Landgericht Göttingen
Beschl. v. 29.08.2005, Az.: 10 T 113/05

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
29.08.2005
Aktenzeichen
10 T 113/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 42097
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2005:0829.10T113.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - AZ: 71 IN 176/02

Fundstellen

  • ZInsO 2005, 1340-1341 (Volltext mit red. LS)
  • ZVI 2006, 13

In dem Insolvenzverfahren

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen durch die Richterin ... als Einzelrichterin auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 21./23.06.2005 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 20.06.2005 - 71 IN 176/02 - am 29.08.2005 beschlossen:

Tenor:

  1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

    Beschwerdewert: bis zu 3.000,00 EUR.

Gründe

1

I.

Der Schuldner hat am 18./23. September 2002 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie auf Erteilung der Restschuldbefreiung und Stundung der Kosten des Verfahrens gestellt.

2

Mit Beschluss vom 15.11.2002 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und den Rechtsanwalt ... zum Insolvenzverwalter bestellt. Ferner hat das Amtsgericht dem Schuldner Stundung bewilligt.

3

In seinem Bericht vom 17.08.2004 hat der Insolvenzverwalter ausgeführt, dass der Schuldner einer Beschäftigung nachgehe. Nach der vorliegenden Gehaltsbescheinigung für den Monat Juli betrage der monatliche Nettoverdienst 1.200,00 EUR, so dass sich pfändbare Beträge ergäben. Er, der Insolvenzverwalter, habe den Schuldner aufgefordert, für die weiteren Monate der Beschäftigung Gehaltsabrechnungen vorzulegen und die pfändbaren Beträge abzuführen. In seinem Bericht vom 07.02.2005 hat der Insolvenzverwalter mitgeteilt, dass der Schuldner vom 27.09.2004 bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe bezogen habe und jetzt Sozialhilfe erhalte. Allerdings sei der Schuldner der Aufforderung zur Übergabe der Gehaltsbescheinigungen für die Zeit seiner Erwerbstätigkeit nicht nachgekommen. Ebenfalls habe der Schuldner die pfändbaren Beträge nicht gezahlt. In seinem weiteren Bericht vom 10.05.2005 hat der Insolvenzverwalter ausgeführt, dass sich aufgrund der nunmehr vorliegenden Informationen ein Betrag von 2.667,00 EUR ergebe, den der Schuldner seit Eröffnung des Verfahrens an pfändbaren Beträgen an die Masse habe abführen müssen. Der Schuldner habe jedoch bislang diese Beträge nicht gezahlt und nunmehr mitgeteilt, dass er auch nicht in der Lage sei, Zahlungen zu erbringen. Seit dem 01.05.2005 geht der Schuldner wieder einer Beschäftigung nach. Den Arbeitsvertrag bzw. Gehaltsabrechnungen hat er dem Insolvenzverwalter nicht vorgelegt.

4

Mit Verfügung vom 30.05.2005 hat das Amtsgericht den Schuldner aufgefordert, eine komplette Liste seiner Arbeitsverhältnisse seit der Eröffnung des Verfahrens vorzulegen sowie sein erzieltes Nettoeinkommen mitzuteilen und zu erläutern, warum er die pfändbaren Beträge nicht an den Insolvenzverwalter abgeführt habe. Nachdem innerhalb der gesetzten Frist von zwei Wochen eine Reaktion des Schuldners nicht erfolgt war, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 20.06.2005 die dem Schuldner bewilligte Stundung aufgehoben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Schuldner der Aufforderung des Gerichts, sein Nettoeinkommen seit Eröffnung des Verfahrens offen zu legen und zu erläutern, warum er die pfändbaren Beträge nicht an den Insolvenzverwalter abgeführt habe, nicht nachgekommen sei. Damit seien die Voraussetzungen der §§ 4c Ziffer 1 InsO erfüllt, so dass die bewilligte Stundung der Kosten aufzuheben sei.

5

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Mit der sofortigen Beschwerde legt er eine Auflistung seiner Tätigkeiten und Nettoverdienste für die Zeit seit dem 07.10.2002 vor. Im Übrigen macht er geltend, dass er diese Auflistung bereits am 10.06.2005 in einem Brief an das Amtsgericht übersandt habe. Er habe diesen Brief bei der Post in Einbeck abgeschickt und könne nicht nachvollziehen, warum er nicht beim Amtsgericht Göttingen angekommen sei. Er habe deshalb die vom Amtsgericht gesetzte Frist eingehalten, wenn jedoch der Brief verloren gegangen sei, treffe ihn insoweit kein Verschulden.

