Amtsgericht Hannover
Urt. v. 20.12.2006, Az.: 554 C 10825/06

Bibliographie

Gericht
AG Hannover
Datum
20.12.2006
Aktenzeichen
554 C 10825/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 45057
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGHANNO:2006:1220.554C10825.06.0A

Fundstelle

  • RRa 2007, 176-177 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit

...

wegen Schadensersatz und Schmerzensgeld

hat das Amtsgericht Hannover Abt. 554

im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 mit Schriftsatzfrist bis zum 8.12.2006 durch die Richterin am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Mit der am 1.9.2006 der Beklagten zugestellten Klage begehren die Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld in Folge eines Unfalls, den die Klägerin zu 3. erlitten hat.

2

Die Kläger zu 1. und 2. hielten sich auf Grund Reisevertrages mit der Beklagten in der Zeit vom 16.8. - 2.9.2003 zusammen mit ihrer am geborenen Tochter, der Klägerin zu 3., und deren Bruder im ... auf der Insel Fuerteventura auf.

3

Am Abend des 19.8.2003 befand sich die damals vier Jahre alte Klägerin zu 3. in einer beaufsichtigten Kinderspielgruppe in der Clubanlage. Sie stürzte und brach sich den rechten Arm. Nähere Aufklärung über den Hergang des Unfalls konnten die Eltern in der Folge nicht erlangen, insbesondere nicht von den zuständigen Aufsichtspersonen.

4

Die Klägerin zu 3. wurde mehrfach mit einem Taxi ins Krankenhaus gefahren; der Arm wurde mit Gips versorgt und das Kind erhielt Schmerzmittel. Die Eltern nahmen eine Umbuchung in ein größeres teureres Zimmer vor.

5

Am 1.9.2003 bestätigte eine Mitarbeiterin der Rezeption des Clubs schriftlich, dass der Unfall von ... der Versicherung des Clubs gemeldet worden sei (Bl. 24 d.A.). Mit Anwaltsschreiben vom 23.9.2003 (Bl. 25 d.A.), welches bei der Beklagten am 24.9.2003 einging, meldeten die Kläger Schadensersatzansprüche dem Grunde nach bei der Beklagten an. Diese lehnte mit Schreiben vom 16.10.2003, beim Klägervertreter eingegangen am 22.10.2003, eine Haftung ab, weil der Unfall dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen sei. Nachdem die Korrespondenz des Klägervertreters mit dem Club (Telefaxschreiben des Clubs vom 24.12.2003, Bl. 37 d.A. und 29.12.2003, Bl. 38 d.A.) und mit der Haftpflichtversicherung des Clubs nicht zu dem begehrten Anerkenntnis der Haftpflicht dem Grunde nach geführt hatte, wandte sich der Klägervertreter erneut an die Beklagte, welche mit Schreiben vom 10.6.2005 (Bl. 45 d.A.) bei ihrer Auffassung blieb, dass eine Haftpflicht der Beklagten nicht bestehe. Dies wiederholte die Beklagte auch mit Schreiben vom 9.8.2006 (Bl. 51 d.A.), in welchem sie ferner mitteilte, dass sie auf die Einrede der Verjährung nicht verzichten werde.

6

Die Kläger sind der Auffassung, dass die Beklagte sowohl unter dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung als auch deliktisch zu haften habe, weil von einer der Beklagten zurechenbaren Aufsichtspflichtverletzung bzw. von einer Verletzung der eigenen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten auszugehen sei. Dass die Beklagte es offensichtlich pflichtwidrig unterlassen habe, Richtlinien oder Arbeitsanweisungen für die Kinderbetreuung auszugeben, zeige sich schon daran, dass es keine Unfalldokumentation gegeben habe und die Eltern der Klägerin zu 3. auch auf Nachfrage nicht darüber hätten informiert werden können, wie es zu dem Armbruch gekommen sei. Man habe den Eltern lediglich sagen können, dass das Kind möglicherweise in einem unbeaufsichtigten Moment auf ein Klettergerüst geklettert und von dort herab gefallen sei. Eine Aufsichtspflichtverletzung des Personals sei damit offensichtlich.

7

Die Kläger verlangen Ersatz von Transportkosten (insgesamt 162,36 €), Heilbehandlungskosten (insgesamt 601,92 €) und Umbuchungskosten (297,- €). Die Buchung eines größeren Zimmers sei erforderlich gewesen, damit die Klägerin zu 3. mit ihrem Gips habe ordnungsgemäß habe gelagert werden können.

8

Ferner machen die Kläger für die Beklagte zu 3. ein Schmerzensgeld in Höhe von ... 1 500,- € geltend. Wegen der geltend gemachten Einzelpositionen und der Begründung zur Höhe des Schmerzensgeldes wird auf die Seiten 8-10 der Klageschrift (Bl. 18-20 d.A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

9

Die Kläger sind der Ansicht, dass die Verjährung der vertraglichen Ansprüche so lange gehemmt gewesen sei, wie Verhandlungen, auch mit dem ..., der ein auf die Beklagte hinweisendes Briefpapier verwandt habe, und dessen Haftpflichtversicherung stattgefunden hätten. Diese Verhandlungen müsse sich die Beklagte wie eigene zurechnen lassen. Ein Ende der Verjährungshemmung sei erst durch das Schreiben der Beklagten vom 10.6.2005 herbeigeführt worden. Die Reisebedingungen der Beklagten seien nicht Vertragsinhalt geworden und im Übrigen seien sie wegen Halbierung der gesetzlich vorgesehenen Verjährung unwirksam.

10

Die Kinderanimateure seien als Verrichtungsgehilfen der Beklagten anzusehen und bezüglich der eigenen Pflichtverletzung durch die Beklagte greife eine Beweislastumkehr, weil sich der Unfall im Herrschaftsbereich der Beklagten ereignet habe.

11

Die Kläger beantragen:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) und 2) einen Betrag in Höhe von 1 061,28 € Schadenersatz zu bezahlen zuzüglich 5% Punkte über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift. Weiterhin einen Betrag zur Abgeltung der unnötig aufgewendeten Urlaubszeit sowie der entgangenen Urlaubsfreude nach Ermessen des Gerichts.

  2. 2.

    Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, Schmerzensgeld für den Unfall sowie für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit und entgangene Urlaubsfreude in Höhe von 1 500,- € zuzüglich 5% Punkte über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift an die Klägerin zu 3) zu Händen der Kläger zu 1) und 2) zu bezahlen.

12

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

13

Bezüglich der vertraglichen Ansprüche erhebt sie die Einrede der Verjährung und errechnet auf der Grundlage der einjährigen Verjährungsfrist gemäß ihren Reisebedingungen den 13.11.2004 als Datum des Eintritts der Verjährung. Weiter weist die Beklagte daraufhin, dass Verjährung auch unter Zugrundelegung der zweijährigen Verjährung gem. § 651g Abs. 2 BGB eingetreten sei.

14

Deliktische Ansprüche bestehen nach Auffassung der Beklagten nicht. Die bei dem Leistungsträger (... Club GmbH) angestellten Kinderanimateure seien nicht Verrichtungsgehilfen der Beklagten. Weisungsgebundenheit bestehe nicht. Eine Haftung der Beklagten für evtl. Fehlverhalten der Animateure bestehe daher nicht. Es sei aber auch kein Mitarbeiterverschulden dargelegt oder ersichtlich. Zum einen müsse bedacht werden, dass es sich bei dem sogenannten ... Club für 3-6 jährige Kinder nicht um einen Kindergarten handele, sondern um einen offenen Treffpunkt. Die Kinder würden durch die Animateure beschäftigt, am Verlassen des Geländes sowie an besonders gefährdenden Betätigungen gehindert. Im Übrigen könnten sich die Kinder frei bewegen und die vorhandenen Spielgeräte benutzen. Ein persönlicher Aufpasser für jedes Kind sei nicht geschuldet gewesen. Die Klägerin zu 3. habe nicht auffällig Gefährliches getan; sie sei schlicht beim Spielen gestützt, wie es auch im Kindergarten, auf dem Spielplatz oder an anderer Stelle sogar trotz Vorhandenseins von Einzelbetreuern oder in Gegenwart eines Elternteils geschehen könne.

15

Eigene Pflichten habe die Beklagte ebenfalls nicht verletzt. Klägerischer Vortrag zur Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder zum Auswahl- oder Kontrollverschulden fehle im Übrigen. Vorsorglich werde aber darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter des zur Spitzengruppe in der Touristikbranche zählten, vom Club sorgfältig ausgewählt und überwacht und von der Reiseleitung der Beklagten mehrfach im Monat besucht und während der Arbeit im Kinderclub beobachtet würden. Fehlverhalten oder Scherheitsrisiken seien nie zu Tage getreten. Die Klägerseite habe nicht - wie es ihr obliege - dargelegt und bewiesen, dass der Eintritt des schädigendes Ereignisses bei pflichtgemäßem Handeln mit Sicherheit vermieden worden wäre.

16

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und Weiteren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist nicht begründet. Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche stehen den Klägern weder unter dem Gesichtspunkt der reisevertraglichen noch der deliktischen Haftung zu.

18

Vertragliche Ansprüche sind verjährt. Auch wenn man die zweijährige gesetzliche Verjährungsfrist des § 651g Abs. 2 BGB, welche mit dem Ende der Reise (2.9.2003) beginnt, zugrundelegt, war bei Klageerhebung im September 2006 Verjährung eingetreten. Eine Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen der Parteien gem. §§ 203, 209 BGB war lediglich in der Zeit zwischen dem Zugang des Anspruchsschreibens des Klägervertreters vom 23.9.2003 (24.9.2003) und dem Zugang des Antwortschreibens der Beklagten vom 16.10.2003 (22.10.2003) eingetreten (29 Tage), so dass Verjährung im September 2005 eingetreten war.

19

Die Zeit der Hemmung war mit der Anspruchszurückweisung der Beklagten im Schreiben vom 16.10.2003 beendet, weil sich die Beklagte danach, nämlich in ihren Schreiben vom 10.6.2005 und 9.8.2006 nicht mehr auf Verhandlungen mit dem Klägervertreter eingelassen hat, sondern nur auf ihren bereits geäußerten Standpunkt fehlender Haftpflicht verwiesen hat. Die Korrespondenz mit dem Leistungsträger der Beklagten und dessen Haftpflichtversicherer ist weder objektiv noch aus der Sicht der Kläger als ein Verhandeln mit der Beklagten anzusehen. Aus der Verwendung eines Briefpapiers durch den Clubdirektor mit dem Aufdruck "..." folgt eine solche Zurechnung nicht. Denn bereits in seinem ersten Anspruchsschreiben vom 23.9.2003 hatte der Klägervertreter seiner Ansicht Ausdruck gegeben, dass die Regulierung über die Beklagte als Reiseveranstalter zu erfolgen habe und eine Meldung unmittelbar an den ... in Fuerteventura nicht notwendig sei. Die Beklagte hatte daraufhin ihre Anspruchszurückweisung bezüglich ihrer eigenen Haftung vom 16.10.03 mit der Information verbunden, dass sie das Anspruchsschreiben an die Clubdirektion mit der Bitte weitergeleitet habe, dass sich diese oder deren Haftpflichtversicherung direkt mit dem Klägervertreter in Verbindung setzen möge. Danach konnte bei dem Kläger nicht der Eindruck entstehen, es handele sich bei der weiteren Korrespondenz mit dem Club und dessen Versicherer um solche, die der Beklagten zurechenbar wäre. Es bleibt daher bei dem Ende der Verjährungshemmung mit Zugang der ersten Anspruchszurückweisung durch die Beklagte, so dass vertragliche Ansprüche vorliegend ausscheiden, weil die Erhebung der Verjährungseinrede gem. § 214 Abs. 1 BGB etwa bestehenden Ansprüchen die Durchsetzbarkeit nimmt.

