Landgericht Hannover
Urt. v. 09.04.2002, Az.: 18 S 704/01 (45)
Verkehrsunsicherer Zustand eines Schiffes als Reisemangel; Unfalltod eines Reisenden durch Kontakt mit einem stromspannungsführenden Halteseil auf einem Schiff; Minderung des Erholungswertes einer Reise durch Verursachung des Todes eines Angehörigen
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 09.04.2002
- Aktenzeichen
- 18 S 704/01 (45)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 29811
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2002:0409.18S704.01.45.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 08.03.2001 - AZ: 532 C 18631/00
Rechtsgrundlagen
- § 651 d BGB
- § 651 f Abs. 2 BGB
Fundstelle
- RRa 2004, 109-110 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Thomas,
den Richter am Landgericht Bodenstein und die Richterin Otte
auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2002
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 8. März 2001 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - teilweise geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 443,80 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2000 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 9/10 den Klägern und zu 1/10 den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß § 543 I ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur zum geringeren Teil Erfolg.
Die Beklagten sind verpflichtet, den Klägern über vorprozeßual gezahlte 1.500,00 DM hinaus weitere 443,80 EUR (868,00 DM) als Minderung aus der Pauschalreise nach Bali vom 10. bis zum 27. Juli 2000 zu bezahlen.
Die Minderung ergibt sich aus dem als Reisemangel anzusehenden verkehrsunsicheren Zustand des Schiffes, der am Abend des 21. Juli 2000 zu dem tödlichen Unfall des 14-jährigen Sohnes der mitreisenden Familie Janoschka führte. Die Kammer ist nach dem Informationsstand, wie er sich aus den Akten ergibt, davon überzeugt, daß der tödliche Unfall auf einen Stromschlag zurückzuführen ist, der beim Anfassen eines stromführenden Halteseils ausgelöst wurde. Dafür spricht, daß der Junge zusammenbrach, nachdem er das Halteseil mit der rechten Hand angefaßt hatte, daß er danach Schürfwunden an der rechten Hand aufwies, die einer durch elektrischen Strom verursachten Verletzung entsprachen, daß sich aus der erfolgten Autopsie keinerlei Hinweise auf eine andere Todesursache feststellen ließen und daß auch bei einer am nächsten Tag erfolgten Untersuchung Stromspannung an diesem Halteseil festgestellt wurde, die zum Aufleuchten einer Glühbirne führte.
Infolge dieses tragischen Vorfalls, bedingt durch den verkehrsunsicheren Zustand des Schiffes, war die Reise der Kläger für die Folgezeit wesentlich beeinträchtigt. Der nächste Tag, der 22. Juli, an dem man unter dem Eindruck des Unfalls stand und der 23. Juli 2000, an dem man nochmals gemeinsam auf das Schiff bestellt wurde, dürfte keinerlei Erholungswert gehabt haben. Etwas abgeschwächt wird das auch für den 24. und den 25. Juli gelten müssen, während der 26. Juli 2000 wiederum gänzlich verdorben war, weil die Kläger diesen Tag bei der Polizei verbringen mußten.
Die Kammer bewertet die Minderung für diese fünf Tage in der Weise, daß die. Tage des 22., 23. und 26. Juli 2000 jeweils zu 100 % zu mindern sind, während sich für den 24. und den 25. Juli 2000 eine Herabsetzung des Reisepreises um je 50 % ergibt. Bei einem durchschnittlichen Tagessatz von 592,00 DM (9.470,00 DM/16) errechnet sich daraus ein Gesamtminderungsbetrag in Höhe von 2.368,00 DM. Der den Klägern zuzusprechende Betrag beträgt danach 868,90 DM (2.368,00 DM abzügl. gezahlter 1.500,00 DM) = 443,80 EUR.
Die Entscheidung über die Zinsen ist aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet.
Weitere, zu einer Minderung des Reisepreises führende Mängel lassen sich nicht feststellen. Das gilt zum einen für die Ereignisse im Zusammenhang mit der Sturmnacht auf dem Schiff. Hier geht die Kammer in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht davon aus, daß in dem Sturmgeschehen die Verwirklichung eines allgemeinen Risikos in derartigen Gegenden zu sehen ist und daß mangels näherer Einzelheiten, die das gesamte Schiffahrtsgeschehen in den Häfen und auf See in der Region betreffen müßten, nicht zu erkennen ist, daß der Schiffsführer etwa seemännisch fehlerhaft entschied, als er mit dem Schiff auslief. Die Tatsache, daß andere Schiffe im Hafen lagen, als das Schiff der Kläger auslief, reicht dafür nicht aus. Zum anderen lassen sich auch aus den Beanstandungen, welche die Hotelunterbringung in der Zeit vom 22. Juli 2000 bis zum Abflug betreffen, keine wesentlichen Reisemängel entnehmen. Der Unfall auf dem Schiff mag dazu geführt haben, daß man den elektrischen Einrichtungen in dem Hotel besonders kritisch gegenüber war; ernsthafte Sicherheitsmängel haben die Kläger auch unter Berücksichtigung der dortigen ortsüblichen Standards jedoch nicht vorgetragen.
Da die Minderungsansprüche in keinem Fall ein solches Maß (mindestens 50 % Minderung) erreichen, daß von einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise die Rede sein könnte, scheiden Schadensersatzansprüche wegen entgangener Urlaubsfreude gemäß § 651 f Abs. 2 BGB aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1,97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Bodenstein
Otte