Landgericht Hannover
Urt. v. 05.07.2002, Az.: 4 O 2474/01
Anspruch des Verpächters eines Tankstellengrundstücks gegen den ehemaligen Betreiber auf Erstattung von Aufwendungen zur Beseitigung von Bodenverunreinigungen; Beweislastverteilung bei § 4 Abs. 3 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG); Voraussetzungen für einen eigenen Verursachungsbeitrag des Verpächters eines Grundstücks mit darauf befindlicher Anlage in Bezug auf Bodenkontaminationen
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 05.07.2002
- Aktenzeichen
- 4 O 2474/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 28361
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2002:0705.4O2474.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 24 Abs. 2 S. 1, 2 BBodSchG
- § 4 Abs. 3 BBodSchG
Verfahrensgegenstand
Ausgleichszahlung
In dem Rechtsstreit
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2002
durch
den ...
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 54.537,20 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit 30. Mai 2001 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 85 % und der Kläger zu 15 %.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern dieser nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
- 4.
Streitwert: 63.263,16 EUR
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Erstattung gezahlter Aufwendungen zur Bodensanierung.
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in .... Auf diesem Grundstück wurde bis Ende 1999 eine Tankstelle betrieben. Von 1974 bis zum 31. Mai 1987 verpachtete der Kläger das Grundstück unter der Option der Umsatzsteuerpflicht an die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin, die dort die Tankstelle betrieben. Vor dem Jahr 1974 wurde die Tankstelle von einem anderen Pächter betrieben. Zum Betrieb der Tankstelle gehörten zwei unterirdische Stahltanks für Benzin und Superbenzin. Die Beklagte befüllte die Tanks regelmäßig selber und ließ die Betankung ausnahmsweise durch ein anderes, selbständiges Unternehmen durchführen. Im Jahr 1987 verpflichtete sich der Kläger in dem Mietvertrag mit der neuen Betreiberin der Tankstelle zur Stillegung der alten Tanks, d.h. die Tanks wurden entleert, gereinigt, von der Rohrleitung getrennt und mit Beton verfüllt. Auf dem Grundstück des Klägers wurden zwei neue Erdtanks an anderer Stelle des Grundstücks eingebaut. Im Zapfbereich dieser Tankstelle wurde im Jahr 1999 ein Ölschaden festgestellt. Der Landkreis veranlasste den Kläger als Eigentümer daraufhin zur Erstellung eines Sanierungsplans. Der Kläger ließ den Sanierungsplan von einem Ingenieurbüro erstellen. Er wurde im August 1999 von dem Landkreis ... genehmigt und für verbindlich erklärt. Im Oktober 1999 wurde mit der Sanierung begonnen. Im Bereich der alten Tanks wurden bei Probebohrungen Benzinverunreinigungen festgestellt. Im Januar 2000 wurden diese Tanks ausgebaut. Aufgrund von Bodenproben an den Wandungen und der Sohle der Tankgruben sowie Grundwassermessungen ergab sich eine Benzinverunreinigung des Bodens sowie des Grund- und Stauwassers im Bereich der Tankgrube.
