Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.04.2003, Az.: 7 B 1373/03
Ecstasykonsum; Heranwachsender
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.04.2003
- Aktenzeichen
- 7 B 1373/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48057
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs 1 S 1 Nr 2 FeV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Trotz der Behauptung, zwar vor rund 2 Jahren Ecstasy und Cannabis eingenommen und den Drogenkonsum seitdem eingestellt zu haben, liegen Anhaltspunkte für einen gegenwärtigen Drogenkonsum vor, weil ein mehrmonatiger und erheblicher Ecstasykonsum eingeräumt worden ist, die Antragstellerin nach wie vor zum Kreise der Heranwachsenden zählt (19 Jahre) und sie keinerlei nachvollziehbare Gründe für die behauptete spontane Drogenabstinenz angegeben hat.
Tenor:
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 11. April 2003 gegen die im Bescheid des Antragsgegners vom 08. April 2003 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO hat ein Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn die Behörde – wie hier – gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet hat. Dabei genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung den an sie gemäß § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO gestellten Anforderungen.
In materieller Hinsicht ist für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidend, ob das private Interesse des/der Antragstellers/Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung seines/ihres Widerspruches höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einem offensichtlich Erfolg versprechenden Rechtsbehelf überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller/ die Antragstellerin im Verfahren zur Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Bei der sofortigen Vollziehung eines offenbar zu Unrecht angefochtenen Verwaltungsaktes besteht nämlich regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse.
Vorliegend erweist sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig. Die Kammer verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angegriffenen Bescheides, der sie im wesentlichen folgt. Soweit die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren die Ansicht vertritt, der Antragsgegner sei nicht berechtigt gewesen, sie nach § 14 Abs. 1 S. 1 FeV aufzufordern, auf ihre Kosten ein ärztliches Gutachten (Haaranalyse) beizubringen, weil der von ihr eingeräumte Konsum von Ecstasy und Cannabis mehr als zwei Jahre zurückliege und sich ihre persönlichen Verhältnisse seitdem maßgeblich geändert hätten, folgt die Kammer dem nicht. Auch aus Sicht der Kammer stellt der von der Antragstellerin eingeräumte Drogenkonsum in der Zeit von Oktober/November 2000 - Februar 2001 eine Tatsache dar, die die Annahme begründet, die Antragstellerin nehme gegenwärtig Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes ein. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FeV verlangt weder die sichere Gewissheit eines aktuellen Drogenkonsums noch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit desselben. Ausreichend ist ein auf objektiven Kriterien basierender Verdacht des Drogenkonsums. Ein solcher ist hier gegeben. Die Antragstellerin hat im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung eingeräumt, zwischen Oktober/ November 2000 und Februar 2001, also rund 5 Monate lang Ecstasy und Haschisch konsumiert zu haben. Sie hat weiter eingeräumt, im vorgenannten Zeitraum ca. 25 bis 42 Ecstasy-Pillen gekauft und diese überwiegend selbst konsumiert zu haben. Zusätzlich habe sie ein paar Mal Haschisch gekauft und konsumiert. Die Antragstellerin hat mithin einen länger andauernden und erheblichen Drogenkonsum eingeräumt. Ihre bloße Behauptung, den Drogenkonsum im Februar 2001 spontan eingestellt zu haben, ist nicht ausreichend, gegenwärtig tatsächlich von einer Drogenabstinenz auszugehen.
Ärztliche Atteste oder Gutachten, die eine Drogenabstinenz seit März 2001 belegen würden, hat die Antragstellerin nicht vorgelegt. Sie hat auch weder bei der Polizei noch gegenüber dem Antragsgegner oder dem Gericht Gründe dargelegt, die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet wären, den behaupteten Ausstieg aus dem Drogenkonsum zu belegen. Die Antragstellerin hat sich im wesentlichen darauf beschränkt darzulegen, dass sie während ihres Drogenkonsums erst 17 Jahre alt gewesen und nunmehr volljährig sei. Ihre Lebensumstände hätten sich dadurch verändert, dass sie zwischenzeitlich eine Fahrerlaubnis erworben habe. Nach den Erkenntnissen des Gerichts steigt zwar die Wahrscheinlichkeit des Ausstiegs aus dem Konsum von Ecstasy mit dem Lebensalter und die Gruppe der Frauen ist bei den Aussteigern deutlich höher (Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung, Band 14, Ecstasy-„Einbahnstraße“ in die Abhängigkeit?, Drogenkonsummuster der Technopartyszene und deren Veränderung in längsschnittlicher Perspektive, Hrsg. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Ecstasy-Studie), s. S. 92 - veröffentlicht im Internet unter www.bzga.de/bzga_stat/fachpubl/dfa/dfa-1.html - ). Es spricht jedoch nichts dafür, dass die Konsumenten von Ecstasy (und Cannabis) in der Regel minderjährig sind oder minderjährige Konsumenten ihren Konsum in der Regel mit dem Erreichen der Volljährigkeit einstellen. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin nunmehr 19 Jahre alt ist, spricht nicht für die Einstellung des Konsums. Die Antragstellerin gehört nach wie vor dem Kreis der Heranwachsenden an. Es spricht im Übrigen auch nichts dafür, dass der Erwerb einer Fahrerlaubnis die Konsumenten von Ecstasy und Haschisch regelmäßig zur Drogenabstinenz führt. Hinzu kommt die relative Unwahrscheinlichkeit, dass der endgültige und sofortige Ausstieg aus dem Drogenkonsum spontan und zügig vollzogen wird. Vielmehr steht die Einstellung des Drogenkonsums regelmäßig am Ende eines mehr oder weniger langen Prozesses (Ecstasy-Studie, S. 116). Schließlich spricht der Umstand, dass Betroffene aufgrund zunehmender persönlicher Reife ihren Ecstasy-Konsum eingestellt haben, in keiner Weise dafür, dass auch der Konsum anderer Drogen (Mischkonsum von Ecstasy und anderen Substanzen ist üblich) ebenfalls eingestellt worden ist ((Ecstasy-Studie, S 101).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
2. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 13 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 3, 25 Abs. 2 GKG. Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse B, M, L.. Da die Klasse B die Klassen M und L umfasst, kommt es auf den Wert der Klasse B an. Nach st. Rechtsprechung der Kammer ist in Verfahren in denen es um die Entziehung oder Erteilung der Fahrerlaubnisklasse B geht, ein Streitwert in Höhe von 4.000,- Euro für ein Hauptsacheverfahren sowie in Höhe von 2.000,- Euro in Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes anzunehmen.