Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 25.01.2006, Az.: 5 A 234/05

Abschiebungshindernis; Abschiebungsverbot; alte Rechtslage; anspruchsschädlich; Aufenthalt; Aufenthaltserlaubnis; Ausbürgerung; Ausreisehindernis; Beseitigung der Ausreisehindernisse; Daueraufenthalt; Duldung; Kettenduldung; kurdische Volkszugehörigkeit; Nichtableistung des Wehrdienstes; Staatenlosigkeit; Türkei; türkischer Staatsangehöriger; unbefristete Aufenthaltserlaubnis; Unterlassung; Verschulden; vollziehbare Ausreisepflicht; vorwerfbare Unterlassungen; vorübergehender Aufenthalt; Wehrdienst; Wehrdienstentziehung; Wiedereinbürgerung; Wiedereinbürgerungsantrag; zumutbare Anforderung; Zumutbarkeit

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
25.01.2006
Aktenzeichen
5 A 234/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53152
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG ist ausgeschlossen, wenn der Ausländer einen Daueraufenthalt oder einen zeitlich nicht absehbaren Aufenthalt im Bundesgebiet begehrt.

2. Auch nach dem Aufenthaltsgesetz obliegt es im Rahmen einer Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG einem ausreisepflichtigen Ausländer, alles in seiner Kraft stehende und ihm Zumutbare dazu beizutragen, dass Abschiebungshindernisse überwunden werden. Vorwerfbare Unterlassungen sind daher im Rahmen des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG weiterhin anspruchsschädlich.

3. Wenn sich ein aus der Türkei wegen Nichtableistung des Wehrdienstes ausgebürgerter ehemaliger türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit ohne durchgreifende Gründe weigert, überhaupt einen Wiedereinbürgerungsantrag zu stellen, hat er keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt eine Aufenthaltserlaubnis.

2

Der am E. in F./Türkei geborene Kläger war türkischer Staatsangehöriger, er ist zurzeit staatenlos. Er ist kurdischer Volkszugehörigkeit und moslemischen Glaubens. Er reiste am 31. Oktober 1989 noch als türkischer Staatsangehöriger ohne Visum nach Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, den das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 27. November 1989 ablehnte. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Stade mit Urteil vom 5. September 1990 - 4 A 108/90 - zurück; die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung blieb erfolglos (OVG Lüneburg, Beschl. v. 21.2.1991 - 11 L 46/91 -).

3

Im November 1991 stellte er einen Asylfolgeantrag, den das Bundesamt mit Bescheid vom 29. Januar 1992 ablehnte. Ein Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hiergegen blieb ebenso erfolglos (vgl. VG Lüneburg, Beschl. v. 18.3.1992 - 5 B 307/92 -) wie die hiergegen erhobene Klage (vgl. VG Lüneburg, Urt. v. 15.3.1995 - 5 A 516/92 -). Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 4.5.1995 - 11 L 2741/95 -).

4

Mit Beschluss des türkischen Ministerrates vom 6. Mai 1996 wurde der Kläger wegen der Nichtableistung seines Militärdienstes aus der Türkei ausgebürgert.

5

Unter Hinweis auf diese Ausbürgerung stellte er im Oktober 1996 einen weiteren Asylfolgeantrag. Mit Bescheid vom 30. Juni 1997 lehnte das Bundesamt diesen Antrag ab. Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 18. August 1997 - 5 B 309/97 - und die Klage wies es mit Urteil vom 28. November 2001 - 5 A 539/97 - ab.

6

Der Kläger erhält fortlaufend Duldungen. Mit Schreiben vom 9. Januar 1998 teilte das türkische Generalkonsulat in Hannover dem Beklagten mit, der Kläger habe wahrscheinlich die Möglichkeit, seine Staatsangehörigkeit zurück zu erlangen, dafür müsse er sich aber selbst an das Generalkonsulat wenden. In der Folgezeit teilte der Kläger dem Beklagten mehrfach mit, er sei nicht bereit, sich um den Rückerwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu bemühen.