Der Kläger verlangt nun von der Beklagten die Kosten für die Sanierung des Bereichs, in dem sich die alten Tanks befanden, ersetzt. Zu diesen trägt der Kläger im einzelnen vor. Wegen der Einzelheiten der Kosten wird auf die Klageschrift vom 16. Mai 2001 (Bl. 7 f. d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger behauptet daß die Verunreinigung auf jahrelange Tropfverluste beim Befüllen der Tanks oder auf Befüllungsunfällen der Beklagten oder von Drittfirmen zurückzuführen sei. Die Verunreinigung sei wenn überhaupt jedenfalls nicht allein von dem ersten Pächter, der die Tankstelle seit dem Jahr 1971 betrieben habe, verursacht worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 63.263,16 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, sie habe die Verunreinigung nicht verursacht. Es habe während ihrer Pachtzeit keine Tropfverluste beim Befüllen der Tanks und auch keine Tankunfälle gegeben. In den Fällen, in denen die Beklagte selber befüllt hat, seien keine Tropfverluste eingetreten. Sie habe geschultes Personal eingesetzt und es durch Kontrollen überwacht. Die Bodenverunreinigung könne auf Haarrisse der Tanks beruhen. Es sei zudem möglich, daß die Kontamination von dem ersten Pächter, der die Tankstelle seit dem Jahr 1967 betrieben habe, verursacht worden sei. Die Beklagte behauptet ferner, daß die Tankbehälter bei der Stillegung im Jahre 1987 aufgrund der Befüllung mit Beton beschädigt worden seien. Aus einem TÜV-Bericht aus dem Jahr 1979 ergebe sich, daß die Innenbeschichtung aus Kunststoff der Tanks Fehlstellen aufwies und die Außenhaut korrodierte. Bis zum Jahr 1987 sei die Außenbeschichtung weiter geschrumpft, so daß Lecks entstanden seien. Durch die Beschädigung der Innenbeschichtung im Rahmen der Befüllung mit Beton sei dann der Kraftstoff in den Erdbereich eingetreten. Die Beklagte ist der Ansicht, daß sie für ein Fehlverhalten eines Drittunternehmens nicht einstehen müsse, da es sich bei diesen nicht um Verrichtungsgehilfen handele. Zudem habe es sich um ein zuverlässiges Unternehmen gehandelt, das die Beklagte durch Stichproben überwacht habe.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und den vorgetragenen Inhalt deren Anlagen Bezug genommen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des sachverständigen Zeugen ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wir auf das Sitzungsprotokoll vom 19. November (Bl. 260 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Ausgleichsanspruch gem. § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG in Höhe von 54.537,20 EUR zu.
Der Kläger ist Anspruchsberechtigter i.S.d. § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG. Der Kläger war als Eigentümer zu der Sanierung des Bodens gem. § 4 BBodSchG verpflichtet und hat als solcher Kosten für die Sanierung aufgewandt.
Die Beklagte ist Anspruchsverpflichtete i.S.d. § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG. Ausgleichsverpflichtet sind nur Handlungsverantwortliche i.S.d. § 4 Abs. 3 BBodSchG, denn die Verpflichtung zum Ausgleich hängt gem. § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG von einem Beitrag zur Verursachung des Schadens ab (Frenz, § 24 BBodSchG, Rn. 21; Pützenbacher, NJW 1999, S. 1137 (1140)).
Die Beklagte ist Handlungsverantwortliche i.S.d. § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG. Sofern die Kontamination auf eigene Tankunfälle oder Tropfverluste zurückzuführen ist, ist sie selber als Handlungsstörer i.S.d. § 4 Abs. 3 S. 1 BGB anzusehen. § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG bezieht auch den Gesamtrechtsnachfolger in die Haftung ein.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ihre Handlungsverantwortlichkeit nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie sich eines Drittunternehmens zum Betanken bedient hat. Eine Handlungshaftung besteht auch bei einer Verursachung durch den Verrichtungsgehilfen. Insoweit ist § 4 Abs. 3 BBodSchG eng mit dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht verknüpft (Frenz, § 4 Abs. 3 BBodSchG, Rn. 5). § 6 Abs. 3 NGefAG geht von der Haftung für den Verrichtungsgehilfen aus. So kann auch im Rahmen des § 4 Abs. 3 BBodSchG eine Haftung für den Verrichtungsgehilfen begründet werden (Bickel, § 4 BBodSchG, Rn. 15). Das Drittunternehmen ist als Verrichtungsgehilfe der Beklagten i.S.d. § 6 Abs. 3 NGefAG anzusehen. Die Weisungsabhängigkeit kann neben Dienst- auch bei Werkverträgen anzunehmen sein (Gusy, Polizeirecht, Rn. 276). Zum Teil wird es als unerheblich angesehen, ob der Weisungsabhängige als Verrichtungsgehilfe nach § 831 BGB oder als Erfüllungsgehilfe nach § 278 BGB anzusehen ist, solange er weisungsabhängig in Ausübung der übertragenen Tätigkeit gehandelt hat (Jochum/Rühle, Polizeirecht, S. 141). Das Drittunternehmen ist zumindest Erfüllungsgehilfe der Beklagten i.S.d. § 278 BGB und hat in Ausübung der übertragenen Tätigkeit gehandelt. Es war zudem nach Zeit und Umfang den Weisungen der Beklagten unterworfen. Bei der Anlieferung des Treibstoffs bestand kein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. Die Anlieferung konnte nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt und nicht in beliebiger Art und Weise erfolgen.
