Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.10.2017, Az.: 10 LB 16/17

Betriebsprämie; Cross-Compliance

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.10.2017
Aktenzeichen
10 LB 16/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54010
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 04.05.2016 - AZ: 2 A 17/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für einen Verstoß gegen § 5c Abs. 3 Satz 1 DirektZahlVerpflV genügt nicht, dass rein theoretisch ein in der Anlage 5 zur DirektZahlVerpflV aufgeführter Stoff in das Grundwasser gelangen kann.

2. Erforderlich ist, dass nach den Umständen des Einzelfalls eine nachteilige Veränderung des Grundwassers zu besorgen ist. Entscheidend ist für die Beurteilung nicht nur die Art und die durch eine Probeentnahme festgestellte Konzentration des Stoffes, sondern auch die Art seiner Lagerung, die Bodenbeschaffenheit sowie die Tiefe und Fließrichtung des Grundwassers.

3. Lassen sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr aufklären, geht dies zulasten der zuständigen Behörde.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig – Einzelrichterin der 2. Kammer - vom 4. Mai 2016 geändert.

Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 29. Dezember 2014 verpflichtet, dem Kläger für das Jahr 2014 eine weitere Betriebsprämie in Höhe von 5.731,72 Euro sowie eine weitere Umverteilungsprämie in Höhe von 62,04 Euro, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 0,5 Prozent monatlich auf 5.750,00 Euro ab dem 14. Januar 2015 zu gewähren.

Im Übrigen, soweit der Kläger einen höheren Zinsanspruch geltend macht, wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung der Betriebs- und der Umverteilungsprämie für das Antragsjahr 2014 wegen Nichteinhaltung anderweitiger – hier wasserwirtschaftlicher – Verpflichtungen (sog. Cross Compliance = CC).

Der Kläger ist Landwirt. Der Hauptsitz seines landwirtschaftlichen Betriebs befindet sich in F. in Niedersachsen. Zudem bewirtschaftete der Kläger im Jahr 2014 auch einen Feldblock im Landkreis G., in Sachsen-Anhalt, Gemarkung H., Flur I., Flurstücke J. und K. (L.).

Mit Sammelantrag vom 3. Mai 2014 beantragte der Kläger die Gewährung der Betriebsprämie sowie der Umverteilungsprämie für das Jahr 2014.

Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 7. August 2014 stellte eine Mitarbeiterin des Landkreises G. auf der Fläche in der Gemarkung H. ein Haufwerk fest und fertigte hierüber Fotografien an (Anlage K 3 zum Schreiben des Landkreises G. vom 23. April 2015, Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 13. Mai 2015, Bl. 111 ff. d.A.). Es handelte sich um Gärreste, mit deren Ausbringung der Kläger bereits begonnen hatte, diese aber wegen Niederschlags nicht zu Ende geführt hat. Das Haufwerk lagerte etwa acht Tage dort, bis der Kläger das Material endgültig verteilte. Nach dem Eindruck der Mitarbeiterin trat aus dem Material schwarz getrübtes flüssiges Lagergut in nicht unbedeutenden Mengen aus.

Auf Anfrage des Landkreises G. teilte der Kläger mit Schreiben vom 27. August 2014 mit, dass es sich bei dem Material um feste, separierte Gärreste handele. Zudem überreichte er das Ergebnis einer Analyse einer am 19. Februar 2014 entnommenen Probe eines festen Gärrestes.

Die Beklagte kürzte mit Bescheid vom 29. Dezember 2014 die dem Kläger auf seinen Sammelantrag hin zu bewilligende Betriebsprämie und die Umverteilungsprämie für das Antragsjahr 2014 um 3 %, d. h. um 5.731,72 Euro bezogen auf die Betriebsprämie und um 62,04 Euro bezogen auf die Umverteilungsprämie, wie sich aus den Anlagen 4 und 6 des Bescheids ergibt. In der Anlage 9 wurde hierzu ergänzend ausgeführt, dass es sich um einen fahrlässigen, mit 3 % bewerteten Verstoß gegen „Grundwasserschutz (Anhang III)“ handele.

