiegermutter der Klägerin das Hausgrundstück zunächst ihrem Sohn und dieser anschließend eine Miteigentumshälfte der Klägerin übertrug. Darin läge ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 Satz 1 Abgabenordnung mit der Folge, daß gleichwohl die Schenkungssteuer angefallen wäre.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie hält an ihrer Auffassung fest, daß die Beklagte auf die Möglichkeit der Kettenschenkung hätte hinweisen müssen. Wäre zwischen der ersten und der zweiten Schenkung ein Zeitraum von einigen Jahren eingehalten worden, so hätte auch kein Mißbrauch i.S. von § 42 Abgabenordnung vorgelegen. Die Beklagte müsse ihr deshalb den Schenkungssteuerbetrag abzüglich der für eine zweite Beurkundung aufzuwendenden Kosten ersetzen.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr 6.789,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch liegen nicht vor, weil nicht festgestellt werden kann, daß der Klägerin aufgrund einer Amtspflichtverletzung der beklagten Notarin ein Schaden entstanden ist.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte in gewissem Widerspruch zu der im Vertragstext beurkundeten Erklärung tatsächlich auf entsprechende Frage des Ehemannes der Klägerin mündlich erklärt hat, es falle keine Schenkungssteuer an. Selbst wenn von der Beklagten in diesem Punkt eine unrichtige Belehrung erteilt worden wäre, hätte dies allein noch nicht zu einem anderen Verlauf geführt. Denn die Klägerin behauptet selbst nicht konkret, daß der Vertragsschluß dann zunächst unterblieben wäre und die Beteiligten steuerrechtlichen Rat eingeholt hätten und sich ihrer Vermögenslage daraufhin aufgrund einer anderen Vertragsgestaltung insgesamt besser dargestellt hätte.
Aber auch mit ihrem in der Berufungsinstanz ergänzten Vortrag, die Beklagte selbst hätte die an der Beurkundung beteiligten Personen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über die Möglichkeit einer Kettenschenkung belehren müssen, bei der keine Schenkungssteuer angefallen wäre, kann die Klägerin keinen Erfolg haben. Denn zu einer solchen Belehrung war die Beklagte - auch bei entsprechender Frage nach dem Anfall von Schenkungssteuer - nicht verpflichtet, weil sie als Notarin ihre Neutralität gegenüber den Beteiligten zu wahren hatte. Die Kettenschenkung hätte nämlich, wie die Klägerin selbst einräumt, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH BStBl. 1982 II, 736) so ausgestaltet werden müssen, daß das gesamte Grundstück zunächst allein dem Sohn der Eigentümerin übertragen worden wäre und ihm bezüglich der Weiterübertragung der Miteigentumshälfte an die Klägerin ein gewisser Entscheidungsspielraum hätte verbleiben müssen. Eine solche Lösung war hier aber schon deshalb problematisch, weil die Beteiligten gar nicht eine reine Schenkung wünschten. Die Klägerin sollte gleichzeitig mit dem Eigentumserwerb auch Pflichten übernehmen, insbesondere die Verpflichtung, ihrer Schwiegermutter in alten und kranken Tagen Hege und Pflege zu leisten. Bei Vertragsabschluß ließ sich nicht absehen, ob die Schwiegermutter nicht alsbald gerade auch die Hilfe der Schwiegertochter benötigen würde. Deshalb lag es in ihrem Interesse, wenn bereits eine bindende Verpflichtung der Schwiegertochter zur Hege und Pflege begründet wurde. Auf der anderen Seite mußte die Klägerin dann auch - jedenfalls aus vermögensrechtlicher Sicht - daran interessiert sein, im Gegenzuge bereits eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich des ihr zugedachten Miteigentumsanteils zu bekommen. Bei einer - modifizierten - Kettenschenkung, die sich an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und rein steuerlichen Gesichtspunkten orientieren sollte, hätte sie keine gleichwertige Rechtsposition erhalten können. Die Beklagte war aber als Notarin nicht verpflichtet, den Beteiligten Gestaltungsmöglichkeiten vorzustellen, die entweder den Interessen der Schwiegermutter oder der Klägerin zuwider laufen mußten und vielleicht sogar zu Konflikten zwischen den Beteiligten führen konnten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 6.789,00 DM festgesetzt.