Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.10.2017, Az.: 10 ME 204/17

Darlegen der Eilbedürftigkeit des Antrags auf Herausgabe einer Urteilsabschrift im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes unter Vorwegnahme der Hauptsache; Verfolgen des Anspruchs auf Überlassung einer anonymisierten Urteilsabschrift mit der allgemeinen Leistungsklage; Richten der Leistungsklage bei Urteilen niedersächsischer Gerichte gegen das Land Niedersachsen als Rechtsträger

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.10.2017
Aktenzeichen
10 ME 204/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 25326
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 02.10.2017

Fundstellen

  • AfP 2018, 69-72
  • DÖV 2018, 84
  • NJW 2018, 487-489
  • NdsVBl 2018, 12
  • NordÖR 2018, 25-28

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Antragsteller muss darlegen, warum seinem Antrag auf Herausgabe einer Urteilsabschrift eine solche Eile zukommt, dass hierüber nur im Wege einstweiligen Rechtsschutzes unter Vorwegnahme der Hauptsache kommt.

  2. 2.

    Ein Anspruch auf Überlassung einer anonymisierten Urteilsabschrift muss mit der allgemeinen Leistungsklage verfolgt werden.

  3. 3.

    Die Leistungsklage ist bei Urteilen niedersächsischer Gerichte gegen das Land Niedersachsen als Rechtsträger zu richten.

  4. 4.

    Adressat der Veröffentlichungspflicht ist innerhalb des Landes Niedersachsen die Gerichtsverwaltung des Gerichts, das das Urteil erlassen hat. Im gerichtlichen Verfahren wird das Land Niedersachsen durch dieses Gericht als sachlich zuständige Behörde vertreten.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 2. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Herausgabe einer anonymisierten Abschrift eines Urteils des Antragsgegners.

Der Antragsteller ist Journalist einer überregionalen Tageszeitung. Er recherchiert nach eigener Darstellung seit Monaten über den Beigeladenen und dessen etwaiger Verbindung zum Rechtsanwalt und Mitglied des Deutschen Bundestags Dr. E.F.. Er behauptet, es gebe Anhaltspunkte für eine geschäftliche Verbindung des Beigeladenen mit dem Politiker. Hierzu nimmt der Antragsteller Bezug auf Unterlagen, nach deren Inhalt sich der Politiker für einen Verkauf eines Grundstücks an eine Firma eingesetzt habe, deren Geschäftsführer der Beigeladene war. Dabei habe Dr. F. angestrebt, dass der Verkauf des Grundstücks ohne Ausschreibung erfolge.

Der Antragsteller hatte die genannten Vorgänge bereits zum Gegenstand eines Artikels gemacht, der am 16. Juli 2017 in der Tageszeitung "Die Welt" erschienen war. Er berichtete seinerzeit auch darüber, dass der Beigeladene für eine Firma tätig war, die in Potsdam 180 Studentenwohnungen errichten wolle. Die Baugenehmigung sei erst auf Intervention des Dr. Gysi hin erteilt worden. Das Bauvorhaben sei jedoch nicht umgesetzt worden. Möglicherweise diene das Grundstück der Spekulation.

Der Beigeladene war in einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Celle, dem Antragsgegner, vom 8. Dezember 1997 - 20 Ds 203/97 - verurteilt worden. Auch diese Verurteilung war in dem genannten Artikel bereits erwähnt worden.

Der Antragsteller wandte sich im Sommer 2017 zunächst vergeblich an die Staatsanwaltschaft Lüneburg mit dem Antrag, ihm eine anonymisierte Kopie dieses Urteils zur Verfügung zu stellen. Den nachfolgenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Staatsanwaltschaft Lüneburg wies das Verwaltungsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 15. August 2017 zurück (1 B 65/17). Die hiergegen erhobene Beschwerde vor dem hiesigen Senat (10 ME 77/17) nahm der Antragsteller zurück, nachdem ihn der Senat darauf hinwies, dass ein Anspruch auf Überlassung des Urteils jedenfalls nicht gegen die Staatsanwaltschaft Lüneburg bestehe, sondern allenfalls gegen den Antragsgegner im hiesigen Verfahren.

Mit Schreiben vom 7. September 2017 forderte der Antragsteller den Antragsgegner vergeblich auf, "aufgrund der hohen Bedeutung für eine anstehende Bundestagswahl" (gemeint war die Bundestagswahl am 24. September 2017) das Urteil bis zum 12. September 2017 zu übersenden.

Am 18. September 2017 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Lüneburg beantragt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller eine anonymisierte Abschrift des genannten Urteils herauszugeben.

Der Antragsteller behauptet, es gebe eine Reihe von Hinweisen, die nahe legten, dass der Beigeladene als Strohmann Teile des nicht mehr auffindbaren Vermögens der SED verwalte. Hierzu benötige er das Urteil des Antragsgegners.

Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsteller nehme kurz vor der Bundestagswahl ein sehr hohes öffentliches Interesse an der Aufklärung - vermeintlich - dubioser Geschäftspraktiken eines Bundestagsabgeordneten wahr. Zudem habe die Potsdamer Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse daran zu erfahren, wer für das Bauvorhaben im Zusammenhang mit der Errichtung der Studentenwohnungen zuständig sei und wie es um die Seriösität des Verantwortlichen bestellt sei. Der starke Gegenwartsbezug ergebe sich daraus, dass sich der Politiker Dr. F. für ein Immobilienprojekt des Beigeladenen eingesetzt habe und nunmehr erneut für den Bundestag kandidiere.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Eine Übersendung einer Abschrift des Urteils sei schon aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Der Antragsgegner verfüge nicht mehr über das Urteil. Allein die Staatsanwaltschaft Lüneburg sei die aktenführende Stelle. Diese allein sei auch passivlegitimiert. Dies ergebe sich aus einer Verwaltungsvorschrift des Nds. Ministeriums für Justiz über die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit.

Der Beigeladene hat ebenfalls beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Es bestehe kein Anordnungsgrund. Nachdem die Bundestagswahl stattgefunden habe, sei der vom Antragsteller angegebene Grund für die Eilbedürftigkeit, nämlich eine Berichterstattung noch vor dieser Wahl, entfallen. Überdies würde eine Veröffentlichung schutzwürdige Belange des Beigeladenen verletzen.

Mit Beschluss vom 2. Oktober 2017 hat das Verwaltungsgericht Lüneburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Überlassung einer Urteilsabschrift bestehe nicht. Der Antragsgegner sei nicht passivlegitimiert. Das Niedersächsische Justizministerium habe durch Verwaltungsvorschrift vom 12. August 2011 (Nds. RPfl. 2011, 289) bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft nach Rechtskraft der abschließenden Entscheidung für die Erteilung von Auskünften zuständig sei. Ein Anspruch bestehe überdies deshalb nicht, weil es dem Antragssteller gar nicht um die Publikation dieser Gerichtsentscheidung gehe. Er wolle auch nicht über die öffentliche Meinungsbildung einen Anstoß zu einer parlamentarischen Korrektur der Ergebnisse der Rechtsentwicklung geben. Die Überlassung einer Urteilsabschrift sei dem Antragsgegner unmöglich, da sich die Entscheidung dort nicht mehr befinde. Der Informationsanspruch beschränke sich indes allein auf bei dem Verpflichteten vorhandene Informationen. Ansprüche nach dem Niedersächsischen Pressegesetz (NPresseG) und nach Art. 10 EMRK bestünden wegen entgegenstehender schutzwürdiger privater Belange nicht. Es fehle auch an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller berufe sich auf ein hohes öffentliches Interesse im Zusammenhang mit der Bundestagswahl, bei der der Politiker Dr. F. erneut in den deutschen Bundestag gewählt worden sei. Es sei nicht erkennbar, inwiefern die Verurteilung des Beigeladenen vor fast 20 Jahren in einem Zusammenhang mit den jetzigen Geschäftspraktiken des Politikers stehe oder sich Anhaltspunkte für die mangelnde Seriösität gerade aus dem Inhalt des Urteils ergäben. Grundsätzlich müsse der Antragsteller indes darlegen, warum er für eine effektive Berichterstattung gerade das Urteil benötige.

