Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.01.2006, Az.: 5 A 48/05

Abgabenrecht; Abstell- und Parkplatz; andersartiger Verkehr; außerhalb geschlossener Ortschaften; außerhalb von Ortsdurchfahrten; bauliche Änderung; erlaubnispflichtige Sondernutzung; Ermessen; Gebührenpflicht; Gebührenrahmen; Gemeingebrauch; geschlossene Ortschaft; Gewerbetreibende; gewerbliche Nutzung; gewerbliche Zwecke; Häufigkeit der Nutzung; Landesstraße; Nutzung; Ordnungswidrigkeit; Ortsdurchfahrt; Parken; private Zwecke; Punktesystem; Rangierfläche; Sondernutzung; Sondernutzungserlaubnis; Sondernutzungsgebühr; unerlaubte Sondernutzung; verkehrsbehördliche Vorschrift; Verkehrsdichte; Vorfahrtsstraße; wirtschaftliche Interessen; Zufahrt; Zufahrt zu Landesstraße; Zugang; Zugang zu Landesstraße ; Änderung einer Zufahrt

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
11.01.2006
Aktenzeichen
5 A 48/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53149
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Nutzung einer Landesstraße durch einen Gewerbetreibenden als Abstell- und Parkplatz sowie Rangierfläche für seine gewerblich genutzten Laster, Anhänger und sonstigen Fahrzeuge ist nicht mehr vom Gemeingebrauch gedeckt und mithin eine erlaubnispflichtige Sondernutzung.

2. In diesem Fall ergibt sich die Sondernutzung auch aus § 20 Abs. 2 Satz 1 NStrG, da die Zufahrt zum Grundstück durch die Aufnahme des Gewerbebetriebes einem andersartigen Verkehr als bisher dient. Die Änderung einer Zufahrt i. S. dieser Vorschrift setzt keine bauliche Änderung voraus.

3. Sondernutzungsgebühren können auch für nicht erlaubnisfähige Sondernutzungen erhoben werden, da die Gebührenpflicht nicht aufgrund der Sondernutzungserlaubnis, sondern allein aufgrund der Tatsache der Sondernutzung entsteht.

Tatbestand:

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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Sondernutzungsgebühren für die gewerbliche Nutzung eines Zufahrtsbereiches an der Landesstraße D..

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Er betreibt auf dem an der Landesstraße D. befindlichen Wohngrundstück Landesstraße E. im Ortsteil F. der Gemeinde G. ein Gewerbe „Anhängervermietung sowie An- und Verkauf von Anhängern“. Seit 1997 nutzt er den Straßenseitenraum der Landesstraße D. im Bereich seiner Zufahrt zu seinem Grundstück als Stellplatz und Rangierfläche für seine gewerblich genutzten Laster, Anhänger und sonstigen Fahrzeuge, ohne im Besitz einer Sondernutzungserlaubnis zu sein. Nachdem er im Mai 2003 von der Straßenmeisterei Uelzen des Straßenbauamtes Lüneburg auf die sich hieraus ergebenden Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs aufmerksam gemacht worden war, sagte er zu, seine Fahrzeuge zukünftig auf seinem Grundstück unterzubringen. In der Folgezeit geschah aber nichts. Mit Schreiben vom 30. Oktober, 19. November und 9. Dezember 2003 sowie 20. Januar 2005 forderte das Straßenbauamt Lüneburg den Kläger daraufhin erneut auf, die parkenden Fahrzeuge aus dem Bereich des Seitenstreifens zu entfernen und erklärte, eine hierfür erforderliche Sondernutzungserlaubnis könne nicht erteilt werden. Auch diesen Aufforderungen kam der Kläger nicht nach.

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Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 20. Januar 2005 - abgesandt am 26. Januar 2005 - setzte die Beklagte für die Sondernutzung der Landesstraße D. auf der Grundlage der §§ 20 Abs. 2 Satz 2, 18 Abs. 3 NStrG i. V. m. der Verordnung über die Erhebung von Gebühren für Sondernutzungen an Bundesfernstraßen und an Landesstraßen rückwirkend ab 1. Januar 2002 eine jährliche Gebühr in Höhe von 245 EUR und ab 1. Januar 2005 in Höhe von 240 EUR fest. Für die abgelaufenen Rechnungsjahre 2002 bis 2004 ergebe sich ein Betrag in Höhe von 725 EUR. Für das laufende Rechnungsjahr 2005 sowie für die nachfolgenden Rechnungsjahre sei die jährliche Nutzungsgebühr jeweils bis zum 1. April eines jeden Jahres zu zahlen. Grundlage für die Höhe der Gebühr ist ein Gebührentarif auf der Basis von sog. Punktbewertungen, die ihrerseits auf der Verkehrsdichte der Straße sowie der Häufigkeit der Nutzung beruhen.

