Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.10.2016, Az.: 9 OA 174/16

Anhebung; offensichtlich absehbare Auswirkung; Besteuerungszeitraum; Erhöhung; Klageerweiterung; Streitwert; Unterbewertung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.10.2016
Aktenzeichen
9 OA 174/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43327
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 06.06.2016 - AZ: 8 A 212/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Anhebung des Streitwerts nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG bei mehreren streitgegenständlichen monatlichen Besteuerungszeiträumen (Vergnügungsteuer).

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 8. Kammer - vom 10. Juni 2016 geändert.

Der Streitwert für das Klageverfahren wird ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung auf 9.418,89 EUR und ab dem Zeitpunkt der letzten Klageerweiterung (13. Mai 2016) auf 114.968,62 EUR festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

Der Streitwert des Klageverfahrens beläuft sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf 317.313,39 EUR, sondern auf 9.418,89 EUR ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung und auf 114.968,62 EUR ab dem Zeitpunkt der letzten Klageerweiterung (13. Mai 2016). Eine weitergehende Reduzierung der Streitwertfestsetzung auf 105.771,13 EUR ab dem Zeitpunkt der letzten Klageerweiterung scheidet entgegen der Auffassung der Klägerin aus.

Die Beteiligten haben im Klageverfahren zunächst um die Rechtmäßigkeit eines Bescheids gestritten, mit dem die Klägerin für den Monat Mai 2014 zur Vergnügungsteuer in Höhe von 3.139,63 EUR herangezogen wurde. Im Laufe des Klageverfahrens sind die für die Monate Juni 2014 bis März 2016 ergangenen Vergnügungsteuerbescheide in das Klageverfahren einbezogen worden. Im Zeitpunkt der letzten Klageerweiterung (13. Mai 2016) haben die Beteiligten um die Rechtmäßigkeit von 23 Vergnügungsteuerbescheiden in Höhe von insgesamt 105.771,13 EUR gestritten. Die Klägerin hat sich im Klageverfahren gegen den in der zugrunde liegenden Vergnügungsteuersatzung der Beklagten festgelegten Steuermaßstab gewandt und hat eine erdrosselnde Wirkung der Vergnügungsteuer geltend gemacht.

Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 317.313,39 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der sich nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ergebende Wert von 105.771,13 EUR sei nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG zu verdreifachen, weil die Beteiligten in grundsätzlicher Hinsicht um die Rechtmäßigkeit der Erhebung einer Vergnügungsteuer gestritten hätten und der Antrag der Klägerin offensichtlich absehbare Auswirkungen auf für spätere Zeiträume zu erlassende Verwaltungsakte gehabt habe.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Beschwerde vertritt die Klägerin die Ansicht, der Streitwert belaufe sich nur auf 105.771,13 EUR. Eine Anhebung nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG scheide aus, weil der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift einer systematischen Unterbewertung von Streitwerten im Verhältnis zu der tatsächlichen wirtschaftlichen Bedeutung für den Kläger entgegen getreten sei, die in solchen Rechtsstreitigkeiten auftrete, in denen der Streitwert auf ein Jahr begrenzt werde. Hier seien die Merkmale „Unterbewertung von Streitwerten“ und „Begrenzung auf ein Jahr“ nicht erfüllt.

Während für die Zeit ab Klageerhebung die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr.2 GKG von Amts wegen - über das Begehren der Klägerin hinausgehend - auf lediglich 9.418,89 EUR abzuändern ist, rechtfertigt das Beschwerdevorbringen für die Zeit ab der letzten Klageerweiterung (13. Mai 2016) nur eine Reduzierung der Streitwertfestsetzung auf 114.968,62 EUR. Die zwischen der Klageerhebung und der letzten Klageerweiterung erfolgten Klageerweiterungen haben keine Auswirkungen auf die Gerichtsgebühren, so dass insoweit von gesonderten Streitwertfestsetzungen ab den Zeitpunkten der einzelnen Klageerweiterungen abgesehen wird.

Im Zeitpunkt der Klageerhebung stand allein die Rechtmäßigkeit des Vergnügungsteuerbescheids für den Monat Mai 2014 in Höhe von 3.139,63 EUR im Streit, so dass nach §§ 40, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG für die Bestimmung des Streitwerts ab diesem Zeitpunkt von diesem Betrag auszugehen ist. Der Betrag ist nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG zu verdreifachen, weil die Klägerin der Sache nach eine Unwirksamkeit der ihrer Heranziehung zugrunde liegenden Vergnügungsteuersatzung geltend gemacht hat, so dass ihr Antrag offensichtlich absehbare Auswirkungen auf ihre künftig zu erwartenden Heranziehungen zur Vergnügungsteuer gehabt hat. Dies führt zu einem Streitwert von 9.418,89 EUR (3 x 3.139,63 EUR) ab Klageerhebung.

