Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.10.2016, Az.: 1 KN 6/15

Großflächigkeit; Lärmpegelbereich; Mischgebiet

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.10.2016
Aktenzeichen
1 KN 6/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43346
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Umplanung von Gewerbegebiets in Mischgebietsflächen in unmittelbarer Nachbarschaft eines lärmintensiven Betriebes ist abwägungsfehlerhaft, wenn dem Interesse des Betriebs an der Beibehaltung seiner Emissionsmöglichkeiten allein durch unverbindliche Empfehlungen sowie durch Festsetzungen zum Schalldämmmaß möglicher Wohnungen Rechnung getragen wird.

2. § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB steht der Festsetzung von Mischgebieten im beschleunigten Verfahren nicht entgegen.

3. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Hs., letzte Variante BauGB erfasst nur Fälle eines Irrtums über die Voraussetzungen des Verfahrens nach § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB (Berührtsein der Grundzüge der Planung), nicht aber eines Irrtums über die Rechtsfolgen der Norm (hier: zu beteiligender Personenkreis).

4. Ein Hinweis nach § 215 Abs. 2 BauGB, der nur hinsichtlich einzelner Fehlergruppen unvollständig ist, löst hinsichtlich der übrigen Fehlergruppen die Rechtsfolgen des § 215 Abs. 1 BauGB aus (Anschluss an VGH Baden Württemberg, Urt. v. 9.6.2009 - 3 S 1108/07 -).

Tenor:

Die vom Rat der Antragsgegnerin am 25. September 2013 als Satzung beschlossene 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 60 für ein Gebiet zwischen Ubbo-Emmius-Straße, Oltmannsweg, Westerende und Conrebbersweg ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerinnen wenden sich gegen die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 60 der Antragsgegnerin, da dieser ihrer Absicht zuwiderläuft, den im Plangebiet bestehenden Supermarkt zu erweitern.

Die Antragstellerin zu 1. ist Eigentümerin der im Plangebiet belegenen Flurstücke H., I., J., K., L. und M. der Flur 13, Gemarkung Leer, von denen sie die südlichen Flurstücke J. und L. erst nach Abschluss des Planaufstellungsverfahrens von der Beigeladenen erwarb. Auf den nördlichen Flurstücken H., I., K. sowie M. betreibt die Antragstellerin zu 2. mit Genehmigung vom 18.11.2008 einen einstöckigen Lebensmitteldiscounter mit einer Grundfläche von 1.111,09 m² und einer Verkaufsfläche von ca. 800 m², einen angebauten Backshop mit separatem Eingang mit einer Grundfläche 57,86 m² und einer Verkaufsfläche von 46,84 m² sowie eine zugehörige Parkplatzanlage (89 Stellplätze). Mit Nachtragsgenehmigung vom 9.9.2009 erweiterte sie das Gebäude um einen Pfandraum mit einer Grundfläche von 80,40 m², davon 13,8 m² öffentlich zugängliche „Sauberlaufzone“. Östlich ihres Grundstücks, ebenfalls noch im Plangebiet, liegen die im Eigentum der Beigeladenen stehenden Flurstücke N. und O. derselben Flur. Auf diesen sind im Norden eine Kfz-Werkstatt mit Reifenhandel, im Süden ein Bürogebäude des Deutschen Roten Kreuzes errichtet. Im Norden dieser Grundstücke verläuft in Ost-West-Richtung die mit rund 17.000 Kfz/Tag befahrene P. -Straße (K 1), im Süden die relativ gering befahrene Straße Q.. Westlich des Gebiets liegen Einfamilienhäuser, östlich größere Wohngebäude. Die Grundstücke lagen bisher im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 60, dessen Ursprungsfassung aus dem Jahr 1973 hier ein Gewerbegebiet nach der BauNVO 1968 vorsah. Die 1. Änderung änderte hieran nichts.

Die Antragstellerinnen beabsichtigen, die Verkaufsfläche des Lebensmitteldiscounters zunächst auf 1000, perspektivisch 1200 m² zu erweitern. Im Mai 2012 stellten sie – aufgrund einer zwischenzeitlich erlassenen Veränderungssperre erfolglos – eine Bauvoranfrage zur Verkaufsflächenerweiterung um rund 200 m²; über die dazu erhobene Klage ist noch nicht entschieden. Die Beigeladene beabsichtigte demgegenüber, auf den damals noch in ihrem Eigentum stehenden Flurstücken J. und L. zwei Mehrfamilienhäuser zu errichten, und regte an, ihr dies planerisch zu ermöglichen.

