Landgericht Göttingen
Beschl. v. 16.03.2005, Az.: 10 T 26/05

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
16.03.2005
Aktenzeichen
10 T 26/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 42094
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2005:0316.10T26.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 17.01.2005 - AZ: 74 IN 41/01

In dem Insolvenzverfahren

...

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen durch H.... als Einzelrichterin auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin sowie der Gläubiger zu 1.- 6. vom 31.01.2005 gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 17.01.2005 - 74 IN 41/01 -

am 16.03.2005 beschlossen:

Tenor:

  1. Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzverwalters an das Amtsgericht Göttingen zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 18.06.2001 hat das Amtsgericht den Diplom-Kaufmann G.... zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 16.09.2003 ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden und der Diplom-Kaufmann G.... zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Nachdem die Gläubiger den Antrag auf Einstellung des Verfahrens gestellt hatten, hat der Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 05.01.2005 die Festsetzung seiner Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter in Höhe von 5 862,93 Euro und die Festsetzung seiner Vergütung für die Tätigkeit als Insolvenzverwalter in Höhe von 25 112,57 Euro beantragt. Dabei ist der Insolvenzverwalter von einer Bemessungsgrundlage von 69 982,38 Euro ausgegangen.

2

Mit Beschuss vom 17.01.2005 hat das Amtsgericht das Verfahren nach § 213 InsO eingestellt. Mit Beschluss vom selben Tag hat das Amtsgericht die Vergütung des Insolvenzverwalters antragsgemäß auf 25 112,57 Euro und die Vergütung für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters auf 5 862,93 Euro festgesetzt.

3

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Schuldnerin sowie die Gläubiger zu 1.- 6. mit der sofortigen Beschwerde. Sie machen geltend, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters zu reduzieren sei, weil seine Tätigkeit vorzeitig beendet sei.

4

Insgesamt seien Abschläge in Höhe von 20 % wegen der vorzeitigen Beendigung des Verfahrens, in Höhe von 15 % wegen der vorläufigen Insolvenzverwaltung und in Höhe weiterer 15 % wegen der geringen Anforderungen an die Geschäftsführung vorzunehmen. Darüber hinaus habe der Insolvenzverwalter den Schätzwert der Masse hier unzutreffend angegeben. Tatsächlich könne nur von einer Bemessungsgrundlage von 34 645,41 Euro ausgegangen werden. Soweit der Insolvenzverwalter Ansprüche aus den Rechtsstreitigkeiten 3 O 77/03 und 2 O 667/04 Landgericht Göttingen in den Schätzwert für die Bemessungsgrundlage einbezogen habe, sei dies unzutreffend. Tatsächlich seien diese Ansprüche nicht realisiert worden. Auch sei die Durchsetzbarkeit der Ansprüche offen, so dass sie nicht zum verwalteten Vermögen und damit nicht zum Schätzwert der Masse gehörten.

5

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin und der Gläubiger zu 1.- 6. ist gemäß §§ 6, 64 Abs. 3 InsO zulässig und insoweit begründet, als der Beschluss aufzuheben ist. Das Amtsgericht muss über den Vergütungsantrag erneut entscheiden.

6

I.

Soweit das Amtsgericht - Rechtspflegerin - die Vergütung des Antragstellers für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 5 862,93 Euro festgesetzt hat, muss der Beschluss aufgehoben werden, weil er unwirksam ist. Hier hätte die Rechtspflegerin über den Antrag des Antragstellers auf Festsetzung der Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter nicht entscheiden dürfen. Die Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist Richtersache. Auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt der Insolvenzrichter für die Entscheidung über die Vergütung des vorläufigen Verwalters funktionell zuständig (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage § 2 Randnummer 3; LG Köln Rpfleger 1997, 1889, 1890 m.w.N). Die Rechtspflegerin hat mithin ein Geschäft wahrgenommen, das ihr weder nach dem Rechtspflegergesetz noch durch richterliche Entscheidung übertragen worden war. Damit ist die von ihr getroffene Entscheidung unwirksam (§ 8 Abs. 4 RPflG).

7

II.

Soweit das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Vergütung des Antragstellers für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter auf insgesamt 25 112,57 Euro festgesetzt hat, ist der Beschluss aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil das Amtsgericht Verfahrensgrundsätze nicht beachtet und den Sachverhalt im Hinblick darauf nicht hinreichend ermittelt hat.

