Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.04.2003, Az.: 7 B 1422/03
Fahrerermittlung; Fahrtenbuch; Unmöglichkeit; Zuständigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.04.2003
- Aktenzeichen
- 7 B 1422/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48058
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 31a StVZO
- § 68 Abs 2 StVZO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die örtliche Zuständigkeit für die Anordnung eines Fahrtenbuches bestimmt sich gem. § 68 Abs. 2 Satz 1 StVZO nach dem Wohnort des Adressaten des Bescheides.
2. Bei der Beurteilung, ob die Fahrerermittlung nicht möglich im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO gewesen ist, ist es zumindest im Eilverfahren regelmäßig zu Lasten der Behörde zu bewerten, wenn sie selbst der Auffassung ist, dass die Bußgeldstelle den Fahrer anhand des Frontfotos und eines im Ordnungswidrigkeitenverfahren angeforderten Paßfotos hätte ermitteln können, und diese Einschätzung wahrscheinlich zutreffend ist.
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2003 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 750,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Das nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Begehren ist begründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung, für einen Zeitraum von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen, muss gegenüber dem Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens zurücktreten. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin rechtlich zu beanstanden ist.
1.
Die Antragsgegnerin war für die Anordnung des Fahrtenbuches örtlich nicht zuständig. Nach § 68 Abs. 2 Satz 1 StVZO ist dies, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die für den Wohnort des Betroffenen maßgebliche Behörde. Der Antragsteller ist seit dem 1. September 2002 in der Gemeinde Wiefelstede und damit im Landkreis Ammerland als wohnhaft gemeldet.
Unerheblich ist, dass das fragliche Fahrzeug des Antragstellers noch bei der Antragsgegnerin zugelassen ist. Der Wortlaut des § 31 a StVZO bietet keinen durchgreifenden Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber eine zwingenden Zusammenhang zwischen der Zuteilung des amtlichen Kennzeichens und der Zuständigkeit für den Erlass einer Fahrtenbuchanordnung vorsehen wollte. Die Vorschrift verlangt lediglich in materieller Hinsicht, dass das Fahrzeug auf den Halter als Adressat einer Fahrtenbuchanordnung zugelassen ist. § 31 a StVZO trifft gerade anders als § 23 Abs. 1 Satz 1 StVZO keine Sonderreglung über die örtliche Zuständigkeit. Es wird - anders als vielfach in den §§ 23 ff. StVZO - auch nicht die sachliche Zuständigkeit der „Zulassungsbehörde“ begründet. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der Antragsteller es versäumt hat, sein Fahrzeug gem. § 27 Abs. 2 StVZO umzumelden.
Die Regelungen der §§ 3 Abs. 3 VwVfG, 1 Abs. 1 Nds. VwVfG finden keine Anwendung. Die die Zuständigkeit begründenden Umstände haben sich nicht während des Verwaltungsverfahrens betr. die Fahrtenbuchanordnung, sondern bereits einige Monate zuvor geändert. Außerdem fehlt eine Zustimmungserklärung des Landkreises Ammerland.
Der Fehler ist auch nicht nach §§ 46 VwVfG, 1 Abs. 1 Nds. VwVfG unbeachtlich, weil die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches eine Ermessensentscheidung darstellt, so dass nicht offensichtlich ist, dass die Verletzung der o.g. Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
2.
Es spricht derzeit zudem Überwiegendes dafür, dass die Fahrerermittlung im Bußgeldverfahren nicht unmöglich im Sinne des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO war.
In der Rechtsprechung ist zwar geklärt, dass es keiner umfangreichen weiteren Ermittlungen bedarf, wenn der Halter des Fahrzeuges, mit dem der Verkehrsverstoß begangen wurde, nicht hinreichend an der Aufklärung mitwirkt und den Lenker des Fahrzeuges nicht bezeichnet. Der aufsichtspflichtige Halter ist nämlich regelmäßig am Besten in der Lage, entsprechende Angaben zu machen. An einer solchen hinreichenden Mitwirkung fehlt es bereits dann, wenn der Halter des Fahrzeuges weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht. Damit hat es grds. sein Bewenden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 15. April 2002 - 12 ME 331/02 - <S. 3>; Beschluss vom 12. April 2002 - 12 ME 346/02 - <S. 4>; Beschluss vom 11. Mai 1999 - 12 L 2087/99 - DAR 1999, 424). Es ist dabei entgegen der Auffassung des Antragstellers insoweit auch unerheblich, ob er als Betroffener oder als Halter angehört wird.
Hier gilt aber ausnahmsweise etwas anderes. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Bußgeldbehörde bereits anderweitige ausreichende Feststellungen getroffen hatte, um wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung am 13. August 2002 gegenüber dem Antragsteller die im Ordnungswidrigkeitenrecht vorgesehenen Sanktionen zu verhängen. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Antragserwiderung selbst vorgetragen, es sei anhand eines Vergleichs zwischen der bei dem Verkehrsverstoß angefertigten Fotografie und dem von der Bußgeldbehörde bei der Antragsgegnerin angeforderten Passfoto, festzustellen, dass der Antragsteller der Fahrer des Fahrzeugs gewesen sei. Dieser Auffassung vermag das Gericht wegen einiger bereits auf den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Kopien ersichtlicher charakteristischer Merkmale (wie Haaransatz, Augen- und Ohrform) zu folgen.
Letzte Zweifel ergeben sich derzeit zwar noch daraus, dass der Antragsteller selbst vorbringt, die Fotos ergäben eindeutig, dass er nicht der Fahrer gewesen sei. Diese Äußerung wird sich vor dem Hintergrund des Vortrages des Antragstellers aber voraussichtlich als eher taktisch motiviert erweisen. Abschließende Klarheit wird das Gericht allerdings erst nach Vorlage der Originalunterlagen im Hauptsacheverfahren haben können.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3 GKG. Für eine Fahrtenbuchanordnung sind je Monat 250 € zu berücksichtigen (vgl. Ziff. II. 45.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 1996, 563 ff.). Der sich hiernach ergebende Betrag ist für das Eilverfahren zu halbieren.