7

Einen Antrag des Klägers auf Erteilung eines Reiseausweises für Staatenlose lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 1998 ab. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Bezirksregierung Lüneburg mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2000 zurück. Einen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aufgrund der Altfallregelung vom 19. November 1999 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31. Januar 2000 ab. Daraufhin erhob der Klage Klage mit dem Ziel der Ausstellung eines Reiseausweises für Staatenlose. Mit Beschluss vom 28. Juni 2002 lehnte das Verwaltungsgericht die beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe ab, die Beschwerde des Klägers hiergegen blieb erfolglos (Nds. OVG, Beschl. v. 27.8.2002 - 11 PA 284/02 -). Mit Urteil vom 5. Dezember 2002 - 6 A 172/01 - wies das Verwaltungsgericht Lüneburg die Klage auf Erteilung eines Reiseausweises für Staatenlose ab. Den Antrag auf Zulassung der Berufung hiergegen lehnte das Nds. Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 24.2.2003 - 11 LA 32/03 - ab. Zur Begründung ist in diesen Entscheidungen im Wesentlichen angeführt, dass es einem ausreisepflichtigen Ausländer obliege, alles in seiner Kraft Stehende und ihm Zumutbare dazu beizutragen, dass etwaige Abschiebungshindernisse überwunden würden. Dazu gehöre auch, einen Wiedereinbürgerungsantrag an den Staat der früheren Staatsangehörigkeit zu richten, wenn dieser nicht von vornherein aussichtslos sei. Derartige Anstrengungen habe der Kläger nicht unternommen. Von ihm würden aber ernsthafte Bemühungen um die Wiedereinbürgerung verlangt. Dazu gehöre grundsätzlich, den förmlichen Anforderungen zu entsprechen, die der Herkunftsstaat für Einbürgerungsanträge aufgestellt habe. Der Kläger habe sowohl nach der Auskunft des türkischen Generalkonsulats vom 9. Januar 1998 als auch nach der türkischen Gesetzeslage die Möglichkeit zur Wiedererlangung der türkischen Staatsangehörigkeit. Dazu müsse er sich zur Ableistung des Wehrdienstes verbindlich bereit erklären. Dass er nicht bereit sei, Wehrdienst in der Türkei zu leisten, führe zu keiner anderen Beurteilung. Zu Lasten des Klägers sei in seinem Asylfolgeverfahren festgestellt worden, dass er in der Türkei weder politisch verfolgt sei noch ihm eine solche bei Rückkehr in die Türkei drohe. In der Rechtsprechung sei zudem allgemein anerkannt, dass Kurden aus der Türkei keine politischen Verfolgungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Wehrdienstentziehung oder Wehrdienstleistung drohten.

8

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 15. August 2003 stellte er einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Abs. 3 und/oder Abs. 4 AuslG. Zur Begründung führte er an, er sei seit dem 4. Juli 2003 wieder als Erntehelfer beschäftigt und erziele ein Nettoeinkommen in Höhe von 411 bis 585 EUR monatlich.

9

Mit Bescheid vom 7. Januar 2004 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte er an, der Kläger habe auch derzeit nicht alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um sein Ausreisehindernis, seine Staatenlosigkeit, zu beseitigen.

10

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er sei inzwischen aufgrund der ungesicherten Situation psychisch erkrankt. Deswegen sei er auch ambulant in ärztlicher Behandlung. Seine Wiedereinbürgerung auf Antrag sei nur theoretischer Natur. In der Praxis scheiterten derartige Anträge daran, dass der Grund für die Ausbürgerung, die Nichtableistung des Militärdienstes, fortbestehe. Inzwischen erfolgten in der Türkei zwar keine Ausbürgerungen aus diesem Grund mehr. Das zuständige türkische Innenministerium lehne es aber weiterhin ab, die bis zum Jahr 2001 Ausgebürgerten wie ihn automatisch wieder einzubürgern. Unabhängig davon zögen sich Wiedereinbürgerungsverfahren jahrelang hin.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2004 - zugestellt am 30. August 2004 - wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger habe nicht alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um das Ausreisehindernis zu beseitigen. Eine Wiedereinbürgerung des Klägers sei möglich, sofern der Kläger verbindlich erkläre, den Wehrdienst ableisten zu wollen. Ausschlussfristen für einen Wiedereinbürgerungsantrag gebe es nicht.