Eine Handlungsverantwortlichkeit der Beklagten ergibt sich bei Einschaltung eines Drittunternehmens ferner daraus, daß bei kontaminierten Betriebsflächen generell das Unternehmen bzw. der Betriebsinhaber für die in der Zeit des Betriebes entstandene Kontamination ohne weiteres als Handlungsverantwortlicher anzusehen ist, und es nicht erforderlich ist, die konkrete natürliche Person zu ermitteln, die den Schaden verursacht hat (Schöneck, in: Sanden/Schöneck, § 4 BBodSchG, Rn. 31; Brandt, Altlastenrecht, IV D, S. 135; Frenz, § 4 Abs. 3 BBodSchG, Rn. 49; Knoche, Altlasten und Haftung, § 5 A.I.4., S. 48).
Ein Entlastungsbeweis der Beklagten i.S.d. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB ist weder hinsichtlich ihres eigenen Personals noch hinsichtlich des Drittunternehmens im Rahmen des § 6 Abs. 3 NGefAG möglich. Da es im Gefahrenabwehrrecht nicht auf ein Verschulden ankommt, fehlt die Entlastungsmöglichkeit des § 831 Abs. 1 S. 2 BGB (Gusy, Polizeirecht, Rn. 277; Jochum/Rühle, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 142).
Für den Ausgleichsanspruch des Klägers nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG ist es unschädlich, daß auch nach der Beweisaufnahme nicht bewiesen ist, daß die Beklagte die schädliche Bodenveränderung tatsächlich verursacht hat. Der sachverständige Zeuge ... hat die Kontamination durch Tropfverluste bzw. Tankunfälle für wahrscheinlich gehalten, hat es aber nicht ausgeschlossen, daß die Kontamination auf Haarrissen der Tanks beruht. Zudem besteht die denkbare Möglichkeit, daß die Kontamination nicht von der Beklagten, sondern durch den anderen Pächter vor 1974 oder bei der Stillegung im Jahre 1987 durch den Kläger verursacht wurde.
Die Unerheblichkeit der fehlenden objektiven Nachweisbarkeit des Verursachungsbeitrages der Beklagten gilt sowohl für die Frage, ob die Beklagte i.S.d. § 4 Abs. 3 BBodSchG als Handlungsverantwortliche anzusehen ist, als auch für die Frage der Ausgleichsverpflichtung nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG an sich. Die Frage, ob für die Inanspruchnahme nach § 4 Abs. 3 BBodSchG der Nachweis der objektiven Verursachung der Bodenverunreinigung erbracht werden müsse, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Nach dem VGH Baden-Württemberg (UPR 2001, 274) muß die Verantwortlichkeit des Pflichtigen Handlungsstörers objektiv feststehen (ebenso OVG Schleswig, UPR 1996, 194). Könne der Nachweis der als Handlungsstörer verantwortlich gemachten Person nicht erbracht werden, müßten wenigstens objektive Faktoren als tragfähige Indizien vorhanden sein, die den Schluß rechtfertigten, zwischen dem Verhalten der Person und der Gefahrenlage bestehe ein gesicherter Ursachenzusammenhang. Dafür genüge der bloße Tankstellenbetrieb nicht (VGH Baden-Württemberg, UPR 2001, 274). Nach Auffassung des BayVGH (BayVBl 2000, 149 (150)) ist es für einen Verursachungsbeitrag ausreichend, wenn eine Tankstelle betrieben wird und die Bodenverunreinigung offensichtlich auf ein Befüllen der Tanks zurückzuführen ist, die als solche mangelfrei waren.
