Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 19.05.2010, Az.: 1 A 288/08
Anspruch eines Tierarztes gegen die Gemeinde auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag wegen der Vornahme einer Notfallbehandlung eines Fundtiers
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 19.05.2010
- Aktenzeichen
- 1 A 288/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 17171
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2010:0519.1A288.08.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG Niedersachsen - 23.04.2012 - AZ: 11 LB 267/11
- BVerwG - 28.02.2013 - AZ: BVerwG 8 B 60.12
Rechtsgrundlagen
- § 670 BGB
- § 677 BGB
- § 683 BGB
- § 965 BGB
- § 967 BGB
- § 1835 Abs. 3 BGB
Verfahrensgegenstand
Aufwendungsersatzanspruch eines Tierarztes
Amtlicher Leitsatz
Ein Tierarzt, der die Notfallbehandlung eines Fundtiers vornimmt und dieses danach unter Benachrichtigung der Fundbehörde längerfristig unterbringt, kann gegen die Gemeinde einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen als Geschäftsführer ohne Autrag haben.
Aus dem Entscheidungstext
Der Kläger, der als niedergelassener Tierarzt eine Praxis in K. betreibt, verlangt von der Beklagten Ersatz seiner Aufwendungen für die tierärztliche Behandlung und anschließende stationäre Unterbringung einer verletzten Katze.
Die Beklagte schloss zur Sicherstellung der umfassenden Versorgung von Fundtieren im Gemeindegebiet am 23.12.2005 einen Vertrag mit dem Tierschutzverein L. e.V., nach dem der Tierschutzverein verpflichtet ist, alle im Gemeindegebiet aufgefundenen Haustiere unterzubringen, zu versorgen und gegebenenfalls tierärztlich behandeln zu lassen.
Am 26.12.2007 gegen 22.15 Uhr brachte ein Verkehrsteilnehmer eine von ihm im Bereich der Beklagten aufgefundene, offenbar bei einem Anfahrunfall mit unbekannten Beteiligten verletzte Katze in die Praxis des Klägers, der zu diesem Zeitpunkt den tierärztlichen Notdienst versah. Zuvor hatte der Finder gemeinsam mit Anwohnern der mutmaßlichen Unfallstelle vergeblich versucht, in der unmittelbaren Nachbarschaft den Besitzer der Katze zu ermitteln. Ebenfalls erfolglos geblieben war der von einer telefonisch informierten Tierschützerin unternommene Versuch, die Vorsitzende des örtlichen Tierschutzvereins zu informieren. Nachdem sich die daraufhin telefonisch verständigte Polizei wegen eines zeitgleichen Notrufs nicht in der Lage gesehen hatte, den Transport der Katze zu übernehmen, kündigte die Tierschützerin dem Kläger die Anlieferung der Katze telefonisch an. Dabei äußerte sie die Auffassung, dass die Rechnung an den Tierschutzverein zu richten sein werde, da es sich um ein Fundtier handele.
Der Kläger behandelte das Tier, dessen diagnostizierte Verletzungen nach adäquater Versorgung nicht mehr lebensbedrohlich waren. In den Folgetagen unternahm er mehrfach erfolglose Versuche, einen Kontakt zum Tierschutzverein L. herzustellen, um die Abholung der Katze zu veranlassen. Ein Versuch des Klägers, den Eigentümer des Tiers über eine Suchannonce in der örtlichen Tagespresse zu ermitteln, hatte keinen Erfolg.
Daraufhin zeigte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 08.01.2007 (richtig: 2008) die Aufnahme und Behandlung der Katze in seiner Praxis an und forderte sie auf, den Tierschutzverein zur Vermeidung weiterer Kosten umgehend zur Abholung der Katze zu veranlassen. Er wiederholte diese Forderung gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 22.01.2008.
Unterdessen stellte die zuständige M. Niedersachsen r.V. dem Tierschutzverein L. mit Schreiben vom 10.01.2008 die dem Kläger bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Behandlungs- und Unterbringungskosten in Höhe von 610,11 Euro in Rechnung. Mit Schreiben vom 15.02.2008 mahnte die M. diesen Betrag an.
