Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.10.2016, Az.: 5 LA 208/15
Anforderungsprofil; Behinderung; Benachteilungsverbot; Beweislast; Entschädigung; Kausalität
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.10.2016
- Aktenzeichen
- 5 LA 208/15
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43334
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 02.11.2015 - AZ: 13 A 10039/14
Rechtsgrundlagen
- § 1 AGG
- § 15 Abs 2 S 1 AGG
- § 22 AGG
- § 3 Abs 1 S 1 AGG
- § 7 Abs 1 AGG
- § 3 AGG
- § 2 Abs 2 SGB 9
- § 2 Abs 1 S 1 SGB 9
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Frage, ob und ggf. in welcher Höhe einem Beamten, der wegen einer Behinderung im Sinne des § 1 AGG in einem Stellenbesetzungsverfahren gar nicht erst in den Leistungsvergleich einbezogen worden ist, einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zusteht.
Tenor:
Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 13. Kammer (Berichterstatter) - vom 2. November 2015 zugelassen.
Das Berufungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen 5 LB 152/16 geführt.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für den zweiten Rechtszug auf 10.572,63 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger, der Zollbetriebsinspektor (Besoldungsgruppe A 9 BBesO mit Zulage) und mit einem Grad von 50 schwerbehindert ist, begehrt die Verurteilung der Beklagten, ihm eine Entschädigung in Höhe von 10.572,63 € zuzüglich Zinsen zu zahlen.
Der Kläger bewarb sich um einen am 1. Juli 2013 bei dem Hauptzollamt B-Stadt ausgeschriebenen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 9m/A 9m+Z (Mitarbeiter in herausgehobener Stellung - internationale Amtshilfe, insbesondere Beitreibungsersuchen). In einem Auswahlvermerk vom 18. Dezember 2013 führte das Hauptzollamt B-Stadt aus, grundsätzlich könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Anforderungsprofil des Dienstpostens erfüllen könne. Es bestünden jedoch ernsthafte Zweifel, ob der Kläger in seinem gesundheitlichen Zustand die an den Dienstposten gestellten Anforderungen erfüllen könne. Der Kläger sei aufgrund einer psychischen Erkrankung und begleitender körperlicher Beschwerden vom 31. August 2001 bis zum 1. Juni 2006 wegen andauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt gewesen. Die Reaktivierung sei aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens vom 22. März 2006 nur unter der Prämisse erfolgt, dass der Kläger nicht in Bereichen mit besonderer emotionaler Stressbelastung verwendet werde. Aus diesem Grund sei zu den Anforderungen des ausgeschriebenen Dienstpostens eine Stellungnahme des zuständigen Sachgebietsleiters vom 22. November 2013 eingeholt worden. Angesichts der in dieser Stellungnahme dargestellten Anforderungen, die der Stelleninhaber in fachlicher und persönlicher Hinsicht erfüllen müsse, sei es unter Berücksichtigung der Vorerkrankungen des Klägers und des amtsärztlichen Gutachtens vom 22. März 2006 zumindest zweifelhaft, ob der Kläger das Anforderungsprofil des ausgeschriebenen Dienstpostens in vollem Umfang erfüllen könne. Aus Fürsorgegründen solle deshalb von einer Besetzung des Dienstpostens mit dem Kläger Abstand genommen werden.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2014 teilte das Hauptzollamt B-Stadt dem Kläger mit, dass seine Bewerbung nicht habe berücksichtigt werden können, weil er das Anforderungsprofil des ausgeschriebenen Dienstpostens aus gesundheitlichen Gründen nicht in vollem Umfang erfülle. Auf die mit Schreiben vom 21. Januar 2014 erhobene Rüge des Klägers, dass sein Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt worden sei und er sich die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vorbehalte, übersandte das Hauptzollamt B-Stadt dem Kläger einen Abdruck des Auswahlvermerks vom 18. Dezember 2013, veranlasste die Erstellung einer Anlassbeurteilung über den Kläger und teilte dem ausgewählten Bewerber mit, dass zunächst davon abgesehen werde, ihm den ausgeschriebenen Dienstposten endgültig zu übertragen.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2014, bei dem Hauptzollamt B-Stadt eingegangen am 18. Februar 2014, forderte der Kläger dieses auf, ihm bis zum 15. März 2014 wegen der Benachteiligung im Bewerbungsverfahren gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Verbindung mit §§ 7, 1 AGG eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern zu zahlen. Daraufhin teilte das Hauptzollamt B-Stadt dem Kläger mit Schreiben vom 12. März 2014 mit, dass die weitere Bearbeitung der Entschädigungsforderung durch die Bundesfinanzdirektion Mitte erfolgen und dass das Hauptzollamt B-Stadt das „Auswahlverfahren neu aufrollen“ werde.
