Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 30.04.2003, Az.: 2 B 1336/03

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
30.04.2003
Aktenzeichen
2 B 1336/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 40766
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0430.2B1336.03.0A

Tenor:

  1. ...

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, eine einstweilige Anordnung zu erlassen mit dem Inhalt, "dass der am 02.02.2003 zum Bürgermeister der Gemeinde (...) gewählte Regierungsoberamtsrat (...) dieses Amt bis zur bestandskräftigen Entscheidung über die Wahlanfechtung nicht antritt", hat keinen Erfolg.

2

Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit der Regelung, nicht glaubhaft gemacht (s. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 294, 920 Abs. 2 ZPO). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Voraussetzung durch den Amtsantritt des neu gewählten Bürgermeisters am 8. Mai 2003 (nach dem Ende der Amtszeit des scheidenden Gemeindedirektors am 7. Mai 2003) erfüllt ist. Am 3. Februar 2003 stellte der Gemeindewahlausschuss bezüglich der Bürgermeisterwahl am 2. Februar 2003 in öffentlicher Sitzung fest, dass der oben genannte Regierungsoberamtsrat gewählt sei. Nach der Bekanntmachung des Wahlergebnisses legte u.a. der Antragsteller am 14. Februar 2003 Einspruch gegen die Wahl ein. Der neu gewählte Bürgermeister nahm nach entsprechender Benachrichtigung durch den Gemeindewahlleiter mit Schreiben vom 10. Februar 2003 am 17. Februar 2003 die Wahl an. Der Antragsteller hat zwar wie jede wahlberechtigte Person des Wahlgebiets gemäß § 46 Abs. 1 Nds. Kommunalwahlgesetz (NKWG) vom 20. Februar 2001 (GVBl. S. 83) das Recht, gegen die Gültigkeit der Wahl - wie geschehen - Einspruch zu erheben, der nach Abs. 5 der genannten Vorschrift allerdings keine aufschiebende Wirkung hat. Ein derartiger Einspruch kann damit begründet werden, dass die Wahl nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend vorbereitet oder durchgeführt oder in anderer unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden ist. Daraus ergibt sich, dass der Wahleinspruch einer Popularklage nahe steht. Der Einspruchsführer, der nicht einmal selbst gewählt zu haben braucht, macht nicht allein sein eigenes Interesse geltend, sondern das öffentliche Interesse an der Übereinstimmung des Wahlergebnisses mit dem Wählerwillen (vgl. Schiefel, Nds. Kommunalwahlrecht, 2. Aufl. 1991, § 46 Anm. 2.1). Der Antragsteller hat ausgeführt, er habe an dem Ausgang des Verfahrens lediglich das ideelle Interesse, dass der Bürgermeister dieses Amt erst nach einem gesetzmäßigen Wahlverfahren antrete. Im Übrigen sei die Gemeinde personell so gut ausgestattet, dass auf längere Sicht die Wahrnehmung der Funktion des (hauptamtlichen) Bürgermeisters nicht als dringlich erscheine. Die Verwirklichung des dem Antragsteller durch § 46 Abs. 1 NKWG eingeräumten Rechts auf eine Überprüfung des Wahlergebnisses aus den von ihm im Wahleinspruch genannten Gründen könnte aber nur dann vereitelt oder wesentlich erschwert werden, wenn der Bürgermeister auch im Falle der Ungültigerklärung der Wahl (s. § 48 Abs. 1 Nr. 4 NKWG) das Amt weiter ausüben dürfte oder wenn zu erwarten ist, dass im Falle des Ergehens einer für den Antragsteller negativen Wahlprüfungsentscheidung über eine anschließend von ihm noch zu erhebende Klage (s. § 49 Abs. 2 Satz 1 NKWG) nicht vor Ablauf der Amtszeit des Bürgermeisters entschieden werden würde. § 61 Abs. 5 Satz 4 Nds. Gemeindeordnung (NGO) i.d.F. vom 22. August 1996 (GVBl. S 382), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. Januar 2003 (GVBl. S. 36), bestimmt jedoch, dass kein Beamtenverhältnis begründet wird, wenn die Wahl unwirksam ist. Außerdem wird das Gericht - gegebenenfalls - lange vor dem Ende der Amtszeit des neu gewählten Bürgermeisters über eine vom Antragsteller nach einer für ihn gegebenenfalls negativen Wahlprüfungsentscheidung noch zu erhebenden Klage entscheiden. Die Amtszeit des Bürgermeisters dürfte gemäß Art. 11 Nr. 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Reform des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts vom 1. April 1996 (GVBl. S. 82, 227), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 19. März 2001 (GVBl. S. 112) mit dem Ende der folgenden Wahlperiode der Ratsfrauen und Ratsherren, also am 31. Oktober 2011 (s. § 33 Abs. 2 NGO) enden. Außerdem hat die Antragsgegnerin vorgetragen, mit ihrer Zustimmung sei die Fortdauer des Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit mit dem neu gewählten Bürgermeister neben seinem neuen Dienst-/Arbeitsverhältnis als Beamter bei ihr gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Nds. Beamtengesetz (NBG) bis zum 31. Dezember 2006 angeordnet worden.

3

Nach alledem kann offen bleiben, ob die Antragsgegnerin überhaupt passiv legitimiert ist, weil jedenfalls die Klage gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 NKWG gegen die Vertretung, also den Gemeinderat zu richten wäre (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 30. Mai 1995 - 10 L 345/93 -, Nds.VBl. 1995, 209, das im Übrigen sinngemäß ausführte, die Klage in jenem Verfahren sei als Verpflichtungsklage statthaft). Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin überhaupt eine Möglichkeit hätte, den Amtsantritt des neu gewählten Bürgermeisters zu verhindern, weil das Beamtenverhältnis kraft Gesetzes begründet wird (vgl. Häusler, in: KVR-NGO, Komm., Stand: Jan. 2003, § 61 Rdnr. 153; s. auch § 194 Abs. 3 Satz 1 NBG). Die Kammer braucht auch nicht der Frage nachzugehen, ob § 46 Abs. 5 NKWG, der erkennen lässt, dass der Gesetzgeber den Willen hatte, dass die neu gewählte Vertretung oder auch - wie hier - der neu gewählte Bürgermeister sofort und unabhängig von möglichen Wahlprüfungsverfahren handlungsfähig sind (vgl. auch Schiefel, a.a.O., § 46 Anm. 6, der ausführt, § 80 VwGO sei nicht anwendbar), in Fällen wie hier, in denen hinsichtlich einer Direktwahl nicht die Verletzung subjektiver Rechte geltend gemacht wird, jedenfalls grundsätzlich dem Erlass einer einstweiligen Anordnung in dem vom Antragsteller begehrten Sinne entgegensteht. Schließlich kann offen bleiben, ob der Einspruch des Antragstellers begründet ist.