Amtsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.02.2007, Az.: 74 IN 182/01

Darlegung eines Versagungsgrundes als Voraussetzung für einen zulässigen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung; Anspruch auf Auskunftserteilung und eidesstattliche Versicherung bei einem unzulässigen Versagungsantrag; Anhörung der übrigen Verfahrensbeteiligten vor Zurückweisung des Antrages; Öffentliche Bekanntmachung eines die Restschuldbefreiung erteilenden Beschlusses nach Eintritt der Rechtskraft; Verfahrensgang nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode

Bibliographie

Gericht
AG Göttingen
Datum
07.02.2007
Aktenzeichen
74 IN 182/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 40946
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGGOETT:2007:0207.74IN182.01.0A

Fundstellen

  • NZI 2007, 251-252 (Volltext mit amtl. LS)
  • NZI (Beilage) 2007, 37 (amtl. Leitsatz)
  • VuR 2007, 279 (amtl. Leitsatz)
  • ZInsO 2007, VI Heft 15 (amtl. Leitsatz)
  • ZVI 2007, 87-89 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein zulässiger Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gem. §§ 300, 296 InsO setzt die Darlegung eines Versagungsgrundes gem. § 295 InsO voraus.

  2. 2.

    Eine Auskunftserteilung und eidesstattliche Versicherung gem. § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO kommen bei einem unzulässigen Versagungsantrag nicht in Betracht.

  3. 3.

    In diesem Fall bedarf es auch keiner Anhörung der übrigen Verfahrensbeteiligten vor Zurückweisung des Antrages.

  4. 4.

    Die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses, mit dem die Restschuldbefreiung erteilt wird, erfolgt erst nach Rechtskraft des Beschlusses in Anlehnung an die Regelung in § 289 Abs. 2 Satz 3 InsO.

Tenor:

Der Schuldnerin wird gem. § 300 InsO Restschuldbefreiung erteilt. Die Laufzeit der Abtretungserklärung, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte der Gläubiger enden mit der Rechtskraft dieser Entscheidung.

Die Kosten des Antrages auf Versagung der Restschuldbefreiung trägt die antragstellende Gläubigerin.

Gründe

1

I.

Aufgrund Eigenantrages der ehemals selbständig tätigen Schuldnerin vom 09.08.2001 wurde am 06.12.2001 unter Bewilligung von Stundung das Insolvenzverfahren eröffnet. In der Gläubigerversammlung vom 11.04.2003 wurde der Schuldnerin Restschuldbefreiung angekündigt unter Verkürzung der Laufzeit der Abtretung gem. Artikel 107 EGInsO auf 5 Jahre. Mit Beschluss vom 09.01.2004 wurde das Verfahren aufgehoben.

2

Mit Schreiben vom 06.12.2006 gab der Rechtspfleger den Gläubigern gem. § 300 Abs. 1 InsO Gelegenheit, binnen zwei Wochen evtl. Einwendungen gegen die Erteilung der Restschuldbefreiung zu erheben.

3

Fristgemäß beantragte die versagungsantragstellende Gläubigerin mit Anwaltschriftsatz vom 20.12.2006 die Versagung der Restschuldbefreiung. Zur Begründung wird ausgeführt, von Zahlungen der Schuldnerin während der "Wohlverhaltensperiode" sei nichts bekannt, so dass von einer " Rest schuldbefreiung" keine Rede sein könne. Auch lägen keine entsprechenden Belege und Unterlagen darüber vor, inwieweit die Schuldnerin sich um Zahlungen wenigstens bemüht habe. Die Gläubigerin stellt die Frage, was die Schuldnerin in der maßgeblichen Zeit beruflich getan, welche Einkünfte in welcher Höhe sie erzielt bzw. ob sie sich darum zumindestens bemüht habe und wie diese an die Gläubiger verteilt worden seien. Im weiteren Schriftsatz vom 28.12.2006 weist die Gläubigerin darauf hin, dass bei ihr keine Zahlungen eingingen, so dass nichts dafür spreche, dass die Schuldnerin den Obliegenheiten der §§ 295, 296 InsO entsprochen habe. Deshalb - so meint die Gläubigerin - habe die Schuldnerin zunächst Auskunft zu erteilen und deren Richtigkeit an Eides statt gem. § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO zu versichern, wobei eine Kopie an sie, die Gläubigerin, zu übersenden sei.