Am 14. Januar 2015 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat vertreten, die Kürzung der Prämien sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Der Bescheid selbst sei unzureichend begründet. Der behauptete Verstoß gegen § 5c der Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung (im Folgenden: DirektZahlVerpflV) werde nicht dargelegt. Die auf der maßgeblichen Fläche gelagerten Gärreste seien zudem nicht abstrakt geeignet, das Grundwasser negativ zu beeinflussen. Es habe sich nicht um flüssige Gärreste gehandelt, sondern um Gärreste mit einem Anteil trockener Subtanz von rund 22 %. Die vor Ort festgestellte Flüssigkeit sei kein austretender Sickersaft oder ein flüssiger Gärrest. Es handele sich um Regenwasser, das sich in Fahrspuren von Landmaschinen mit Gärrestpartikeln vermischt habe. Eine nachteilige Veränderung des Grundwassers sei wegen der teils undurchdringlichen Bodenschichten auf dem Acker ausgeschlossen gewesen. Zudem nehme er Bezug auf die Analyse zweier Proben aus Wasser neben einem vergleichbaren Gärresthaufen und aus einem in der Nähe befindlichen Vorfluter. Aus diesen Proben hätten sich keine erhöhten Werte und mithin keine Grundwassergefährdung ergeben. Zu Unrecht habe die Beklagte ferner das durch die InVeKoS-Verordnung eröffnete Ermessen nicht ausgeübt, wonach im Falle eines geringfügigen Verstoßes ohne direkte Gefährdung von Mensch oder Tier von einer Kürzung habe abgesehen werden dürfen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm weitere 5.793,76 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 6 % ab Klageerhebung zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt. Die konkrete Handhabung der Gärreste widerspreche § 5c DirektZahlVerpflV. Schon der Austritt von Flüssigkeiten stelle eine Gefährdung für die Gewässer dar. Aufgrund der Wetterprognosen des Deutschen Wetterdienstes, der für den Zeitraum vom 31. Juli bis 7. August 2014 starke Schauer und Gewitter vorhergesagt habe, hätte der Kläger mit einer Vermischung des Lagergutes mit Niederschlagswasser rechnen müssen. Die ausgetretene Flüssigkeit sei auch nach Geruch und Aussehen als mit gelösten Gärrestebestandteilen vermischtes Niederschlagswasser zu identifizieren gewesen. Mit hohen Nährstofffrachten verschmutztes Wasser, das punktuell auf einer Fläche austrete, könne aber an dieser Stelle nicht vollständig durch die Pflanzen umgesetzt und verbraucht werden. Es sei zudem unerheblich, ob es tatsächlich zu einer Grundwasserbeeinträchtigung gekommen sei. Die Feldrandlagerung von Gärsubstraten sei überdies aufgrund eines Erlasses des Landesverwaltungsamtes des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2014 unzulässig. Es liege auch kein Ermessensfehler vor. Bei einem fahrlässigen CC-Verstoß seien die Direktzahlungen regelmäßig um 3 % zu kürzen. Es handele sich um eine Form intendierten Ermessens.

Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat die Klage mit Urteil vom 4. Mai 2016 (2 A 17/15) abgewiesen. Der Kläger habe gegen § 5c DirektZahlVerpflV und somit gegen einzuhaltende anderweitige Verpflichtungen verstoßen. Nach dem Ergebnis der informatorischen Anhörung von Mitarbeiterinnen des Landkreises G. sei das Gericht davon überzeugt, dass es sich bei der aus dem Gärrest ausgetretenen, flüssigen organischen Substanz um eine grundwassergefährdende Flüssigkeit gehandelt habe. Es bestehe aufgrund der Ausführungen der Mitarbeiterin, die die Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt habe, auch kein Zweifel daran, dass diese Flüssigkeit eine solch hohe Konzentration grundwassergefährdender Stoffe beinhaltet habe, dass eine abstrakte Gefährdung des Grundwassers zu besorgen sei. Es sei zudem lebensfremd, eine vollständige Versiegelung des Bodens anzunehmen, bei der die vorgefundene Flüssigkeit aufgrund der Bodenbeschaffenheit nicht in das Grundwasser habe eindringen können. Ermessensfehler lägen nicht vor. Es handele sich um einen Fall des sogenannten „intendierten Ermessens“, welches zusätzliche Erwägungen nur dann erforderlich mache, wenn besondere Umstände vorlägen, die ein Abweichen vom Regelfall gebieten würden.