6

II.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 4d Abs. 1 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zutreffend die dem Schuldner bewilligte Stundung aufgehoben.

7

Zwar liegen die in § 4c InsO aufgeführten Gründe für die Aufhebung der Stundung nicht vor, gleichwohl ist die dem Schuldner bewilligte Stundung aufzuheben, denn hier liegt der Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor. Dies ist auch im eröffneten Verfahren zu berücksichtigen und rechtfertigt die Aufhebung der Stundung, denn aufgrund des Verhaltens des Schuldners liegt ein Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung vor. Dies wiederum rechtfertigt die Aufhebung der Stundung, § 4c Nr. 5 InsO.

8

Zwar ist der Schuldner in seiner Beschwerdeschrift der Aufforderung des Gerichts vom 30.05.2005 nachgekommen und hat eine Auflistung über seine Arbeitsverhältnisse und seinen Nettoverdienst seit der Eröffnung des Verfahrens vorgenommen. Dabei kann dahinstehen, ob der Schuldner diese Auskünfte bereits am 10.06.2005 an das Gericht übersandt hat. Auch kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob der Schuldner zuvor in der Korrespondenz mit dem Insolvenzverwalter die erforderlichen Auskünfte erteilt hat beziehungsweise ob ihm bekannt war, dass er den Wechsel seiner Arbeitsstelle beziehungsweise die Wiederaufnahme einer Tätigkeit dem Insolvenzverwalter mitzuteilen hat. Selbst wenn der Schuldner diesen Verpflichtungen, die ihm durch § 4b Abs. 2 Satz 2 InsO auferlegt werden, nicht nachgekommen ist, folgt aus dem Verstoß noch kein Grund, die Stundung der Kosten aufzuheben. Vielmehr setzt die Aufhebung der Stundung nach §4 c Abs. 1 Nr. 1 InsO voraus, dass der Schuldner eine vom Gericht verlangte Erklärung über seine Verhältnisse nicht abgegeben hat (vergleiche Uhlenbruck, Insolvenzordnung 12. Auflage § 4c Rdnr. 9; Kübler/Prütting, Kommentar zur Insolvenzordnung, 18. Lfg. 10/03, § 4b Rdnr. 26). Diese vom Gericht geforderte Erklärung hat jedoch - wie bereits oben ausgeführt - der Schuldner mit seiner Beschwerdeschrift abgegeben.

9

Gleichwohl hat das Amtsgericht die Stundung der Kosten zu Recht aufgehoben. Der Schuldner hat während des Insolvenzverfahrens Mitwirkungspflichten zumindest grob fahrlässig verletzt, so dass ihm nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Restschuldbefreiung zu versagen ist. Mit seiner Entscheidung vom 16.12.2004 (NZI 2005, 232 [BGH 16.12.2004 - IX ZB 72/03]) hat der BGH klargestellt, dass die Stundung auch bei zweifelsfreiem Vorliegen des Versagungsgrunds nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausgeschlossen ist. Nach dieser Entscheidung ist einem Schuldner auch schon in dem Stadium, in dem darüber zu entscheiden ist, ob der Schuldner Anspruch auf Stundung hat, die Stundung zu versagen, wenn der Schuldner eindeutig gegen die sich aus der InsO ergebenden Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten verstößt. Das Insolvenzgericht soll nicht verpflichtet sein, die Stundung zunächst zu gewähren, um sie später aus einem Grund, der bereits in diesem Stadium vorliegt, wieder aufzuheben (BGH NZI 2005 232, 233 [BGH 16.12.2004 - IX ZB 72/03]; Nerlich/Römermann/Becker, Insolvenzordnung, § 4a Rdnr. 34). Es dürfen nicht öffentliche Mittel für eine Stundung eingesetzt werden, wenn von Anfang an zweifelsfrei feststeht, dass die Restschuldbefreiung letztlich versagt werden wird, sodass aus diesem Grund die Bewilligung der Stundung nachträglich wieder aufzuheben ist.