Am 26.6.2012 fasste der Rat der Antragsgegnerin den Aufstellungsbeschluss für den angegriffenen Plan als Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a BauGB und legte den Planentwurf vom 8.7.2013 bis zum 8.8.2013 öffentlich aus. Die Antragstellerinnen erhoben mit Schreiben vom 22.7.2013 Einwendungen. Nach Abschluss des Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens ergänzte die Antragsgegnerin die textliche Festsetzung Nr. 4 um einen zweiten Absatz mit folgender Bestimmung:

„Je fünf Stellplätzen ist ein standortgerechter heimischer Laubbaum mit einem Stammumfang von 16-18 cm zu pflanzen und zu erhalten. Der durchwurzelbare Bereich beträgt je Laubbaum mindestens 16 m². Der natürliche Kronenwuchs der Bäume ist zu erhalten. Bei Abgang ist gleichwertig zu ersetzen.“

Mit dieser Änderung beschloss der Rat der Antragsgegnerin ohne vorangegangene weitere Öffentlichkeitsbeteiligung den Bebauungsplan am 25.9.2013 als Satzung und entschied gleichzeitig über die eingegangenen Stellungnahmen. Nach Ausfertigung durch den Bürgermeister am 26.9.2013 machte die Antragsgegnerin den Plan am 1.2.2014 in der dafür nach § 9 ihrer Hauptsatzung vorgesehenen „Ostfriesen-Zeitung“ bekannt.

Der Plan umfasst mit den eingangs benannten Flurstücken eine Fläche von 11.218 m², die in drei Mischgebiete mit einer Grundflächenzahl von jeweils 0,6 unterteilt ist. Für das Supermarktgrundstück ist als MI1 maximal 1 Vollgeschoss, eine Gebäudehöhe von max. 9 m und offene Bauweise zulässig, für das Grundstück der Kfz-Werkstatt sind als MI2 maximal 2 Vollgeschosse, abweichende Bauweise (Gebäudelängen über 50 m bei gleichzeitiger einseitiger Grenzbebauung zulässig) und eine Gebäudehöhe von max. 12 m und für das Grundstück des DRK-Büros sowie die südlich des Supermarktgrundstücks gelegenen Flurstücke J. und L. als MI3 maximal 2 Vollgeschosse, offene Bauweise und eine Gebäudehöhe von max. 11,5 m festgesetzt. Der Bezugspunkt der Gebäudehöhen ist in der textlichen Festsetzung 2.1 geregelt. Dort heißt es:

„Die Maximalwerte beziehen sich auf die Oberkante der Fahrbahn (in fertig ausgebautem Zustand) der P. -Straße sowie der Straße Q., gemessen senkrecht von der Straßenachse auf die Mitte der straßenseitigen Gebäudefassade. […]“

Im MI3 sind Lärmpegelbereiche II-VI zeichnerisch festgesetzt; hierauf bezieht sich die textliche Festsetzung Nr. 6, die lautet:

„6. Immissionsschutzrechtliche Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB

Das Plangebiet ist durch gewerbliche Nutzungen vorbelastet. An das Schalldämm-Maß der Außenbauteile von schutzbedürftigen Räumen sind gemäß DIN 4109 (z.B. Wohn-, Schlaf- und Büroräume) erhöhte Anforderungen bezüglich des Schallschutzes zu stellen.

In Abhängigkeit der in der Planzeichnung dargestellten Lärmpegelbereiche dürfen die folgenden Luftschalldämm-Maße für die Außenbauteile nicht unterschritten werden.

Erforderliches, resultierendes Schalldämmmaß des Gesamtaußenbauteils erf. R`w,res in dB

Lärmpegelbereich

Maßgeblicher Außenpegel in dB(A)

Aufenthaltsräume in Wohnungen o.ä.

Büroräume o.ä.

II

56-60

30

30

III

61-65

35

30

IV

66 bis 70

40

35

V

71 bis 75

45

40

An den nördlichen Gebäudefassaden sollten ausschließlich Räume angeordnet werden, die keiner Schutzwürdigkeit bedürfen (Badezimmer, Abstellräume etc.), um eine Gefährdung angemessener Wohnverhältnisse zu vermeiden.

Die Südseite der Gebäude ist für die Einrichtung von offenen Bereichen (Terrassen/Loggien) geeignet und empfehlenswert.