Der Senat hat mit Beschluss vom 27. März 2017 (10 LA 55/16) dem Zulassungsantrag des Klägers wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts entsprochen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe einen Verstoß gegen § 5c Abs. 3 Satz 1 DirektZahlVerpflV nicht annehmen können, ohne Feststellungen zur Konzentration bzw. damit im Zusammenhang stehend zumindest zur Zusammensetzung der aus dem Gärrest austretenden Flüssigkeit zu treffen. Nicht allein das Austreten von Sickersäften sei bereits generell grundwassergefährdend, sondern es komme auf eine deshalb zu besorgende nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit an.

Nach Zustellung des Beschlusses am 10. April 2017 hat der Kläger die Berufung am 3. Mai 2017 begründet. Eine Grundwassergefährdung habe nicht ohne genaue Ermittlung der stofflichen Zusammensetzung der vor Ort gefundenen Pfützen eingetrübten Wassers durch eine Analyse angenommen werden können. Es sei auch nach damaligem Recht zulässig gewesen, Gärreste in der Festphase auf den Feldern abzulagern. Im Übrigen werde auf das Zulassungsvorbringen sowie auf das Vorbringen in erster Instanz Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 29. Dezember 2014 zu verpflichten, ihm für das Jahr 2014 weitere 5.793,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von 6 % ab Eingang der Klage zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die bei der Vor-Ort-Kontrolle vorgefundenen Pfützen seien mit organischen Abfallprodukten kontaminiert gewesen, somit mit Stoffen, die eine für den Geschmack und/oder den Geruch des Grundwassers abträgliche Wirkung haben und es für den menschlichen Gebrauch ungeeignet machen können. Das Wasser habe nach der Wahrnehmung der Prüferin ekelerregend gerochen. Anhand des festgestellten Ausmaßes der Wasserpfützen sei eine punktuelle Versickerung in tiefere, grundwasserführende Schichten zu besorgen gewesen. Die Pflanzen an der Versickerungsstelle seien nicht in der Lage gewesen, diese Nährstoffe aufzunehmen. Die Mitarbeiterinnen des Landkreises G. hätten Proben aus anderen vergleichbaren Haufwerken gezogen, die einen erhöhten Stickstoff- und Ammoniumgehalt aufgewiesen hätten. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass eine Grundwassergefährdung zu besorgen gewesen sei. Aufgrund der langjährigen Erfahrung der Mitarbeiterin des Landkreises G. sei auszuschließen, dass die Verschmutzung des Wassers nicht von Gärresten herrühre. Dem Kläger sei mindestens ein Verstoß gegen das Fachrecht vorzuwerfen. In Niedersachsen sei nach Erlassen des Niedersächsischen Umweltministeriums eine Zwischenlagerung von Stallmist und Geflügelkot unter bestimmten Bedingungen zulässig gewesen. Eine Zwischenlagerung von Gärresten sei nicht durch diese Erlasse geregelt und daher unzulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage zu Unrecht abgewiesen.

Der mit der Verpflichtungsklage (vgl. Senatsurteil vom 27.4.2016 – 10 LB 82/14 –) zu verfolgende und nach der Zulassung im Berufungsverfahren allein noch streitige Anspruch des Klägers auf „Bewilligung“ weiterer 3 % entsprechend 5.793,76 Euro nebst Zinsen ist gegeben, weil die Beklagte den dem Kläger zustehenden Bewilligungsbetrag für die Betriebs- und die Umverteilungsprämie 2014 rechtswidrig um diesen Betrag gekürzt hat. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Bewilligung einer Betriebs- und Umverteilungsprämie 2014 in Höhe von weiteren 5.793,76 Euro gemäß Art. 33, 34 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 sowie Art. 72a Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 zuzüglich Zinsen.