Mit Schreiben vom 14.03.2008 verlangte der Kläger von der Beklagten erneut die Abholung der Katze und die Begleichung der Rechnung. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit Schreiben vom 25.03.2008 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe als ortsansässiger Tierarzt Kenntnis von der örtlichen Situation gehabt und nicht davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte die unverhältnismäßig hohen Aufwendungen für die Behandlung des Tiers erstatten werde.
Nachdem auch weitere von der Tierärztlichen Verrechnungsstelle an den Tierschutzverein L. gerichtete Rechnungen vom 18.03.2008 in Höhe von 657,83 Euro und vom 05.06.2008 in Höhe von 571,24 Euro nicht beglichen worden waren, hat der Kläger am 21.08.2008 Klage erhoben, mit der er den Ersatz seiner Aufwendungen für die Behandlung und Unterbringung der Katze sowie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten von der Beklagten begehrt.
Zur Begründung trägt der Kläger vor, die Gemeinde sei als Fundbehörde zur Entgegennahme, Unterbringung und Versorgung von Fundtieren verpflichtet. Die Katze sei ein solches Fundtier; sie sei nicht herrenlos, was sich aus einer leicht erkennbaren Tätowierung am Ohr ergebe. Im Übrigen sei die Katze äußerlich gepflegt und zutraulich gewesen. Die an der Katze vorgenommene tierärztliche Behandlung sei medizinisch indiziert und verhältnismäßig gewesen. Die Kosten für die anschließende Unterbringung des Tiers habe die Beklagte veranlasst, die die Katze nicht abgeholt habe.
Der Kläger beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.839,18 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2008 zu zahlen,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 186,24 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, sie sei zur Versorgung der Katze bereits deshalb nicht verpflichtet gewesen, weil es sich gerade nicht um ein Fundtier, sondern um ein herrenloses Tier gehandelt habe. ImÜbrigen beruft sie sich hilfsweise darauf, eine etwaige Verpflichtung mit befreiender Wirkung an den Tierschutzverein L. e.V. abgetreten zu haben. In der Vergangenheit habe der Tierschutzverein seine vertraglichen Verpflichtungen stets erfüllt, so dass für die Beklagte keine Veranlassung bestanden habe, sich von dem Vertrag zu lösen und die Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Fundbehörde anderweitig zu organisieren. Auch bestehe keine Verpflichtung aus dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr, da das Ableben eines Tiers ein natürlicher Vorgang sei und regelmäßig keinen menschlichen Eingriff erfordere. Darüber hinaus komme ein Anspruch des Klägers nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag auch deshalb nicht in Betracht, weil die tiermedizinische Versorgung und Unterbringung der Katze nicht dem öffentlichen Interesse entsprochen habe. Grund hierfür seien die in Relation zum Wert des Tiers unverhältnismäßig hohen Heilbehandlungskosten. Angesichts dieses Missverhältnisses hätte einzig eine Euthanasie der Katze veranlasst werden dürfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die als Leistungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist zum weit überwiegenden Teil begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 1.839,18 Euro in analoger Anwendung von §§ 677, 683, 670 BGB.
Die zivilrechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) finden im öffentlichen Recht entsprechende Anwendung, wenn die Erstattung von Aufwendungen für die Wahrnehmung von Aufgaben in Betracht kommt, die an sich zum Tätigkeitsbereich der öffentlichen Verwaltung gehören (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.09.1988 - 4 C 5/86 -, BVerwGE 80, 170). Ein Aufwendungsersatzanspruch analog §§ 677, 683, 670 BGB setzt voraus, dass ein fremdes Geschäft geführt worden ist, das dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Dies ist hier der Fall.