Zur Nachtzeit ist in den Bereichen mit einem Beurteilungspegel von mehr als 45 dB(A) ein ungestörter Schlaf bei geöffnetem Fenster nicht immer möglich. Werden schutzbedürftige Wohnräume (Wohnräume und Schlafräume) in den Lärmpegelbereichen II, III und IV errichtet, muss die erforderliche Gesamtschalldämmung der Außenfassade auch im Lüftungszustand sichergestellt werden. Dies kann z.B. durch schallgedämmte Lüftungssysteme oder Belüftungen über die lärmabgewandte Fassadenseite erfolgen.“

Unter dem 7.1.2015 rügten die Antragstellerinnen gegenüber der Antragsgegnerin Verfahrens- und Abwägungsfehler.

Gleichfalls am 7.1.2015 haben die Antragstellerinnen Normenkontrollantrag gestellt. Zur Begründung tragen sie vor, der Bebauungsplan sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da nach der Ergänzung der textlichen Festsetzung Nr. 4 kein erneutes Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren durchgeführt worden sei. Der Fehler sei nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 beachtlich. Dass er nicht gemäß § 215 BauGB gerügt worden sei, sei unerheblich, denn die Antragsgegnerin habe in der Schlussbekanntmachung zwar auf die Folgen des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB, nicht aber auf die des § 215 Abs. 1 Satz 2 BauGB hingewiesen; da hier ein Bebauungsplan der Innenentwicklung vorliege, sei dies erheblich. Der Plan sei auch materiell fehlerhaft. Für den Lärmpegelbereich VI sei kein Schalldämmmaß festgesetzt. Die Festsetzungen zur Gebäudehöhe seien hinsichtlich ihres Bezugspunktes unbestimmt, da unklar sei, von welcher Straße zu messen sei und was bei Schrägstellung der Gebäude gelte. Die Festsetzung eines Mischgebietes für das Supermarktgrundstück sei städtebaulich nicht gerechtfertigt, da das Ziel der Antragsgegnerin, auf dem Grundstück südlich des Supermarktes Wohnbebauung zu ermöglichen, auch ohne Überplanung des Supermarktgrundstücks erreicht werden könne. Die Planung sei ferner abwägungsfehlerhaft. Die Antragsgegnerin sei von einer genehmigten Verkaufsfläche des Supermarktes von 700 m² statt richtig 821 m² ausgegangen. Sie habe ferner angesichts der konkreten Erweiterungswünsche der Antragstellerinnen diesen ein gesteigertes Gewicht in der Abwägung zuerkennen müssen. Dies habe sie nicht getan, obwohl sie die Unbedenklichkeit des Standortes als Nahversorgungsstandort anerkannt habe. Die Verträglichkeit des Marktes mit benachbarter Wohnbebauung unter Lärmschutzgesichtspunkten habe das Schallschutzgutachten selbst im Falle einer Erweiterung der Öffnungszeiten anerkannt; erst recht müsse dies bei einer schalltechnisch unbedenklicheren Verkaufsflächenerweiterung gelten. Ein von den Antragstellerinnen eingeholtes Gutachten der R. habe die Verträglichkeit einer Verkaufsflächenerweiterung mit dem Schutz zentraler Versorgungsbereiche der Antragsgegnerin erwiesen. Die Festsetzung einer offenen Bauweise für das MI1 sei abwägungsfehlerhaft, da kein plausibler Unterschied zum MI2, in dem Gebäudelängen von über 50 m zulässig seien, bestehe. Der Verweis auf den Bestandsschutz der Kfz-Werkstatt gehe fehl, da diese zwar über 50 m tief, aber nur 20 m breit sei; nur die Breite werde von der Festlegung der Bauweise betroffen. Die Festsetzung der Lärmpegelbereiche sei abwägungsfehlerhaft, da die im Schallgutachten untersuchten Immissionsorte an den Nordfassaden der vom Beigeladenen geplanten Gebäude, nicht aber – wie im Rahmen eines Angebotsbebauungsplans erforderlich – am Nordrand des MI3 gelegen seien. Es fehle zudem bei Festlegung der Schalldämmmaße eine Ausnahmeregelung. Die Antragsgegnerin habe zudem übersehen, dass durch die Planung von Mischgebieten neben dem Grundstück der Antragstellerinnen Vorhaben auf diesem künftig erhöhten Lärmschutzansprüchen genügen müssten. In der mündlichen Verhandlung haben sie ergänzend gerügt, das Verfahren nach § 13a BauGB sei zu Unrecht gewählt worden, da die Mischgebietsfestsetzungen die Zulässigkeit UVP-pflichtigen großflächigen Einzelhandels begründeten.

