Amtsgericht Hannover
Urt. v. 17.10.2006, Az.: 445 C 10306/06
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 17.10.2006
- Aktenzeichen
- 445 C 10306/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 45056
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2006:1017.445C10306.06.0A
Fundstelle
- RRa 2007, 174-175 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
wegen Schadensersatz
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 445
im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO
durch die Richterin am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu träger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, mit der die Klägerin die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Reisevertrag in Anspruch nimmt, ist nicht begründet.
Zwischen den Parteien ist auf Grund der Buchung der Klägerin nach einem Zeitungsinserat, in dem die Beklagte angeboten hat:
"Türkei, Marmaris,
Robirsin-Club Maris
Doppelzimmer, all inclusive, bei Abflug am 08.05. und 15.05.06
ab Stuttgart pro Person ab 699,- €!
ein Reisevertrag - zumindest bis zur Erbringung der wechselseitigen Vertragsleistungen - nicht zustande gekommen, und zwar auf Grund eines offenen Dissenses gemäß § 154 BGB.
Die Klägerin hat entsprechend dem Inserat am 27.03.2006 die Reise telefonisch über das Reisebüros ... am Flughafen Saarbrücken gebucht. Die von der Beklagten übersandte Reisebestätigung vom 27.03.2006 wies allerdings statt all inclusive lediglich Vollpension aus.
Entgegen der Meinung der Klägerin stellt das Inserat der Beklagten kein Vertragsangebot dar, sondern ist vielmehr lediglich eine invitatio ad offerendum ad incertas personas. Dies folgt auch daraus, dass die fragliche Zeitungsanzeige lediglich in knapper Form mit minimalen Angaben nicht die essentialia negotii im Einzelnen angibt. Die Zeitungsanzeige wird regelmäßig durch den Katalog des Reiseunternehmens ergänzt, daher ist es regelmäßig erforderlich, dass dem Kunden, der auf Grund einer Zeitungsanzeige Kontakt zu dem Reiseveranstalter aufnimmt, im vorvertraglichen Stadium ein ordnungsgemäßer Prospekt zur Verfügung gestellt wird bzw. ihm eine ausführliche Reisebestätigung ausgehändigt wird. Selbst der Reisekatalog, den ein Reiseveranstalter herausgibt, ist lediglich eine invitatio ad offerendum, allerdings ist der Prospektinhalt für den Reiseveranstalter verbindlich, sofern die Bindungswirkung nicht durch einen Änderungsvorbehalt im Prospekt ausgeschlossen ist.
Die Buchungsbestätigung der Beklagten vom 27.03.2006 entspricht den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BGB - InfoV -.
Die Buchungsbestätigung vom 27.03.2006, die im Verhältnis zu der Zeitungsanzeige und dem darauf gestützten Vertragsangebot der Klägerin keine all inclusive-Leistung enthielt, sondern lediglich Vollpension ist nach der Rechtsgeschäftslehre gemäß § 150 Abs. 2 BGB als neues Angebot der Beklagten zu werten. Dieses Angebot hat wiederum die Klägerin nicht angenommen. Vielmehr ist zwischen den Parteien über den Leistungsumfang umfangreich korrespondiert worden. Beide Parteien haben jeweils an ihrem Angebot festgehalten, eine Einigung über den Leistungsumfang ist nicht erfolgt. Dies ist der klassische Fall des offenen Dissenses.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass Zahlung der Reise erfolgte, und zwar durch Abbuchung der Anzahlung und des Restreisepreises vom Konto der Klägerin durch die Beklagte. Der Abbuchung der Beklagten liegt aber eine Einverständniserklärung der Klägerin zu Grunde und ist daher als eine von ihr gewollte und erbrachte Zahlung zu werten, zumal die Klägerin ggf. der Abbuchung hätte widersprechen und eine Rückbuchung hätte veranlassen können. Zudem ist die Abbuchung der Anzahlung bereits am 28.03.2006 auf Grund der Reisebestätigung vom 27.03.2006 erfolgt, zu diesem Zeitpunkt war der Beklagten die E-Mail der Klägerin vom 28.03.2006 und das Schreiben vom 29.03.2006, in denen eine Änderung von Vollpension in all inclusive verlangt wurde, noch nicht bekannt.