Mit der tiermedizinischen Notfallbehandlung und der anschließenden Unterbringung der Katze in seiner Praxis hat der Kläger ein Geschäft der Beklagten für diese geführt. Das Führen eines fremden Geschäfts ist jede Tätigkeit, die nach ihrem Inhalt, ihrer Natur und/oder ihrem äußeren Erscheinungsbild einem anderen vorbehalten ist, also in einen anderen Rechts- und Interessenkreis als den des Handelnden eingreift (Sprau in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 677 Rn. 2 bis 4). Der Kläger hat eine solche Rechtspflicht der Beklagten erfüllt. Die Beklagte ist als Fundbehörde aus § 967 BGB zur Entgegennahme und Verwahrung von Fundsachen, also verlorenen Sachen verpflichtet (vgl. Bassenge in: Palandt, a.a.O., Vorb v§ 965 Rn. 1 und § 967 Rn. 1). Die verunfallte Katze stellt eine solche Fundsache dar. Ein Fundtier ist gemäß §§ 90a, 965 Abs. 1 BGB jedes Tier, das besitzlos, aber nicht herrenlos ist (Bassenge in: Palandt, a.a.O., Vorb v § 965 Rn. 1).
Die vom Kläger behandelte Katze war nicht herrenlos. Herrenlos sind Sachen, an denen nie Eigentum bestanden hat, bei denen es aufgegeben wurde oder sonst erloschen ist (Bassenge in: Palandt, a.a.O.,§ 958 Rn. 1). Vorliegend spricht die Tätowierung der Katze am Ohr dafür, dass ursprünglich Eigentum an dem Tier begründet worden ist. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Eigentum aufgegeben worden ist. Insbesondere vermag die erfolglos gebliebene Suche nach dem Berechtigten diesen Schluss nicht zu rechtfertigen. Die sporadische Suche nach dem Berechtigten am Unfallort ist hierfür schon deshalb nicht geeignet, weil nicht systematisch sämtliche Anwohner aufgesucht worden sind und weil darüber hinaus nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Katze nicht im unmittelbaren Umfeld des Fundorts heimisch war, sondern unter Umständen in einiger Entfernung. Die Tatsache, dass sich auf die vom Kläger veranlasste Suchannonce niemand gemeldet hat, kann auch dadurch erklärt werden, dass der Berechtigte die Anzeige nicht zur Kenntnis genommen bzw. wegen der drohenden Inanspruchnahme für die angefallenen Behandlungskosten davon abgesehen hat, sich zu melden. Dagegen sprechen der äußerlich gepflegte Zustand des Tiers und sein zahmes Verhalten im Zeitpunkt des Auffindens dafür, dass das vormals begründete Eigentum nicht bereits wieder aufgegeben war.
Zugleich war die Katze auch besitzlos. Besitzlos sind Sachen, die der Sachherrschaft durch den Berechtigten tatsächlich und nicht nur vorübergehend entzogen sind; eine bloße Lockerung der Besitzbeziehung genügt hierfür nicht (vgl. Kindl in: Bamberger/Roth,BGB, Beck'scher Online-Kommentar, Stand: 01.05.2010, § 965 Rn. 4). Zwar ist es für Hauskatzen durchaus üblich, sich eigenständig in einem gewissen Umfeld des Haushalts des Besitzberechtigten zu bewegen und anschließend zur Pflege, Fütterung und Unterkunft gewohnheitsmäßig zu diesem zurückzukehren. Ein solches Verhalten entspricht den üblichen Haltungsbedingungen für diese Tiere und stellt - vom Sachherrschaftswillen des Berechtigten getragen - regelmäßig eine bloße Besitzlockerung dar. Jedoch entfällt die Besitzbeziehung zwischen Tier und Berechtigtem in dem Moment, in dem die gewohnheitsmäßige Rückkehr etwa durch eine unfallbedingte Verletzung des Tiers unmöglich wird. So lag es hier. Die Katze wurde am Abend des 26.12.2007 schwer verletzt aufgefunden. In diesem Zustand war ihr eine Rückkehr zum Halter mindestens über längere Zeit, vermutlich sogar vollständig unmöglich. Damit war dem Berechtigten die Sachherrschaft über die Katze durch ein zufälliges Moment, nämlich den Unfall, tatsächlich und nicht nur vorübergehend entzogen.