Die Antragstellerinnen beantragen,

die vom Rat der Antragsgegnerin am 25. September 2013 als Satzung beschlossene 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 60 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie meint, zur Unwirksamkeit des Planes führende Verfahrensfehler lägen nicht vor. Das Versäumnis einer erneuten Auslegung der Planunterlagen nach Änderung der textlichen Festsetzung Nr. 4 sei nach § 214 Abs. 2 Nr. 2, 2. Hs. BauGB unbeachtlich, jedenfalls aber nach § 215 BauGB geheilt; der Hinweis gemäß § 215 Abs. 2 BauGB sei ausreichend. Die Festsetzung eines Schalldämmmaßes für den Lärmpegelbereich VI sei nicht erforderlich gewesen, da in diesem Bereich keine schutzwürdigen, d.h. eines Schallschutzes bedürftigen Räume angeordnet werden sollten. Der Bezugspunkt für die Gebäudehöhen - P. -Straße oder Q. - richte sich nach der postalischen Anschrift des Gebäudes, bei Schrägstellung gebe es eben zwei Bezugspunkte. Die Mischgebietsfestsetzung für das Supermarktgrundstück sei erforderlich, da zwar der Bestand des Marktes, nicht aber eine Erweiterung in die Großflächigkeit erwünscht sei. Auch das Abwägungsgebot sei nicht verletzt. Die Annahme einer Verkaufsfläche von 700 m² beruhe auf Angaben aus einem 2008 erstellten Gutachten; im Übrigen könne auch ein 800 m² Verkaufsfläche überschreitender Markt nach Maßgabe von § 11 Abs. 3 BauNVO im Mischgebiet zulässig sein. Die Interessen der Antragstellerinnen habe die Antragsgegnerin hinreichend gewürdigt; das R. -Gutachten sei ihr erst nach Inkrafttreten des Plans übersandt worden. Auch die Festsetzungen zur offenen/abweichenden Bauweise seien nicht zu beanstanden. Die Untersuchung von Immissionsorten an der Grenze des MI3 sei entbehrlich, weil hier schon nach Grenzabstandsrecht nicht gebaut werden dürfe. Ausnahmen von den Schalldämmmaßen könnten im Befreiungswege zugelassen werden. Verschärfte Lärmschutzanforderungen an den Markt der Antragstellerinnen würde der Plan schon deshalb nicht bewirken, weil in seiner Nachbarschaft bereits bisher festgesetzte bzw. faktische Wohngebiete lägen.

Die Beigeladene hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I.

Der zulässige Normenkontrollantrag beider Antragstellerinnen ist begründet.

Die angegriffene 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 60 der Antragsgegnerin verletzt in einer zu seiner Unwirksamkeit führenden Weise das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB).

Nach dieser Vorschrift sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (- IV C 105.66 -, juris Rn. 29 = BVerwGE 34, 301). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.

Zu den abwägungserheblichen Belangen gehörte das Interesse der Antragstellerinnen, ihren Betrieb jedenfalls in den bestehenden Dimensionen materiell baurechtmäßig fortführen zu können. Dieses Interesse hat die Antragsgegnerin im Ansatz auch gesehen und mit dem Planungsziel, „die Bestandsnutzungen des Einzelhandels planungsrechtlich abzusichern“ (S. 1 der Planbegründung), aufgegriffen. Sie hat indes verkannt, wie sich die getroffenen Festsetzungen auf dieses Interesse auswirken.

1. Dies gilt zunächst mit Blick auf die dem Betrieb möglichen Lärmemissionen. Bereits mit ihrem Einwendungsschreiben hatten die Antragstellerinnen die Befürchtung geäußert, durch die Umwandlung des Gewerbegebiets in ein Mischgebiet würden zu Lasten ihrer Grundstücke lärmtechnische Schutzansprüche steigen. Diesem Einwand ist die Antragsgegnerin ausschließlich mit dem Hinweis auf die festgesetzten Maßnahmen des passiven Schallschutzes im MI3 begegnet. Diese Festsetzungen tragen den Belangen der Antragstellerinnen indes in mehrfacher Hinsicht nicht ausreichend Rechnung.

Zunächst gelten die Festsetzungen nur für das MI3, in dem zum Zeitpunkt der Planaufstellung die Errichtung von Wohnhäusern konkret geplant war. Die Antragsgegnerin hat jedoch verkannt, dass der Plan eine Wohnnutzung mit den Schutzansprüchen eines Mischgebietes auch im MI2 zulässt. Das im Auftrag der Beigeladenen erstellte Schallgutachten trifft zu diesem Gebiet keine ausdrücklichen Aussagen; aus dessen Abbildung 6 lässt sich jedoch sicher ableiten, dass der bestehende Betrieb der Antragstellerinnen auch hier Lärmimmissionen verursacht, die teils deutlich über den im Mischgebiet hinzunehmenden Werten liegen.

