Landgericht Göttingen
Urt. v. 04.05.2005, Az.: 2 O 617/03

Anspruch auf eine Entschädigung für die Nichtabnahme eines Darlehens; Zahlung einer Eigenheimzulage als Grundlage der Finanzierung; Eigenkapitalnachweis in Form eines Eigenheimzulagefinanzierungsdarlehens

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
04.05.2005
Aktenzeichen
2 O 617/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 26277
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2005:0504.2O617.03.0A

Fundstelle

  • VuR 2005, 217-219 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Eigenheimzulage fällt nicht unter den Begriff des "Eigenkapitals", da der Begriff des Eigenkapitals die "aus dem Vermögen des Darlehensnehmers selbst stammenden, zur selbstständigen und freien Verfügung stehenden eigenen liquiden Mittel ..., die die Funktion der Haftung übernehmen können" meint.

  2. 2.

    Sondertilgungen sind ebenfalls in die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung des Darlehensgebers einzustellen, weil sie vertragliche Rechte des Darlehensnehmers darstellen, von deren Nutzung zur Ermittlung eines Mindestschadens der Bank auszugehen ist.

In dem Rechtsstreit
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die mündliche Verhandlung vom 01.03.2005
durch G. als Einzelrichterin
für Rechterkannt:

Tenor:

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin als Gesamtschuldner 4.487,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.9.2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/3 und die Beklagten als Gesamtschuldner 2/3.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von den Beklagten eine Nichtabnahmeentschädigung für ein Darlehen. Die Parteien hatten am 18./25.11.2002 einen Darlehensvertrag über 145.000,-- Euro abgeschlossen. Zur Auszahlung des Darlehens waren vertraglich so genannte "weitere Auflagen" vereinbart. Diese sahen unter anderem den Nachweis von Eigenkapital in Höhe von 22.000 Euro vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage K1 vorgelegten Darlehensvertrag verwiesen. Die Beklagten verfügten nicht über ein Eigenkapital von 22.000,-- Euro. Sie wollten diese Auflage durch einen von der H. gewährten Kredit erfüllen, den diese im Wege der Vorfinanzierung der Eigenheimzulage bewilligt hatte.

2

Die Klägerin bestand auf dem Nachweis von Eigenkapitel und kündigte am 15.01.2003 den Darlehensvertrag. Sie begehrt eine Nichtabnahmeentschädigung von 8.440,11 Euro, deren Berechnung sich im Einzelnen aus der Anlage K3 zur Klageschrift ergibt. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten die Entschädigung zu zahlen hätten, weil die Nichterfüllung der Auflage und damit die Nichtabnahme des Kredits ausschließlich in ihren Risikobereich fiele. Die Klägerin ist der Ansicht, der Begriff des Eigenkapitals bedeute nicht, dass ein Kredit aufgenommen werde, sondern sei allein durch das Einbringen eigener Vermögenswerte der Beklagten erfüllt. Im Übrigen - so behauptet die Klägerin - sei es weder bei der Klägerin noch bei anderen Banken im Jahre 2002 üblich gewesen, das nachzuweisende Eigenkapital durch eine vorfinanzierte Eigenheimzulage zu erbringen. Diese Absicht der Beklagten sei der Klägerin auch bei den Vertragsverhandlungen nicht offenbart worden. Die Beklagten seien zudem ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Klägerin eine vorfinanzierte Eigenheimzulage nicht als Eigenkapital akzeptieren würde. Hintergrund sei dabei, dass bei einer Vorfinanzierung der Eigenheimzulage die Kapitalkraft der Darlehensnehmer durch eine weitere Zinsbelastung beeinträchtigt werde, die bei Eigenmitteln entfalle, und nur tatsächliche Eigenmittel der Beklagten der Klägerin die Sicherheit verschaffen könnten, das diese nicht dem Zugriff Dritter ausgesetzt seien.

