Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 07.04.2003, Az.: 7 B 1115/03

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
07.04.2003
Aktenzeichen
7 B 1115/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 40715
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0407.7B1115.03.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung einer ordnungsbehördlichen Verfügung entspricht nur dann den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, wenn sie sich auf den in dem Bescheid behandelten Sachverhalt bezieht.

  2. 2.

    Die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und der Klassen D oder D1 kann gerechtfertigt sein, wenn beim Inhaber pädophile Neigungen festgestellt worden sind. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit kann es geboten sein, die Fahrerlaubnis mit der Auflage zu belassen, keine Kinder und Jugendlichen ohne Aufsicht ihrer Erziehungsberechtigten zu transportieren.

Tenor:

  1. ...

Tatbestand:

1

...

Gründe

2

Das nach § 80 Abs. 5 Sätze 1 und 3 VwGO zu beurteilende Begehren ist begründet.

3

Dies ergibt sich bereits daraus, dass die im Bescheid des Antragsgegners vom 7. März 2003 (S. 3 f.) enthaltene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspricht. Diese geht nämlich an dem zu beurteilenden Sachverhalt vorbei.

4

Der Antragsgegner hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung im öffentlichen Interesse liege, weil die weitere Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr zu einer unmittelbaren Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führe. Es sei mit dem besonderen öffentlichen Interesse an einem sicheren Straßenverkehr nicht vereinbar, dass der Antragsteller hieran weiter motorisiert teilnehme. Dies ist nicht nachvollziehbar. Die Entziehung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und der Klasse DE ist im Bescheid des Antragsgegners vom 7. März 2003 damit begründet worden, dass der Antragsteller wegen pädophiler Neigungen nicht die Gewähr dafür biete, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht werde (§ 48 Abs. 10 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 2 FeV sowie §§ 46 Abs. 1 Satz 1, 11 Abs. 1 Satz 4 FeV). Der Antragsteller stellt somit nach Auffassung des Antragsgegners eine Gefahr für seine Fahrgäste, nicht für andere Verkehrsteilnehmer dar. Dementsprechend ist auch die Fahrerlaubnis der übrigen Klassen nicht entzogen worden.

5

Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner durch diesen Beschluss nicht gehindert ist - mit nachvollziehbarer Begründung - erneut die sofortige Vollziehung anzuordnen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, Rn. 148 zu § 80).

6

Die Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller die bereits abgelieferten Führerscheine wieder herauszugeben, ergibt sich aus dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung. Zur materiellen Rechtslage ist ergänzend zu bemerken:

7

Pädophile Neigungen wären grundsätzlich geeignet, die nach den oben erwähnten Vorschriften der FeV erforderliche Zuverlässigkeit des Antragstellers in Frage zu stellen. Bei der Beurteilung sind nämlich sämtliche Umstände, die Rückschlüsse auf die Gesamtpersönlichkeit des Fahrzeugführers zulassen, auch soweit sie sich auf Verhältnisse nichtverkehrsrechtlicher Art beziehen, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 1986 - 7 B 19.86 - Buchholz 442.16 § 15e StVZO Nr. 3). Hat der Inhaber einer Fahrerlaubnis, die zur Personenbeförderung berechtigt, die genannten Neigungen und vermag er diese nicht für sich zu behalten, besteht die Gefahr, dass ein hiermit zusammenhängendes längeres und nicht ständig von erwachsenen Aufsichtspersonen begleitetes Zusammensein mit Kindern oder Jugendlichen Straftaten (§§ 176, 182 StGB) zur Folge hat.

8

Die hierzu von dem Antragsgegner getroffenen tatsächlichen Feststellungen begründen zwar gewichtige Hinweise auf eine Pädophilie des Antragstellers. Zur sicheren Beurteilung der Persönlichkeit des Antragstellers hätte es aber weiterer Ermittlungen, insbesondere der Zuziehung der Strafakten, bedurft. Zusätzlich hätten ggfs. auch die Unterlagen des im Februar 2003 von der Staatsanwaltschaft Aurich eingestellten und des weiteren bei der Staatsanwaltschaft Hannover noch anhängigen Ermittlungsverfahrens ausgewertet werden müssen.

9

In erster Linie beruft sich der Antragsgegner auf das Schreiben der Polizeiinspektion L... vom 20. Februar 2003. Es heißt dort lediglich allgemein, dass sich auf dem Netzwerkserver des Unternehmens des Antragstellers Bilddateien, die auch sexuelle Handlungen gegenüber Jugendlichen und Kindern beträfen, befänden. Ferner soll der Antragsteller während einer Klassenfahrt einen 15-jährigen Schüler fotografiert haben. Dieses Foto soll dann auf dem Computer der Firma des Antragstellers in einer Datei abgelegt worden sein, in der sich auch Darstellungen sexueller Handlungen zwischen Männern befinden. Der Antragsteller bestreitet substantiiert, selbst das Foto abgespeichert zu haben. Es sollen angeblich zwei weitere Personen Zugriff auf seinen Computer haben. Auch die Polizei sieht eine Täterschaft des Antragstellers offenbar nicht als erwiesen an. Es bedürfte auch näherer Darlegung, dass die Gesamtumstände den Eindruck vermittelten, dass der Jugendliche an den sexuellen Handlungen beteiligt gewesen sei. Weitere konkrete Darlegungen enthält das Schreiben der Polizeiinspektion L... vom 20. Februar 2003 nicht.

10

Nach einer ergänzenden telefonischer Auskunft der Polizeiinspektion L... vom 21. Februar 2003 (Vermerk des Antragsgegners vom 24. Februar 2003), soll sich die pädophile Neigung des Antragstellers aus Funden in dessen Wohnung ergeben. Auch dies wird nicht im Einzelnen durch konkrete Tatsachen untermauert. Er fehlt in dem Vermerk auch ein Hinweis darauf, in welchen "einschlägigen Adressen" des Internet der Antragsteller unter einem Decknamen Kontakt zu Jugendlichen aufgenommen haben soll. Außerdem soll er bei einer Klassenfahrt einen Jugendlichen gebeten haben, ihn in seinem Betrieb aufzusuchen. Auch insoweit wären konkretere Einzelheiten festzustellen gewesen.

11

Schließlich wird der Antragsgegner aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ggfs. zu prüfen haben, ob die streitigen Fahrerlaubnisse mit Auflagen (§§ 36 Abs. 1 VwVfG, 1 Abs. 1 Nds. VwVfG) versehen werden können. Zu denken wäre etwa daran, nur noch Personenbeförderungen durch den Antragsteller zuzulassen, bei denen die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen, die sich nicht in Begleitung ihrer Erziehungsberechtigten befinden, ausgeschlossen werden kann.