Ferner sind selbst die Festsetzungen für das MI3 unzulänglich, um dort das Entstehen von Wohnbebauung zu verhindern, die die Antragstellerinnen erhöhten Schutzansprüchen aussetzen würde. Dies folgt bereits daraus, dass die in der textlichen Festsetzung Nr. 6 enthaltenen Anforderungen an die Anordnung von Räumen in Wohngebäuden, die nach dem Schallgutachten Voraussetzung für die Herstellung gesunder Wohnverhältnisse sind, im Plan nicht als bindende Festsetzungen, sondern lediglich als Empfehlungen („sollten“, „ist … empfehlenswert“) formuliert sind. Zum anderen haben die Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen, dass das Gebot der Rücksichtnahme von Gewerbelärm verursachenden Betrieben die Einhaltung der (Außenlärm-)Richtwerte der TA Lärm fordert; dafür ist es unerheblich, welches Schalldämmmaß das zu schützende Gebäude aufweist (BVerwG, Urt. v. 29.11.2012 - 4 C 8.11 -, BVerwGE 145, 145 = juris Rn. 16 ff.).

Schließlich dürfte selbst der Schutzanspruch der westlich und östlich außerhalb des Plangebiets gelegenen Wohnbebauung steigen, die bislang, an der Grenze zwischen Wohn- und Gewerbegebiet in einer Gemengelage gelegen, nur die Einhaltung von Mittelwerten beanspruchen konnte.

Dieser Abwägungsfehler ist offenkundig und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen. Die Antragstellerinnen haben ihn in ihrem Schreiben vom 7.1.2015 binnen der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 gerügt.

2. Zum anderen hat die Antragsgegnerin in tatsächlicher Hinsicht verkannt, dass der Betrieb der Antragstellerinnen bereits im Ist-Zustand die Schwelle zur Großflächigkeit überschreitet und schon deshalb im Mischgebiet unzulässig wäre.

Der Verkaufsfläche des Marktes ist neben dem Verkaufsraum mit Windfang von ca. 800 m² jedenfalls der für Kunden zugängliche Bereich des nachträglich genehmigten Pfandraums (vgl. Senatsbeschl. v. 9.4.2015 - 1 LA 126/14 -, n.v.; OVG Münster, Urt. v. 1.7.2009 - 10 A 2350/07 -, BRS 74 Nr. 98 = juris Rn. 38) zuzurechnen, ferner der extern zugängliche, aber an den Lebensmittelmarkt angebaute Backshop (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 24.11.20015 - 4 C 14.04 -, BVerwGE 124, 376 = juris Rn. 21 f.; OVG Münster, Urt. v. 29.5.2013 - 10 A 1144/11 -, juris Rn. 27 ff.; VGH Mannheim, Urt. v. 11.2.2016 - 5 S 1389/14 -, juris Rn. 77). Damit weist der Betrieb eine genehmigte Verkaufsfläche von ca. 850 m² auf und ist damit ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb i.S.d. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO. Ein solcher ist nach dieser Norm auf Kerngebiete und für ihn festgesetzte Sondergebiete beschränkt, wenn er sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken kann. Diese Möglichkeit würde hier bei Wirksamkeit des Plans bestehen, zumal der Markt über 1200 m² Geschossfläche aufweist, also die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO zugunsten wesentlicher Auswirkungen greift. Nach § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO sind Auswirkungen in diesem Sinne insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 BImSchG sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich des Betriebs, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder anderen Gemeinden u.a.. Ob von dem Markt mit Blick auf das von den Antragstellerinnen in Auftrag gegebene, freilich nur die Zusatzwirkungen der beabsichtigten Verkaufsflächenerweiterung betrachtende R. -Gutachten Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich oder auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche der Antragsgegnerin bestehen, kann hier dahinstehen; denn jedenfalls sind die vom Vorhaben auf seine Nachbarschaft einwirkenden Lärmpegel schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 BImSchG.