Gegen diesen Beschluss, der dem Antragsteller am 5. Oktober 2017 zugestellt worden ist, richtet sich die am 6. Oktober 2017 erhobene und zugleich begründete Beschwerde. Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein Vorbringen dazu, einen Anspruch auf Überlassung der Urteilsabschrift zu haben. Zudem bestehe auch ein Anordnungsgrund. Zwar sei eine Berichterstattung vor der Bundestagswahl unmöglich geworden. Er wolle aber zeitnah zu der Berichterstattung im Juli 2017 die Berichterstattung fortsetzen. Zudem nimmt der Antragsteller Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat aus den fristgerecht dargelegten Gründen, auf deren Überprüfung der Senat im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Denn der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund, der ausnahmsweise die hier begehrte Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würde, liegt nicht vor.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Durchsetzung eines verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruchs, auf den der Antragsteller die begehrte Herausgabe der Urteilsabschrift stützt, setzt sowohl eine Angelegenheit von gesteigertem öffentlichen Interesse als auch einen starken Gegenwartsbezug der Berichterstattung voraus (BVerfG, Beschluss vom 08.09.2014 - 1 BvR 23/14 -, Rn. 30). Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass ein derartiger Gegenwartsbezug hier nicht gegeben ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der der Senat folgt (s. bereits Beschluss vom 07.10.2016 - 10 ME 56/16 -, Rn. 19), kann ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung nicht deshalb verneint werden, weil die Berichterstattung nicht auf unaufschiebbare Berichte wie die Aufdeckung von schweren Rechtsbrüchen staatlicher Entscheidungen ziele und sie im Übrigen auch später möglich bleibe. Vielmehr kann die Presse ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktion nur wahrnehmen, wenn an den Eilrechtsschutz in Auskunftsverfahren auch hinsichtlich der Aktualität einer Berichterstattung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (BVerfG, a.a.O., Rn. 30). Das "Ob" und "Wie" der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, das auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt. Unter das Selbstbestimmungsrecht in zeitlicher Hinsicht fällt auch die Freiheit der Presse, zu entscheiden, ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll (BVerfG, a.a.O., Rn. 29).

Der Antragsteller muss aber darlegen, warum seiner Anfrage eine solche Eile zukommt, dass hierüber nur im Wege einstweiligen Rechtsschutzes, zumal unter einer Vorwegnahme der Hauptsache, entschieden werden kann. Zwar können auch zurückliegende Vorgänge unter veränderten Umständen plötzlich eine Relevanz bekommen, die eine Eilbedürftigkeit begründet. Wenn der Antragsteller jedoch Auskünfte über solche zurückliegenden Vorgänge verlangt, so obliegt es ihm, näher dazu vorzutragen, warum er für die jetzige Berichterstattungsabsicht sogleich Einsicht in diese Dokumente benötigt und warum diese Berichterstattung ohne diese Dokumente in nicht hinzunehmender Weise erschwert wird (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 31)

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Antragstellers nicht.

Der Antragsteller hat in erster Instanz - worauf er mit der Beschwerde Bezug nimmt - die Eilbedürftigkeit insbesondere mit der beabsichtigten Berichterstattung über geschäftliche Kontakte des Kandidaten für den Deutschen Bundestag Dr. F. im Vorfeld der Bundestagswahl begründet. Nachdem nunmehr die Bundestagswahl am 24. September 2017 stattgefunden hat, kann ein gesteigerter Gegenwartsbezug aus der bevorstehenden Wahl nicht mehr resultieren.