4

II.

Der Antrag ist zurückzuweisen, ohne dass zuvor die Schuldnerin, der Treuhänder oder andere Gläubiger anzuhören sind. Eine Versagung der Restschuldbefreiung gem. § 300 Abs. 2 i.V.m. § 296 Abs. 1, Abs. 2 InsO kommt nicht in Betracht.

5

Der Antrag ist bereits unzulässig. Die Voraussetzung des § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO sind weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Bei dieser Sachlage kommt eine Auskunftserteilung und eidesstattliche Versicherung der Schuldnerin gem. § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht in Betracht.

6

1.

Gem. §§ 300 Abs. 2, 296 Abs. 1 Satz 3 InsO ist ein Versagungsantrag nur zulässig, wenn u.a. glaubhaft gemacht wird, dass der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung seine Obliegenheiten verletzt (und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt) hat. Die Versagungsgründe sind in § 295 InsO abschließend aufgezählt.

7

Hier fehlt es bereits an einer Darlegung eines Versagungsgrundes. Im Anwaltschriftsatz vom 20.12.2006 werden Fragen gestellt. Diese Fragen zu beantworten ist aber nicht Aufgabe des Insolvenzgerichtes (oder der Schuldnerin). Vielmehr ist ein versagungsantragstellender Gläubiger verpflichtet, sich Kenntnis der entsprechenden Tatsachen selber zu verschaffen. Dazu ist er letztlich auch in der Lage. Grundlage für die Kenntniserlangung liefern die Berichte des Insolvenzverwalters/Treuhänders. Gläubiger können gem. § 4 InsO i.V.m. § 299 ZPO die Akte einsehen und/oder sich Ablichtungen fertigen lassen (FK-InsO/Schmerbach § 4 Rz. 62).

8

Aus dem vom nachmaligen Insolenzverwalter im Eröffnungsverfahren erstattenden Sachverständigengutachten ergibt sich, dass die am 30.03.1951 geborene Schuldnerin ihre selbständige Tätigkeit im Jahre 1998 beendete. An Einkommen ist aufgeführt eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes und aus einer Tätigkeit auf (damals) 630 DM-Basis. Im Bericht vom 07.03.2002 weist der Insolvenzverwalter darauf hin, dass unter Berücksichtigung der neuen

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Pfändungsfreigrenzen auch bei Zusammenrechnung der Einkünfte aus Rente und Nebentätigkeit sich keine pfändbaren Anteile ergeben. Diese Feststellung wiederholt der Insolvenzverwalter im Schlussbericht vom 25.11.2002. In den Berichten des Treuhänders vom 19.10.2004, 06.04.2005, 05.10.2005 und 03.01.2006 wird jeweils festgestellt, dass unter Berücksichtigung der Witwenrente und des Nebenverdienstes keine pfändbaren Beträge entstehen. Diese Feststellungen finden sich schließlich im Bericht vom 18.12.2006.

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Unter Berücksichtigung der vorerwähnten, für die Gläubigerin ohne weiteres zugänglichen Tatsachen war es der Gläubigerin durchaus möglich, ggf. einen auf § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO gestützten Versagungsantrag zu stellen, wenn sie beispielsweise der Auffassung gewesen wäre, dass es der Schuldnerin unter Berücksichtigung ihres Alters, ihrer Qualifikation und des Arbeitsmarktes möglich gewesen wäre, eine zumutbare Tätigkeit zu finden, bei der sie pfändbares

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Einkommen erzielt hätte, das zu mindestens einer (teilweisen) Befriedigung der Insolvenzgläubiger geführt hätte. Welche Anforderungen an einen zulässigen Antrag der Gläubigerin im Hinblick auf deren eingeschränkte Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich Tatsachen aus dem Bereich der Schuldnerin zu stellen sind, kann hier dahinstehen.

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2.

Da kein zulässiger Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung vorliegt, besteht für die Schuldnerin nicht die Verpflichtung des § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO, Auskunft zu erteilen und auf Antrag der Gläubigerin die Richtigkeit an Eides statt zu versichern. (AG Göttingen ZInsO 2006, 384, 385[AG Göttingen 13.01.2006 - 74 IK 59/99] = NZI 2006, 300 = ZVI 2006, 37 [AG Göttingen 13.01.2006 - 74 IK 59/99]; FK-InsO/Ahrens § 296 Rz. 30).