Bedenken gegen die Richtigkeit der von der Beklagten in den Anlagen 1 bis 7 ihres Bescheides getroffenen Feststellungen zur „beihilfefähigen Hektarfläche“ sowie zu den von dem Kläger aktivierten Zahlungsansprüchen und den Kürzungen wegen Modulation und Haushaltsdisziplin haben die Beteiligten nicht geltend gemacht und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.

Nach Art. 4 ff. Verordnung (EG) Nr. 73/2009 ist die Bewilligung der Betriebsprämie für das streitgegenständliche Bewilligungsjahr 2014 auch von der Einhaltung sog. „anderweitiger Verpflichtungen“ (Cross Compliance = CC) abhängig. Denn gemäß Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 muss ein Betriebsinhaber, der Direktzahlungen - wie insbesondere die Betriebs- und die Umverteilungsprämie nach Art. 2 d), Anhang I – bezieht, die Vorschriften zum guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Art. 6 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 erfüllen. Hierzu legen die Mitgliedsstaaten auf nationaler oder regionaler Ebene auf der Grundlage des in Anhang III vorgegebenen Rahmens Mindestanforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand fest. Zu diesen Mindestanforderungen gemäß Anhang III zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 in der ab dem 22. Dezember 2013 geltenden, durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/2013 vom 17. Dezember 2013 geänderten Fassung gehört der Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung. Dieser umfasst das Verbot der direkten Einleitung von Schadstoffen gemäß dem Anhang der Richtlinie 80/68/EWG in das Grundwasser und Maßnahmen zur Verhinderung der indirekten Verschmutzung des Grundwassers durch die Ableitung und das Durchsickern dieser Schadstoffe in bzw. durch den Boden gemäß dem Anhang der Richtlinie 80/68/EWG in der am letzten Tag ihrer Geltung geltenden Fassung, soweit sich dies auf eine landwirtschaftliche Tätigkeit bezieht.

Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Mindestanforderungen nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen durch Landwirte im Rahmen gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über Direktzahlungen und sonstige Stützungsregelungen (Direktzahlungen-Verpflichtungengesetz) in der Verordnung über die Grundsätze der Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung – im Folgenden: DirektZahlVerpflV) vom 4. November 2004 (BGBl. I 2004, 2780) festgelegt, zuletzt geändert – soweit für das hier interessierende Jahr 2014 relevant – durch die Erste Verordnung zur Änderung der Fünften Verordnung zur Änderung der Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung vom 30. April 2014 (BAnz AT 08.05.2014 V1).

Wird u.a. gegen das in der DirektZahlVerpflV festgelegte Kriterium des guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands innerhalb eines laufenden Kalenderjahres durch eine dem Betriebsinhaber „anzulastende“ Handlung verstoßen, so wird nach Art. 23 Abs. 1 Unterabsatz 1 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 der Gesamtbetrag der Direktzahlungen, der diesem Betriebsinhaber gewährt wurde oder zu gewähren ist, nach den Durchführungsbestimmungen innerhalb des durch Art. 24 (Grund-)Verordnung (EG) Nr. 73/2009 vorgegebenen Rahmens gekürzt oder ganz gestrichen.

Die Beklagte hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass der Kläger gegen § 5c Abs. 3 Satz 1 DirektZahlVerpflV i.V.m. Liste II Nr. 3 der Anlage 5 zur DirektZahlVerpflV verstoßen hat.