Soweit der Antragsteller die Fortsetzung der Berichterstattung über das Bauvorhaben in Potsdam beabsichtigt, legt er ebenfalls nicht dar, inwiefern die Berichterstattung ohne die begehrte Urteilsabschrift in nicht hinzunehmender Weise erschwert wird. Gegenstand der Berichterstattung waren Indizien dafür, dass der Beigeladene im Jahr 1997 strafrechtlich in Erscheinung getreten war und rund 20 Jahre später mit Unterstützung des Bundestagsabgeordneten Dr. F. ein Grundstück zu Spekulationszwecken erwarb. Über die Tatsache der Verurteilung an sich hatte der Antragsteller bereits berichtet. Dass gerade die Kenntnis des Urteilsinhalts den Antragsteller in die Lage versetzt, über die Seriösität des Beigeladenen zeitnah zu der bereits im Juli 2017 erfolgten Berichterstattung zu berichten, ergibt sich aus dem eigenen Vortrag des Antragstellers nicht. Vielmehr hat der Antragsteller im Gegenteil in erster Instanz - wenngleich in anderem Zusammenhang - ausgeführt, aus dem Urteil ergäben sich keine Schlüsse auf die aktuelle Seriosität des Verurteilten:

"Bei aktuellen Urteilen wird zwangsläufig ein direkter Schluss auf den Charakter und die Seriosität des Verurteilten gezogen. Dies ist hingegen bei Urteilen, die vor längerer Zeit ergangen sind, grundlegend anders. Es lassen sich hieraus lediglich Schlüsse darauf ziehen, welches Verhalten der Verurteilte damals (vor 20 Jahren) an den Tag gelegt hatte. Rückschlüsse darauf, ob der Verurteilte auch heute noch ein solches Verhalten an den Tag legt, lassen sich hieraus hingegen nicht ziehen, da sich die Persönlichkeit eines Menschen in einem solchen langen Zeitraum zwangsläufig verändert." (S. 6 der Antragsschrift vom 18. September 2017).

Das notwendig gesteigerte öffentliche Interesse und der ebenfalls erforderliche starke Gegenwartsbezug der Berichterstattung fehlen auch, soweit der Antragsteller Indizien dafür anführt, dass der Beigeladene als Strohmann für Teile des nicht mehr auffindbaren Parteivermögens der SED unter Beteiligung des Abgeordneten Dr. F. fungiere. Eine derartige Verbindung wurde durch den Antragsteller in der Berichterstattung im Juli 2017 noch nicht einmal im Ansatz hergestellt. Zwar verkennt der Senat nicht, dass auch die Recherche für eine lediglich geplante künftige Berichterstattung in den Schutzbereich der grundrechtlich garantierten Pressefreiheit fällt und insoweit eine Eilbedürftigkeit gegeben sein kann. Doch hat der Antragsteller nicht dargelegt, warum er für die jetzige Rechercheabsicht sogleich Einsicht in die begehrte Urteilsabschrift benötigt und warum die Recherche ohne diese in nicht hinzunehmender Weise erschwert wird. Zudem wird der Verbleib des SED-Parteivermögens jedenfalls derzeit in der Öffentlichkeit nicht thematisiert, so dass auch ein starker Gegenwartsbezug nicht erkennbar ist.

