Landgericht Göttingen
Beschl. v. 27.06.2005, Az.: 10 T 74/05
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 27.06.2005
- Aktenzeichen
- 10 T 74/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 42096
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2005:0627.10T74.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - AZ: 74 IN 427/04
Fundstellen
- ZVI 2006, 23
- ZVI 2005, 540-542
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsteller wird der Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Prüfung und erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Göttingen zurückverwiesen.
Gründe
Mit Schriftsatz vom 22.11.2004 hat der Antragsteller beantragt, über das Vermögen des Antragsgegners das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Hierzu hat er vorgetragen, Forderungen in Höhe von insgesamt 4.594,88 EUR gegen den Antragsgegner zu haben. Insgesamt sind sieben dieser Forderungen tituliert.
Der Antragsgegner hat eingewandt, dass ihm gegen den Antragsteller aufrechenbare Gegenforderungen zustünden, die die Forderung des Antragstellers überstiegen. Hierzu hat er vorgetragen, der Antragsteiler habe als Rechtsanwalt Pflichtverletzungen bei verschiedenen, ihm erteilten Aufträgen verschuldet, so dass dem Antragsgegner Schadensersatzansprüche in Höhe von ca. 17.000,00 EUR zustünden.
Mit Beschluss vom 15.03.2005 hat das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Antragsteller für einen Teil der Forderungen seine Aktivlegitimation nicht nachgewiesen habe. Es verblieben höchstens Forderungen über 3.155,37 EUR. Diesen Forderungen stünden jedoch umfangreiche Gegenansprüche des Antragsgegners gegenüber, denen der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde. Er trägt vor, sämtliche der vorgetragenen Forderungen stünden ihm zu, weil er Rechtsnachfolger des verstorbenen Rechtsanwalts XXXXXX sei, so dass die auf dessen Namen titulierten Forderungen ihm, dem Antragsteller zustünden. Im Übrigen bestreitet der Antragsteller die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt für den Antragsgegner.Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und hat hierzu ausgeführt, dass der. Antragsgegner Gegenansprüche in Höhe von mindestens 8.846,34 EUR glaubhaft gemacht habe. Diese Ansprüche ergäben sich aus einem dargelegten Schadensersatzanspruch des Antragsgegners gegen den Antragsteller im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit XXXXXX.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 34 Abs. 1 InsO zulässig und insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht Göttingen zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen ist. Die Zurückweisung des Antrags des Antragstellers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners ist zu Unrecht erfolgt. Es ist nicht davon auszugehen, dass dem Antragsgegner Gegenforderungen zustehen, die die Forderung des Antragstellers zum Erlöschen bringen.
Nach § 14 Abs. 1 InsO ist der Antrag eines Gläubigers zulässig, wenn er ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Der Antragsteller hat hier Forderungen in Höhe von 4.594,88 EUR dargelegt, von denen sieben Forderungen in Höhe von 3.875,23 EUR tituliert sind. Der Antragsgegner hat eingewandt, er habe eine Teilforderung in Höhe von 800,00 DM gezahlt. Ferner stünden ihm aufrechenbare Gegenansprüche in Höhe von 11.528,17 EUR und 4.720,00 EUR als Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen des Antragstellers zu. Weiterhin bestehe ein Anspruch in Höhe von 340,00 EUR plus 43,50 EUR Zinsen, weil der Antragsteller in dieser Höhe einen Betrag, den er für den Antragsgegner eingezogen habe, nicht an den Antragsgegner weitergeleitet habe.