Gemäß § 5c Abs. 3 Satz 1 DirektZahlVerpflV waren im hier relevanten Zeitraum Stoffe nach Liste I und Liste II der Anlage 5 zur DirektZahlVerpflV im Rahmen einer landwirtschaftlichen Tätigkeit so zu handhaben, dass eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist. Zu den davon betroffenen Stoffen zählten gemäß Liste II Nr. 3 der Anlage 5 zur DirektZahlVerpflV Stoffe, die eine für den Geschmack und/oder den Geruch des Grundwassers abträgliche Wirkung haben, sowie Verbindungen, die im Grundwasser zur Bildung solcher Stoffe führen und es für den menschlichen Gebrauch ungeeignet machen können. Die Beklagte ist der Auffassung, dass eine Verunreinigung des Grundwassers durch derartige Stoffe zu besorgen gewesen ist.

Die Vorschrift des § 5c Abs. 3 Satz 1 DirektZahlVerpflV weist Parallelen zur Regelung des § 48 Abs. 2 Satz 1 WHG auf. Danach dürfen Stoffe nur so gelagert oder abgelagert werden, dass eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist, wobei dieser Tatbestand nicht auf bestimmte Stoffe beschränkt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur nahezu unveränderten Vorgängervorschrift des § 34 Abs. 2 WHG (in der bis zum 28. Februar 2010 geltenden Fassung) ist die Ausdrucksweise, dass eine nachteilige Veränderung „nicht zu besorgen“ sein darf, strenger zu verstehen als etwa das Gebot, dass keine Gefahr drohen dürfe. Vielmehr müsse diese Voraussetzung so verstanden werden, dass „eine gewisse Wahrscheinlichkeit geradezu ausgeräumt sein müsse.“ Reine Möglichkeiten könnten allerdings nie völlig ausgeschlossen werden. Das Merkmal „nicht zu besorgen“ sei dahin zu deuten, dass keine auch noch so wenig naheliegende Wahrscheinlichkeit besteht, was darauf hinauslaufe, es müsse nach menschlicher Erfahrung unwahrscheinlich sein. Das Gesetz sei hier also überaus streng (BVerwG, Urteil vom 26.06.1970 – IV C 99.67 –, juris Rn. 16; Urteil vom 16.07.1965 – IV C 54.65 –, juris Rn. 18). Zugleich betont jedoch das Bundesverwaltungsgericht, dass allein das Bestehen „reiner Möglichkeiten“ nicht als Grundlage für ein Verbot der Lagerung gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 WHG (bzw. § 34 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F.) herangezogen werden könne.

Übertragen auf den insoweit wortgleichen Tatbestand des § 5c Abs. 3 Satz 1 DirektZahlVerpflV genügt demnach für einen Verstoß gegen die Pflicht zur Erhaltung der landwirtschaftlichen Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand nicht, dass rein theoretisch ein in der Anlage 5 zur Verordnung aufgeführter Stoff in das Grundwasser gelangen kann. So verstanden läge ein CC-Verstoß bereits in der schlichten Ausbringung von Düngemitteln vor, die ihrerseits Stoffe nach Liste I und Liste II der Anlage 5 zur DirektZahlVerpflV beinhalten. Denn es lässt sich denkgesetzlich nicht völlig ausschließen, dass ein in der Anlage 5 aufgeführter Stoff – einmal mit dem Boden in Kontakt gekommen – auf irgendeinem Wege in das Grundwasser gelangt. Insbesondere lässt sich die Gefahr einer unsachgemäßen Handhabung solcher Stoffe nie vollständig ausschließen (vgl. auch insofern BVerwG, Urteil vom 26.06.1970 – IV C 99.67 –, juris Rn. 17). Der Verordnungsgeber beabsichtigte aber gerade nicht, die auch hier im Streit stehende Lagerung theoretisch grundwassergefährdender Düngemittel außerhalb ortsfester Anlagen vollständig zu unterbinden. Dies ergibt sich bereits aus § 5 Abs. 3 Satz 2 DirektZahlVerpflV und daraus, dass der Verordnungsgeber gemäß § 5c Abs. 3 Satz 3, Abs. 5 bis 7 DirektZahlVerpflV selbst Voraussetzungen formulierte, unter denen Festmist und Silagemieten außerhalb ortsfester Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen gelagert werden durften, ohne dass „in der Regel“ eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit zu besorgen war.

Erforderlich ist daher im jeweiligen Einzelfall die Abwägung aller Umstände, aus denen sich Anlass zur Sorge im Sinne des § 5c Abs. 3 Satz 1 DirektZahlVerpflV ergeben kann, u.a. davon, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass verunreinigende Stoffe in das Grundwasser gelangen können (vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 17). Die Besorgnis einer Grundwasserverunreinigung ist dabei von der Art des Stoffes und der Nähe des Austrittsortes zum Grundwasser abhängig (vgl. OVG Berlin, Urteil vom 03.07.1980 – OVG 3 B 1/78 –, ZfW 1981, 115, 117 ff.). Dies entspricht auch der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte als Rechtsbeschwerdegerichte nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten zu § 34 Abs. 2 Satz 1 WHG a.F. Diese sahen den Ordnungswidrigkeits-Tatbestand des § 41 Abs. 1 Nr. 9 WHG i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 1 WHG in der bis zum 28. Februar 2009 geltenden Fassung als erfüllt an, wenn nach den Umständen des Einzelfalls eine nachteilige Veränderung des Grundwassers zu besorgen ist. Entscheidend ist nach dieser Rechtsprechung für die Beurteilung nicht nur die Art des Stoffes, sondern auch die Art seiner Lagerung, die Bodenbeschaffenheit sowie die Tiefe und Fließrichtung des Grundwassers (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.08.1986 – 5 Ss (OWi) 291/86 – 218/86 I –, ZfW 1987, 128, 130; OLG Zweibrücken, Urteil vom 09.03.1990 – 1 Ss 7/90 –, NuR 1991, 41, 42). Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats auch im Rahmen der Beurteilung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 DirektZahlVerpflV maßgeblich.

Die demnach erforderlichen Feststellungen dazu, welche Stoffe gemäß den Listen I und II der Anlage 5 zur DirektZahlVerpflV seinerzeit aus dem Gärrestehaufen ausgetreten sein sollen, insbesondere in welcher Konzentration diese vorlagen, ferner wie groß die Gefahr einer nachteiligen Veränderung des Grundwasser auch aufgrund der Lage des Gärrestehaufens, der abgelagerten Menge, der Bodenbeschaffenheit sowie der Tiefe und Fließrichtung des Grundwassers war, sind hier nicht getroffen worden und lassen sich teilweise auch nicht mehr treffen. Die Mitarbeiter des Landkreises G. nahmen seinerzeit keine Probe von den vorgefundenen Flüssigkeiten. Weder deren chemische Zusammensetzung noch die Konzentration der einzelnen darin enthaltenen Stoffe noch die Gesamtmenge der seinerzeit abgelagerten Stoffe lassen sich somit rekonstruieren. Allein der Umstand, dass die Mitarbeiter des Landkreises G. „ekelerregend“ riechendes Wasser, das möglicherweise auf Stoffe i.S.d. Nr. 3 der Liste II der Anlage zur DirektZahlVerpflV hindeutete, wahrgenommen hatten, ersetzt die erforderlichen Feststellungen nicht, da allein daraus kein Rückschluss auf die Konzentration der Stoffe und eine daraus resultierende Grundwassergefährdung gezogen werden kann.

Eine Möglichkeit, diese Feststellungen nachzuholen, besteht nicht. Zwar lässt sich möglicherweise noch der Lagerort der Gärreste rekonstruieren und eine Aussage zur Bodenbeschaffenheit und zur Nähe des Grundwassers treffen. Hinsichtlich der Zusammensetzung des seinerzeit vorgefundenen Haufens und der – nach Ansicht der Mitarbeiterin des Landkreises G. – ausgetretenen Flüssigkeit gilt dies jedoch nicht.

