Landgericht Hannover
Urt. v. 31.01.2002, Az.: 3 S 1268/01-81

Anspruch auf Rückzahlung von Teilbeträgen auf geleistete Vorauszahlungen auf die Nebenkosten; Anforderungen an den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit; Fehlerhafte Nebenkostenabrechnung

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
31.01.2002
Aktenzeichen
3 S 1268/01-81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 25594
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2002:0131.3S1268.01.81.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 10.07.2001 - AZ: 555 C 12112/00

Fundstelle

  • WuM 2003, 450-452 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Rückforderung von Nebenkostenzahlungen

Redaktioneller Leitsatz

  1. I)

    Ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung des einen Vertragspartners gegenüber dem anderen voraus, wobei die Verletzung von Nebenpflichten genügen kann.

  2. II)

    In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass auch für preisfreien Wohnraum der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gilt, d.h. der Vermieter darf bei der Abrechnung über Vorauszahlungen nur solche Kosten in Ansatz bringen, die sich aus ordentlicher Bewirtschaftung des Gebäudes oder des Grundstücks ergeben.

In dem Rechtsstreit
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2002
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landgericht Harcke sowie
der Richterinnen am Landgericht Schnabel und Claus
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 10. Juli 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover - 555 C 12112/00 - wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Gründe

1

Ohne Tatbestand gemäss § 543 Abs. 1 ZPO.

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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Mit der Berufung wenden sich die Kläger dagegen, dass das Amtsgericht ihre Klage auf Rückzahlung angeblich überzahlter Nebenkosten für die von ihnen gemietete Wohnung im Hause Rumannstraße 6 in Hannover für die Jahre 1994 bis 1998 mit der Begründung abgewiesen hat, dass ein schuldhafter Verstoss der Beklagten gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit nicht vorliege.

3

Wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, lässt sich der von den Klägern geltend gemachte Rückforderungsanspruch nicht auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, §§ 812 ff. BGB, stützen, da die Beklagte nach den von ihr vorgelegten Quittungen die von ihr jeweils in ihre Nebenkostenabrechnungen das Haus Rumannstraße 6 betreffend eingestellten Beträge für Treppenhausreinigung, Gartenpflege sowie Fusswegreinigung, Winterdienst und Hofreinigung auch tatsächlich gezahlt hat, so dass sie um diese Beträge (oder einen Teil davon) nicht ungerechtfertigt bereichert ist. Die Kläger haben mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.11.2000 ausdrücklich unstreitig gestellt, dass die Beklagte die streitbefangenen Nebenkostenpositionen gegenüber der Zeugin Isermann abgegolten hat und von ihnen lediglich die unangemessene Höhe dieser Beträge beanstandet wird.

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Als Anspruchsgrundlage für die Forderung der Kläger auf Rückzahlung von Teilbeträgen der für die Jahre 1994 bis 1998 von den Klägern auf die Nebenkosten geleisteten Vorauszahlungen kommen danach nur die Grundsätze der positiven Vertragsverletzung in Betracht. Ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung setzt eine schuldhafte Pflichtverletzung des einen Vertragspartners gegenüber dem anderen voraus, wobei die Verletzung von Nebenpflichten genügen kann. Hierzu ist in Bezug auf den vorliegenden Fall folgendes auszuführen:

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In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass auch für preisfreien Wohnraum der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gilt, d.h. der Vermieter darf bei der Abrechnung über Vorauszahlungen nur solche Kosten in Ansatz bringen, die sich aus ordentlicher Bewirtschaftung des Gebäudes oder des Grundstücks ergeben. Zwar ist insoweit streitig, woraus sich bei preisfreiem Wohnraum die Geltung dieses Grundsatzes herleitet: Nach einer Meinung erhält der Vermieter die Betriebskostenvorauszahlungen nur als Treuhänder des Mieters, so dass er zu einem sparsamen Umfang mit ihnen verpflichtet sei, nach anderer Auffassung folgt das Gebot der Beachtung der Wirtschaftlichkeit aus § 242 BGB, während nach einer dritten Ansicht die Pflicht des Vermieters, den Mieter nur mit notwendigen Betriebskosten zu belassen, aus der Abrechnung als Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gemäss § 315 Abs. 3 BGB hergeleitet wird (vgl. dazu im einzelnen Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., Seite 527 f. m.w.N.). Welche dieser Konstruktionen den Vorzug verdient, kann für die Entscheidung dieses Rechtsstreits dahingestellt bleiben, da sich dies im Ergebnis nicht zu Gunsten oder zu Lasten einer Partei auswirkt. Das Gebot der sparsamen Bewirtschaftung bezieht sich zum einen auf die Betriebskostenarten (diese sind hier allerdings nicht im Streit), zum anderen betrifft es die Höhe der Kosten. Massgeblich ist der Standpunkt eines "vernünftigen Wohnungsvermieters". Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Vermieter nicht verpflichtet ist, vor der Vergabe von Leistungen verschiedene Angebote einzuholen und dann den jeweils preiswertesten Anbieter zu wählen. Auch steht es in seinem Ermessen, ob er mit den Reinigungsarbeiten eine Privatperson, etwa einen von ihm beschäftigten Hausmeister, oder eine professionelle Firma beauftragt. Andernfalls würde der Vermieter in seiner Bewirtschaftung des Objekts zu stark eingeschränkt.

