Landgericht Göttingen
Beschl. v. 21.01.2005, Az.: 10 T 14/05

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens; Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen; Anforderungen an die Erteilung einer Restschuldbefreiung

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
21.01.2005
Aktenzeichen
10 T 14/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 27176
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2005:0121.10T14.05.0A

Fundstellen

  • NZI 2005, 346-347 (Volltext mit amtl. LS)
  • NZI (Beilage) 2005, 33* (amtl. Leitsatz)
  • VuR 2005, 474-475 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZInsO 2005, 154-155 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZVI 2006, 80
  • ZVI (Beilage) 2006, 80 (red. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein in der Wohlverhaltensphase gestellter Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung ist unzulässig, wenn lediglich ins Blaue hinein geltend gemacht wird, der Schuldner, der unstreitig Frührentner ist und eine Berufsunfähigkeitsrente bezieht, bemühe sich nicht ausreichend um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit.

  2. 2.

    Das Insolvenzgericht ist bei einem derartigen Antrag zu einer Anhörung des Schuldners und der übrigen Verfahrensbeteiligten nicht verpflichtet.

Gründe

1

Mit Beschl. v. 19.6.2002 hat das AG dem Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung gem. § 291 Abs. 1 InsO angekündigt. In dem vorangegangenen Schlussbericht hatte der Insolvenzverwalter ausgeführt, dass Hintergrund des Insolvenzantrags die Arbeitsunfähigkeit des Schuldners und seine relativ geringe Berufsunfähigkeitsrente gewesen sei.

2

Nach Ankündigung der Restschuldbefreiung hat der Treuhänder mit Schreiben v. 9.12.2003 mitgeteilt, dass der Schuldner Frührentner sei und eine Rente von 979,98 EUR beziehe. Den hiervon pfändbaren Betrag i.H.v. 28 EUR zahle der Schuldner an die Hinterlegungsstelle.

3

Nach der Mitteilung des Treuhänders v. 25.10.2004 war eine Änderung der Einkommenssituation des Schuldners nicht eingetreten. Weiterhin zahlte der Schuldner die pfändbaren Anteile seines Einkommens von 28 EUR auf das Verwaltersonderkonto.

4

Mit Schreiben v. 10.12.2004 haben die Gläubiger beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung wegen eines Obliegenheitsverstoßes zu versagen. Hierzu haben die Gläubiger ausgeführt, dass weder im Insolvenzverfahren noch in der Restschuldbefreiungsphase Zahlungen an sie ausgekehrt worden seien. Damit habe sich der Schuldner während der Restschuldbefreiungsphase nicht um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemüht, jedenfalls habe der Schuldner entsprechende Bemühungen nicht nachgewiesen.

5

Mit Beschl. v. 4.1.2005 hat das AG den Antrag der Gläubiger auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, die Gläubiger hätten entgegen § 290 Abs. 1 Satz 3 InsO die Voraussetzungen des § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht dargelegt und glaubhaft gemacht. Es fehlen jegliche nähere Angaben zu der Behauptung, dass sich der Schuldner nicht um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühe.

6

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Gläubiger mit der sofortigen Beschwerde. Sie tragen vor, das Gericht habe verkannt, dass nicht § 290 Abs. 2 Satz 3 InsO zur Anwendung komme sondern § 296 InsO einschlägig sei. Bei einem monatlich pfändbaren Einkommen von 28 EUR könne keine Rede davon sein, dass sich der Schuldner um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühe. Dies reiche zur Glaubhaftmachung aus, denn es handele sich hier um einen jungen Schuldner, der notfalls auf jegliche Tätigkeit zu verweisen. sei. I.Ü. habe das AG verfahrensfehlerhaft gehandelt, denn es habe vor der Entscheidung sämtliche Verfahrensbeteiligten, insbesondere den Schuldner anhören müssen. Der Schuldner habe im Rahmen der Anhörung Auskunft über die Erfüllung seiner Obliegenheiten erteilen müssen.

7

Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und insoweit ausgeführt, dass die Nennung des § 290 Abs. 1 Satz 3 InsO auf einem Schreibfehler beruhe und es richtig heißen müsse § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO. I.Ü. hätten die Gläubiger die Voraussetzungen für die Versagung der Restschuldbefreiung nicht glaubhaft gemacht. Der Vortrag der Gläubiger sei unsubstantiiert, sodass kein zulässiger Antrag vorliege. Im Hinblick darauf sei eine Anhörung der übrigen Verfahrensbeteiligten nicht erforderlich gewesen.

8

Die sofortige Beschwerde der Gläubiger ist gem. §§ 6 Abs. 1, 296 Abs. 3 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das AG hat im Ergebnis zutreffend entschieden. Gem. § 296 Abs. 1 InsO versagt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung eine seine Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt. Dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft. Der Antrag des Gläubigers ist nach § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO nur zulässig, wenn die Voraussetzungen glaubhaft gemacht werden. Hier liegt - wie das AG zutreffend in dem Nichtabhilfebeschluss ausgeführt hat - ein zulässiger Antrag der Gläubiger nicht vor. Zulässig ist der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung, wenn der Gläubiger zunächst glaubhaft macht, dass der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung seine Obliegenheiten, die sich aus § 295 Abs. 1 InsO ergeben, verletzt hat. Hier kommt allenfalls eine Obliegenheitsverletzung der Gestalt in Betracht, dass sich der Schuldner nicht um eine Arbeitsstelle bemüht hat, denn der Schuldner, der keine Beschäftigung ausübt muss sich um eine angemessene Beschäftigung bemühen (FK-InsO/Ahrens, 3. Aufl., § 295 Rn. 10; Uhlenbruck/Vallender, InsO, 12. Aufl., § 295 Rn. 21). Dass der Schuldner gegen diese Obliegenheit verstoßen hat haben die Gläubiger weder substantiiert dargelegt noch glaubhaft gemacht. Der bloße Vortrag, aus dem Umstand, dass der Schuldner lediglich 28 EUR monatlich an pfändungsfreiem Einkommen abführe, belege, dass er sich nicht um eine angemessene Arbeit bemühe, reicht nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schuldner aufgrund einer Erkrankung berufsunfähig war, nunmehr Frührentner ist und eine Rente i.H.v. 979,88 EUR erhält. Im Hinblick auf diesen Umstand hätte es den Gläubigern oblegen substantiiert vorzutragen und glaubhaft zu machen, dass der Schuldner dem Arbeitsmarkt überhaupt zur Verfügung steht und trotz seiner Rentenberechtigung überhaupt in der Lage ist eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Ohne die Glaubhaftmachung derartiger Tatsachen ist der Antrag nicht zulässig, denn er ist ins Blaue hinein gestellt und auf bloße Vermutungen gestützt. Das Erfordernis der Glaubhaftmachung soll verhindern, dass ein solcher unsubstantiierter Antrag zu aufwendigen Ermittlungen des Gerichts führt (Uhlenbruck/Vallender, a.a.O., § 296 Rn. 10). Da die Gläubiger die bereits mit der Antragstellung erforderliche Glaubhaftmachung nicht vorgenommen haben, mithin ein unzulässiger Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung vorliegt, brauchte das AG die Begründetheit des Antrags nicht zu prüfen. Von einer Anhörung des Schuldners und der übrigen Verfahrensbeteiligten hat das AG deshalb zu Recht abgesehen.

9

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse der Gläubiger ausgegangen, dass die Kammer mit 50 % der angemeldeten Forderung annimmt.