3

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Nichtabnahmeentschädigung, die nach der Aktiv-Passiv-Methode berechnet sei, den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen entspreche. Dabei habe die Klägerin entgegen der Ansicht des Sachverständigen nicht mit einem festen Wiederanlagezinssatz gerechnet.

4

Die Klägerin meint, den Beklagten nicht zum Schadensersatz für nutzlos gewordene Aufwendungen verpflichtet zu sein, da die Kündigung begründet gewesen sei.

5

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 8.440,11 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zuzahlen und die Teilwiderklage abzuweisen.

6

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen, sowie im Wege der Teilwiderklage, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagten und Widerkläger Schadensersatz in Höhe von 1.898,52 Euro nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Widerklage zu zahlen.

7

Die Beklagten sind der Ansicht, dass die vertraglichen Regelungen keine Einschränkung enthielten, in welcher Form das Eigenkapital zu erbringen sei, sodass auch die vorfinanzierte Eigenheimzulage als Eigenkapital zu behandeln sei. Nachdem die Beklagten zunächst vorgetragen hatten, ihre Finanzierungsberaterin, die Zeugin I., habe der Klägerin diese Form der Beschaffung des Eigenkapitals offen gelegt und die Klägerin habe dies akzeptiert, hat der Beklagte zu 2) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.01.2004 erklärt, die Zeugin habe zu der Frage, wie das im Darlehensvertrag genannte Eigenkapital beschafft werden sollte, nichts erklärt. Im Übrigen habe es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine feste Verkehrssitte gegeben, die vorfinanzierte Eigenheimzulage auf Grundlage der ab 1.1.1996 geltenden steuerlichen Wohnungseigentumsförderung als Eigenkapital zu akzeptieren. Diese Handhabung habe auch die Klägerin toleriert, weil es sich bei der Eigenheimzulage um ein festes zu erwartendes Einkommen gehandelt habe. Die Vorfinanzierung durch die J. sei daher nicht mit Fremdmitteln zu vergleichen, denen keine anderweitigen Einkünfte eines Darlehensnehmers gegenüber stünden. Im Übrigen sei die Klägerin auf Grund der Selbstauskunft der Beklagten vom 10.9.2002 informiert gewesen, dass den Beklagten kein Eigenkapital in Höhe von 22.000,-- Euro etwa durch Ansparen zur Verfügung gestanden habe. Damit sei bereits klar gewesen, dass Eigenkapital nur in der Form einer irgendwie gearteten Kreditaufnahme eingebracht werden würde. Die Klägerin habe daher zu Unrecht den Darlehenvertrag gekündigt. Ihr stehe daher keine Nichtabnahmeentschädigung zu, die auch zur Höhe bestritten werde. Jedenfalls aber habe die Klägerin vor ihrer Kündigung den Beklagten nicht durch eine angemessene Fristsetzung die Gelegenheit gegeben, das Eigenkapital entsprechend den Vorstellungen der Klägerin zu besorgen. Auf Grund der unberechtigten Kündigung sei den Beklagten ein Schaden entstanden, weil der notarielle Kaufvertrag nicht habe durchgeführt werden können und habe aufgehoben werden müssen. Hierdurch seien den Beklagten an nutzlose gewordenen Notarkosten, Gerichtskosten und nutzlose Aufwendungen für Finanzierungsberatungen von über 5.000,-- Euro entstanden, von denen im Wege der Teilklage gemäß der Aufstellung im Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2004 ein Betrag von 1.898,52 Euro geltend gemacht werde. Gemäß Beweisbeschluss vom 4.3.2004 wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin I. Wegen des Ergebnisses der Vernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20.04.2004, Bl. 86-89 d.A. verwiesen.

8

Gemäß Beschluss vom 6.5.2004 wurde Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige K. erstattet am 22.10.2004 ein schriftliches Gutachten.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist teilweise begründet, die Widerklage ist unbegründet.