Am 31. März 2014 fertigte das Zollfahndungsamt B-Stadt über den Kläger eine Anlassbeurteilung. Die Beurteilung wurde dem Kläger am 23. April 2014 bekanntgegeben. Am 25. April 2014 ging die Beurteilung beim Hauptzollamt B-Stadt ein.
Am 19. Juni 2014 traf das Hauptzollamt B-Stadt in dem durch die Ausschreibung vom 1. Juli 2013 eingeleiteten Bewerbungsverfahren eine neue Auswahlentscheidung. Es brachte zum Ausdruck, dass bei der vorherigen Auswahlentscheidung versäumt worden sei, den Kläger in den Leistungsvergleich einzubeziehen. Dies geschehe nunmehr. Alle Bewerber erfüllten grundsätzlich das in der Stellenausschreibung festgelegte Anforderungsprofil. Die Tatsache, dass der Kläger schwerbehindert sei, sei für die Auswahlentscheidung nicht von Belang. Der Kläger sei nach dem Prinzip der Bestenauslese auszuwählen gewesen. Der ausgeschriebene Dienstposten solle deshalb dem Kläger übertragen werden.
Nachdem die Bundesfinanzdirektion Mitte wiederholten Bitten des Klägers, unabhängig von dem Ausgang des Stellenbesetzungsverfahrens über das Entschädigungsbegehren vom 17. Februar 2014 zu entscheiden, nicht entsprochen hatte, hat der Kläger am 23. Juni 2014 Klage erhoben.
Die Klage, mit der der Kläger die Verurteilung der Beklagten begehrt hat, ihm eine Entschädigung in Höhe von 10.572,63 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 2. November 2015 abgewiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Zulassungsantrag des Klägers hat Erfolg.
1. Die Voraussetzungen des unter anderem geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind erfüllt. Denn es bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
a) Dem Kläger steht entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch zu.
Rechtsgrundlage des Entschädigungsanspruchs ist § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG. Danach kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG (BVerwG, Urteil vom 3.3.2011 - BVerwG 5 C 16.10 -, juris Rn 13 f.; Nds. OVG, Urteil vom 10.1.2012 - 5 LB 9/10 -, juris Rn 38). Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Nach § 1 AGG ist Ziel des Gesetzes, Benachteiligungen u. a. wegen einer Behinderung zu verhindern oder zu beseitigen.
aa) Der Kläger ist im Sinne von § 1 AGG behindert. Der Begriff der Behinderung im Sinne von § 1 AGG entspricht den gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) und § 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG). Er ist damit weiter gefasst als der Begriff der Schwerbehinderung (§ 2 Abs. 2 SGB IX) und der ihr gleichgestellten Behinderung (§ 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Er erfasst alle Menschen, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigen (BVerwG, Urteil vom 3.3.2011, a. a. O., Rn 15). Ausgehend hiervon liegt bei dem Kläger nicht nur deshalb eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG vor, weil er mit einem Grad von 50 schwerbehindert ist (§ 2 Abs. 2 SGB IX); eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG ist vielmehr auch deshalb gegeben, weil - wovon auch die Beklagte nach dem Ergebnis des amtsärztlichen Gutachtens vom 22. März 2006 ausgeht - die körperlichen und psychischen Beschwerden des Klägers, die im Jahr 2001 zu seiner Versetzung in den Ruhestand wegen andauernder Dienstunfähigkeit geführt hatten, auch nach seiner Reaktivierung im Jahr 2006 noch andauern.
bb) Der Kläger ist durch das Vorgehen des Hauptzollamtes B-Stadt in dem durch die Ausschreibung vom 1. Juli 2013 eingeleiteten Bewerbungsverfahren im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt worden. Eine Benachteiligung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger letztlich für den ausgeschriebenen Dienstposten ausgewählt worden ist.