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Daraufhin hat der Kläger am 21. Februar 2005 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Sondernutzungsgebühr könne gemäß §§ 18, 21 NStrG bereits deshalb nicht erhoben werden, weil die Beklagte ausdrücklich erklärt habe, eine Sondernutzungserlaubnis nicht zu erteilen. Gebühren dürften aber nur für eine Maßnahme verlangt werden, die erlaubt werden könne und für die also Gebühren entstehen könnten. Dies sei hier nicht der Fall. Handlungen, die nicht unter einen Erlaubnistatbestand für eine Sondernutzungserlaubnis fallen könnten, seien nicht gebührenfähig. Denn § 22 NStrG sehe eine Gebühr für eine unerlaubte Straßennutzung nicht vor. Allenfalls seien Ordnungswidrigkeitentatbestände zu prüfen. Zumindest aber sei der Bescheid im Hinblick auf die für das laufende Jahr 2005 aufzuheben, da er die Sondernutzung der Straße zukünftig nicht mehr in Anspruch nehmen werde.

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Der Kläger beantragt,

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den Sondernutzungsgebührenbescheid der Beklagten vom 20. Januar 2005 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor, der Kläger verkenne, dass eine Sondernutzungsgebühr nicht für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis, sondern für die Ausübung der Sondernutzung als solche geschuldet sei. Denn die Gebühr stelle die Gegenleistung für die tatsächliche - egal, ob rechtmäßige oder rechtswidrige - Benutzung der Straße dar. § 22 NStrG enthalte für den Fall einer unerlaubten Sondernutzung neben der Möglichkeit der Erhebung der Sondernutzungsgebühren weitere Regelungen zur Sanktionierung rechtswidriger Sondernutzungen. Derartige Möglichkeiten, die sie sich vorbehalte, seien aber nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Sondernutzungsgebühren ist für den Erhebungszeitraum bis zum 30. Juni 2003 die Verordnung über die Erhebung von Gebühren für die Sondernutzungen an Bundesfernstraßen und an Landesstraßen vom 15. Juni 1983 (Nds. GVBl. S. 137), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. November 2001 (Nds. GVBl. S. 721) - im Folgenden: VO 1983 - und für den Erhebungszeitraum ab dem 1. Juli 2003 die gleichnamige Verordnung vom 31. Januar 2003 (Nds. GVBl. S. 48) - im Folgenden: VO 2003 -, die aufgrund von § 8 Abs. 3 FStrG und § 21 Satz 3 NStrG erlassen worden sind. Nach § 1 dieser Verordnungen werden für Sondernutzungen an Bundesfernstraßen und an Landesstraßen außerhalb von Ortsdurchfahrten Sondernutzungsgebühren nach dem diesen Verordnungen als Anlage beigefügten Gebührentarif erhoben. Dass diese Verordnungen sowie ihre Ermächtigungsgrundlagen gegen höherrangiges Recht verstoßen, wird weder vom Kläger vorgebracht, noch ist dies sonst ersichtlich.

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Der Kläger übt im Hinblick auf die Zufahrt von seinem Grundstück zur Landesstraße und den Straßenseitenraum eine Sondernutzung i. S. v. § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG aus. Dies folgt daraus, dass die Nutzung der Landesstraße durch einen Gewerbetreibenden als Abstell- und Parkplatz sowie Rangierfläche für seine gewerblich genutzten Laster, Anhänger und sonstigen Fahrzeuge nicht mehr vom Gemeingebrauch gedeckt ist. Zur Sondernutzung zählen alle Benutzungen der Straße für Zwecke, die zwar zum Verkehr rechnen, aber sich nicht innerhalb der verkehrsbehördlichen Vorschriften halten (Wendrich, NStrG, Kommentar, 4. Aufl. 2000, § 18 Rdnr. 2). Hier liegt ein Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 8 a StVO vor, wonach das Parken an einer durch das Verkehrszeichen 306 ausgeschilderten Vorfahrtstraße außerhalb geschlossener Ortschaften unzulässig ist.