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3.

Unerheblich ist es, ob die Gläubiger im vorliegenden Verfahren wenigstens teilweise befriedigt worden sind. Auch wenn die Gläubiger nicht befriedigt worden sind, kann der Schuldner Restschuldbefreiung erlangen. Dies folgt schon aus der Einfügung der Stundungsregelungen in §§ 4 a ff. InsO im Jahre 2001, mit denen der Gesetzgeber vermögenslosen Schuldners, die nicht einmal die Verfahrenskosten aufbringen können, den Zugang zum Verfahren ermöglichen hat.

14

III.

Verfahrensmäßig ist auf folgendes hinzuweisen:

15

1.

Eine Anhörung der übrigen Verfahrensbeteiligten war entbehrlich, da schon kein zulässiger Antrag vorliegt (LG Göttingen ZInsO 2005, 154, 155)[LG Göttingen 21.01.2005 - 10 T 14/05].

16

2.

Hinsichtlich des Verfahrensganges nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode werden bei den Insolvenzgerichten unterschiedliche Auffassungen vertreten.

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Es empfiehlt sich folgendes Verfahren:

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a)

Die in § 300 Abs. 1 InsO vorgesehene Anhörung der Gläubiger erfolgt schriftlich. Die Frist zur Stellungnahme wird so gesetzt, dass sie zwei bis drei Wochen nach dem Ablauf der Wohlverhaltensperiode endet. Es erfolgt eine Bekanntmachung im Internet (gem. § 9 InsO) unter Angabe eines konkreten Datums, bis zu dem Versagungsanträge gestellt werden können. Wichtig ist ein fester Zeitpunkt für das Wirksamwerden und den Zeitpunkt des Fristablaufes für Versagungsanträge, weil nach dem Ende der Anhörungsfrist die Gläubiger mit Versagungsanträgen ausgeschlossen sind (MK-InsO/Stephan § 300 Rz. 15; FK-InsO/Ahrens § 300 Rz. 6). Insoweit besteht eine Parallele zu einem schriftlich durchgeführten Schlusstermin gem. § 290 InsO; dort müssen Versagungsanträge ebenfalls bis zum Ablauf der vom Insolvenzgericht gesetzten Frist vorgebracht werden (BGH ZInsO 2003, 413, 414)[BGH 20.03.2003 - IX ZB 388/02].

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Daneben werden die Gläubiger angeschrieben. Dies kann dem Treuhänder gem. § 8 Abs. 3 InsO übertragen werden. Häufig ist die Vergütung des Treuhänders aber schon festgesetzt und seine Tätigkeit beendet. Anders als bei einem schriftlich abgehaltenen Schlusstermin gem. § 290 InsO nehmen deshalb häufig die Insolvenzgerichte diese Aufgabe war. Bei Unzustellbarkeit fingiert die öffentliche Bekanntmachung gem. § 9 Abs. 3 InsO eine Zustellung.

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b)

Der die Restschuldbefreiung erteilende Beschluss wird jedem versagungantragstellenden Gläubiger bzw. deren Vertreter zugestellt im Hinblick auf die in § 300 Abs. 3 Satz 2 InsO eingeräumte Möglichkeit der sofortigen Beschwerde. Bei Ablehnung erfolgt die förmliche Zustellung an den Schuldner/Vertreter.

21

c)

Die in § 300 Abs. 3 Satz 1 InsO vorgesehene öffentliche Bekanntmachung der Erteilung der Restschuldbefreiung erfolgt erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

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aa)

Für den Fall der Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO) ist dies eindeutig geregelt. Erst der rechtskräftige Beschluss wird zusammen mit der Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekannt gemacht (§ 289 Abs. 2 Satz 3 InsO). Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 12/2443 S. 190 zu § 238 E) führt aus, dass durch die öffentliche Bekanntmachung des rechtskräftigen Beschlusses jeder Gläubiger die Möglichkeit erhält zu erfahren, ob dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt oder angekündigt wurde.

23

bb)

Im Fall der Versagung während der Wohlverhaltensperiode enthält § 296 Abs. 3 InsO eine Regelung. Satz 1 regelt die Rechtsbehelfsmöglichkeiten, Satz 2 ordnet die öffentliche Bekanntmachung der Versagung der Restschuldbefreiung an. Die Reihenfolge - erst Rechtsbehelfsmöglichkeiten, dann öffentliche Bekanntmachung nur der Versagung - spricht dafür, dass auch hier die Rechtskraft des Beschlusses anzuwarten ist. Nur an einer rechtskräftigen Versagung besteht ein Informationsinteresse der Gläubiger.