Die Kammer ist ebenfalls der Auffassung, daß die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast bei der Feststellung des Verursachungsbeitrages i.S.d. § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG nicht überspannt werden dürfen. Dafür spricht, daß es bei mehreren möglichen Personen als Verursacher dem Gebot der Effektivität entspricht, einzelne als Verursacher herauszugreifen. Dabei darf ein Verursachungsbeitrag des Verpflichteten nicht ganz ausgeschlossen sein (Frenz, § 4 Abs. 3 BBodSchG, Rn. 20 f.). Bei möglichen, zeitlich hintereinander liegenden Verursachungsbeiträgen, sind diejenigen, die den späteren Verursachuhgsbeitrag vorgenommen haben, auch dann nach § 4 Abs. 3 verpflichtet, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß die Maßnahme durch das Verhalten des früheren Verursachers bedingt ist. (Frenz, § 4 Abs. 3, Rn. 23).
Zu berücksichtigen ist ferner, daß § 4 Abs. 3 BBodSchG zwar hier im Rahmen eines zivilrechtlichen Anspruchs, nämlich des § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG, relevant wird. Grundsätzlich regelt § 4 Abs. 3 BBodSchG die Verantwortlichkeit gegenüber der Behörde. Bei dem zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gem. § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG sind aber Beweiserleichterungen zu berücksichtigen. Auch die Ausgestaltung der Ausgleichsverpflichtung des § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG hängt zwar von der Verursachung des Schadens ab. Es kommt, grundsätzlich auf die tatsächliche Verursachung an (Frenz, § 24 BBodSchG, Rn. 24 ff.). Grundsätzlich muß der Ausgleichsberechtigte bei der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs gegenüber dem Ausgleichsverpflichteten die Verursachung als solche und den konkreten Verursachungsbeitrag darlegen und beweisen. Häufig dürfte es aber außerordentlich schwierig sein, nach - wie hier - zum Teil jahrzehntelanger Nutzung eines Grundstücks einzelne Verursachungsbeiträge und -zeitpunkte zu rekonstruieren. Hätte der Kläger als der zunächst in Anspruch genommenen Zustandsstörer die volle Beweislast für die Verursachung des Schadens durch die Beklagte als der Verhaltensstörerin auferlegte, könnte dies de facto einen erfolgreichen Rückgriff verhindern. Das jedoch läuft dem durch § 24 Abs. 2 BBodSchG konstituierten Vorrang der Kostentragungspflicht des Verursachers zuwider (Frenz, § 24 BBodSchG, Rn. 26). Die Regelung des § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG liefe damit ins Leere.
Zum Teil wird deshalb eine Beweislastumkehr dergestalt vorgeschlagen, daß der Beklagte, der über einen längeren Zeitraum hinweg mit bodengefährdenden Stoffen gearbeitet hat, nachweisen müsse, daß er die Kontamination nicht verursacht habe (Pützenbacher, NJW 1999, S. 1137 (1140 f.)). Teilweise wird auch an einen Anscheinsbeweis gedacht, nach welchem die Kontamination auf dem Grundstück, auf dem die Beklagte mit gefährlichen Stoffen umgegangen ist und die später vorgefunden wurde, der Beklagten zuzurechnen ist. Es besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Beklagte, für deren Verursachereigenschaft aufgrund des Betriebes der früheren Tankstelle und der Befüllung des Benzintanks eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, im Verhältnis zum den Rückgriff begehrenden Klägers auch Verursacher ist. Die Beklagte müsste diesen Anschein widerlegen und nachweisen, daß sie nicht Verursacherin der schädlichen Bodenveränderungen ist (Frenz, § 24 BBodSchG, Rn. 26; Pützenbacher, NJW 1999, S, 1137 (1141)). Denkbar wäre im übrigen eine entsprechende Anwendung von §§ 830 Abs. 1 S. 2, 840 Abs. 1 BGB (Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, § 24 BBodSchG, Rn. 15).
