Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.10.2017, Az.: 2 LA 389/17

Abgabe einer Verzichtserklärung durch den neuen Anwalt aufgrund Beiordnung i.R.e. bereits erfolgten Prozesskostenhilfebewilligung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.10.2017
Aktenzeichen
2 LA 389/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 49524
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2017:1019.2LA389.17.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 13.03.2017 - AZ: 7 A 162/16

Amtlicher Leitsatz

Im Rahmen einer bereits erfolgten Prozesskostenhilfebewilligung kann ein neuer Anwalt mit der Maßgabe, dass bereits gezahlte Gebühren nicht geltend gemacht werden, beigeordnet werden, wenn der neue Anwalt eine entsprechende Verzichtserklärung abgibt.

Tenor:

Klägers wird die Beiordnung von Rechtsanwalt C., C-Stadt in dem Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss des Senats vom 22. Mai 2017 aufgehoben.

Auf Antrag des Klägers wird ihm Rechtsanwalt B., B-Stadt mit Wirkung vom heutigen Tage beigeordnet mit der Maßgabe, dass die bereits im Rahmen der Vorschusszahlung an Herrn Rechtsanwalt C. gezahlten Gebühren nicht geltend gemacht werden.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 22. Mai 2017 hat der Senat dem Kläger Prozesskostenhilfe gemäß §§ 114, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO bewilligt und - wie beantragt - Rechtsanwalt C aus C-Stadt beigeordnet. Rechtsanwalt C erhielt im Juli 2017 aus der Staatskasse im Rahmen einer Vorschussabrechnung nach § 55 RVG (Gegenstandswert: 5.000):

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Verfahrensgebühr RVG VV Nr. 3200 (1,6) 411,20
Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen RVG VV Nr. 700220,00
431,20
19% Umsatzsteuer RVG VV Nr. 700881,93
513,13
3

Im August 2017 teilte Rechtsanwalt B., bestätigt durch Rechtsanwalt C., mit, das frühere Mandatsverhältnis bestehe nicht mehr.

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Rechtsanwalt B. beantragt,

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die Beiordnung des früheren Rechtsanwalts aufzuheben und - unter Hinweis auf eine z.B. noch denkbare Gebühr nach Nr. 3202 VV RVG - seine Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung mit der Maßgabe, dass an Rechtsanwalt C. bereits geleistete Vorschusszahlungen nicht geltend gemacht werden.

II.

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Dem Begehren war zu entsprechen.

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1. Zum besseren Verständnis wird zunächst darauf hingewiesen, dass ein etwaiger in dem Begehren enthaltener weiterer Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Rechtsschutzbedürfnisses erfolglos bleiben müsste, da dem Kläger mit Beschluss des Senats vom 22. Mai 2017 bereits Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, die sich nach §§ 119 ZPO, 119 VwGO auf den gesamten zweitinstanzlichen Rechtszug erstreckt.

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2. Der Antrag,

die Beiordnung von Rechtsanwalt C. aufzuheben,

hat Erfolg. Dem Antrag steht nicht § 48 Abs. 2 BRAO entgegen, wonach (nur) der Rechtsanwalt die Aufhebung der Beiordnung beantragen kann, wenn er einen wichtigen Grund darlegt; denn diese Norm verhält sich nicht zu einem Antragsrecht der Partei und lässt auf dessen Bestehen oder Nichtbestehen keine Rückschlüsse zu. Wenn die Partei indes nach §§ 121 Abs. 1 ZPO, 166 VwGO einen Rechtsanwalt ihrer Wahl benennen darf, muss es ihr auch möglich sein, aus eigenem Recht die Aufhebung der Beiordnung zu beantragen, beziehungsweise durch einen anderen Anwalt beantragen zu lassen; denn in Verfahren, in denen der Verfügungsgrundsatz Geltung beansprucht, steht der Partei grundsätzlich die Entscheidung frei, sich (nur) von einem bestimmten Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Der Antrag ist auch begründet; denn die Partei kann der Aufhebung der Beiordnung verlangen, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegen müsste. Hinzukommt, dass die Beiordnung von Rechtsanwalt C. seinen Sinn verloren hat; denn dessen Prozessvollmacht erlosch gegenüber dem Senat, nachdem sowohl er als auch der Kläger (über seinen neuen Prozessbevollmächtigten) das Ende des Mandatsverhältnisses mitgeteilt hat (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 14.08.2017 - 2 LA 484/17 - Juris; vom 12.08.2014 - 2 LA 325/13 -, Hessischer VGH, Beschluss vom 16.05.2013 - 7 D 2046/12 - Juris).