Das Vorbringen des Antragsgegners ist nicht geeignet, um die vom Antragsteller glaubhaft gemachten Forderungen zu erschüttern. Wie bereits oben dargelegt, sind sieben der Forderungen des Antragstellers tituliert. Der Antragsteller hat insoweit nunmehr auch dargelegt, dass er Inhaber sämtlicher dieser Forderungen ist. Die vom Antragsgegner gegen diese Forderungen erklärte Aufrechnung führt nicht zum Erlöschen der Forderungen. Gegen eine titulierte Forderung ist die Aufrechnung als solche nicht geeignet, um die Forderung zum Erlöschen zu bringen. Vielmehr kann der Antragsgegner nur durch eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO erreichen, dass die Vollstreckbarkeit des Titels beseitigt wird (Zöller, ZPO, 25. Auflage § 767 Rdnr. 5). Dabei kann der Antragsgegner die behauptete Schadensersatzforderung in Höhe von 11528,17 EUR aus dem Rechtsstreit ohnehin den Vergütungsfestsetzungsbeschlüssen des Amtsgerichts Göttingen vom 03.09.2002 (25 C 158/01) in Höhe von 978,86 EUR zuzüglich Zinsen und des Amtsgerichts Northeim vom 09.05.2003 (3 C 417/02) über 514,20 EUR zuzüglich Zinsen nicht entgegensetzen. Dem steht § 767 Abs. 2 ZPO entgegen. Danach sind gegen den Vollstreckungstitel nur solche Einwendungen zulässig, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung, in der sie spätestens hätten geltend gemacht werden können, entstanden sind. .Bei der Aufrechnung kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem die Aufrechnung erklärt wurde, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden. Das war hier spätestens im August 2002. Nach dem Vorbringen des Antragsgegners liegt die Pflichtverletzung des Antragstellers darin, dass er gegen das am 09.07.2002 verkündete Versäumnisurteil des Amtsgerichts Kassel (521 F 2494/01) keinen Einspruch eingelegt hat. Mithin ist der vermeintliche Schadensersatzanspruch des Antragsgegners gegen den Antragsteller spätestens im August 2002 mit Ablauf der Einspruchsfrist entstanden. Damit bestand nach dem Vorbringen des Antragsgegners zu diesem Zeitpunkt bereits der aufrechenbare Anspruch gegen den Antragsteller, so dass die Präklusionswirkung des § 767 Abs. 2 ZPO eingreift. Dasselbe gilt auch für den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Northeim vom 09.05.2003 (3 C 417/02).
Die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage wegen dieser Schadensersatzforderung hat mithin keine Auswirkungen auf diese beiden vollstreckbaren Titel, denn die Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO ist auf Festsetzungsbeschlüsse nach § 19 BRAGO anwendbar (BGH NJW 1997, 743 [BGH 05.12.1996 - IX ZR 67/96]).
Zwar ist die vom Antragsgegner behauptete Schadensersatzforderung gegen den Antragsteller aus dem Rechtsstreit gegen XXXXXX erst im Jahr 2004 entstanden, als der Antragsgegner die Begründung der Berufung unterließ, so dass die Präklusion des § 767 Abs. 2 ZPO nicht eingreift. Gleichwohl reicht auch dieser behauptete Schadensersatzanspruch nicht aus, um die glaubhaften Forderungen des Antragstellers zu erschüttern. Wie bereits oben ausgeführt sind die Forderungen des Antragstellers tituliert. Die Erklärung der Aufrechnung ist nicht geeignet um diese titulierten Forderungen zum Erlöschen zu bringen. Nur eine begründete Vollstreckungsgegenklage kann die Vollstreckbarkeit der Forderungen beseitigen. Der Antragsgegner hat indes Vollstreckungsgegenklagen hier nicht erhoben. Der Antragsteller hat die gegen ihn gerichteten Schadensersatzansprüche aus den Rechtsstreitigkeiten gegen XXXXXX und XXXXXX bestritten. Die Klärung des Erfolgs möglicher Vollstreckungsgegenklagen ist nicht Aufgabe des Insolvenzgerichts. Im Hinblick darauf, dass jedoch der Antragsteller vollstreckbare Titel hat, reicht allein die Behauptung des Antragsgegners aufrechenbare Gegenforderungen zu haben nicht aus, denn ohne die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage ist die Erklärung der Aufrechnung ohne rechtliche Wirkung. Damit sind jedenfalls die titulierten Forderungen des Antragstellers vom Antragsgegner nicht wirksam angegriffen.
Da dem Beschwerdegericht die Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht möglich ist, ist die Sache an das Amtsgericht zur weiteren Prüfung und Entscheidung zurückzuverweisen.