20

Deliktische Ansprüche aus § 831 BGB gegen die Beklagte wegen Fehlverhaltens der Kinderanimateure oder der Clubleitung bestehen nicht, weil die genannten Personen nicht Verrichtungsgehilfen der Beklagten sind. Es handelt sich nicht um eigenes Personal der Beklagten. Es fehlt an der für die Einordnung als Verrichtungsgehilfen notwendigen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit der Clubleitung und deren Animateuren (vgl. Palandt - Sprau, BGB, 65. Auflg., § 831 Rnz. 28 m.w.N.).

21

Ein eigenes Verschulden der Beklagten, welches zu einer Haftung aus § 823 BGB führen könnte, ist nicht dargetan und nicht bewiesen.

22

Die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung der Überwachungspflicht der Beklagten bezüglich der Spielgeräte und bezüglich des Einsatzes zuverlässigen Aufsichtspersonals sowie für die haftungsbegründende Kausalität liegt bei den Klägern. Eine Beweislastumkehr findet nicht statt, weil die vorliegende Konstellation nicht zu den Fallgruppen gehört, für welche die Rechtsprechung ausnahmsweise eine Beweislastumkehr entwickelt hat. Eine allgemeine Beweislastumkehr des Inhalts, dass sich die Beweislast nach Einflussbereichen verteilt, ist nicht anerkannt.

23

Den Klägern steht auch kein Anscheinsbeweis zur Seite. Denn vorliegend kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung von dem Armbruch der Klägerin zu 3. weder auf ein defektes oder ungeeignetes Spielgerät und eine entsprechend nachlässige Überprüfung durch die Beklagte noch auf eine Aufsichtspflichtverletzung des eingesetzten Personals, welche die Beklagte hätte erkennen können und müssen, geschlossen werden. Als Feststehend kann vorliegend zwar angesehen werden, dass der Sturz der Klägerin zu 3. von dem Aufsichtspersonal nicht beobachtet wurde, das Kind mithin im Unfallzeitpunkt nicht konkret mit Aufmerksamkeit durch die Animateure bedacht wurde. Aber auch daraus lässt sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht auf eine Pflichtverletzung des Aufsichtspersonals und erst Recht nicht auf eine Pflichtverletzung der Beklagten bei der Überprüfung der Kompetenz und Zuverlässigkeit des vom Leistungsträger eingesetzten Personals schließen. Denn zum einen können Unfälle wie der vorliegende auch unter der - von der Beklagten im Übrigen nicht geschuldeten - Einzelaufsicht eines Betreuers oder auch eines Elternteils geschehen, so dass der Rückschluss auf eine Aufsichtspflichtverletzung unzulässig ist. Zum anderen gibt es einen Erfahrungssatz zu Lasten der Beklagten selbst dann nicht, wenn von einer vermeidbaren Unaufmerksamkeit der Animateure im Unfallzeitpunkt auszugehen wäre. Denn es lässt sich aus der einmaligen Unaufmerksamkeit nicht auf ein ständiges Fehlverhalten und dementsprechend auf mangelnde Eignung der Animateure schließen. Auch ordnungsgemäße Überwachungstätigkeit durch die Beklagte konnte daher den Unfall nicht verhindern. Eine Beweiserleichterung für die Kläger zu Lasten der Beklagten auf Grund von Erfahrungssätzen greift mithin nicht.

24

Es bleibt somit bei der Darlegung- und Beweislast der Kläger für eine Pflichtverletzung der Beklagten. Dieser konnten die Kläger nicht genügen. Soweit dies auf die mangelnde Information durch die Beklagte über den Unfallhergang zurückzuführen ist, kann daraus zu Gunsten der Kläger nichts hergeleitet werden. Anhaltspunkte für gezielte Beweisvereitelung bestehen nicht. Es handelt sich vielmehr um einen unaufklärbaren Vorgang, bei dem die Unaufklärbarkeit nach der gesetzlichen Verteilung der Vortrags- und Beweislast zu Lasten der Kläger geht.

25

Die Klage war daher mit der Kostenfolge gem. § 91 ZPO abzuweisen. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.