Benachteiligung im Sinne des Benachteiligungsverbots des § 7 Abs. 1 AGG ist jede unterschiedliche Behandlung, die mit einem Nachteil verbunden ist; nicht erforderlich ist, dass in Benachteiligungsabsicht gehandelt oder die Benachteiligung sonst schuldhaft bewirkt worden ist. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Der Beschäftigte muss zunächst den Vollbeweis führen, dass er gegenüber einer anderen Person ungünstig behandelt worden ist (BVerwG, Urteil vom 3.3.2011, a. a. O., Rn 17; Nds. OVG, Urteil vom 10.1.2012, a. a. O., Rn 39).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger ist in dem Bewerbungsverfahren zunächst gegenüber den anderen Bewerbern weniger günstig behandelt worden. Ob der Kläger wegen seiner unstreitig vorliegenden Schwerbehinderung (GdB 50) zunächst gar nicht erst in den Leistungsvergleich einbezogen worden ist, lässt sich dem Verwaltungsvorgang der Beklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen. Dafür spricht allerdings, dass die Beklagte in ihrer Zulassungserwiderung vom 8. Januar 2016 ausgeführt hat, es sei nicht fehlerhaft gewesen, „die Schwerbehinderung des Klägers zu berücksichtigen“. Diese Frage kann letztlich jedoch offen bleiben. Denn der Kläger ist jedenfalls wegen seiner Vorerkrankungen, die zu seiner Versetzung in den Ruhestand geführt hatten und die - wie ausgeführt wurde - eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG darstellen, sowie wegen der in dem amtsärztlichen Gutachten vom 22. März 2006 getroffenen Feststellungen zunächst nicht in den Leistungsvergleich einbezogen worden (vgl. Auswahlvermerk vom 18.12.2013).
Dem Kläger kann nicht - wie es jedoch in dem Auswahlvermerk des Hauptzollamtes B-Stadt vom 18. Dezember 2013 niedergelegt worden ist - entgegengehalten werden, dass er den Anforderungen des ausgeschriebenen Dienstpostens, die der zuständige Sachgebietsleiter in seiner Stellungnahme vom 22. November 2013 dargestellt habe, nicht genügt habe. Das Hauptzollamt B-Stadt hat in der Stellenausschreibung vom 1. Juli 2013 in einem Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die außerfachlichen Kompetenzen, die Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigen und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind, im Einzelnen beschrieben und festgelegt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Urteil vom 3.3.2011, a. a. O., Rn 21). Dieses Anforderungsprofil war für das Hauptzollamt B-Stadt während des Auswahlverfahrens verbindlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2011, a. a. O., Rn 23). Der Arbeitgeber bzw. Dienstherr muss das Anforderungsprofil dokumentieren, damit die Gründe für seine Entscheidung transparent sind und die Entscheidung nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG überprüft werden kann. Ohne Dokumentation wäre es dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn ansonsten in nahezu jedem Fall möglich, Eignungsmerkmale nachzuschieben, die die Nichtberücksichtigung einzelner Bewerber rechtfertigen. Eine effektive gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 GG) der Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf durch ein benachteiligungsfreies Auswahlverfahren wäre damit praktisch nicht möglich (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2011, a. a. O., Rn 21).
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Hauptzollamt B-Stadt nicht berechtigt war, das in der Stellenausschreibung vom 1. Juli 2013 festgelegte Anforderungsprofil nachträglich im Hinblick auf die Bewerbung des Klägers um die weitergehenden fachlichen und persönlichen Anforderungen zu ergänzen, die der zuständige Sachgebietsleiter in seiner Stellungnahme vom 22. November 2013 niedergelegt hatte, und den Kläger mit der Begründung, angesichts der in dieser Stellungnahme dargestellten Anforderungen sei es unter Berücksichtigung der Vorerkrankungen des Klägers und des amtsärztlichen Gutachtens vom 22. März 2006 zumindest zweifelhaft, ob der Kläger das Anforderungsprofil des ausgeschriebenen Dienstpostens in vollem Umfang erfüllen könne, zunächst nicht in den Leistungsvergleich einzubeziehen. Dass der Kläger schon das in der Stellenausschreibung vom 1. Juli 2013 festgelegte Anforderungsprofil nicht erfüllt, ist in dem Auswahlvermerk vom 18. Dezember 2013 nicht festgestellt worden. Das Hauptzollamt B-Stadt hat in dem Vermerk vielmehr ausgeführt, grundsätzlich könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Anforderungsprofil des Dienstpostens erfüllen könne. Dass der Kläger dieses Anforderungsprofil erfüllt, hat das Hauptzollamt B-Stadt in seinem zweiten Auswahlvermerk vom 19. Juni 2014 sodann auch bei unveränderter Sachlage festgestellt, den Kläger in den Leistungsvergleich einbezogen und entschieden, ihm den ausgeschriebenen Dienstposten nach dem Prinzip der Bestenauslese zu übertragen.