Der Senat weist für das Hauptsacheverfahren auf folgende Punkte hin:

Ein etwaiger Anspruch auf Überlassung einer anonymisierten Urteilsabschrift muss in der Hauptsache mit der allgemeinen Leistungsklage verfolgt werden. Dies entspricht der herrschenden Meinung zur statthaften Klageart für presserechtliche Auskunftsansprüche (so OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06.12.2016 - 3 L 99/15 -, Rn. 136; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.06.2016 - 5 A 987/14 -, Rn. 33 bis 35; Hessischer VGH, Urteil vom 23.02.2012 - 8 A 1303/11 -, Rn. 28; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.11.2013 - 6 A 5.13 -, Rn. 10). Die Klage ist deshalb gegen das Land Niedersachsen als Rechtsträger zu richten. § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 61 Nr. 3 VwGO eröffnet lediglich die Möglichkeit, durch Landesrecht für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zu bestimmen, dass diese Klagen gegen die Behörde selbst zu richten sind. Im Übrigen gilt das Rechtsträgerprinzip, so dass die Leistungsklage gegen das Land Niedersachsen als Rechtsträger der niedersächsischen Justizbehörden zu richten ist. Insofern hält der Senat an seiner rechtlichen Einschätzung im voran gegangenen Verfahren 10 ME 77/17 nicht mehr fest.

Davon zu trennen ist die Frage, welche Behörde innerhalb der Organisation des Landes Niedersachsen für die Erteilung von Urteilsabschriften zuständig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und dem Grundsatz der Gewaltenteilung grundsätzlich eine Pflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Entscheidungen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.09.2015 - 1 BvR 857/15 -, Rn. 20; BGH, Beschluss vom 05.04.2017 - IV AR (VZ) 2/16 -, Rn. 16; BVerwG, Urteil vom 26.02.1997 - 6 C 3.96 -, NJW 1997, 2694, Rn. 22 ff.). Adressat der Veröffentlichungspflicht ist die Gerichtsverwaltung (BVerwG, Urteil vom 26.02.1997 - 6 C 3.96 -, Rn. 23; Senatsurteil vom 19.12.1995 - 10 L 5059/93 -, Rn. 63), hier also das Amtsgericht Celle vertreten durch den Direktor. Dies gilt auch dann, wenn es um die bloße Herausgabe einer nicht veröffentlichungswürdigen Entscheidung - wie hier - geht.

Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung somit eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung der Gerichte selbst zur Überlassung von Urteilsabschriften anerkennt, kann diese Aufgabe nicht durch Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums der Staatsanwaltschaft übertragen werden. Auf die vom Verwaltungsgericht angeführte Zuständigkeitsbestimmung gemäß Ziffer 4.5 der AV des Nds. Justizministeriums vom 12. August 2011 (1270 - ÖA. 5) (Nds. RPfl. 2011, 289), kommt es daher nicht entscheidungserheblich an. Diese Verwaltungsvorschrift ist zudem nicht einschlägig, da sie lediglich die justizinterne Zuständigkeit für Auskünftsansprüche nach dem NPresseG regelt. Der Anspruch auf Überlassung einer anonymisierten Urteilsabschrift besteht indes neben dem presserechtlichen Auskunftsanspruch gemäß § 4 NPresseG und unabhängig davon verfassungsunmittelbar (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 26.02.1997 - 6 C 3/96 -, Rn. 24).

Im gerichtlichen Verfahren würde das Land Niedersachsen als Beklagter durch das Amtsgericht Celle als sachlich zuständige Behörde vertreten werden (Abschnitt V Nr. 2 Buchst. c des Gem. RdErl. d. StK u. sämtl. Min. v. 12.07.2012 - 201-01461/03 -, Nds. MBl. 2012, S. 578; zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 15.09.2017, Nds. MBl. 2017, 1288).

Die Erfüllung eines - etwaigen - Anspruchs auf Überlassung einer Urteilsabschrift wäre dem Amtsgericht Celle als zuständiger Behörde auch nicht unmöglich. Gemäß § 474 Abs. 1, Abs. 5 StPO müssen sich die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht gegenseitig Akteneinsicht gewähren, soweit dies zum Zwecke der Rechtspflege erforderlich ist. Die Staatsanwaltschaft dürfte dem Amtsgericht somit die Vorlage der Akten zur Erfüllung der verfassungsmittelbaren Prüfungs- und ggfs. Veröffentlichungspflicht nicht verweigern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.