6

Ihm ist deshalb durchaus ein gewisser Ermessensspielraum zuzubilligen. Die Beklagte durfte danach mit den streitgegenständlichen Reinigungsarbeiten (Treppenhausreinigung, Fusswegreinigung, Winterdienst und Hofreinigung) grundsätzlich ihre Angestellte, Frau Isermann, beauftragen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung seitens der Beklagten läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn die Beklagte hätte erkennen können, dass die hierdurch anfallenden Reinigungskosten unverhältnismässig hoch sind. Davon kann hier jedoch nach Überzeugung der Kammer nicht ausgegangen werden. Wie sich aus den von der Beklagten vorgelegten Quittungen ergibt, hat diese ihrer Angestellten während der streitgegenständlichen Jahre jeweils einen Pauschalbetrag für die Reinigungsarbeiten gezahlt, diese also nicht nach Stunden abgerechnet. Schon deshalb kann nicht davon gesprochen werden, dass die Beklagte ihrer Angestellten einen bestimmten "Minutenlohn" gezahlt hätte. Denn die Reinigung eines Treppenhauses nimmt je nach Art und Gründlichkeit der durchgeführten Reinigung naturgemäss unterschiedlich viel Zeit in Anspruch, die Beklagte hat aber nicht "daneben gestanden", als Frau Isermann die Reinigungsarbeiten durchführte, jedenfalls haben die Kläger derartiges nicht behauptet. Unzutreffend ist ferner das Argument der Kläger, die Beauftragung einer Privatperson mit der Durchführung von Reinigungsarbeiten führe in der Regel zu niedrigeren Kosten als bei einer Vergabe der Arbeiten an professionelle Firmen. Vielmehr ist es oft, wie auch der vorliegende Fall zeigt, gerade umgekehrt, da die professionellen Firmen (wie man gerade bei der Durchführung des Winterdienstes besonders gut sehen kann) mit Hilfsmitteln arbeiten, die eine wesentlich zügigere Erledigung der anfallenden Arbeiten erlauben. Die Vergabe der Reinigungsarbeiten an eine Privatperson ist dem Vermieter aber, wie ausgeführt, grundsätzlich erlaubt. Hier hatte die Beklagte durchaus auch ein anerkennenswertes Interesse daran, die Arbeiten ihrer Angestellten zu übertragen, da ihr diese als zuverlässig bekannt war. Die Beauftragung einer Privatperson hat im übrigen den Vorteil, dass diese in der Regel flexibler einsetzbar ist und je nach Bedarf (etwa bei starker Verschmutzung im Winter) zusätzliche Reinigungsarbeiten "auf Abruf durchführen kann. Demgegenüber ist gerichtsbekannt, dass gerade professionelle Reinigungsfirmen den Winterdienst teilweise unregelmässig und unzuverlässig versehen, was aber nicht im Interesse eines Vermieters sein kann. Da die Beklagte - anderes ist jedenfalls nicht vorgetragen - auch bei ihrem Haus Eichstraße 23 in Hannover in der hier streitgegenständlichen Zeit ihre Angestellte Isermann mit der Durchführung der Reinigungsarbeiten beauftragt hatte, musst ihr sich deshalb auch bei einem Vergleich der Kosten für das Objekt Eichstraße 23 mit den Kosten für das Hausgrundstück Rumannstraße 6 nicht aufdrängen, dass die von ihr gezahlten Reinigungskosten überhöht oder gar völlig unangemessen sind. Dass die Beklagte auf andere Weise Kenntnis von für ein vergleichbares Objekt durchschnittlich anfallenden Kosten hatte, tragen die Kläger selbst nicht vor. Eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten bei der Vergabe der Reinigungsarbeiten zu den von ihr sodann auf die Kläger umgelegten Kosten kann mithin nach alledem nicht festgestellt werden.