8

Gemäß § 1 Abs. 1 InsVV wird die Vergütung des Insolvenzverwalters nach dem Wert der Insolvenzmasse berechnet, auf die sich die Schlussrechnung bezieht. Wird das Verfahren - wie hier - durch Einstellung vorzeitig beendet, so ist die Vergütung nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen. Hier hat der Antragsteller einen Schätzwert der Masse in Höhe von 69 982,38 Euro als Berechnungsgrundlage für seine Vergütung zu Grunde gelegt. Das Amtsgericht hat diesen Wert so übernommen und entsprechend die Vergütung errechnet. Dabei durfte jedoch das Amtsgericht die vom Antragsteller in die Berechnung des Schätzwerts der Masse eingestellten Beträge von 12 015,36 Euro und 22 496,38 Euro ohne entsprechende Erläuterung des Antragstellers nicht übernehmen. Bei diesen beiden Beträgen handelt es sich um Forderungen, die der Antragsteller in zwei Rechtsstreitigkeiten vor dem Landgericht Göttingen gegen einen Gesellschafter der Schuldnerin geltend macht. In dem Verfahren 3 O 77/03 ist über den Betrag von 12 015,36 Euro am 21.12.2004 ein Versäumnisurteil ergangen. Hiergegen hat der Beklagte (Gesellschafter der Schuldnerin) Einspruch eingelegt, über den im Zeitpunkt der Einstellung des Insolvenzverfahrens noch nicht entschieden war.

9

In dem Verfahren 2 O 667/04, in welchem der Antragsteller eine Forderung von 22 496,38 Euro geltend macht, war im Zeitpunkt der Einstellung des Insolvenzverfahrens noch keine Entscheidung ergangen. Ob beziehungsweise in welcher Höhe die vom Antragsteller in den Schätzwert der Masse einbezogenen Forderungen realisierbar sind, ergibt sich aus dem Vergütungsantrag des Antragstellers nicht. Die Forderungen können jedoch nur dann in den Schätzwert einfließen, wenn die begründete Aussicht besteht, dass der Gesellschafter der Schuldnerin diese Forderungen begleichen wird. Andernfalls stehen diese Beträge der Masse nicht zur Verfügung. Allein der Umstand, dass der Antragsteller diese beiden Forderungen im Wege der Klage gegen den Gesellschafter der Schuldnerin geltend gemacht hat, führt nicht dazu, dass sie zum geschätzten Wert der Masse im Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens zählen. Andernfalls könnte der Schätzwert der Masse beliebig durch die Erhebung von Klagen - ungeachtet ihrer Aussicht auf Erfolg und der Durchsetzbarkeit der Forderungen - erhöht werden. Mithin muss das Amtsgericht die Berechnungsgrundlage für den Vergütungsantrag nach entsprechender Stellungnahme seitens des Antragstellers ermitteln.

10

Ungeachtet der noch zu ermittelnden Berechnungsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters hat das Amtsgericht bei der Festsetzung der Vergütung die Vorschrift des § 3 Abs. 2c InsVV nicht beachtet. Das Amtsgericht hat hier entsprechend dem Antrag des Insolvenzverwalters den Regelsatz der Vergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV festgesetzt ohne Zu- oder Abschläge vorzunehmen. Nach § 3 Abs. 2c InsVV ist jedoch insbesondere dann ein Abschlag gerechtfertigt, wenn das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird. Dieser Fall liegt hier vor, denn das Verfahren ist gemäß § 213 InsO eingestellt worden. Hierin liegt eine vom Normalfall abweichende Besonderheit der Geschäftsführung des Insolvenzverwalters, die schon aus diesem Grund einen Abschlag vom Regelsatz erforderlich macht (BGHZ InsO 2005, 85). Ob und in welchem Umfang die Vergütung des Insolvenzverwalters zu reduzieren ist, hängt davon ab, welche Tätigkeiten eines normalverlaufenden Insolvenzverfahrens der Antragsteller hier infolge der vorzeitigten Beendigung nicht mehr erbracht hat beziehungsweise welche Tätigkeiten er noch ausgeführt hat. Auch dies muss das Amtsgericht nach der entsprechenden Stellungnahme des Antagstellers feststellen.