Die Klägerin, die eine Rückbuchung der Anzahlung nicht vorgenommen hat, hat zudem der von der Beklagten angebotenen kostenlosen Stornierung der Reise widersprochen, sondern vielmehr die weitere Abbuchung des Restreisepreises hingenommen und der Beklagten mitgeteilt:
"Wir weisen darauf hin, dass wir im Falle, dass die Reise nicht wie von unserer Mandantin gebucht, von Ihnen durchgeführt werden sollte, unsere Mandantin nach Reiseabschluss die entstehenden Mehrkosten gegen Sie einklagen wird."
Die Klägerin hat die Reise angetreten und die von der Beklagten angebotenen Reiseleistungen in Anspruch genommen und die Beklagte hat die Reiseleistungen entsprechend ihrer Reisebestätigung vom 27.03.2006 erbracht, obgleich ein wirksamer Reisevertrag bis zum Reiseantritt nicht zustande gekommen war.
Nach Flume (vgl. allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II Das Rechtsgeschäft, § 34 Nr. 6 e) stellt sich die Problematik der Ausführung eines unvollständigen Vertrages wie folgt dar:
"Die Problematik des § 154 verschiebt sich grundsätzlich, sobald im Einverständnis der Parteien ungeachtet der noch ausstehenden Regelung einzelner Nebenpunkte die getroffene - unvollständige - Regelung ganz oder teilweise verwirklicht wird. Durch den bewussten Vollzug des unvollständigen Vertrages bekunden die Vertragspartner die "grundsätzliche" Geltung des Vertrages. Es kommt dann nur noch darauf an, was hinsichtlich der nicht geregelten Nebenpunkte gilt, nicht aber kann einer Kontrahenten an der Nichtregelung der Nebenpunkte noch den - bereits durch den Vollzug in Geltung gesetzten - Vertrag im Ganzen scheitern lassen.
...
Die Frage ist, wie nach teilweiser Ausführung des Vertrages die nicht geregelten Punkte, die vertraglich geregelt werden sollten, zu regeln sind, wenn die Kontrahenden sich darüber nicht einigen. ...
... Die Parteien bekunden durch das einverständliche Ingeltungsetzen des Vertrages, dass der Vertrag an den offen gebliebenen Punkten nicht mehr scheitern soll. Wenn sie sich hinsichtlich der offenen Punkte auch noch nicht inhaltlich binden, sind sie doch insofern auch nicht mehr frei. Vielmahr haben die Vertragspartner durch das Ingeltungsetzen des Vertrages, weil anders diese Geltung nicht aufrechtzuerhalten ist, zugleich inzidenter bekundet, dass sie die noch offenen Punkte in fairer Weise oder in der Terminologie der §§ 315 ff "nach billigem Ermessen" regeln werden. ...
...
Kommen die Vertragspartner nicht zu einer einverständlichen Regelung, so ist dann entsprechend den §§ 315 ff. die Zuständigkeit des Richters zur Ergänzung des Vertrages begründet. Er hat zu entscheiden, welcher Vertragspartner die ihnen beiden abgegebene Bestimmung wirklich "nach billigem Ermessen" getroffen hat oder, wenn die Bestimmung keines der Partner billigem Ermessen entspricht, von sich aus zu entscheiden."
Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass die Beklagte stets darauf hingewiesen hat, dass sie lediglich an ihrem Vertragsangebot und den Umfang der Vertragsleistungen festhalten wird und eine entsprechende Einigung für sie nicht in Betracht kommt. Zwar hat auch die Klägerin ihrerseits auf ihrem Angebot bestanden, und, sofern die Beklagte keine all inclusive-Leistung vor Ort zur Verfügung stellt, sie Schadensersatzansprüche geltend machen werde. Für Schadensersatzansprüche ist aber kein Raum, da die Beklagte entsprechend ihrem Angebot die Reiseleistungen erbracht hat und diese -offensichtlich- auch ihrem Katalog entsprechen. Denn in dem Schreiben vom 04.04.2006 hat sie darauf hingewiesen:
"Einer Gewährung der Verpflegungsleistung all inclusive können wir nicht zustimmen, da diese grundsätzlich nicht im Club angeboten wird."
Dem hat die Klägerin zwar widersprochen unter Hinweis, dass sie bei früheren Aufenthalten in dem Club auch eine all inclusive-Leistung erhalten hätte. Dies ist aber insoweit unerheblich, weil sie nicht dargetan hat, dass in dem für die Reisezeit maßgeblichen Katalog der Beklagten auch eine all inclusive-Leistung in dem Club angeboten wird.
Da die Beklagte entsprechend ihrem Vertragsangebot die Reiseleistungen ordnungsgemäß erbracht hat, die Klägerin diese auch in Anspruch genommen hat, besteht ein Anspruch auf Schadensersatz nicht.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.