Ab dem Zeitpunkt der letzten Klageerweiterung ist der Streitwert mit 114.968,62 EUR zu bemessen. Auszugehen ist insoweit gemäß §§ 39 Abs. 1, 40, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG von dem Gesamtbetrag der streitigen Vergnügungsteuerfestsetzungen für die Monate Mai 2014 bis März 2016 in Höhe von 105.771,13 EUR. Da die Klägerin weiterhin der Sache nach eine Unwirksamkeit der ihrer Heranziehung zugrunde liegenden Vergnügungsteuersatzung geltend gemacht hat und der Klageantrag daher auch im Zeitpunkt der letzten Klageerweiterung offensichtlich absehbare zukünftige Auswirkungen auf künftig zu erwartende Heranziehungen der Klägerin zur Vergnügungsteuer gehabt hat, ist dieser Betrag nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für sie anzuheben. Diesen Anhebungsbetrag bemisst die Einzelrichterin nicht mit dem doppelten Wert der im Streit stehenden Gesamtforderung für die Monate Mai 2014 bis März 2016, sondern mit dem doppelten Wert der im Durchschnitt monatlich gegenüber der Klägerin festgesetzten Vergnügungsteuer im genannten Zeitraum.

Denn § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG wurde eingeführt, weil der Gesetzgeber insbesondere in finanzgerichtlichen Verfahren, die typischerweise bezogen auf die Steuererklärung eines Jahres geführt werden, sich aber für eine Mehrzahl von Jahren auswirken, eine systematische Unterbewertung von Streitwerten im Verhältnis zu ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Bedeutung für den Kläger gesehen hat (BT-Drucks. 17/11471, S. 245). Entsprechendes hat er hinsichtlich der Streitwertbemessung im Kommunalabgabenrecht angenommen (BT-Drucks. 17/11471, S. 245). Laut Gesetzesbegründung soll § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG „eine Erhöhung des Streitwerts in den Fällen vorsehen, in denen die Entscheidung absehbar Auswirkungen für den Betroffenen nicht nur auf das im Streit befindliche Steuerjahr, sondern auch auf zukünftige Steuerjahre haben wird“, wobei „eine Werterhöhung bis zum Dreifachen“ erlaubt ist (BT-Drucks. 17/11471, S. 245).

Diese Erwägungen gründen auf dem vom Gesetzgeber angenommenen Regelfall, dass gerichtliche Verfahren in abgabenrechtlichen Streitigkeiten nur bezogen auf einen einzigen - typischerweise jährlichen - Besteuerungszeitraum geführt werden. Bei der Erhebung einer kommunalen Vergnügungsteuer ist der Besteuerungszeitraum aber regelmäßig - so auch hier - der Kalendermonat. Dies kann je nach gerichtlicher Verfahrensdauer zur Folge haben, dass nach Klageerweiterungen in demselben Klageverfahren über die Heranziehung zur Vergnügungsteuer für zahlreiche Besteuerungszeiträume zu entscheiden ist. Eine Verdreifachung des streitigen Gesamtbetrags würde in einem solchen Fall zu ungewollt hohen Streitwerten führen.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Streitwertanhebung in Klageverfahren betreffend einen einzigen Besteuerungszeitraum - sei es ein Kalendermonat, ein Kalendervierteljahr oder ein Kalenderjahr - die offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für bis zu zwei nachfolgende Besteuerungszeiträume hat erfassen wollen. Ferner ist anzunehmen, dass er - hätte er den Fall bedacht, dass die Steuerfestsetzungen für mehrere - wie hier - aufeinander folgende Besteuerungszeiträume Gegenstand desselben Klageverfahrens sein können - mit der Streitwertanhebung nur die offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen der Klage auf die beiden auf den letzten Besteuerungszeitraum folgenden Besteuerungszeiträume hat erfassen wollen.

Ausgehend hiervon ist im vorliegenden Fall der sich nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ergebende Streitwert von 105.771,13 EUR gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG um den Betrag der im Zeitpunkt der letzten Klageerweiterung für die beiden auf den letzten streitigen Besteuerungszeitraum (März 2016) folgenden Besteuerungszeiträume zu erwartenden Vergnügungsteuerfestsetzungen gegenüber der Klägerin anzuheben. Da die monatlichen Festsetzungen der Vergnügungsteuer in den streitigen Besteuerungszeiträumen (Mai 2014 bis März 2016) stark schwanken, erscheint es sachgerecht, den Streitwert um das Doppelte des Betrags der in diesem Zeitraum im Durchschnitt monatlich gegenüber der Klägerin festgesetzten Vergnügungsteuer anzuheben, d. h. hier um 9.197,49 EUR (105.771,13 EUR ./. 23 x 2) auf 114.968,62 EUR.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).