Die Antragsgegnerin ist demgegenüber ausweislich der Planbegründung (S. 1, 5, 6) davon ausgegangen, dass der Markt mit einer Verkaufsfläche von 700 m² im Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig bleiben werde. Die Unrichtigkeit dieser Annahme war dem Rat der Antragsgegnerin auch erkennbar. Zwar hat die Antragsgegnerin in ihrem Einwendungsschreiben vom 22.7.2013 die Antragsgegnerin nicht explizit auf ihren Fehler hingewiesen, obwohl dieser bereits im Auslegungsexemplar der Planbegründung vorhanden war. Allerdings muss die planende Gemeinde auch vom Betroffenen nicht geltend gemachte Belange dann berücksichtigen, wenn sie sich ihr aufdrängen mussten. Hier muss der für die Entwurfserstellung verantwortlichen Verwaltung der Antragsgegnerin die tatsächliche Verkaufsfläche bekannt gewesen sein, da sie Baugenehmigungsbehörde ist und die Antragsgegnerin in einem auffälligen zeitlichen Zusammenhang mit dem Planaufstellungsbeschluss eine Bauvoranfrage gestellt hatte, in der sie die aktuelle Verkaufsfläche mit „ca. 800 qm“ angegeben hatte. Diese Bauvoranfrage war dem Rat auch bekannt, hatte er sie doch zum Anlass genommen, eine Veränderungssperre zu erlassen. Auch wenn die Verkaufsflächenangabe von „ca. 800 qm“ noch Raum für die Möglichkeit ließ, dass das Vorhaben knapp unter der Großflächigkeitsgrenze liegen könnte, hätten sich der Antragsgegnerin doch weitere Ermittlungen aufdrängen müssen.

Zwar hat die Antragstellerin in ihrem Rügeschreiben vom 7.1.2015 diesen Mangel nicht gerügt. In dem Schreiben ist von einer Verkaufsfläche von 800 m² die Rede, der Abwägungsfehler „Verkennung der Entwicklungsmöglichkeiten auf Basis des verkaufsflächenmäßigen Status quo“ wird daraus aber nicht hergeleitet; die Antragstellerinnen berufen sich ausschließlich darauf, dass die Expansionsabsichten auf 1000 m² nicht richtig berücksichtigt worden seien. Dies führt indes nicht zur Unbeachtlichkeit des Abwägungsmangels nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB, da es sich nicht nur um einen Mangel im Abwägungsvorgang, sondern auch um einen Mangel im Abwägungsergebnis handelt. Mit Blick auf das erklärte Planungsziel der Antragsgegnerin, die bestehenden Betriebe planungsrechtlich abzusichern, ihre Einschätzung, der bestehende Einzelhandel sei als Nahversorgungsstandort gut in die Stadtstruktur eingeführt und werde von der Bevölkerung sehr gut angenommen, dies zeige den Bedarf und auch die günstige Lage an (Planbegründung S. 4, drittletzter Absatz), sowie ihre Einschätzung, die Lärmkonflikte seien „noch gering“ (Abwägung der Einwendungen der Antragstellerinnen, S. 14), ist die Festsetzung eines Mischgebiets auf dem Grundstück der Antragstellerinnen, das nicht nur Erweiterungen, sondern auch den Bestandsbetrieb ausschließt, objektiv unverhältnismäßig.

II.

Die Unwirksamkeit des Plans ergibt sich bereits aus den vorstehend genannten Fehlern. Nur vorsorglich weist der Senat daher noch auf folgende von den Beteiligten aufgeworfenen Punkte hin:

1. Entgegen der von den Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung ist die Wahl des beschleunigten Verfahrens (§ 13a BauGB) nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB, wonach das beschleunigte Verfahren ausgeschlossen ist, wenn durch den Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben begründet wird, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterliegen, liegen nicht vor. Die Antragstellerinnen meinen, die Mischgebietsfestsetzungen begründeten die Zulässigkeit großflächiger Einzelhandelsbetriebe von mehr als 1.200 m² Geschossfläche, die nach Nr. 18.6.2 (i.V.m. Nr. 18.8) der Anlage 1 zum UVPG der allgemeinen Vorprüfungspflicht unterfielen. Es kann dahinstehen, ob § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB überhaupt auf Angebotsbebauungspläne, deren Planungsanlass kein konkretes UVP-pflichtiges Vorhaben ist, anwendbar ist und ob dies auch dann gelten kann, wenn die Zulässigkeit derartiger Vorhaben durch einen Änderungsbebauungsplan nicht erstmalig begründet, sondern sogar eingeschränkt wird. Denn die Antragstellerinnen verkennen jedenfalls, dass die allgemeine Vorprüfungspflicht nach § 3c Satz 1 UVPG nur dann zur UVP-Pflicht führt, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Im Mischgebiet sind großflächige Einzelhandelsbetriebe jedoch gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nur dann zulässig, wenn sie sich nach Art, Lage oder Umfang u.a. auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nur unwesentlich auswirken können, wobei Auswirkungen in diesem Sinne gerade auch schädliche Umwelteinwirkungen sind (§ 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO). Hinzu kommt, dass solche Auswirkungen gerade bei Überschreiten der die Grenze zur Vorprüfungspflicht markierenden Geschossfläche von 1200 m² widerleglich vermutet werden. M.a.W.: Die Zulässigkeit eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs außerhalb eines Kern- oder Sondergebietes einerseits und ein positives Vorprüfungsergebnis schließen sich tatbestandlich aus.