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3. Rechtsanwalt B. war mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe beizuordnen.

10

Ein Anspruch auf Beiordnung eines neuen Prozessbevollmächtigten besteht allerdings nicht ohne weiteres. Ein gewillkürter Anwaltswechsel der Partei bedeutet nicht, dass ihr der neue Prozessbevollmächtigte automatisch beigeordnet wird. Ein Anspruch auf Beiordnung besteht grundsätzlich nur dann, wenn entweder der Staatskasse dadurch keine höheren Ausgaben entstehen oder der zunächst beigeordnete Prozessbevollmächtigte die Partei ohne deren Zutun aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr vertreten kann oder er der Partei Veranlassung gegeben hat, das Mandatsverhältnis aus einem Grund zu beenden, der auch eine vermögende Partei veranlasst hätte, sich von dem Wahlanwalt zu trennen (Sen., Beschl. v. 17.8.2017 - 2 LA 484/17 - juris, v. 12.8.2014 - 2 LA 325/13 -; Hess. VGH, Beschl. v. 16.5.2013 - 7 D 2046/12 -, juris). Die beiden letztgenannten Alternativen liegen nicht vor. Weder hat der Kläger Umstände vorgetragen, die auch einen vermögenden Kläger veranlasst hätten, sich vom Wahlanwalt zu trennen, noch ist ersichtlich, dass der frühere Prozessbevollmächtigte den Kläger aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr vertreten könnte. Vorliegend ist jedoch davon auszugehen, dass der Staatskasse durch den Wechsel keine höheren Ausgaben entstehen. Zwar darf, wenn eine mittellose Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, den Prozessbevollmächtigten wechselt, die Beiordnung des neuen Prozessbevollmächtigten gemäß § 121 ZPO im Allgemeinen nicht ohne Weiteres mit der Beschränkung seines Vergütungsanspruches gegen die Staatskasse in Form des Abzugs der Gebühren, die schon der zuerst beigeordnete Rechtsanwalt erhalten hat, verbunden werden (Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 2014, § 121 Rnr. 22 mwN.). In Betracht kommt jedoch die Möglichkeit, dass der nachfolgende Anwalt von sich aus auf bereits auf Seiten des ersten Anwalts entstandene Gebühren ausdrücklich verzichtet (Sen., Beschl. v. 17.8.2017- 2 LA 484/17 - juris, v. 12.8.2014 - 2 LA 325/13 -; LAG Hamm, Beschl. v. 12.9.2003 - 4 Ta 470/02 - juris; OLG Celle, Beschl. v. 5.2.2007 - 6 W 2/07 - juris). Eine derartige Verzichtserklärung hat Rechtsanwalt B. mit Schriftsatz vom 5. September 2017 abgegeben, da er Prozesskostenhilfe nur mit der Maßgabe beantragt hat, dass die bereits entstandenen und im Rahmen einer Vorschusszahlung an Rechtsanwalt C. ausgezahlten Gebühren nicht geltend gemacht werden.

11

Ob und ggfls. welche weiteren Gebühren in dem Verfahren noch entstehen, wird sich erst im Laufe des Verfahrens ergeben.

12

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 80 AsylG).