10

A.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner wegen der Nichtabnahme des im Vertrag vom 18/25.11.2002 vereinbarten Darlehens eine Entschädigung zu. Die Kündigung des Darlehensvertrages durch die Klägerin ist begründet erfolgt. Die Beklagten haben die Auflage des Darlehensvertrages, Eigenkapital von 22.000,-Euro nachzuweisen, nicht erfüllt. Dieser unstreitig übernommenen Verpflichtung sind die Beklagten nicht durch die Vorfinanzierung ihrer Eigenheimzulage in entsprechender Höhe durch die J. nachgekommen.

11

Der Begriff "Eigenkapital" ist im Darlehensvertrag nicht näher erläutert. Der Begriff des Eigenkapitals meint "aus dem Vermögen des Darlehensnehmers selbst stammende, zur selbstständigen und freien Verfügung stehende eigene liquide Mittel ..., die die Funktion der Haftung übernehmen können" (vgl. BGH NJW 2001, 1344 ff [BGH 12.12.2000 - XI ZR 72/00]). Um solche handelt es sich bei Beträgen, für deren Nutzung die Beklagten ein Entgelt zu zahlen haben und die dem Zugriff Dritter ausgesetzt sind, nicht. Solche Gelder sind nicht als Eigenkapital, sondern als Fremdmittel zu bezeichnen (BGH a.a.O.). Da es sich damit bei der Vorfinanzierung der Eigenheimzulage nicht um "Eigenkapital" handelt, haben die Beklagten den vertraglich übernommenen Nachweis von Eigenkapital nicht durch die vorfinanzierte Eigenheimzulage erbracht. Daran ändert auch nichts, dass dieser Finanzierung eine spätere Zahlung der Eigenheimzulage zu Grunde liegt. Auch wenn die Beklagten nach den Bekundungen der Zeugin I. selbst keine Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen haben, weil sich das Darlehen aus der Eigenheimzulage finanziert und der Darlehensbetrag der vorfinanzierenden Bank der Eigenheimzulage in abgezinster Form entspricht, wird ihre Liquidität beeinträchtigt. Des Weiteren bleibt der Umstand, dass diese Eigenheimzulage dem Zugriff Dritter ausgesetzt ist und der Klägerin damit anders als Eigenmittel der Beklagten keine ausreichende Sicherheit bietet.

12

Die Beklagten haben auch nicht zu beweisen vermocht, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als ständige Übung derartige Mittel als Eigenmittel betrachtet hätte oder im konkreten Vertragsverhältnis ausdrücklich mit dem Nachweis in Form einer vorfinanzierten Eigenheimzulage einverstanden gewesen wäre. Die Zeugin I. hat bekundet, sie sei davon ausgegangen, dass der Eigenkapitalnachweis in Form des Eigenheimzulagefinanzierungsdarlehens auch von der Klägerin akzeptiert werde, habe darüber aber nicht mit dem Sachbearbeiter der Klägerin gesprochen. Aus den der Zeugin zur Verfügung stehenden Unterlagen hingegen hat sich dies indes nicht ergeben, denn die Zeugin hat weiter bekundet, dass bei der Klägerin zu diesem Zeitpunkt zum monatlichen Einkommen der Darlehensnehmer 1/12 der jährlichen Eigenheimzulage addiert worden ist. Da ein ausdrückliches Verlangen, das Eigenkapital im Wege einer vorfinanzierten Eigenheimzulage erbringen zu können, bei Vertragsabschluss nicht an die Klägerin gerichtet worden ist, ist auch keine entsprechende individuelle Einigung zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits erfolgt. Die Klägerin hat daher berechtigt den Darlehensvertrag gekündigt. Die für die Auszahlung des Darlehens zu erfüllende Auflage, 20.000 Euro Eigenkapital nachzuweisen, haben die Beklagten nicht erfüllt. Der Klägerin musste entgegen der Ansicht der Beklagten bei Stellung dieser Bedingung auch nicht deren Unerfüllbarkeit bewusst sein. Zwar ergeben sich aus den Auskünften der Beklagten über ihre Finanzlage keine liquiden Mittel dieser Größenordnung. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass die Beklagten z.B. durch familiäre Zuwendungen in der Lage gewesen wären, diesen Betrag aufzubringen. Für die Klägerin war daher aus den Auskünften nicht ersichtlich, dass das Eigenkapital nur in Form einer vorfinanzierten Eigenheimzulage oder anderweitige Kreditaufnahme zu erbringen sein würde. Schließlich hätte es den Beklagten oblegen, dies vor ihrer Unterschrift unter den Darlehensvertrag entsprechend auszuhandeln.