12

Daraufhin hat der Kläger am 30. September 2004 Klage erhoben, mit der er sein Ziel der Erteilung eines Aufenthaltstitels, nach In-Kraft-Treten des Aufenthaltsgesetzes nunmehr nach § 25 Abs. 5 AufenthG, weiter verfolgt. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, er lehne den Wehrdienst mit der Waffe ab. Dies müsse respektiert werden. Die Türkei habe auch im Zusammenhang mit den gesetzlichen Änderungen in der Folge ihrer Annäherung an die Europäische Union keinen Ersatzdienst eingeführt. Zweck der Duldung gemäß § 55 AuslG und jetzt § 60 a AufenthG sei die nur zeitweise Aussetzung einer an sich zulässigen Abschiebung. Begehre der Betroffene - wie er - die Aussetzung der Abschiebung aus Gründen, die ihrer Natur nach eine nicht nur vorübergehende Anwesenheit bedeuteten, so sei für die Erteilung einer Duldung kein Raum. In diesem Fall keinen Aufenthaltstitel zu erteilen, bedeute eine Bestrafung, die das Gesetz gerade nicht vorsehe. Auch der Gesichtspunkt der Menschenwürde sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz setzten für die Erteilung von Kettenduldungen zeitliche Grenzen. Derartige Kettenduldungen abzuschaffen, sei Ziel des Aufenthaltsgesetzes, wie sich aus § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG ergebe. Ein Ausreisehindernis nach § 25 Abs. 5 AufenthG liege vor, wenn zwar eine Abschiebung nicht möglich, eine freiwillige Ausreise indes möglich und zumutbar sei. Letzteres sei bei ihm aber gerade nicht der Fall, da die Türkei ihn als Ausgebürgerten nicht wieder einreisen lasse. Der Gesetzgeber des Aufenthaltsgesetzes habe die Anforderungen an die Zumutbarkeit nicht überspannen wollen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu § 70 AsylVfG a. F. entstehe der Aufenthaltsanspruch, wenn die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich und nicht absehbar sei, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ausstellung von Ausweisdokumenten möglich sei. Die Forderung ihm gegenüber, einen Antrag auf Wiedereinbürgerung zu stellen, sei wegen des Verschuldenserfordernisses des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG überholt. Ihn treffe kein Verschulden, da es nicht in seiner alleinigen Verfügungsmacht liege, die Staatenlosigkeit zu beseitigen. Ein Unterlassen falle nicht unter den Verschuldensbegriff des § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG.

13

Der Kläger beantragt,

14

den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 27. August 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen,

17

und wiederholt die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Verfahrens 6 A 172/01 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie der Bezirksregierung Lüneburg verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage ist unbegründet.

20

Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, sodass auf die Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes und nicht mehr auf die des zum 1. Januar 2005 außer Kraft getretenen Ausländergesetzes abzustellen ist. Die Übergangsregelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach über vor dem 1. Januar 2005 gestellte Anträge auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsberechtigung nach der alten Rechtslage zu entscheiden ist, greift hier nicht.

21

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG scheidet bereits deshalb aus, weil der Kläger nicht einen bloß vorübergehenden, sondern einen zeitlich nicht absehbaren, wenn nicht sogar dauerhaften Aufenthaltsstatus anstrebt. Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Danach kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur in Betracht, wenn ein vorübergehender, also ein zeitlich begrenzter Aufenthalt angestrebt wird. Begehrt der Ausländer einen Daueraufenthalt oder einen zeitlich nicht absehbaren Aufenthalt im Bundesgebiet, so kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht beansprucht werden (Nds. OVG, Beschl. v. 27.06.2005 - 11 ME 96/05 -, AuAS 2005, 242, 243 f.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 6.4.2005 - 11 S 2779/04 -, zitiert nach juris). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, der mangels einschränkender Zusätze keine Anhaltspunkte dafür enthält, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bereits bei einem „zumindest“ vorübergehenden Aufenthalt in Frage kommen sollte. Dass der Anwendungsbereich der Regelung auf zeitlich begrenzte Aufenthalte beschränkt werden sollte, wird auch durch die in der Begründung des insoweit unverändert gebliebenen Regierungsentwurfs als Beispiele aufgeführten Fälle einer im Herkunftsland nicht gewährleisteten Operation, der vorübergehenden Betreuung eines schwer kranken Familienangehörigen und des Abschlusses einer Berufsausbildung bestätigt (vgl. Bundestags-Drucksache 15/420, S. 79 f.). Für diese Auslegung spricht darüber hinaus die Regelung in § 26 Abs. 1 AufenthG, der für die Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eine generelle Befristung (abhängig von der Dauer des rechtmäßigen Voraufenthalts längstens drei Jahre bzw. sechs Monate) vorsieht.

22

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der - hier mithin allein in Betracht kommenden - Vorschrift des § 25 Abs. 5 AufenthG. Der - noch auf die alte Rechtslage abstellende - Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 27. August 2004 ist mithin rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll nach Satz 2 dieser Vorschrift erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf aber nur unter der weiteren Voraussetzung erteilt werden, dass der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (Satz 3). Ein Verschulden des Ausländers liegt nach § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG u. a. dann vor, wenn er zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

24

Letzteres ist hier entgegen der Ansicht des Klägers der Fall. Dass es dem Kläger möglich und zumutbar ist, einen Antrag auf Wiedereinbürgerung zu stellen, haben bereits die 6. Kammer des erkennenden Gerichts in seinem Urteil vom 5. Dezember 2002 - 6 A 172/01 - sowie das Nds. Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 24. Februar 2003 - 11 LA 32/03 - hinreichend dargelegt, sodass der Einzelrichter auf diese Entscheidungen, denen er folgt, Bezug nimmt.

