Landgericht Hannover
Beschl. v. 19.12.2002, Az.: 20 T 54/02

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Gewährung einer Restschuldbefreiung

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
19.12.2002
Aktenzeichen
20 T 54/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28953
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2002:1219.20T54.02.0A

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.

2

Der Schuldner hat am 21.5.2001 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. In der eingereichten Gläubigerliste v. 3.5.2001 ist die Forderung des Gläubigers aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Erfurt v. 30.11.2000 - 6 O 258/00, nach dem der Schuldner dem Gläubiger wegen des Unterliegens in dem Rechtsstreit 7.814,89 EUR zu zahlen hat, nicht aufgeführt. Der Gläubiger hatte vor dem 3.5.2001 erfolglos versucht, bei dem Schuldner die Forderung zu vollstrecken.

3

Im Rahmen eines weiteren Vollstreckungsversuchs hat er von dem Insolvenzverfahren Kenntnis erlangt. Er hat beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. In dem Schlusstermin des Insolvenzverfahrens war der Gläubiger nicht anwesend.

4

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das AG den Antrag des Gläubigers, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 11.10.2002 zugestellten Beschluss hat der Gläubiger mit am 23.10.2002 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

5

Die sofortige Beschwerde ist erfolgreich.

6

Der Antrag des Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung ist zulässig. Der Gläubiger hatte zwar den vor dem Schlusstermin schriftlich gestellten Antrag nicht noch einmal im Schlusstermin persönlich gestellt, eine nochmalige Wiederholung ist aber nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. 20 T 1410/01) nicht erforderlich.

7

Die Vorschrift des § 290 ZPO ist dahingehend zu verstehen, dass der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung bis zum Schlusstermin zu stellen ist. Auch in der Literatur (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch zur InsO, 2. Aufl., Rn. 212 ff.; Nerlich/Römemann, InsO, § 290 Rn. 19) wird nicht darauf abgestellt, ein vor dem Schlusstermin gestellter Antrag sei in diesem zu wiederholen.

8

Der Schutz des Schuldners erfordert es nicht, von dem Gläubiger eine solche Wiederholung seines Antrages zu fordern. Der Schuldner ist von dem schriftlichen Antrag zu unterrichten, was hier geschehen ist. In dem Schlusstermin ist ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag zu geben, was im vorliegenden Fall ebenfalls erfolgt ist. Die Rechte des Schuldners sind damit gewahrt. Dem Gläubiger hingegen würden u.U. hohe Personal- und Fahrtkosten aufgebürdet, nur um im Schlusstermin deutlich zu machen, dass es bei dem bereits schriftlich gestellten Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung bleibt.

9

Der auf § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO gestützte Antrag ist erfolgreich, da ein Versagungsgrund zumindest mit der Beschwerde hinreichend glaubhaft gemacht ist, § 290 Abs. 2 InsO.

10

Der Schuldner hat nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO ein Gläubigerverzeichnis v. 3.5.2001 vorgelegt (...). Dieses Verzeichnis enthält unvollständige Angaben, da der Gläubiger in diesem Verzeichnis nicht aufgeführt ist, obwohl er aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Erfurt v. 30.11.2000 (6 O 258/00; ...) bzw. aus dem jetzt berichtigten Kostenfestsetzungsbeschluss v. 19.1.2001 (6 O 258/00; ...) gegen den Schuldner eine Forderung i.H.v. 7.189,84 EUR hat.

11

Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist dem Schuldner nach dem Vortrag des Gläubigers am 5.12.2000 zugestellt worden, mithin vor der Anfertigung des Gläubigerverzeichnisses am 3.5.2001.

12

Der Gläubiger hat in der Beschwerdeinstanz glaubhaft gemacht, dass den Schuldner an den unvollständigen Angaben ein Verschulden trifft, das die Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigt. Erforderlich ist Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Schuldners. Die Kammer ist auch nach Anhörung des Schuldners zum Beschwerdevorbringen der Auffassung, dass der Schuldner zumindest grob fahrlässig gehandelt hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn die Sorgfalt in besonders schwerem, ungewöhnlich hohem Maß verletzt worden ist. Dies ist der Fall, wenn einfachste und ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige unbeachtet bleibt, was jedem unter den gegebenen Umständen einleuchten müsste (BGHZ 89, 153, 161) [BGH 05.12.1983 - II ZR 252/82]. Objektiv ist eine das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit erheblich übersteigende Schwere des Sorgfaltsverstoßes, subjektiv eine persönliche Vorwerfbarkeit erforderlich.

13

Nach Auffassung der Kammer kann das Vorliegen dieser Voraussetzungen dann festgestellt werden, wenn dem Schuldner aufgrund besonderer Umstände die Forderung des Gläubigers bei der Aufstellung des Gläubigerverzeichnisses hätte bewusst sein müssen. Zwar reicht dafür allein die Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses an die damaligen Prozessbevollmächtigten nicht aus. Jedoch hat der Gläubiger in der Beschwerdeinstanz dargelegt, dass am 21.2.2001 ein Zwangsvollstreckungsversuch wegen dieser Forderung beim Schuldner stattgefunden hat.

14

Dies kann dem Schuldner, auch wenn er nicht persönlich zugegen war, nicht verborgen geblieben sein. Dem Schuldner hätte die Forderung des Gläubigers bewusst sein müssen, da bei Aufstellung des Gläubigerverzeichnisses der Zwangsvollstreckungsversuch nur ca. zwei Monate vorher erfolgt war. Weiter war dem Schuldner bei Aufstellung des Gläubigerverzeichnisses, wie aus der Aufnahme der Forderung des Notars folgt, der Verkauf des Grundstücks und damit auch der sich anschließende Rechtsstreit der Parteien, aus dem die Kostenforderung des Gläubigers resultiert, bekannt. Unerfindlich erscheint, warum der Schuldner zwar die Forderung des Notars aufführt, aber die damit zusammenhängende zeitlich aber deutlich näher liegende Forderung vergessen haben will. Zudem hätte es dem Schuldner oblegen, spätestens zum Zeitpunkt der zweiten Zwangsvollstreckung des Schuldners am 19.12.2001 auf eine Ergänzung des Gläubigerverzeichnisses hinzuwirken. Das Unterfassen der Aufnahme oder Berichtigung des Gläubigerverzeichnisses begründet mithin nach Auffassung der Kammer einen schweren Sorgfaltsverstoß, der die Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigt.