Amtsgericht Hannover
Urt. v. 27.06.2006, Az.: 555 C 1325/06
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 27.06.2006
- Aktenzeichen
- 555 C 1325/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 45062
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2006:0627.555C1325.06.0A
In dem Rechtsstreit
wegen Gewährung kostendeckendes Rechtsschutzes
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 555 - auf die mündliche Verhandlung vom 07.06.2006 durch die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für einen Rechtsstreit gegen die, mit dem der Kläger Schadenersatzansprüche aus Prospekthaftung, die aus einem unvollständigen Prospekt resultieren, geltend machen will, kostendeckenden Rechtsschutz zu gewähren hat.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt kostendeckenden Rechtsschutz für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen die ....
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung. Gegenstand des Versicherungsvertrages ist der Privat-, Berufs- und Verkehrsrechtsschutz für Nichtselbständige nach § 28 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen.
Im Mai 2005 beteiligte sich der Kläger an ... als Kommanditist mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 15.000,00 Euro. Geschäftszweck der ... war der Erwerb von Anteilen der ..., die das als Inhaberin eines Erbbaurechts seit Mai 1995 "auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung baulich zu erweitern begann". Die ... war konzipiert als Publikumskommanditgesellschaft, an der sich Kapitalanleger beteiligen konnten. Initiatorin der Fondsgesellschaft und Herausgeberin des Emissionsprospektes war die ..., eine Gesellschaft des .... Ausweislich Seite 16 des Emissionsprospektes beteiligte sich der Kläger als Anleger mittelbar am .... Ausweislich Seite 19 des Prospektes hat die ... Finanzierungskosten des ... einschließlich des Fremdkapitaldienstes sowie die Ausschüttungen an die Gesellschafter der ... bzw. mittelbar an die Gesellschafter der ... im Rahmen der Mietzinsverpflichtung zu tragen. Weiter wurde im Emissionsprospekt darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Fußballverein ... als dem einzigen börsennotierten Fußballunternehmen in Deutschland um ein wirtschaftlich stabiles Unternehmen handele. Da die Vermietung des auszubauenden Stadions an dieses Unternehmen erfolge, sei mit einer Vollamortisierung der Gesamtfinanzierung des Um- und Ausbaus bis zum 31.12.2017 zu rechnen (Seite 19 des Emissionsprospektes). Die Anleger sollten neben der fest vereinbarten Ausschüttung eine erfolgsabhängige Ausschüttung erhalten, für deren Höhe die Anzahl der ausgetragenen Heimspiele von ... maßgeblich sein sollte (Seite 23 des Prospektes). Weiterhin hatten die ... und ... einen Vertrag geschlossen, wonach das Fußballunternehmen mit der technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Betreuung des Ausbaus der dritten Ausbaustufe des Stadions beauftragt wurde (Seite 23 des Prospektes). Die ... hatte zur Finanzierung des Stadions sowie seiner drei Ausbaustufen mit verschiedenen Banken Darlehensverträge geschlossen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Emissionsprospektes wird auf die der Klageerwiderung beigefügte Ablichtung (Blatt 50 bis 116 der Akten) Bezug genommen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.07.2005 bat der Kläger die Beklagte um Erteilung einer Deckungszusage für eine Auseinandersetzung mit ... und fügte diesem Schreiben einen Klageentwurf bei. Darin machte der Kläger Schadenersatzansprüche aus Prospekthaftung gegen die ... geltend und begründete dies mit falschen Angaben zur Bonität des Unternehmens in dem Emissionsprospekt. Entgegen den Tatsachen sei darin der Eindruck erweckt worden, es handele sich um ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen, wodurch der Kläger zur Beteiligung an der Fondsgesellschaft bewegt worden sei, was zu finanziellen Einbußen und entgangenem Gewinn geführt habe.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Klageentwurfes wird auf die der Klageschrift beigefügte Ablichtung (Blatt 9 bis 24 der Akten) verwiesen.
Die Beklagte lehnte die gewünschte Rechtsschutzzusage unter Berufung auf die "Baurisikoausschlussklausel" des § 3 Abs. 1 d), cc) und dd) ARB-HRV 94 ab.
§ 3 Abs. 1 d ARVB 94 lautet:
"Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
(1) in ursächlichem Zusammenhang mit
...
d)
cc) der genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles, das sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben beabsichtigt,
dd) der Finanzierung eines der unter aa) bis cc) genannten Vorhaben."
Der Kläger ist der Auffassung, der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 1 d), cc) und dd) ARB-HRV 94 sei vorliegend nicht anwendbar. Der Kläger habe die Fondsanteile aufgrund eines unvollständigen Prospektes erworben. Dieser Umstand stelle kein spezifisches Baurisiko, sondern ein Erwerbsrisiko dar, welches nicht unter den Ausschlussgrund falle. Im Übrigen habe der Kläger die Beteiligung auch nicht durch eine Darlehensaufnahme finanziert. Auch fehle es an einem ursächlichen Zusammenhang, wie er in § 3 Abs. 1 ARB 94 vorausgesetzt werde. Die Baurisikoausschlussklausel greife vielmehr nur dann, wenn sich das typische Baurisiko verwirklicht habe, wenn also die typischerweise mit der Planung oder Errichtung eines Gebäudes verbundenen Unwägbarkeiten zum Rechtsstreit geführt hätten. Dieses typische Baurisiko aber habe sich vorliegend nicht verwirklicht.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für einen Rechtsstreit gegen die ..., mit dem der Kläger Schadenersatzansprüche aus Prospekthaftung, die aus einem unvollständigen Prospekt resultieren, geltend machen will, kostendeckenden Rechtsschutz zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Auseinandersetzung, für die der Kläger Versicherungsschutz verlange, stehe im ursächlichen Zusammenhang mit der genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines Gebäudes, das sich im Miteigentum des Klägers befinde. Außerdem stehe die Streitigkeit im ursächlichen Zusammenhang mit der Finanzierung der genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung dieses Gebäudes.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus Anlass des in Rede stehenden Rechtsschutzfalles aufgrund des zwischen den Parteien unter Nr. ... geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages zu.
Der Eintrittspflicht der Beklagten steht der Ausschlusstatbestand des Baurisikos gemäß § 3 Abs. 1 d) ARB 94 nicht entgegen.
Denn die beabsichtigte Streitigkeit steht nicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Baumaßnahme. Sie stellt keine Verwirklichung eines typischen Baurisikos, welche Voraussetzung für eine Anwendung der Baurisikoausschlussklausel ist, dar.
Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Streitigkeit und Bauvorhaben, wie dies in § 4 Abs. 1 k) ARB 75 ursprünglich Voraussetzung war, nicht mehr verlangt wird, sondern nunmehr jeder sachliche Zusammenhang mit einer der in § 3 Abs. 1 aa) bis dd) ARB genannten Maßnahmen genügt. Nach richtiger Auffassung kann dies jedoch nicht dazu führen, dass nunmehr alle Streitigkeiten vom Rechtsschutz ausgenommen sind, die sich aus dem Erwerb eines neu errichteten oder - wie im vorliegenden Fall - auszubauenden Gebäudes oder Gebäudeteils ergeben können. Insbesondere Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Immobilienfonds, die noch vom vertraglich zugesagten Rechtsschutz umfasst wären, wären danach kaum noch vorstellbar. Eine derart weite Auslegung ist weder für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nachvollziehbar, noch erfordert der Zweck dieser Klausel eine derart weite Auslegung.
So dient die Klausel dem Schutz des Versicherers. Erfahrungsgemäß gehen mit Baumaßnahmen aller Art und den sie begleitenden Vorgängern häufig rechtliche Auseinandersetzungen einher, wobei das dabei entstehende Kostenrisiko für den Versicherer nur schwer überschaubar und kaum kalkulierbar ist. Diesem Sinn und Zweck der Klausel aber wird genüge getan - ohne auf der anderen Seite den Versicherungsnehmer unangemessen zu benachteiligen - wenn nicht jeder ursächliche Zusammenhang, der sich - wie zweifellos auch vorliegend - "über drei Ecken" konstruieren lässt, ausreichend ist, um die Baurisikoausschlussklausel zur Anwendung zu bringen. Zu fordern ist vielmehr ein "qualifizierter", d.h. zeitlicher und innerer sachlicher Zusammenhang zwischen der beabsichtigten Streitigkeit und dem Risikoausschluss. Es muss sich das typische Baurisiko, also die typischerweise mit der Planung, Errichtung oder auch Finanzierung eines Gebäudes verbundenen Unwägbarkeiten verwirklicht haben. Vorliegend aber führt nicht ein typisches Baurisiko zu der beabsichtigten Klage, sondern vermeintlich falsche Angaben im Emissionsprospekt einer Beteiligungsgesellschaft.
Auch der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 1 d) dd) ARB 94 ist nicht erfüllt, denn im Rahmen des beabsichtigten Rechtsstreites geht es nicht um Fragen der Finanzierung eines Bauvorhabens. Im Übrigen greifen auch insoweit die obigen zu Sinn und Zweck der Baurisikoausschlussklausel gemachten Ausführungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.