Allein der Umstand, dass der Landkreis G. Proben aus vergleichbaren Haufwerken an anderen Orten gezogen hat, die einen erhöhten Stickstoff- und Ammoniumgehalt hatten, was nach Ansicht der Mitarbeiterin des Landkreises auf eine Grundwassergefährdung hinweist, ersetzt die hier erforderlich gewesenen Feststellungen nicht. Denn nur durch eine „vor Ort“ gezogene Probe hätte hinreichende Klarheit über die Zusammensetzung der ausgetretenen Flüssigkeit gewonnen werden können.

Dass sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr aufklären lassen, geht zulasten der Beklagten. Gemäß § 11 Satz 1 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz – MOG) trägt der Begünstigte, soweit nicht Rechtsakte der Europäischen Union Gegenteiliges vorsehen, auch nach Empfang eines rechtlich erheblichen Vorteils nach §§ 6, 8 oder 9b, jeweils auch in Verbindung mit den §§ 9c und 9d, in dem Verantwortungsbereich, der nicht zum Bereich der für die Gewährung des rechtlich erheblichen Vorteils zuständigen Stelle gehört, die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des rechtlich erheblichen Vorteils bis zum Ablauf des vierten Jahres, das dem Kalenderjahr der Gewährung folgt. Zu den relevanten rechtlich erheblichen Vorteilen zählen auch die Direktzahlungen auf der Grundlage europäischen Rechts (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 MOG). Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die bewilligende Stelle die materielle Beweislast für die Voraussetzungen jener Tatbestände trägt, unter denen eine – ansonsten zu gewährende – Direktzahlung nicht gewährt oder gekürzt werden kann oder muss. Es ist nach der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 nicht Voraussetzung der Gewährung von Direktzahlungen, dass keine Kürzungstatbestände erfüllt sind. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 23 Abs. 1 UAbs. 1 Verordnung (EG) Nr. 73/2009. Werden danach die Mindestanforderungen nicht erfüllt und ist dies dem Betriebsinhaber anzulasten, so wird der Gesamtbetrag der Direktzahlungen, „der […] diesem Betriebsinhaber gewährt wurde oder zu gewähren ist“, nach den Durchführungsbestimmungen gemäß Art. 24 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 gekürzt oder gestrichen (so auch VG Würzburg, Urteil vom 26.02.2015 – W 3 K 14.29 –, juris Rn. 36 f.; VG Göttingen, Urteil vom 22.01.2014 – 2 A 476/12 –, juris Rn. 37).

Durch den von der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren angeführten –unveröffentlichten – Erlass des Landesverwaltungsamtes des Landes Sachsen-Anhalt, wonach die Feldrandlagerung von Gärresten unzulässig ist, sowie durch die niedersächsischen, allein die „Zwischenlagerung von Stallmist und Geflügelkot“ betreffenden Erlasse vom 29. November 2005 und vom 22. September 2015 konnten weitergehende Mindestanforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand im Sinne des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 schon aus Rechtsgründen nicht begründet werden. Gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) Nr. 73/2009 legen die Mitgliedsstaaten auf nationaler oder regionaler Ebene Mindestanforderungen fest. Die Kompetenz zur Normierung dieser Mindestanforderungen lag somit allein bei der Bundesrepublik Deutschland, nicht bei den Bundesländern. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DirektZahlVerpflG waren die näheren Einzelheiten der Anforderungen an die Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand im Rahmen des Artikels 6 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Aufgrund dieser Ermächtigung erließ die Bundesregierung die bis zum 31. Dezember 2014 geltende Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung (DirektZahlVerpflV) und bestimmte gemäß § 5c dieser Verordnung die Anforderungen zum Schutz des Grundwassers gegen Verschmutzung. Eine – grundsätzlich gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 DirektZahlVerpflG zulässige – Öffnungsklausel für weitergehende Bestimmungen durch die Länder beinhaltete § 5c DirektZahlVerpflV nicht.

Der Zinsanspruch folgt aus § 14 Abs. 2 Satz 1 MOG i.V.m. §§ 236 Abs. 1, 238 AO. Soweit der Kläger einen höheren Zinsanspruch geltend macht, ist die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.