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Auch die Kommentarliteratur fordert die Rechtskraft des Beschlusses für eine Veröffentlichung (Frege/Keller/Riedel, HRP Insolvenzrecht Rz. 2173, 2184; Haarmeyer/Wutzke/Förster Handbuch zur Insolvenzordnung Rz. 8/284; HK-InsO/Landfermann § 296 Rz. 12; FK-InsO/Ahrens § 296 Rz. 39; Uhlenbruck/Vallender, InsO § 296 Rz. 51; Uhlenbruck/Pape Insolvenzrecht Rz. 981; Schmidt/Haarmeyer/Albrecht/Pape Praxis und Ausbildung im Insolvenzbüro Rz. 2010; Schmerbach in Haarmeyer/Wutzke/FörsterPräsenKommentar InsO, § 296 Rz. 16). Zweck der öffentlichen Bekanntmachung ist es nämlich nicht, die Zustellung der Entscheidung zu fingieren und die Rechtsmittelfrist in Lauf zu setzen, da der Kreis der rechtsmittelbefugten Beteiligten auf den Schuldner und den antragstellenden Gläubiger beschränkt ist (MK-InsO/Stephan § 296 Rz. 36).

25

cc)

Im Falle der Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung enthält § 300 Abs. 3 InsO eine Regelung. Anders als bei § 296 Abs. 3 InsO ist in Satz 1 zunächst die öffentliche Bekanntmachung geregelt, in Satz 2 die Rechtsbehelfsmöglichkeiten. Eine Begründung für die abweichende Reihenfolge findet sich in der Gesetzesbegründung nicht (BT-Drucks. 12/2443 S. 193 zu § 249 E; ebenso für § 303 InsO BT-Drucks. 12/2443 S. 194 zu § 252 E). Zu einer gegenüber § 296 InsO abweichenden Verfahrensweise führt dies nicht. Auch im Falle der Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung sind wie bei § 296 InsO beschwerdeberechtigt nur der Schuldner und der antragstellende Gläubiger. Daher sollte die Rechtskraft des Beschlusses abgewartet werden (Haarmeyer/Wutzke/Förster Handbuch zur Insolvenzordnung 8/304; HK-InsO/Landfermann § 300 Rz. 6; MK-InsO/Stephan § 300 Rz. 32; Schmerbach in Haarmeyer/Wutzke/FörsterPräsenKommentar InsO, § 300 Rz. 13; das Muster bei Frege/Keller/Riedel, HRP Insolvenzrecht Rz. 2192 betrifft den Fall, dass kein Versagungsantrag gestellt wurde).

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dd)

Ebenso wird im Falle des § 303 InsO beim Widerruf der erteilten Restschuldbefreiung die Rechtskraft als Voraussetzung für die öffentliche Bekanntmachung angesehen (FK-InsO/Ahrens § 303 Rz. 24, a. A. MK-InsO/Stephan § 303 Rz. 34).

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ee)

Folglich erfolgt die öffentliche Bekanntmachung gem. § 300 Abs. 3 Satz 1 InsO in Anlehnung an die Regelung des § 289 Abs. 2 Satz 3 InsO erst nach Rechtskraft des Beschlusses. Ansonsten könnte bei einem erfolgreichen Rechtsmittel eine Verwirrung des Rechtsverkehres entstehen. Die öffentliche Bekanntmachung dient der Unterrichtung des Rechtsverkehres. Für diesen ist von Interesse, ob die Rechtschuldbefreiung rechtskräftig erteilt worden ist. Sonstige mit der öffentlichen Bekanntmachung verbundene Wirkungen (z.B. gem. § 9 Abs. 3 InsO) können zwar auch erreicht werden (Uhlenbruck/Vallender, InsO § 300 Rz. 16; ebenso § 303 Rz. 19). Entscheidend kommt es auf diesen Gesichtspunkt aber nicht an. Beschwerdeberechtigt gegen die Erteilung der Restschuldbefreiung sind nämlich gem. § 300 Abs. 3 Satz 2 InsO nur die Insolvenzgläubiger, die die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt haben.

Schmerbach, Richter am Amtsgericht