25

Diese Forderung an den Kläger gilt weiterhin und auch im hier streitigen Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Vorschrift des § 25 Abs. 5 AufenthG. Er weigert sich weiterhin ohne durchgreifende Gründe, einen - möglichen und zumutbaren - Antrag auf Wiedereinbürgerung bei den zuständigen türkischen Behörden zu stellen. Auch nach dem Aufenthaltsgesetz obliegt es einem ausreisepflichtigen Ausländer, alles in seiner Kraft stehende und ihm Zumutbare dazu beizutragen, dass etwaige Abschiebungshindernisse überwunden werden. Vorwerfbare Unterlassungen sind daher weiterhin anspruchsschädlich. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kommt demnach nicht nur dann nicht in Betracht, wenn der Ausländer die Situation der Nichtausreise vorsätzlich herbeiführt, sondern auch dann nicht, wenn er zumutbare Handlungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses unterlassen hat. Entscheidungserheblich ist in diesem Fall also in Anlehnung an § 30 Abs. 4 AuslG der Begriff der „Zumutbarkeit“: Solange der Ausländer zumutbar in der Lage ist, das Ausreisehindernis zu beseitigen, scheidet die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus. Mit dieser Voraussetzung stellt die Vorschrift auf die Obliegenheit des Ausländers ab, alles in seiner Kraft Stehende und ihm Zumutbare dazu beizutragen, etwaige Ausreisehindernisse zu überwinden. Dabei genügt es, dass er zumutbare Handlungen zur Ermöglichung seiner Ausreise unterlässt oder verzögert. Derartige Handlungen können nur dann nicht verlangt werden, wenn sie von vornherein aussichtslos sind (vgl. hierzu Storr, in: Storr/Wenger/ Eberle/Albrecht/ Zimmermann-Kreher, Kommentar zum Zuwanderungsgesetz, 2005, § 25 AufenthG Rdnr. 27). Von letzterem kann aber nicht ausgegangen werden.

26

Die Einwände des Klägers hiergegen greifen nicht durch. Auch wenn es durchaus Absicht des Gesetzgebers des Aufenthaltsgesetzes war, die sog. Kettenduldungen zurückzudrängen, so besteht das Rechtsinstitut der Duldung fort (vgl. § 60 a Abs. 2 AufenthG) und kommt die Erteilung eines Aufenthaltstitels nur unter den gesetzlich normierten Voraussetzungen in Betracht. Wenn letztere - wie hier - nicht gegeben sind, kommt es auf den - ggf. auch längeren - Zeitraum, für den Duldungen zu erteilen sein werden, nicht an. In einem solchen Fall nimmt auch das Aufenthaltsgesetz die Erteilung lediglich von Duldungen in Kauf. Ein Verstoß gegen die Menschenwürde und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt nicht vor, da es der Kläger in der Hand hat, einen Antrag auf Wiedereinbürgerung zu stellen und das Abschiebungshindernis ggf. zu beseitigen. Bereits in seinem Beschluss vom 27. August 2002 - 11 PA 284/02 - hat das Nds. Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass der Kläger das ihm Zumutbare getan habe, wenn er einen Wiedereinbürgerungsantrag stellt und ihm wider Erwarten nachweisbar und aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen die Wiedereinbürgerung nicht gelingen sollte.

27

Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht des Klägers nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. November 2005 - 1 C 18.04 - (vgl. hierzu die bisher lediglich vorliegende Pressemitteilung des BVerwG Nr. 59/2005 v. 22.11.2005). In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall bestand ein vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge förmlich festgestelltes Abschiebungsverbot nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) wegen Krankheit und ein gesetzlicher Ausschlussgrund war nicht gegeben. Für diesen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die betroffenen Ausländer einen legalen Aufenthaltsstatus und damit zugleich die Chance eines Hineinwachsens in eine dauerhafte Aufenthaltsposition erhalten sollen. Dieser Fall ist mithin mit dem hier vorliegenden Fall des Klägers, bei dem ein Abschiebungsverbot nicht festgestellt ist und auch nicht gegeben ist und bei dem der gesetzliche Ausschlussgrund des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG vorliegt, nicht vergleichbar.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

29

Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor.