Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 31.01.2006, Az.: 4 A 254/04
Asylbewerber; Asylbewerberunterkunft; asylsuchende Kinder; Aufenthalt vor Maßnahmebeginn; gewöhnlicher Aufenthalt; Inobhutnahme; Jugendhilfe; Kostenerstattung; Kostenerstattungsanspruch; personensorgeberechtigte Mutter; tatsächlicher Aufenthaltsort; zukunftsoffener Verbleib; Zuweisungsentscheidung; örtliche Zuständigkeit; örtlicher Träger
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 31.01.2006
- Aktenzeichen
- 4 A 254/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 53159
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 42 SGB 8
- § 86 Abs 7 SGB 8
- § 89b SGB 8
- § 30 Abs 3 S 2 SGB 1
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Erstattung von Jugendhilfekosten, die ihr durch die Inobhutnahme des Kindes C.. (Schreibweise des Vornamens auch: F.) entstanden sind.
Der am ... 1995 in G. geborene C. ist Sohn der ghanaischen Staatsangehörigen H. Die Mutter kehrte mit ihm und dem Vater des Kindes - nach den Angaben, die sie am 14. Juni 2002 gegenüber dem Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) der Klägerin machte - nach Ghana. zurück. Im November 2001 kam sie mit C. wieder nach Deutschland. Am 22. Dezember 2001 brachte sie die Tochter K.. zur Welt. Deren Vater soll der deutsche Staatsangehörige M. sein, wohnhaft O., P. Weg 58.
Nach einem Asylantrag wies die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber Frau H. mit den Kindern mit Bescheid vom 15. Februar 2002 der Gemeinde Q. im Kreisgebiet des Beklagten zu. Das Asylverfahren wurde am 8. April 2002 nach § 81 AsylVfG eingestellt und der ablehnende Bescheid des Bundesamtes damit bestandskräftig.
Am 4. Juni 2002 kam - wie dem Sachverhaltsvermerk der Klägerin und deren Schreiben an den Beklagten vom 5. Juni 2002 zu entnehmen ist - offenbar gegen 19.30 Uhr eine Frau R. (Schreibweise auch: T.) in Begleitung einer Frau U. mit C. in die Dienststelle der Klägerin. Frau U. bzw. Frau S. berichteten, dass C. von seiner Mutter schwer misshandelt worden sei und Angst davor habe, zu ihr zurückkehren zu müssen. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes bemerkte auf dem Rücken des Jungen viele (alte) Narben, nachdem dieser sein Hemd ausgezogen hatte. Außerdem waren seine Handflächen erkennbar unterschiedlich. Die beiden Frauen gaben dazu an, dass die Mutter dem Jungen die Hand auf eine heiße Herdplatte lege, um ihn zu züchtigen. Diese Schilderungen wurden von dem Kind selber am folgenden Tag gegenüber einer Mitarbeiterin der Klägerin durch Gesten bestätigt.
Die Mitarbeiter der Klägerin nahmen C. daraufhin vorläufig in Obhut. Seine Mutter wurde noch am Abend des 4. Juni 2002 hierüber telefonisch - per Handy - informiert. Am 18. Juni 2002 wurde ihr C. im „KH V.“ übergeben, nachdem sie zwischenzeitlich erklärt hatte, den Jungen nach Ghana. zu seinem Vater zurückschicken zu wollen. C. ist lt. Grenzübertrittsbescheinigung dann am 28. Juni 2002 aus Deutschland ausgereist.
Nach der Inobhutnahme am 4. Juni 2002 versuchte die Klägerin den gewöhnlichen Aufenthalt von C. und seiner Mutter zu klären. Die Sozialarbeiterin in der Asylbewerberunterkunft in Q. in der die Mutter des Klägers gemeldet war, berichtete auf Nachfrage, dass diese sich nur sehr sporadisch dort aufgehalten habe. Eine Mitarbeiterin des Jugendamtes Q. stellte bei einer Wohnungsbesichtigung am 6. Juni 2002 fest, dass sich in der Unterkunft keine Kleidung für die Kinder und keine Nahrung befand. Frau H. selber traf sie nicht an. Der bei einem Hausbesuch im P. Weg, O., befragte Vater der Tochter von Frau H., Herr N., gab an, er habe sie zuletzt „im April“ gesehen. Sie habe ihn mit den Kindern besucht, aber nie bei ihm gewohnt. Die daraufhin von einer Mitarbeiterin der Klägerin befragte Frau S. gab an, dass Frau H. sich in letzter Zeit in einer Wohnung in O. aufgehalten habe, die einer Bekannten gehöre, die zurzeit in Afrika sei. Von dort habe sie - Frau S. - auch C. mitgenommen. Die Adresse in O. konnte sie nicht benennen. Die von Mitarbeitern des Beklagten befragte Frau H. konnte die Adresse in O. ebenfalls nicht angeben. Nach der Übergabe des Jungen am 18. Juni 2002 kehrte sie in die Asylbewerberunterkunft in Q. zurück. Am 20. Juni 2002 fand ein Gespräch mit Mitarbeiterinnen des Beklagten statt, in dem die Ausreise des Kindes nach Ghana. geklärt werden sollte.
Die Klägerin forderte den Beklagten in der Folgezeit wiederholt - erstmals mit Schreiben vom 19. Juni 2002 - zur Abgabe eines Kostenanerkenntnisses auf und erhob schließlich am 9. Juni 2004 Klage. Zur Begründung führte sie aus, der Beklagte sei nach § 89 b SGB VIII i. V. m. § 86 Abs. 2 Sätze 1 oder 2 SGB VIII kostenerstattungspflichtig. Personensorgeberechtigt sei die Mutter von C. gewesen. Der Vater... habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Ghana.. Für den gewöhnlichen Aufenthalt von Frau H. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten spreche, dass sie der Asylunterkunft Q. zugewiesen und dort gemeldet gewesen sei. Sie habe vom Beklagten auch Sozialhilfe bezogen und sei dort ausländerrechtlich betreut worden. Insbesondere der Sozialhilfebezug setze nach § 97 Abs. 1 BSHG jedoch einen tatsächlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten voraus. In O. habe Frau H.. sich häufig besuchsweise, jedoch nach ihrer Aussage nur tagsüber aufgehalten. Auch bei einer weiteren Bekannten in O. habe sie sich nur besuchsweise aufgehalten. Die Mutter habe überdies angegeben, sich - seit die Sozialarbeiterin ihr dies nach C. s Inobhutnahme geraten habe - unter ihrer Meldeanschrift aufgehalten zu haben. Wenn der Beklagte dem entgegenhalte, dass Frau H. sich vor der Inobhutnahme nicht in der Asylbewerberunterkunft aufgehalten habe, sei darauf hinzuweisen, dass der gewöhnliche Aufenthalt während der Maßnahme maßgeblich sei. Dass der Mutter von ihrer Seite nahe gelegt worden sei, sich in ihrer Wohnung aufzuhalten, sei im Interesse des Kindes geboten gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihr die in der Zeit vom 4. Juni bis zum 18. Juni 2002 entstandenen Jugendhilfekosten in Höhe von 3.078,40 EUR zuzüglich 5 % Prozesszinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, es werde bestritten, dass Frau H. vor der Inobhutnahme ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Q. gehabt habe. Am 6. Juni 2002 sei von der Sozialarbeiterin der Gemeinde ein Hausbesuch durchgeführt worden. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Familie in der Asylbewerberunterkunft tatsächlich aufgehalten habe. So sei für die Kinder C. und K. weder Kleidung noch Nahrung vorhanden gewesen. Auch die Aussagen der Nachbarn sprächen dafür, dass Frau H. dort - zumindest vor der Inobhutnahme - nicht gewohnt habe. Auch trage die Klägerin selbst in ihrer Klageschrift vor, dass die O. er Sozialarbeiterin Frau H. geraten habe, sich während der Unterbringung von C. im Kinder- und Jugendnotdienst unter ihrer Meldeanschrift aufzuhalten. Zumindest bis zum 6. Juni 2002 habe die Mutter sich mithin nicht in Q. aufgehalten. Ob sie sich danach in seinem Zuständigkeitsbereich aufgehalten habe, gehe aus den vorliegenden Informationen nicht hervor. Aus seiner Sicht sei dies aber auch unbeachtlich, da Frau H. sich - wenn überhaupt - nur auf Druck der O. er Sozialarbeiterin in Q. aufgehalten habe. Es könne nicht sein, dass auf diesem Wege versucht werde, die Kosten zu verlagern.
Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die erhobene Leistungsklage hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die Inobhutnahme C. s im Zeitraum vom 4. Juni bis zum 18. Juni 2002. Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach §§ 42, 87, 89 b Abs. 1 SGB VIII i. V. m. § 86 SGB VIII sind nicht erfüllt.
Die Kosten für die Inobhutnahme eines Kindes sind dem für die Maßnahme zuständigen Träger der Jugendhilfe nach § 89 b Abs. 1 SGB VIII von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit „durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86“ begründet wird. Erstattungspflichtig im Fall der Inobhutnahme ist damit der örtliche Träger des gewöhnlichen Aufenthaltes. Denn das Gesetz verweist in § 89 b Abs. 1 SGB VIII nicht auf die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in § 86 SGB VIII insgesamt, sondern die Verweisung erfolgt nur insoweit, als in § 86 SGB VIII eine Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt begründet wird (OVG Bremen, Urteil vom 18.6.2003 - 2 A 82/02 -, FEVS 55, 327, 329). Die Anknüpfung an den gewöhnlichen - und nicht an den tatsächlichen - Aufenthaltsort dient dem Schutz der Einrichtungsorte, in dem sie sicherstellt, dass der Einrichtungsort nicht mit den Kosten der Maßnahme belastet bleibt. Die Sonderregelung des § 86 Abs. 7 SGB VIII für asylsuchende Kinder und Jugendliche, wonach sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt bzw. der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet, findet in diesem Rahmen keine Anwendung (OVG Bremen, a. a. O.). Zwar sollte mit dieser Bestimmung die Zuständigkeit für Leistungen an Asylsuchende auf die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes abgestimmt werden (BT-Drs. 12/3711). Die örtliche Zuständigkeit für andere Aufgaben der Jugendhilfe - und daraus folgend auch die Regelungen der Kostenerstattung - ist jedoch im 2. Unterabschnitt des 7. Kapitels, 1. Abschnitt des Sozialgesetzbuches 8. Buch abweichend von der Zuständigkeit für Leistungen der Jugendhilfe geregelt. Auf die Sonderbestimmung des § 86 Abs. 7 SGB VIII wird im Rahmen der die Kostenerstattung bei vorläufigen Maßnahmen regelnden Vorschrift des § 87 b SGB VIII nur im Ausnahmefall des § 89 b Abs. 3 SGB VIII verwiesen. Diese Sonderregelung wäre überflüssig, wenn durch § 89 b Abs. 1 SGB VIII bereits die gesamte Regelung des § 86 Abs. 7 SGB VIII mit in Bezug genommen würde (vgl. OVG Bremen, a. a. O., m. w. N.). Der Gesetzgeber hat damit erkennbar den mit den Regelungen der § 89 SGB VIII verfolgten Zweck des Schutzes der Einrichtungsorte (vgl. OVG Bremen, a. a. O.) höher bewertet als eine Vereinheitlichung der Kostentragungsregelungen für Leistungen und andere Aufgaben der Jugendhilfe in dem Sonderbereich der Maßnahmen für asylsuchende Kinder und Jugendliche.
Maßgeblich für den Kostenerstattungsanspruch sind demnach vorliegend die Regelungen des § 86 Abs. 2 Sätze 1 - 3 SGB VIII. Da C. seinen gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt bei seiner personensorgeberechtigten Mutter hatte, richtet sich die Kostenerstattungspflicht nach deren gewöhnlichen Aufenthalt vor Beginn der Maßnahme (§ 86 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII). Auf die Sonderregelung des Hager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 - MSA -, dem die Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz vom 30. April 1971 (BGBl. I S. 2179) beigetreten ist, kommt es demgegenüber nicht an, da hier nicht auf den Wohnsitz des Kindes, sondern auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Mutter im Inland abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.1999 - 5 C 24.98 -, BVerwGE 109, 155 ff.).
Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I, den das Bundesverwaltungsgericht für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne von § 86 SGB VIII heranzieht (BVerwG, Urteil vom 7.7.2005 - 5 C 9.04 - m. w. N., juris), hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen niederlässt, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (BVerwG, Urteil vom 7.7.2005, a. a. O.). Zur Begründung eines „gewöhnlichen Aufenthaltes“ ist ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass sich der Betreffende an dem Ort oder in dem Gebiet „bis auf Weiteres“ im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibes aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat (BVerwG, Urteil vom 7.7.2005, a. a. O., sowie Urteile vom 26.9.2002 - 5 C 46.01 - Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 1 und vom 18.3.1999 - 5 C 11.98 - Buchholz 436.0 § 107 BSHG Nr. 1).
Auf dieser Grundlage kann nicht festgestellt werden, dass Frau H. im maßgeblichen Zeitraum vom 4. Juni bis zum 18. Juni 2002 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Asylbewerberunterkunft in Q. gehabt hat.
Die Zuweisung eines Asylbewerbers im Rahmen des Asylverfahrens allein rechtfertigt ebenso wenig wie eine Wohnsitzauflage die Annahme, dass der Betreffende am zugewiesenen Wohnort seinen Aufenthalt begründet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.7.2005, a. a. O., Rdnr. 15 ff.). Gleiches gilt für die Meldeanschrift oder den Bezug sozialrechtlicher Leistungen. Von Bedeutung ist vielmehr maßgeblich der tatsächliche Aufenthalt des Betreffenden, ohne den - ausgehend von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I - im Jugendhilferecht ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht begründet werden kann (BVerwG, Urteil vom 7.7.2005, a. a. O., Rz. 16).
Vorliegend ist nach den Ermittlungen der Beteiligten weiterhin unklar, wo sich Frau H. vor und während des Zeitraumes der Inobhutnahme von C. tatsächlich aufgehalten und in welchem Umfang sie die ihr und den Kindern zugewiesene Asylbewerberunterkunft in Q. genutzt hat. Nach den Ermittlungen der Mitarbeiter des Beklagten, die in dessen Schreiben vom 7. Juni 2002 an die Klägerin zusammengefasst sind, machte die Wohnung von Frau H. einen unbewohnten Eindruck. Es waren keinerlei Kleidungsstücke oder für die Versorgung eines Säuglings notwendige Gegenstände (mit Ausnahme eines Kinderbettes) vorhanden. Die Nachbarn berichteten auf Nachfrage am 5. Juni 2002, seit drei Monaten in der Unterkunft zu wohnen und Frau H. bisher erst zweimal gesehen zu haben. Beide Male sei dies am 4. Juni 2002 gewesen, einmal auf dem Sozialamt und einmal in der Unterkunft. Sie gaben an, Frau H. vorher nie gesehen zu haben, und auch nicht zu wissen, dass diese einen Sohn habe. Die Behauptung von Frau H., am Abend des 5. Juni 2002 an ihrem Wohnort gewesen zu sein, wird von der zu diesem Zeitpunkt im Wohnheim anwesenden Sachbearbeiterin des Beklagten bestritten. Ob Frau H. sich bei dem in O.,P. Weg 58, wohnhaften Vater ihrer Tochter, M. N., aufgehalten hat, ist ebenfalls unklar. Dieser soll bei einem Hausbesuch gegenüber der Mitarbeiterin der Klägerin angegeben haben, dass er Frau H. zuletzt „im April“ gesehen habe. Sie habe ihn mit den Kindern besucht, aber nie bei ihm gewohnt. Frau H. selbst hat demgegenüber bei einer Befragung durch Mitarbeiter der Klägerin am 14. Juni 2002 behauptet, sie habe sich oft bei dem Vater ihrer Tochter aufgehalten, allerdings nicht über Nacht. Sie sei tagsüber zu ihm gefahren und abends wieder zurück. Der Vater ihrer Tochter habe ihr gegenüber gesagt, dass er bei seiner Befragung nicht die Wahrheit über die Kontakte zu ihr gesagt habe und ihm dies nun Leid tue. Im Rahmen ihrer weiteren Befragung hat sie erklärt, Herrn N. in Frankreich kennen gelernt und dort immer wieder getroffen zu haben. Als sie von ihm schwanger gewesen sei, sei klar gewesen, dass sie zusammen leben wollten. Die am 6. Juni 2002 von Mitarbeitern der Klägerin befragte Frau S. berichtete, dass Frau H. sich in letzter Zeit in einer Wohnung in O. aufgehalten habe, die einer Bekannten gehöre, die zurzeit in Afrika sei. Von dort habe sie - Frau S. - auch C. mitgenommen. Die Adresse der Wohnung in O. konnte Frau S. (angeblich) nicht nennen. Sie hatte sich zunächst an den ASD in O. gewandt, um C. vorzustellen, und wurde von dort zum KJND in der AF. 43 geschickt. Die Angabe der Wegnahme des Kindes in O. wurde von Frau H. in einem Telefonat per Handy mit Mitarbeitern der Klägerin am 6. Juni 2002 anscheinend bestätigt. Bei der Übergabe des Kindes gegenüber dem KJND am Abend des 4. Juni 2002 gab Frau S. weiter an, dass Frau H. sich regelmäßig in O. bei einem Bekannten „AG.“ aufhalte und nur zur Meldung und zum Geld holen nach Q. fahre. Frau H. gab - befragt zur Adresse der Wohnung in O. - gegenüber Mitarbeitern des Beklagten lediglich an, sie habe eine andere Frau in O. besucht.
Bei dieser Sachlage kann - unabhängig von der Frage des Wahrheitsgehaltes der von den Beteiligten gemachten Angaben - ein gewöhnlicher Aufenthalt von Frau H. im Sinne der oben genannten Rechtsvorschriften im Kreisgebiet des Beklagten nicht festgestellt werden. Es bleibt unklar, ob sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt von der Asylunterkunft in Q., AD. 63, zum Vater ihrer Tochter in O., P. Weg 58, oder in die Wohnung einer Bekannten in O., deren Adresse unbekannt ist, verlegt hatte. Die Feststellung eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Kreisgebiet des Beklagten wäre indes Voraussetzung für den von der Klägerin geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nach § 89 b SGB VIII. Es ist auch unklar, ob Frau H. während der Inobhutnahme ihres Sohnes ihren gewöhnlichen Aufenthalt wieder in der Asylbewerberunterkunft in Q. begründet hat. Sicher ist lediglich, dass sie, nachdem ihr C. im Kinderhaus der V. in O. übergeben worden war, mit ihm am 18. Juni 2002 in die Unterkunft zurückkehrte. Jedenfalls fand am 20. Juni 2002 ein Gespräch zwischen Mitarbeitern des Beklagten und Frau H. statt, bei dem C. ebenfalls anwesend war. Zu diesem Zeitpunkt war die Jugendhilfemaßnahme - mit Übergabe des Kindes am 18. Juni 2002 - jedoch bereits beendet.
Mit Rücksicht darauf kann die Klägerin ihren Kostenerstattungsanspruch auch nicht auf die Zuständigkeitsregelungen des § 86 Abs. 4 und 5 SGB VIII stützen, wonach dann, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt des maßgeblichen Elternteils im Inland nicht feststellbar ist, ein solcher Aufenthalt aber nach Beginn der Leistung begründet wird, der örtliche Träger zuständig wird, in dessen Bereich der personensorgeberechtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt (neu) begründet. Denn dass Frau H. während der Maßnahme ihren Aufenthalt in Q.. begründet hat, ist nicht feststellbar. Zwar findet sich in den Akten der Hinweis, dass die Sozialarbeiterin der Klägerin Frau H. geraten hat, sich unter ihrer Meldeadresse in Q. aufzuhalten. Dort wurde sie von den Nachbarn am 5. Juni 2002 auch gesehen. Jedoch ist nicht bekannt, ob es zwischen dem 4. Juni und dem 18. Juni 2002 bei diesem Aufenthalt geblieben ist und ob Frau H. sich in Q. in diesem Zeitraum mit dem Willen aufgehalten hat, sich dort „bis auf Weiteres“ im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs niederzulassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 2. Halbsatz VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO), sind nicht gegeben.