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Zudem ergibt sich die Sondernutzung aus § 20 Abs. 2 Satz 1 NStrG. Danach gelten Zufahrten und Zugänge zu Landesstraßen außerhalb der Ortsdurchfahrten als Sondernutzung im Sinne des § 18 NStrG, wenn sie geändert werden. Die Änderung einer Zufahrt setzt keine bauliche Änderung voraus. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 NStrG liegt vielmehr auch dann eine Änderung vor, wenn eine Zufahrt gegenüber dem bisherigen Zustand einem andersartigen Verkehr als bisher dienen soll. Die Änderung liegt hier darin, dass der Kläger die Zufahrt seit Aufnahme seines Gewerbebetriebes im Jahr 1997 für seine gewerblichen Zwecke nutzt und sie daher gegenüber dem bisherigen, zu rein privaten Zwecken dienenden Zustand einem andersartigen Verkehr dient. Ob dieser Verkehr größer ist als früher, ist unerheblich (VG Lüneburg, Urt. v. 10.12.1997 - 5 A 149/95 -, NdsVBl. 1999, 22 m. w. N.).

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Der Erhebung von Sondernutzungsgebühren steht entgegen der Ansicht des Klägers nicht entgegen, dass ihm keine Sondernutzungserlaubnis erteilt worden ist und nach dem erklärten Willen der Beklagten auch nicht erteilt werden wird. Die Gebührenpflicht entsteht nicht für die erteilte Sondernutzungserlaubnis, sondern allein für die Tatsache der Sondernutzung. Die der Gebührenpflicht gegenüberstehende Leistung ist die in Kauf genommene Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 21.10.1970 - IV C 38.69 -, DÖV 1971, 103). Auch für eine nicht erlaubnisfähige Sondernutzung kann eine Gebühr erhoben werden. Dies wird entgegen der Ansicht des Klägers nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine unerlaubte Sondernutzung als Ordnungswidrigkeit durch eine Geldbuße geahndet werden kann, weil Sondernutzungsgebühr und Geldbuße unterschiedliche Funktionen aufweisen (Marschall/Schroeter/ Kastner, FStrG, Kommentar, 5. Aufl. 1998, § 8 Rdnr. 40 m. w. N.). Gleiches gilt für die der Beklagten eingeräumten Möglichkeiten nach § 22 NStrG. Folgerichtig bestimmen § 4 Satz 2 VO 1983 sowie § 3 Alt. 2 VO 2003, dass im Fall der unerlaubten Sondernutzung Gebührenschuldner Gebührenschuldner derjenige ist, der die Sondernutzung ausübt. Dies ist vorliegend der Kläger.

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Einwände gegen die Höhe der Gebühren hat der Kläger nicht erhoben. Solche sind auch nicht ersichtlich. Nach der Tarifstelle 1.3 der VO 1983 sowie der Tarifstelle 1.2 der VO 2003 ist für Zufahrten außerhalb der Ortsdurchfahrten von gewerblich genutzten Grundstücken je Zufahrt ein Gebührenrahmen zwischen 61/60 und 1.040/1.000 EUR vorgesehen. In Ausfüllung dieses Gebührenrahmens hat die Beklagte ohne erkennbare Rechtsfehler die jährliche Gebühr auf der Grundlage eines Punktesystems, das die Verkehrsdichte auf der Straße sowie die Häufigkeit der Nutzung der Zufahrt zur Grundlage hat, auf 240 bzw. 245 EUR festgesetzt. Im Abgabenrecht steht dem Normgeber bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen ein weites Ermessen zu, das nur auf die Einhaltung der Grenzen des sachlich Vertretbaren geprüft werden kann. Hiernach ist es zulässig, bei der Regelung der Abgabenpflicht an typische Regelfälle eines Sachbereichs anzuknüpfen und die Besonderheiten des Einzelfalls außer Betracht zu lassen. Dass die Berechnungsweise der Beklagten außer Verhältnis zu dem Vorteil steht, ist nicht erkennbar. Die Verkehrsdichte sowie die Häufigkeit der Nutzung einer Zufahrt sind geeignete Anknüpfungspunkte für die Ermittlung des wirtschaftlichen Interesses eines Sondernutzers. Die Berechnung im Einzelnen ergibt sich aus dem in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten befindlichen Vermerk vom 20. Januar 2005, gegen die der Kläger keine Einwände erhoben hat.

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Die Gebührenschuld ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VO 2003 mit dem Beginn der Sondernutzung entstanden. Die Fälligkeit bestimmt sich nach § 4 Abs. 2 Satz 2 VO 2003: Hiernach wird die Gebühr bei einer Sondernutzung, für die im Gebührentarif eine Gebühr als Jahresbetrag bestimmt ist, ab dem zweiten Kalenderjahr der Sondernutzung zum Ende des ersten Quartals des jeweiligen Kalenderjahres fällig.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe, die Berufung gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.