10

Dieser Grundsatz, dem der BGH für das Stadium vor Verfahrenseröffnung aufgestellt hat, muss auch dann gelten, wenn das Verfahren bereits eröffnet ist, der Schuldner gegen die in der Insolvenzordnung normierten Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten verstößt und sich im Hinblick darauf die Frage stellt, ob die dem Schuldner bewilligte Stundung aufzuheben ist. Die oben genannten, vom BGH aufgeführten Gründe, die dafür sprechen, die Stundung nicht zu bewilligen, wenn bereits bei der Prüfung der Bewilligung feststeht, dass der Schuldner die Restschuldbefreiung nicht erreichen kann, müssen auch im nachfolgenden Stadium, nämlich nach Verfahrenseröffnung gelten. Wie sich aus § 4c InsO ergibt, hat das Gericht auch im Stadium des eröffneten Verfahrens zu prüfen, ob die Stundung aufzuheben ist, wenn die in § 4c InsO genannten Voraussetzungen vorliegen. Ergibt sich - wie hier - dass eindeutig Gründe vorliegen, die später zur Versagung der Restschuldbefreiung führen, verbietet es sich, dem Schuldner weiterhin die Kosten des Verfahrens zu stunden, obwohl der Schuldner das Ziel seines Verfahrens, nämlich die Restschuldbefreiung, nicht erreichen kann.

11

Dass der Schuldner hier gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen hat, sodass der Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorliegt, steht hier zweifelsfrei fest. Der Schuldner hat seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 15.11.2002 17 Monate gearbeitet und in dieser Zeit einen Nettoverdienst erzielt, bei dem der Schuldner verpflichtet war, überschießende Beträge an die Masse abzuführen. Diesen Verpflichtungen ist der Schuldner unstreitig nicht nachgekommen, so dass bis jetzt ein Betrag von 2.667,00 EUR aufgelaufen ist. Der Schuldner hat es auch zumindest grob fahrlässig unterlassen, die pfändbaren Beträge an den Insolvenzverwalter abzuführen. Der Schuldner kann sich nicht darauf berufen, dass ihm die Verpflichtung zur Abführung der pfändbaren Beträge an die Masse nicht bekannt gewesen sei beziehungsweise dass er davon ausgegangen ist, die entsprechenden Beträge würden von seinen jeweiligen Arbeitgebern an den Insolvenzverwalter gezahlt. In seinem Bericht vom 17.08.2004 hat der Insolvenzverwalter ausgeführt, dass er den Schuldner aufgefordert habe, die Gehaltsabrechnungen für die vergangenen Monate vorzulegen und den sich daraus ergebenden pfändbaren Betrag an ihn, den Insolvenzverwalter zu zahlen. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben des Insolvenzverwalters zu zweifeln und geht deshalb davon aus, dass dem Schuldner seine Zahlungspflichten bekannt waren. Das Vorbringen des Schuldners, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass er die Aufnahme einer Tätigkeit bzw. den Wechsel seiner Arbeitsstelle habe mitteilen müssen, ist unerheblich. Für das Gericht besteht kein Anlass daran zu zweifeln, dass der Insolvenzverwalter den Schuldner insoweit belehrt hat. Spätestens jedoch seit März 2005 weiß der Schuldner, dass er sein pfändbares Einkommen an den Insolvenzverwalter abführen muss, denn der Insolvenzverwalter hat den Schuldner mit Schreiben vom 09.03.2005 aufgefordert, den rückständigen Betrag von 2.667,00 EUR zu zahlen. Hierauf hat der Schuldner mit Schreiben vom 16.03.2005 erwidert, dass ihm das nicht möglich sei. Seit dem 01.05.2005 ist der Schuldner wieder beschäftigt. Er hat jedoch weder den Arbeitsvertrag noch Gehaltsbescheinigung vorgelegt. Darüber hinaus hat er auch die pfändbaren Beträge weiterhin nicht abgeführt beziehungsweise die Rückstände nicht ausgeglichen. Insoweit kann sich der Schuldner auch nicht darauf berufen, dass er davon ausgegangen sei, dass die pfändbaren Beträge von seinem Arbeitgeber abgeführt würden. Dass dies nicht geschehen war, konnte der Schuldner jeweils daraus erkennen, dass er das volle Nettogehalt ausgezahlt bekommen hat.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei von den voraussichtlichen Kosten des Verfahrens ausgegangen.