Die Beklagte hat vorliegend nicht bewiesen und kann es auch nicht, daß sie nicht Verursacher der Bodenverunreinigung ist. Sie behauptet zum einen, daß es in ihrer Pachtzeit nicht zu Bodenverunreinigung durch Tropfverluste oder Tankunfälle gekommen sei. Es sei nicht auszuschließen, daß der Pächter vor 1974 die Bodenverunreinigung verursacht habe. Zum anderen behauptet sie, daß die Kontamination von der Stillegung der Tanks im Jahr 1987 oder von Haarrissen in den Tanks herrührt. Für diese Behauptungen hat sie Beweis angetreten durch Sachverständigengutachten. Für die erste Behauptung hat sie zudem Beweis angetreten durch die Benennung eines Mitarbeiters. Die angebotenen Beweismittel sind aber ungeeignet. Die Behauptungen der Beklagten sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr nachweisbar. Dabei reicht nicht, dass die theoretische Möglichkeit besteht, dass die Schäden aus den genannten Gründen der Beklagten nicht zuzurechnen sind. Selbstverständlich reicht die Möglichkeit von Haarrissen für eine Bodenverseuchung ebenso aus, wie eine mechanische Beschädigung nicht ordnungsgemäß gereinigter Tanks bei ihrer Stillegung oder durch vorangegangene Befüllungsschäden des Vorgängers. Allerdings kann die Denkmöglichkeit die notwendige Beweisführung, dass die gedachte Möglichkeit tatsächlich auch vorgelegen hat, nicht ersetzen. Anderenfalls wäre die gegen die Beklagte sprechende, die Beweislast umkehrende Vermutung, auf einfache Weise entwertet. Etwaige Haarrisse in den Tanks können heute nicht mehr festgestellt werden. Gleiches gilt für eine mögliche Bodenverunreinigung bei der Stillegung der Tanks im Jahr 1987 bzw. durch den Pächter vor dem Jahr 1974. Die Tanks, die bei der Stillegung auch gereinigt wurden, sind nicht mehr vorhanden. Das kontaminierte Erdreich ist abgetragen. Die fehlende Beweisbarkeit der Behauptungen der Beklagten fällt dem Kläger nicht etwa unter dem Gesichtspunkt einer Beweisvereitelung zur Last. Zur Zeit der Abtragung des kontaminierten Erdreichs im Jahre 1999 bzw. der Stillegung der Tanks im Jahr 1987 halte der Kläger noch keine Kenntnis von der Notwendigkeit der Beweismittel zur Überprüfung bodenschutzrechtlicher Ausgleichsansprüche.