cc) Zwischen den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die - wie ausgeführt wurde - eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG darstellen, und seiner Benachteiligung im Bewerbungsverfahren um die am 1. Juli 2013 ausgeschriebene Stelle besteht ein Kausalzusammenhang. Der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG erfordert, dass die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - hier der Behinderung - erfolgt ist. Mitursächlichkeit reicht aus (BVerwG, Urteil vom 3.3.2011, a. a. O., Rn 26). Gemäß § 22 AGG muss der Beschäftigte Indizien (sog. Vermutungstatsachen) vortragen und beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. § 22 AGG senkt das Beweismaß. Es genügt die Überzeugung des Gerichts von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen Grund und Nachteil (BVerwG, Urteil vom 3.3.2011, a. a. O., Rn 26; Nds. OVG, Urteil vom 10.1.2012, a. a. O., Rn 40).
Der Kläger hat im Sinne des § 22 AGG Indizien bewiesen, die vermuten lassen, dass er allein wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen ohne Berücksichtigung seiner Qualifikation zunächst nicht in den Leistungsvergleich einbezogen worden ist. Denn das Vorbringen des Klägers wird zur Überzeugung des Senats durch die in dem Auswahlvermerk des Hauptzollamtes B-Stadt vom 18. Dezember 2013 enthaltenen Ausführungen zum Gesundheitszustand des Klägers und den Anforderungen des ausgeschriebenen Dienstpostens, auf die in diesem Beschluss schon im Einzelnen eingegangen worden ist, bestätigt.
Die Beklagte hat die Kausalitätsvermutung nicht widerlegt. Im Falle der vermuteten Kausalität trägt der Arbeitgeber bzw. Dienstherr die volle Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hierfür muss er Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass die in § 1 AGG genannten Gründe sein benachteiligendes Verhalten tatsächlich weder als negatives noch als positives Kriterium allein oder neben anderen Gründen (mit)beein-flusst haben (BVerwG, Urteil vom 3.3.2011, a. a. O., Rn 28; Nds. OVG, Urteil vom 10.1.2012, a. a. O., Rn 54).
Die Beklagte hat nicht vorgetragen und nachgewiesen, dass für die zunächst unterbliebene Einbeziehung des Klägers in den Leistungsvergleich ausschließlich andere Gründe als sein Gesundheitszustand erheblich waren. Es ist auch unerheblich, dass der ausgeschriebene Dienstposten letztlich dem Kläger übertragen worden ist. Dieser Umstand ist nicht geeignet, die Kausalitätsvermutung zu widerlegen. Denn der Entschädigungsanspruch des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG knüpft nicht an die Nichtberücksichtigung im Bewerbungsverfahren aufgrund einer Benachteiligung an, sondern ausschließlich an Benachteiligungen im Bewerbungsverfahren (BVerwG, Urteil vom 3.3.2011, a. a. O., Rn 29; Nds. OVG, Urteil vom 10.1.2012, a. a. O., Rn 55).
dd) Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG von zwei Monaten ab dem Zugang der Ablehnung geltend gemacht. Das Hauptzollamt B-Stadt hatte dem Kläger mit Schreiben vom 13. Januar 2014 mitgeteilt, dass seine Bewerbung nicht habe berücksichtigt werden können. Mit Schreiben vom 17. Februar 2014, bei dem Hauptzollamt B-Stadt eingegangen am 18. Februar 2014, hat der Kläger den Entschädigungsanspruch geltend gemacht.
b) Die Beklagte ist gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG verpflichtet, dem Kläger eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen.
