Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 10.04.2003, Az.: 5 A 736/01

Auslagen; Auslagenerstattung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.04.2003
Aktenzeichen
5 A 736/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48010
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

I. Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Auslagen in zwei Kostenfestsetzungsbescheiden des Beklagten.

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Die Klägerin betreibt in W. einen Anlagenkomplex zur Herstellung von Vinylchlorid-Monomer (VCM) und Polyvinylchlorid (PVC). Die Anlagen unterliegen der Störfall-Verordnung - 12. BImSchV. Am 25. September 2000 reichte sie beim Beklagten eine Anzeige nach § 15 BImSchG mit der Bitte um Prüfung ein, ob die von ihr beabsichtigte Änderung der Betriebsweise einer Anlage einer Genehmigung nach § 16 BImSchG bedürfe. Mit Bescheid vom 27. September 2000 verneinte der Beklagte dies, entschied, dass die Kosten des Verfahrens durch die Klägerin zu tragen seien und kündigte einen gesonderten Kostenfestsetzungsbescheid an. Am 28. September 2000 führte der Beklagte bei der Klägerin darüber hinaus eine sicherheitstechnische Prüfung im Hinblick auf die beabsichtigte Änderung der Betriebsweise durch, an der auch ein Mitarbeiter des Nds. Landesamtes für Ökologie - NLÖ - teilnahm.

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Das NLÖ bat gegenüber dem Beklagten um Erstattung der Auslagen, da es im Auftrag des Beklagten im Prüfverfahren nach § 15 BImSchG und bei der sicherheitstechnischen Prüfung der Anlage als sachverständige Stelle eingeschaltet worden sei. Für die Beratungen zum Sicherheitskonzept der Anlage am 15., 22. und 25. September 2000 machte das NLÖ 1.107,- DM (18 Zeitanteile à 61,50 DM (= Halbstundensatz)) und für die Unterstützung bei der sicherheitstechnischen Abnahme der Anlage 676,50 DM (11 Zeitanteile à 61,50 DM) geltend.

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Mit zwei Kostenfestsetzungsbescheiden setzte der Beklagte unter anderem die Auslagen des NLÖ in Höhe von 1.107,-- DM (Bescheid vom 6. Oktober 2000) und 676,50 DM (Bescheid vom 9. Oktober 2000) fest.

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Die Klägerin erhob insoweit gegen beide Kostenfestsetzungsbescheide Widerspruch. Sie machte geltend, das NLÖ sei eine Fachbehörde und arbeite im Rahmen der Bearbeitung einer Anzeige nach § 15 BImSchG dem Beklagten zu. Diese Zuarbeit sei für sie kostenfrei, wie z.B. die Zuarbeit der Wasserbehörde als Fachbehörde kostenfrei sei. Sollte diese Annahme unzutreffend sein, so sei es nicht hinnehmbar, zur Zusammenarbeit mit einem freien Sachverständigen gezwungen zu sein, ohne dass z.B. Vergleichsangebote vorlägen. Die Kostenbescheide seien in diesem Fall wegen fehlender Vergleichsangebote nichtig.

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Gegenüber der Widerspruchsbehörde wies der Beklagte u.a. darauf hin, dass das NLÖ „wegen der Dringlichkeit des Vorhabens in beiden Fällen“ um fachliche Unterstützung gebeten worden sei.

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Mit Bescheid vom 20. Februar 2001 wies die Bezirksregierung Weser-Ems die Widersprüche der Klägerin zurück und führte u.a. aus: Für die Erhebung von Auslagen sei § 13 NVwKostG maßgebend. Das Nds. Umweltministerium habe mit Erlass vom 28. Juli 1999 die Gewerbeaufsichtsverwaltung angewiesen, dass das NLÖ bei der Auftragserteilung um Ermittlung und Mitteilung des Aufwands einschließlich der ggf. Dritten gegenüber verauslagten Aufwendungen zu bitten sei, wenn es im Rahmen von Genehmigungs- und Überwachungsverfahren sowie anderen Maßnahmen, bei denen Kosten von Dritten erhoben werden könnten bzw. eine Kostenerhebung in Betracht kommen könnte, als sachverständige Stelle eingeschaltet werde. Dieser Aufwand sei nach § 13 Abs. 1 NVwKostG gegenüber dem Kostenpflichtigen als Auslage geltend zu machen. Diese Verfahrensweise beruhe auf dem Grundgedanken, dass das NLÖ in diesen Fällen ähnlich wie private Dienstleister (z.B. der TÜV) Leistungen erbringe, die mit der zu erhebenden Gebühr nicht abgegolten werden würden. Das NLÖ sei im Rahmen des Anzeigeverfahrens nach § 15 BImSchG als sachverständige Stelle eingeschaltet worden und habe dem Beklagten die ihm entstandenen Kosten für die Beratungen zum Sicherheitskonzept und für die Unterstützung bei der sicherheitstechnischen Abnahme mitgeteilt. Die Berücksichtigung der Kosten des NLÖ in den Kostenfestsetzungsbescheiden des Beklagten sei daher sachgerecht und erforderlich.

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Am 12. März 2001 hat die Klägerin insoweit Klage gegen die Kostenfestsetzungsbescheide des Beklagten erhoben.

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Zur Begründung ihrer Klage macht sie geltend: Als Anspruchsgrundlage für die Kostenfestsetzungsbescheide komme ausschließlich § 13 NVwKostG in Betracht. Voraussetzung sei demnach, dass es sich bei den angefochtenen Beträgen um „notwendige“ Auslagen handele. Hieran bestünden schon deshalb Zweifel, weil in der Vergangenheit derartige Auslagen nie erhoben worden seien. Bei dem Beklagten handele es sich um eine technische Fachbehörde mit hohem Sachverstand, der auch aus diesem Grunde die Zuständigkeit für das vorliegende Verfahren übertragen worden sei. Insoweit sei die Einschaltung weiterer Behörden, die keinen andersgearteten Untersuchungsgegenstand prüfen würden, dem Beklagten natürlich unbenommen, aber wohl kaum geeignet, weitere Kosten auszulösen. Die Tätigkeit des Beklagten sei mit den Gebühren abschließend abgegolten. Im Übrigen wäre auch bei unterstellter Notwendigkeit der Einschaltung des NLÖ zwischen der Beratung zum Sicherheitskonzept und der Abnahme als solcher zu differenzieren. Letztere dürfte jedenfalls nach vorausgegangener sachverständiger Beratung kaum noch die Einschaltung des NLÖ erforderlich gemacht haben. Obwohl die grundsätzliche Klärung im Vordergrund stehe, sei auch die Angemessenheit der geltend gemachten Stunden und Stundensätze zu überprüfen. Im Übrigen stelle die nunmehrige fiskalische Auslegung des Auslagenbegriffs sozusagen eine einseitige Veränderung der Geschäftsgrundlage dar. Sachgerechterweise seien mit den Auslagen nach § 13 NVwKostG solche Aufwandspositionen zu erfassen, die durch außenstehende Sachverständige entstünden.

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Die Klägerin beantragt,

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die Kostenfestsetzungsbescheide des Beklagten vom 6. Oktober 2000 und 9. Oktober 2000, soweit sie Auslagen des Nds. Landesamtes für Ökologie in Höhe von 1.107,-- und 676,50 DM festsetzen und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 20. Februar 2001 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt sinngemäß,

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die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor: Die allgemeine Gebührenordnung enthalte für den vorliegenden Sachverhalt unter der lfd. Nr. 44.1.7.1 (Prüfung einer Anzeige nach § 15 BImSchG bei Änderung der Betriebsweise) sowie unter der lfd. Nr. 44.1.26.1.1 (eintägige Abnahmeprüfung bei Anlagen, die uneingeschränkt der 12. BImSchV unterliegen) entsprechende Gebührentatbestände. Für die Erhebung von Auslagen gelte § 13 NVwKostG. Da die Vorgaben für die Geltendmachung von Auslagen des NLÖ erstmalig durch den Erlass vom 28. Juli 1999 eingeführt worden sei, sei der Beklagte gehalten gewesen, bei den besagten Kostenbescheiden entsprechend zu verfahren. Insofern seien die Ausführungen der Klägerin, dass diese Auslagen in der Vergangenheit nicht erhoben worden seien, zutreffend. Die Heranziehung von zusätzlichem Sachverstand zur Beurteilung des im Rahmen der Anzeige vorgelegten Sicherheitskonzeptes sowie zur nachfolgenden Abnahmeprüfung sei aufgrund der sehr komplexen sicherheitstechnischen Fragestellungen - insbesondere auch im Hinblick auf den Explosionsschutz der Anlage - als erforderlich erachtet worden. Da dem Sachverständigen des NLÖ die Anlagen und die Sicherheitsphilosophie der Klägerin bereits aus früheren Verfahren bekannt gewesen sei, sei es sinnvoll gewesen, diesen zur Unterstützung des Beklagten einzuschalten. Dies sei letztlich auch vor dem Hintergrund geschehen, dass das NLÖ für die Gewerbeaufsicht die Funktion eines sog. Obergutachters wahrnehme und somit die erforderlichen Fachkenntnisse vorausgesetzt werden könnten.

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Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kostenfestsetzungsbescheide des Beklagten vom 6. Oktober und 9. Oktober 2000 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 20. Februar 2001 sind hinsichtlich der geltend gemachten Auslagen des NLÖ in Höhe von 1.107,-- DM und 676,50 DM rechtmäßig.

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Maßgebliche Norm für die Festsetzung der Auslagen des NLÖ durch den Beklagten ist § 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Lit. f) NVwKostG. Danach hat der Kostenschuldner, selbst wenn die Amtshandlung gebührenfrei ist, Auslagen zu erstatten, wenn sie bei der Vorbereitung oder bei der Vornahme einer Amtshandlung notwendig werden (§ 13 Abs. 1 S. 1 NVwKostG). Nach Satz 2 der genannten Norm hat der Kostenschuldner Auslagen auch dann zu erstatten, wenn sie - wie hier - bei einer anderen am Verfahren beteiligten Behörde entstanden sind. Der Auslagenkatalog des Abs. 2 stellt die wesentlichen Fallgruppen erstattungsfähiger besonderer Auslagen zusammen, wobei aber bereits nach dem Wortlaut deutlich wird, dass weitere Auslagentypen in Betracht zu ziehen sind („insbesondere“). Ebenso wie bei der Gebühr ist die Behörde grundsätzlich verpflichtet, entstandene Auslagen zu erheben. Im Gegensatz zur Gebühr, deren Auferlegung in aller Regel eine die Gebührenpflicht begründende Rechtsverordnung (Gebührenordnung) voraussetzt, besteht die Pflicht, den Auslagenschuldner zur Erstattung der Aufwendungen heranzuziehen, unmittelbar kraft Gesetzes (§ 13 Abs. 1 S. 1 NVwKostG). Nach dem Wortlaut darf eine Auslagenerstattung gefordert werden, wenn die Aufwendungen „bei der Vorbereitung“ oder „bei der Vornahme“ einer Amtshandlung notwendig waren. Überflüssigen und der Bedeutung und Dringlichkeit nach unangemessenen Aufwand trägt demgegenüber die Behörde selbst (vgl. Loeser, Kommentar zum NVwKostG, in: Praxis der Gemeindeverwaltung, Stand: Januar 1999, § 13 Nr. 2 c m.w.N.). Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

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Der Beklagte war zur Festsetzung der beim NLÖ entstandenen Auslagen zuständig, weil es grundsätzlich unzulässig ist, bei einem Dritten entstandene Aufwendungen unmittelbar auf einen Beteiligten abzuwälzen (Loeser, aaO., § 13 Nr. 6 a m.w.N.). Eine besondere Vorschrift, wonach der Bürger die Auslagen im Verhältnis zum eingeschalteten Sachverständigen selbst trägt (z. B. das medizinisch-psychologische Gutachten im Fahrerlaubnisrecht) besteht vorliegend nicht.

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Die „Zuarbeit“ des Mitarbeiters des NLÖ ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht kostenfrei. Mit Erlass vom 28. Juli 1999 (Durchführung des Verwaltungskostenrechts in der staatlichen Gewerbeaufsichts- und Abfallwirtschaftsverwaltung) wurden nämlich die zuständigen Behörden angewiesen, u.a. Aufwendungen des als sachverständige Stelle eingeschalteten NLÖ gegenüber dem Kostenpflichtigen gem. § 13 Abs. 1 NVwKostG als Auslagen geltend zu machen. Hieraus folgt, dass - entgegen der von der Klägerin vertretene Ansicht - mit den durch den Beklagten festgesetzten, nicht angefochtenen (eigenen) Gebühren, die Auslagen des NLÖ nicht abgegolten sind. Denn eine Erhöhung der vom Beklagten zu erhebenden Gebühr für den Fall, dass eine andere Behörde beteiligt wird, ist nach den Nrn. 44.1.7.1 und 44.1.26.1.1 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung - AllGO) nicht vorgesehen.

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Die durch den Beklagten in den Kostenfestsetzungsbescheiden geltend gemachten Auslagen des NLÖ waren sowohl im Anzeigeverfahren nach § 15 BImSchG bei der (beabsichtigten) Änderung der Betriebsweise als auch bei der eintägigen sicherheitstechnischen Überprüfung (Abnahmeprüfung) am 28. September 2000 als notwendig anzusehen. Nach den Ausführungen des Beklagten gegenüber der Widerspruchsbehörde und in der Klageerwiderung vom 23. April 2001 durfte sie die Einschaltung des NLÖ als sachverständige Stelle bei einer ex-ante-Betrachtung für erforderlich ansehen. Hiernach hat der Beklagte das NLÖ wegen der Dringlichkeit des Vorhabens und der Komplexität des Sachverhalts in beiden Fällen eingeschaltet. Dies ist nach Ansicht der Kammer unter Berücksichtigung des im damaligen Verfahren zur Verfügung stehenden Zeitfensters (15. 9.2000 (Beginn der Beratungen über das Sicherheitskonzept) bis 2.10.2000 (Anfahren der Anlage in geänderter Betriebsweise)) nachvollziehbar mit der Folge, dass es sich bereits hiernach um notwendige Auslagen i.S.d. § 13 Abs. 1 S. 1 NVwKostG handelt(e). Hinzu kommt, dass die Betriebsanlagen der Klägerin - unstreitig - der Störfall-Verordnung - 12. BImSchV - unterliegen. Auch hiernach durfte der Beklagte die Einschaltung des NLÖ sowohl bei den Beratungen des Sicherheitskonzeptes als auch bei der sicherheitstechnischen Überprüfung für notwendig erachten. Der Anwendungsbereich der StörfallVO bezieht sich nämlich auf Anlagen, die zusätzlich zu ihrer Genehmigungsbedürftigkeit eine weitergehende Gefährlichkeit durch den Umgang mit bestimmten Gefahrstoffen aufweisen (§ 1 StörfallVO).

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Der Beklagte war - auch wegen der im September 2000 unmittelbar bevorstehenden Änderung der Betriebsweise - nicht verpflichtet, Vergleichsangebote anderer Behörden oder anderer privater Stellen einzuholen. § 15 BImSchG enthält zur Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit der angezeigten Änderungen zwar keine verfahrensrechtlichen Vorgaben. Die Einschaltung anderer Behörden ist - auch unter Berücksichtigung von § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 24 VwVfG - aber nicht ausgeschlossen und kann - wie hier - zweckmäßig sein, um eine Verzögerung des Prüfungsverfahrens zu verhindern (vgl. hierzu: Hansmann in: Landmann/Rohmer, Kommentar zum BImSchG, Band I, Stand: August 2002, § 15 Rdnr. 35).

22

Nach alledem lagen die Voraussetzungen für die Festsetzung der beim NLÖ entstandenen Auslagen durch den Beklagten vor.

23

Nach dem Vorbringen der Klägerin und unter Berücksichtigung des Verwaltungsvorgangs des Beklagten liegen auch keine Anzeichen dafür vor, dass die seitens des NLÖ in Ansatz gebrachten Zeiteinheiten (eine Zeiteinheit = ? Stunde) für die Beratung zum Sicherheitskonzept und die sicherheitstechnische Abnahmeprüfung und die (Halb-) stundensätze in Höhe von 61,50 DM unangemessen hoch gewesen wären. Abgesehen davon, dass die Klägerin selbst eine unzulässige „Preistreiberei“ durch den Beklagten nicht behauptet, zeigt ein Vergleich zum Halbstundensatz des Beklagten in Höhe von 74,50 DM, dass die Dienstleistung des NLÖ im Vergleich zum Beklagten günstiger war.