13

Einer Fristsetzung bedurfte es nicht, weil es sich um subjektive Unmöglichkeit handelt. Im Übrigen ist unstreitig, dass die Beklagten zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen wären, Eigenkapital von 22.000,-- Euro nachzuweisen. Eine Fristsetzung zur Erfüllung der Auflage war daher entbehrlich.

14

Zur Höhe beläuft sich die Nichtabnahmeentschädigung auf 4.487,05 Euro. Nach den Feststellungen des Sachverständigen K. in seinem Gutachten vom 22.10.2004 ergibt sich dieser Entschädigungsbetrag, wenn mit einem Wiederanlagezinssatz von effektiv 4,5523 Prozent gerechnet wird, den auch die Klägerin zu Grunde gelegt hat.

15

Soweit die Klägerin diesen Wert mit der Begründung angreift, sie habe keinen festen Wiederanlagezins verwendet, so ergibt sich aus der Anlage K3, Seite 5, dass die Klägerin als "Effektivzins AIBD der Refinanzierung 4,5523 %" zu Grunde gelegt hat, den auch der Sachverständige als den von der Klägerin vorgegebenen Wiederanlagezins betrachtet hat. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass in der dieser Bemerkung folgenden Tabelle unter dem Begriff "Rendite" unterschiedliche Zinsbeträge genannt werden, so ergibt sich hieraus nicht, dass die angegebenen Werte unter dieser Rubrik den Wiederanlagezinssatz von zuvor genannten 4,5523 % verändern sollten.

16

Dem Sachverständigen ist auch dahin zu folgen, dass die abzusetzenden Kosten für Risiken nicht nur - wie von der Klägerin ausweislich der Anlage K3 unter Ziffer 2) berechnet - mit 0,05 % anzusetzen sind, sondern sie betragen mit der überzeugenden Begründung des Sachverständigen 0,15% (S.1 Ziffer 4 GA). Im Übrigen hat der Sachverständige berechtigt die Aktiv- Passivmethode herangezogen (st. Rspr. des BGH, zuletzt: Urteil vom 30.11.2004 Az. XI ZR 285/03).

17

Schließlich hat zu Gunsten der Beklagten in die Berechnung einzufließen, dass ihnen ausweislich Seite 2 des Darlehensvertrages vom 18./ 25.11.2002 Sondertilgungen von bis zu 5 % der Darlehenssumme pro vollem Laufzeit-Jahr gestattet waren. Diese Sondertilgungen sind ebenfalls in die Berechnung der Entschädigung einzustellen, weil sie vertragliche Rechte der Beklagten darstellen, von deren Nutzung zur Ermittlung eines Mindestschadens der Klägerin auszugehen ist.

18

Nach kritischer Würdigung der Berechnungsgrundlagen schließt sich das Gericht den Feststellungen des Sachverständigen an und legt bei der Entscheidung die Berechnung Nr. 3 des Gutachtens zu Grunde, nach der der Schaden 4.487,05 Euro beträgt. Der Zinsanspruch in gesetzlicher Höhe ergibt sich aus Verzug.

19

B.

Die Widerklage ist zulässig, aber unbegründet.

20

Wie vorstehend dargelegt, hat die Klägerin den zwischen den Parteien bestehenden Darlehensvertrag mangels Erfüllung einer Auflage begründet gekündigt.

21

Schadensersatzansprüche auf Grund dieser Kündigung stehen den Beklagten somit nicht zu.

22

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.