Ob in bestimmten Ausnahmefällen ein immaterieller Schaden und damit ein Entschädigungsanspruch zu verneinen ist, weil die Benachteiligung so geringe Auswirkungen hat, dass die Zahlung einer Entschädigung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu der Benachteiligung steht, braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden (vgl. in diesem Sinne auch BAG, Urteil vom 22.1.2009 - 8 AZR 906/07 -, juris Rn 77; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2014 - 5 LA 204/13 -, juris Rn 14). Denn ein Ausschluss des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG kann - wenn überhaupt - nur in ganz eng umrissenen Ausnahmefällen in Betracht kommen (BAG, Urteil vom 22.1.2009, a. a. O., Rn 77). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Kläger ist wegen seiner Behinderung zunächst gar nicht erst in den Leistungsvergleich einbezogen, sondern schon zuvor aus dem Kreis der für die ausgeschriebene Stelle in Betracht kommenden Bewerber ausgeschieden worden. Bereits diese nachteilige Behandlung schließt die Annahme aus, dass für den Kläger eine nur unbedeutende, ihn kaum belastende Situation geschaffen worden ist, die es rechtfertigen könnte, einen immateriellen Schaden zu verneinen.
Bei der Entscheidung der Frage, welche Entschädigung angemessen im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist, besteht für die Gerichte ein Beurteilungsspielraum, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu berücksichtigen haben (BAG, Urteil vom 22.1.2009, a. a. O., Rn 80; Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2014, a. a. O., Rn 17). Zu diesen zählen etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalls. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, so dass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn zu haben und in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (vgl. BAG, Urteil vom 22.1.2009, a. a. O., Rn 82; Nds. OVG, Urteil vom 10.1.2012, a. a. O., Rn 63; Beschluss vom 25.2.2014, a. a. O., Rn 17; Beschluss vom 31.8.2015 - 5 LA 110/15 -). Der beschließende Senat hat wiederholt entschieden, dass in „Regelfällen“ einer Benachteiligung als Orientierungsgröße ein Monatsverdienst als „Regelentschädigung“ herangezogen werden kann (Nds. OVG, Urteil vom 10.1.2012, a. a. O., Rn 63; Beschluss vom 31.8.2015 - 5 LA 110/15 -). Der Senat hat insoweit nicht zwischen Fällen, in denen es um die Benachteiligung eines Bewerbers in einem Verfahren um Einstellung in ein Beamtenverhältnis geht (ein solcher Fall lag dem Urteil des Senats vom 10.1.2012, a. a. O., zugrunde), und Fällen, in denen ein Beamter - wie im vorliegenden Fall - in einem Stellenbesetzungsverfahren benachteiligt worden ist (ein solcher Fall lag dem Beschluss des Senats vom 31.8.2015 - 5 LA 110/15 - zugrunde; das VG Oldenburg hatte sich in dem erstinstanzlichen Urteil vom 22.4.2015 - 6 A 5492/13 - <S. 17 UA> ausdrücklich auf das Urteil des Senats vom 10.1.2012, a. a. O., berufen), differenziert.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze erscheint dem Senat im vorliegenden Einzelfall weder die von dem Kläger begehrte Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 10.572,63 € - der Kläger hat sich hierbei an der Höhe von drei Monatsgehältern orientiert - noch eine Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts angemessen. Andererseits liegen - anders als in der Fallgestaltung, die dem Beschluss des Senats vom 25. Februar 2014 (a. a. O., Rn 18 ff.) zugrunde gelegen hat - jedoch auch keine Umstände vor, die es rechtfertigen, überhaupt keine Entschädigungssumme für angemessen zu halten. Dem Senat erscheint eine Entschädigungssumme, die deutlich unter einem Monatsgehalt liegt - das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO hat ohne Berücksichtigung einer Stellenzulage und eines Familienzuschlags am 17. Januar 2014, dem Zeitpunkt, in dem dem Kläger seine Nichtberücksichtigung im Bewerbungsverfahren mitgeteilt worden ist (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts Nds. OVG, Urteil vom 10.1.2012, a. a. O., Rn 68), 3.183,83 € betragen - angemessen.