Der Kläger kann von der Beklagten deshalb Erstattung der gezahlten Aufwendungen zur Bodensanierung nach § 24 Abs. 2 S. 1 BBodSchG verlangen. Bei diesen Ausgleichsanspruch des Klägers ist ein möglicher Verursachungsbeitrag des Pächters vor dem Jahre 1974 nicht zu berücksichtigen. Der Ausgleichsanspruch gem. § 24 Abs. 2 S. 2 BBodSchG erfolgt zwar in Abweichung von § 426 Abs. 1 S. 1 BGB nach dem Maß der Verursachung und nicht zu gleichen Teilen (so Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, § 24 BBodSchG, Rn. 26; Bickel, § 24 BBodSchG, Rn. 9; a.A. Frenz, § 24 BBodSchG, Rn. 14, 34; Schönfeld, in: Oerder/Numberger/Schönfeld, § 24 BBodSchG. Rn. 14). An den Nachweis des konkreten Verursachungsbeitrages der Beklagten sind jedenfalls geringe Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass der Betrieb der Tankstelle und das Befüllen der Tanks während der Pachtdauer durch die Beklagte gerade die Bodenverunreinigungen verursacht haben kann, welche der Sachverständige bei der Bodensanierung der stillgelegten Tanks und unterhalb derselben festgestellt hat. Sowohl die Art der Verunreinigungen durch Benzin als auch die Dauer des Pachtvertrages und die Stillegung der Tanks bei Ende der Pachtzeit der Beklagten, ferner der Umstand, dass zwischen den neuen Tanks und dem Bereich der alten keine verbindende Bodenverunreinigung feststellbar war, überzeugen die Kammer von der Verursachung durch die Beklagte. Es ist deshalb an der Beklagten, den Nachweis dafür zu führen, dass nicht sie sondern der vorangegangene Pächter Verursacher sei. Da die hierfür erforderlichen Anknüpfungstatsachen untergegangen sind und objektivierbare Umstände von der Beklagten nicht benannt werden, kann daher eine Beweisaufnahme sinnvoll nicht durchgeführt werden.
Der Kläger muß sich keinen eigenen Verursachungsbeitrag anrechnen lassen. Ein Verursachungsbeitrag des Klägers, der neben seiner Eigenschaft als Zustandsstörer auch Handlungsstörer sein kann, ist nicht ersichtlich. Der Kläger ist durch seine Eigenschaft als Verpächter der Tankstelle nicht gleichzeitig Verhaltensstörer. Die Überlassung einer Anlage schafft als solche kein Gefährdungspotential für Bodeneinwirkungen. Anders wäre es zu beurteilen, wenn der Kläger als Grundstückseigentümer erkannt hätte, daß es sich bei dem Tankstellenbetrieb um eine für das Grundstück nicht geeignete Nutzung gehandelt hat, mithin Umweltbeeinträchtigungen auf keinen Fall hätten vermieden werden können (Frenz, § 4 Abs. 3 BBodschG, Rn. 45). Der Kläger ist auch als Erbauer der Tankstelle kein Handlungsstörer. Dies wäre nur dann anzunehmen, wenn er die Gefahrenschwelle durch Setzen von anlageimmanenten Risiken überschritten hätte (Frenz, § 4 Abs. 3 BBodschG, Rn. 48). Auch die Stillegung der Tanks durch den Kläger führt nicht unter dem Aspekt des Unterlassens dazu, daß der Kläger als Handlungsstörer anzusehen ist. Dies wäre nur der Fall, wenn nicht sichergestellt wäre, daß von der Anlage keine bodenrelevanten Gefahren mehr entweichen können (Frenz, § 4 Abs. 3 BBodSchG, Rn. 50).
Der Kläger kann von der Beklagten nur 54.537,20 EUR verlangen. Von den als Ausgleichssumme geforderten einzelnen Schadenspositionen ist die in ihnen enthaltene Mehrwertsteuer abzuziehen. Der Kläger hat sein Grundstück an die Beklagte unter der Option zur Umsatzsteuerpflicht verpachtet und war damit zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Weitere Abzüge sind nicht vorzunehmen. Insbesondere muss der Kläger keine Kürzung deshalb hinnehmen, weil die beiden Tanks entsorgt worden sind. Die Firma ... hat die Tanks fachgerecht gereinigt und stillgelegt. Die hätten deshalb im Boden verbleiben können, wenn nicht die Notwendigkeit bestanden hätte, den angrenzenden Boden insgesamt zu entsorgen. Erspart im Sinne von Sog. "Sowieso-Kosten" hat der Kläger deshalb nichts.
Der Kläger hat einen Zinsanspruch gem. § 291 BGB. Die Klage ist seit dem 30. Mai 2001 rechtshängig.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 709 S. 1, 708 Nr. 11,711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Streitwert: 63.263,16 EUR
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.