2. Zwar verstößt der Bebauungsplan gegen § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB, wonach der Entwurf des Bauleitplans, wird er nach dem Verfahren nach § 3 Abs. 2 oder § 4 Abs. 2 geändert oder ergänzt, erneut auszulegen ist; denn dies hat die Antragsgegnerin nach Ergänzung der textlichen Festsetzung Nr. 4 um einen zweiten Absatz versäumt. Auch die von § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB eingeräumte Möglichkeit, die Einholung der Stellungnahmen auf die von der Änderung oder Ergänzung betroffene Öffentlichkeit sowie die berührten TÖB/Behörden zu beschränken, wenn - wie hier - durch die Änderung oder Ergänzung des Planentwurfs die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, beschränkt werden kann, ändert daran nichts. Denn die Antragsgegnerin hat nach eigenem Bekunden - aus den Planaufstellungsvorgängen, insbesondere dem von ihr angeführten Bl. 6 des Reiters 4, ist dies freilich nicht ersichtlich - die Änderung zwar mit der Beigeladenen abgestimmt, unstreitig jedoch nicht mit den von der Festsetzung betroffenen Antragstellerinnen. Es wäre aber jedenfalls eine Beteiligung der Antragstellerin zu 1. geboten gewesen, da auch diese von der Ergänzung betroffen ist. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin zeitnah mit der Bekanntgabe der angegriffenen Bebauungsplanänderung eine Stellplatzsatzung gleichen Inhalts erlassen wollte, ändert daran nichts, da der Plan nun einmal eine eigene Regelungswirkung entfaltet. Gleiches gilt für die Tatsache, dass die Antragstellerinnen gegenwärtig weit mehr als die notwendigen 32 Einstellplätze bereithalten. Denn dass die Antragstellerin zu 1. ihr Grundstück auch angesichts der für sie restriktiven Regelungen des neuen Bebauungsplans einmal anders bebauen möchte, ist nicht ausgeschlossen. Nach plausibler eigener Darstellung entspricht der bestehende Markt seiner Verkaufsfläche nach nicht mehr den Standards der Antragstellerin zu 2.. Angesichts dessen ist es denkbar, dass diese den Standort früher oder später ganz aufgibt, um sich an anderer Stelle anzusiedeln. Spätestens in diesem Fall ist auch mit einer wesentlichen Umgestaltung der Stellplatzanlage für eine Nachnutzung des Grundstücks zu rechnen, die den Anforderungen der textlichen Festsetzung 4 Abs. 2 unterläge.

Anders als die Antragsgegnerin meint, ist dieser Fehler nicht nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Hs., letzte Variante BauGB unschädlich. Nach dieser Vorschrift ist ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung dann unbeachtlich, wenn bei Anwendung des § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt worden sind. Die Antragsgegnerin meint, sie hätte gemeint, die Antragstellerinnen seien von der Planänderung nicht betroffen. Damit verkennt sie jedoch nicht die Voraussetzungen des Verfahrens nach § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB, nämlich das Berührtsein der Grundzüge der Planung, sondern die Rechtsfolge dieser Norm (vgl. Stock, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz-berger, BauGB, 84. EL, § 214 Rn. 57). Auch § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2. Hs., 1. Variante BauGB, wonach es unbeachtlich ist, wenn einzelne Personen nicht beteiligt worden sind, die entsprechenden Belange jedoch unerheblich waren oder in der Entscheidung berücksichtigt worden sind, greift hier nicht ein. Denn das Interesse der Antragstellerin zu 1., vor dem Zusatzaufwand bei der Anlage von Stellplätzen verschont zu bleiben, war abwägungserheblich und wurde in der Planung zurückgestellt.

