Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 09.11.2011, Az.: S 81 R 261/11

Eine nach dem Tode des Berechtigten überzahlte Rentenleistung ist vorrangig von dem Kreditinstitut des Verstorbenen zurückzufordern; Vorrangige Rückforderung einer nach dem Tode des Berechtigten überzahlten Rentenleistung von dem Kreditinstitut des Verstorbenen

Bibliographie

Gericht
SG Oldenburg
Datum
09.11.2011
Aktenzeichen
S 81 R 261/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 32135
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGOLDBG:2011:1109.S81R261.11.0A

Tenor:

  1. 1.

    Der Bescheid der Beklagten vom 12.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2011 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Rentenzahlungen nach ihrer verstorbenen Großmutter.

2

Die Klägerin ist Enkeltochter der am 21.01.1928 geborenen und am 29.09.2010 verstorbenen Rentenbezieherin D ... Die Rentenzahlungen wurden für die Verstorbene bis einschließlich Oktober 2010 auf deren Konto überwiesen. Die Überzahlung für Oktober 2010 betrug aus eigener Rente der Verstorbenen 169,52 EUR, aus Witwenrente 821,60 EUR.

3

Die Mutter der Klägerin erhielt die Rechnung des Bestattungsunternehmens für die Beisetzung der Verstorbenen und beauftragte die Klägerin daraufhin, die Rechnung vom Konto der Verstorbenen zu begleichen. Die Klägerin beglich die Rechnung des Bestattungsunternehmens durch Überweisung am 05.10.2010. In der Folge schlugen sowohl die Mutter der Klägerin als auch die Klägerin selbst das Erbe aus.

4

Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 01.11.2010 wegen einer beabsichtigten Rückforderung an. Mit Bescheid vom 12.01.2011 forderte die Beklagte den Überzahlten Betrag in Höhe von 991,12 EUR (169,52 EUR aus eigener Rente und 821,60 EUR aus Witwenrente) von der Klägerin zurück. Sie vertrat die Ansicht, die Klägerin habe nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zu unrecht über den Geldbetrag verfügt und ein Zahlungsgeschäft zu Lasten des Bankkontos der Verstorbenen vorgenommen.

5

Die Klägerin legte am 16.02.2011 Widerspruch ein. Der Bescheid sei ihr erst am 04.02.2011 zugegangen. Die Klägerin führte zur Begründung ihres Widerspruches aus, sie sei nicht Erbin der Verstorbenen. Sie habe lediglich im Auftrag der eigentlichen Erbin, ihrer Mutter, gehandelt. Sie selbst habe das Erbe ausgeschlagen. Sie sei davon ausgegangen, dass das Guthaben auf dem Konto der Verstorbenen dieser auch gehörte. Sie habe die Rentenüberzahlung nicht verursacht.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie hielt ihn für zulässig aber unbegründet. Sie wiederholte und vertiefte ihr Vorbringen aus dem Bescheid und führte ergänzend aus, die Norm wolle verhindern, dass Dritte ihre Forderungen aus zu unrecht gezahlter Rente befriedigen. Es sei daher jede Verfügung zurückzuerstatten, die nur deshalb erfolgen konnte, weil eine Rentenzahlung zu Unrecht erfolgte.

7

Die Klägerin hat am 06.05.2011 Klage erhoben. Sie trägt vor, die Beklagte müsse vorrangig die Erben in Haftung nehmen. Sie selbst sei zudem nicht über den Status des Kontos informiert gewesen, insbesondere nicht, ob für die Begleichung der Bestattungsrechnung Rentenleistungen in Anspruch genommen werden müssten. Sie habe lediglich eine Weisung ihrer Mutter ausgeführt.

8

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2011aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide. Auf einen Entreicherungseinwand des Kreditinstituts komme es nicht an.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

12

Entscheidungsgründe:

13

Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Erstattung der überzahlten Rente in Höhe von 991,12 EUR.

14

1.

Nach § 102 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) besteht ein Rentenanspruch nur bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem der Berechtigte gestorben ist. Die Großmutter der Klägerin ist im September 2010 verstorben, so dass die Rentenzahlungen für Oktober 2010 zu Unrecht erbracht wurden.

15

2.

Allerdings besteht kein Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI. Es wäre vorrangig das Kreditinstitut der Verstorbenen in Anspruch zu nehmen gewesen, da dieses sich nicht auf Entreicherung berufen kann.

16

Nach § 118 Abs. 3 SGB VI gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden. Nach § 118 Abs. 4 SGB VI sind ( ...) Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet, soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht erbracht worden sind. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung auf Verlangen Name und Anschrift des Empfängers oder Verfügenden und etwaiger neuer Kontoinhaber zu benennen.

17

Nach § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI ist eine nach dem Tode des Berechtigten überzahlte Rentenleistung vorrangig von dem Kreditinstitut des Verstorbenen zurückzufordern. Der Erstattungsanspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gegen denjenigen, der über fehlüberwiesene Rentenleistungen verfügt hat, ist gegenüber dem, gegen das Kreditinstitut gerichteten Rücküberweisungsanspruch nach § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI nachrangig (vgl. BSG, Urt. v. 05.02.2009 - B 13 R 59/08 R, Rn. 26, zitiert nach [...]).

18

Nur wenn sich das Kreditinstitut auf Entreicherung berufen kann, ist derjenige in Anspruch zu nehmen, der über das Konto des Verstorbenen verfügt hat. Auf Entreicherung nach § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI kann sich das Kreditinstitut aber nur berufen, wenn wirksam über das Konto des Verstorbenen verfügt wurde. Eine wirksame Verfügung liegt nur vor, wenn der Verfügende verfügungsberechtigt war. Dies war hier nicht der Fall. Die Klägerin hatte weder eine Kontovollmacht oder eine Generalvollmacht, noch war sie Erbin. Es lag keine materielle Berechtigung vor. Bei einer persönlichen Vorsprache eines Verfügenden muss das Kreditinstitut das Vorliegen einer Verfügungsbefugnis prüfen (anders als bei einer Bedienung des Geld- oder Überweisungsautomaten). Eine solche Prüfung erfolgte aber nicht. Seitens des Kreditinstituts wurde lediglich die Vorlage des Personalausweises verlangt. Das Kreditinstitut hat zugelassen, dass die Klägerin ohne eine Berechtigung einen Überweisungsauftrag erteilte. Es liegt mangels Verfügungsbefugnis der Klägerin keine "anderweitige Verfügung" über das Konto vor. Das Kreditinstitut kann kann sich daher nicht auf eine berechtigte Entreicherung gem. § 118 Abs. 3 Satz 3 SGB VI berufen, es ist vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die Klage gegen die Klägerin war dementsprechend abzuweisen.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.