Das Hauptzollamt B-Stadt hat unzweifelhaft dadurch, dass es den Kläger wegen seiner Behinderung zunächst gar nicht erst in den Leistungsvergleich einbezogen, sondern ihn schon zuvor aus dem Kreis der für die ausgeschriebene Stelle in Betracht kommenden Bewerber ausgeschieden hat, für den Kläger eine belastende Situation herbeigeführt. Es ist auch davon auszugehen, dass das Hauptzollamt B-Stadt den ausgeschriebenen Dienstposten dem ursprünglich ausgewählten Bewerber übertragen hätte, wenn der Kläger nicht mit Schreiben vom 21. Januar 2014 die Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs gerügt hätte. Andererseits hat das Hauptzollamt B-Stadt alsbald nach Eingang des Schreibens vom 21. Januar 2014, nämlich am 4. Februar 2014, entschieden, den ausgeschriebenen Dienstposten nicht dem ursprünglich ausgewählten Bewerber zu übertragen und zunächst einmal eine Anlassbeurteilung über den Kläger einzuholen. Am 12. März 2014 hat das Hauptzollamt B-Stadt sodann entschieden, das „Auswahlverfahren neu aufzurollen“. Dies hat das Hauptzollamt B-Stadt dem Kläger zugleich mitgeteilt. Nachdem am 25. April 2014 bei dem Hauptzollamt B-Stadt die von dem Zollfahndungsamt B-Stadt über den Kläger gefertigte Anlassbeurteilung vom 31. März 2014 eingegangen war, hat das Hauptzollamt B-Stadt relativ zeitnah am 19. Juni 2014 in dem durch die Ausschreibung vom 1. Juli 2013 eingeleiteten Bewerbungsverfahren eine neue Auswahlentscheidung getroffen, den Kläger in den Leistungsvergleich einbezogen, ihn nach dem Prinzip der Bestenauslese ausgewählt und entschieden, ihm den ausgeschriebenen Dienstposten zu übertragen. Angesichts des Umstandes, dass das Hauptzollamt B-Stadt den ihm im Bewerbungsverfahren zunächst unterlaufenen Fehler - die Benachteiligung des Klägers - zügig korrigiert hat, erscheint es auch mit Blick auf die Art der Benachteiligung des Klägers nicht angemessen, vorliegend einen Monatsverdienst als „Regelentschädigung“ zugrunde zu legen. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass weder erkennbar noch seitens des Klägers vorgetragen worden ist, dass die Verfahrensweise des Hauptzollamtes B-Stadt für den Kläger besonders schwerwiegende gesundheitliche Folgen, wie etwa psychische Beeinträchtigungen, zur Folge hatte. Der Kläger hat - soweit ersichtlich - dadurch, dass erst mit der dargestellten zeitlichen Verzögerung entschieden worden ist, ihm den ausgeschriebenen Dienstposten zu übertragen, auch keinen finanziellen Schaden erlitten. Denn er hatte auch zuvor schon ein Amt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO mit Zulage inne.
Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Gesamtumstände erscheint dem Senat nach alledem die Zahlung einer Entschädigung, die deutlich unter einem Monatsgehalt liegt, ausreichend.
c) Der von dem Kläger geltend gemachte Zinsanspruch ist - soweit dem Kläger eine Entschädigung zu zahlen ist - begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an, also ab dem 23. Juni 2014, Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu gewähren (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.2.2001 - BVerwG 5 C 34.00 -, juris Rn 6 und 14; Urteil vom 15.6.2006 - BVerwG 2 C 14.05 -, juris Rn 20; Urteil vom 17.6.2010 - BVerwG 2 C 86.08 -, juris Rn 31; Nds. OVG, Urteil vom 13.1.2009 - 5 LB 312/08 -, juris Rn 48; Urteil vom 8.7.2014 - 5 LB 10/14 -, juris Rn 89; Urteil vom 25.11.2014 - 5 LB 69/14 -, juris Rn 55; Urteil vom 10.2.2015 - 5 LB 105/14 -, juris Rn 76).
2. Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124 a Abs. 5 Satz 5 VwGO). Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder Postfach 2371, 21313 Lüneburg, einzureichen. Die Begründung ist schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124 a Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 6 VwGO).
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 GKG.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).