Allerdings ist der Fehler gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden. Nach dieser Vorschrift wird eine nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden ist. Das ist hier nicht geschehen. Die Wirkung der Vorschrift entfällt hier auch nicht aufgrund eines fehlerhaften Hinweises i.S.d. § 215 Abs. 2 BauGB. Die Antragsgegnerin hat zutreffend und vollständig auf die Rechtsfolgen des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB hingewiesen. Dass sie nicht zusätzlich auf die Rechtsfolgen des § 215 Abs. 1 Satz 2 BauGB (Unbeachtlichwerden von Fehlern, die nach § 214 Abs. 2a beachtlich sind) hingewiesen hat, ist unerheblich; denn ein solcher Fehler steht hier nicht in Rede. Die Hinweispflicht des § 215 Abs. 2 BauGB ist kein Selbstzweck, sondern soll verhindern, dass ein Betroffener mit Einwänden gegen den Plan präkludiert wird, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, seine Rügeobliegenheit zu erkennen. Dieser Zweck rechtfertigt es nicht, die gesetzgeberisch erwünschte Planerhaltung auch für Fälle einzuschränken, in denen die Unvollständigkeit des Hinweises nicht einmal abstrakt geeignet ist, jemanden von der Rüge bestimmter Fehler abzuhalten (ebenso VGH Mannheim, Urt. v. 9.6.2009 - 3 S 1108/07 -, juris Rn. 32 ff.).

3. Der Plan dürfte (noch) dem Bestimmtheitsgebot genügen.

Die Bestimmtheit fehlt dem Plan nicht deshalb, weil das im zeichnerisch festgesetzten Lärmpegelbereich VI geltende Schalldämmmaß nicht festgelegt ist. Denn die fehlenden Schalldämmmaße können aus der DIN 4109 ergänzt werden. Die Tabelle in der textlichen Festsetzung Nr. 6 entspricht einem Auszug aus der Tabelle 8 der DIN 4109. Die textliche Festsetzung Nr. 6 weist auch darauf hin, dass an das Schalldämmmaß erhöhte Anforderungen „gemäß DIN 4109“ zu stellen sind. Die dort für die entsprechenden Lärmpegelbereiche festgelegten Schalldämmmaße gelten schon aufgrund dieser Formulierung, die im Plan wiedergegebene Tabelle ist mithin nichts als eine deklaratorisch wirkende Orientierungshilfe. Die Tabelle 8 der DIN 4109 enthält auch Schalldämmmaße für den Lärmpegelbereich VI, nämlich 50 dB für Wohnräume u.ä., 45 dB für Büroräume u.ä..

Die textliche Festsetzung Nr. 2.1 zur Gebäudehöhe dürfte ebenfalls noch hinreichend bestimmt sein, auch wenn vielleicht eine deutlichere Formulierung wünschenswert gewesen wäre. Es ist bereits einer Überlegung wert, ob der offenkundige Zweck der Festsetzung, die Gebäudehöhe in einem angemessenen Verhältnis zur Einfamilienhausbebauung im Westen und den Gebäuderiegeln im Osten zu halten, überhaupt eine zentimetergenaue Identifizierbarkeit des Bezugspunktes für die Höhenbestimmung erfordert. Das Gefälle zwischen den denkbaren Bezugspunkten ist nicht so gravierend, dass die Wahl eines geringfügig seitlich versetzten Bezugspunktes oder eines Bezugspunktes an der falschen Straße hier als nicht mehr vom Ratswillen erfasst angesehen werden könnte. Ob dies mit Blick auf die vom Bauherrn benötigte Planungssicherheit ausreicht, kann aber dahinstehen, denn die Festsetzung ist – noch – einer Auslegung zugänglich. Die maximale Gebäudehöhe ist für jedes der drei Mischgebiete unterschiedlich festgesetzt. Zwei Mischgebiete – MI1 und MI2 – grenzen an die P. -Straße, eines – MI3 – an die Straße Q.. Es liegt daher nahe, dass Bezugspunkt für die Höhenbegrenzung die jeweils an das Gebiet angrenzende Straße sein soll. Erstreckt sich das Gebäude über zwei Gebiete, so gelten eben zwei Bezugspunkte - es gelten ja auch zwei zulässige Gebäudehöhen, die jeweils für den Gebäudeteil, der im einen oder anderen Gebiet gelegen ist, erfüllt sein müssen; dass dies dem Bauherrn die Möglichkeit gibt, ein „abgetrepptes“ Gebäude zu errichten, schadet nicht. Auch hinsichtlich der Frage eines schräggestellten Hauses ergeben sich keine unlösbaren Auslegungsprobleme. Ein schräggestelltes Haus wendet der Straße zwei Fassaden zu, von denen jede die Höhenbegrenzung einhalten muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.