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Auch die von ihnen für die Gartenpflege gezahlten Kosten (für die Jahre 1994 bis 1998) können die Kläger nicht zurückverlangen. In Rechtsprechung und Literatur ist insoweit umstritten, ob es für die Umlegung auf den betroffenen Mieter erforderlich ist, dass dieser den Garten oder die sonstigen Flächen nutzen kann. Die Kammer schliesst sich insoweit der etwa auch von dem Landgericht Hamburg (ZMR 1995, Seite 32 f) vertretenen Auffassung an, dass die Kosten der Gartenpflege auch dann umlegungsfähig sind, wenn der Vermieter das Betreten der Gartenanlage durch den Mieter nicht wünscht, so dass es hier dahingestellt bleiben kann, ob, wie die Kläger vortragen, die Beklagte ihnen untersagt hat, den Garten zu betreten oder in sonstiger Weise zu nutzen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Gartennutzung ausschliesslich bestimmten anderen Mietern im Haus erlaubt wäre. Dies behaupten die Kläger aber selbst nicht. Eine Gartenpflege ist bereits aus optischen Gründen notwendig, sie dient der Pflege des Erscheinungsbildes des Grundstücks. Bei der Rasenfläche hinter dem Haus handelt es sich um eine Gemeinschaftsanlage. Dass deren Betreten verboten ist, ist nicht unüblich. Es entspricht zudem nicht dem System der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV, dass nur Kosten umlegungsfähig sind, durch deren Aufwendung der Mieter einen unmittelbaren Nutzen hat. Da nach dem von den Klägern vorgelegten Mietvertrag die Kläger - auch - die Zahlung von Gartenpflegekosten (anteilig) schulden, sind sie zum einen dem Grunde nach verpflichtet, diese zu tragen. Auch was die Höhe der von der Beklagten insoweit abgerechneten Kosten anbelangt, vermag das Gericht keinen schuldhaften Verstoss der Beklagten gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu erkennen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die vorstehenden Ausführungen zu den Reinigungsarbeiten verwiesen, die hier entsprechend gelten. Ergänzend ist anzumerken, dass die Gartenpflege nicht nur das Rasenmähen und Nachsäen umfasst, sondern auch das Schneiden von Bäumen, Sträuchern und Hecken, die Beseitigung von Unkraut, die Reinigung des Gartens und die Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen. Nach dem insoweit unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten (Seite 2 des Schriftsatzes vom 20.10.2000) gehört zu dem Grundstück Rumannstraße 6 eine Rasenpfläche, welche von Bäumen und Büschen und Blumenstauden umrandet ist. Selbst wenn man mit den Klägern davon ausgeht, dass sich die Gartenpflege auf eine Fläche von maximal 90 qm bezieht (zuvor war noch von einer Fläche von lediglich 6 qm die Rede) und nicht auf eine solche von ca. 180 qm, wie die Beklagte behauptet, so können Kosten in Höhe von 960,00 DM jährlich für die vorgenannten Arbeiten nicht als unangemessen hoch angesehen werden, ohne dass es dazu der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf. Naturgemäss fallen bei der Gartenpflege nicht in jedem Monat und nicht in jedem Jahr immer wieder dieselben Arbeiten an, monatliche Kosten von 80,00 DM für sämtliche vorgenannten Arbeiten, wie sie hier die Beklagte bezahlt und auf die Mieter umgelegt hat, sind jedoch allemal angemessen (die Angestellte der Beklagten arbeitete mit Steuerkarte).

8

Soweit die Nebenkostenabrechnungen der Beklagten deshalb fehlerhaft sind, weil diese die anteilig umzulegenden Nebenkosten lediglich auf 8 statt auf 9 Parteien verteilt hat, vermag dies der Berufung schliesslich ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, sind die Nebenkostenabrechnungen der Beklagten insofern von falschen Tatsachen ausgegangen und nicht korrekt. Die Beklagte muss deshalb sämtliche Nebenkostenabrechnungen, die diesen Fehler enthalten, neu erstellen. Zwar dürfte sich hieraus ein Rückforderungsanspruch der Kläger ergeben, da die Nebenkosten richtigerweise auf mehr Parteien zu verteilen sind als geschehen. Die Fälligkeit eines Rückzahlungsanspruchs tritt jedoch erst nach ordnungsgemässer Abrechnung ein (vgl. Emmerich/Sonnenschein, Mietrecht, 6. Aufl., Seite 562), so dass die Kläger etwaige Rückzahlungsforderungen auf die auch derzeit noch fehlerhaften Abrechnungen der Beklagten nicht stützen können.

9

Die Kostenentscheidung für die danach erfolglose Berufung beruht auf § 97 ZPO.

10

Die nach mündlicher Verhandlung eingegangenen Schriftsätze vom 15., 23. und 25.1.2002 waren nicht nachgelassen und konnten bei der Entscheidung nicht berücksichtigt werden. Zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand keine Veranlassung.

Harcke
Schnabel
Claus