Somit war die im Gemeindegebiet der Beklagten aufgefundene Katze als Fundsache zu qualifizieren, so dass der Beklagten als Fundbehörde gemäß § 967 BGB ihre Versorgung und artgerechte Unterbringung oblag. Dieses zum Rechtskreis der Beklagten gehörende Geschäft hat der Kläger besorgt.
Die Beklagte hatte ihre rechtliche Verpflichtung auch nicht mit befreiender Wirkung auf den Tierschutzverein L. e.V. übertragen. Zwar entspricht es einer für Gemeinden üblichen Handhabung, die Versorgung von Fundtieren vertraglich auf privatrechtlich organisierte Institutionen zu übertragen. Grundsätzlich darf sich die Beklagte zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben der Hilfe Privater bedienen. Dies vermag jedoch an der Einstandspflicht der Beklagten für die Erfüllung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben nichts zu ändern. Andernfalls könnte sie sich durch eine "Flucht ins Privatrecht" der Wahrnehmung der ihr gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 NGO ausschließlich übertragenen öffentlichen Pflichten entziehen.
Der Annahme eines fremden Geschäfts steht auch nicht entgegen, dass der Kläger in seiner Funktion als Tierarzt aufgrund standesrechtlicher Vorgaben ebenfalls zur Behandlung des verletzten Tiers verpflichtet gewesen ist. Dies führt allenfalls zur Annahme eines auch-fremden Geschäfts. Ein solches liegt immer dann vor, wenn dieÜbernahme des Geschäfts zugleich im eigenen Interesse des Geschäftsführers und des anderen liegt (Sprau in: Palandt, a.a.O.,§ 677 Rn. 6). Dies ist hier anzunehmen. Zwar wurde der Kläger im Rahmen der Geschäftsführung (auch) als diensthabender Nottierarzt tätig, jedoch erfüllte er zugleich die Pflichten der Beklagten.
Der Kläger handelte auch mit dem Willen, für die Beklagte tätig zu werden. Ein solcher Fremdgeschäftsführungswille wird beim auch-fremden Geschäft vermutet, wenn das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Handelnden, sondern auch dem anderen zugutekommt (Sprau in: Palandt, a.a.O., § 677 Rn. 6). So lag es hier. Der Kläger wurde im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit als niedergelassener Tierarzt tätig, der regelmäßig nicht für sich selbst die Behandlung von Tieren vornimmt, sondern für diejenigen Personen, die zur Sorge für die Tiere berechtigt und/oder verpflichtet sind.
Der Vermutung des Fremdgeschäftsführungswillens steht auch kein Behandlungsvertrag zwischen dem Kläger und einer dritten Person entgegen. Zwar ist grundsätzlich denkbar, dass ein Geschäftsführer, der bei der Geschäftsführung zugleich in Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber einem Dritten tätig wird, ausschließlich im Interesse des Vertragspartners handelt (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.2003 - X ZR 66/01 -, BauR 2004, 333). Hier bestand jedoch kein derartiger Behandlungsvertrag mit einer dritten Person. Insbesondere wurde keine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Tierschutzverein L. e.V. begründet. Zwar kündigte die oben genannte Tierschützerin dem Kläger die Anlieferung des Tiers telefonisch an und äußerte dabei die Auffassung, der Tierschutzverein L. sei zurÜbernahme der Behandlungskosten verpflichtet. Jedoch fehlt es insoweit an einer Vertretungsmacht der Anruferin gegenüber dem Tierschutzverein. Die Anruferin wollte sich auch offensichtlich nicht selbst verpflichten. Schließlich ist auch kein Vertrag zwischen dem Kläger und dem Finder der Katze geschlossen worden. Dieser wollte nach dem Akteninhalt ersichtlich nur den Transport des Tiers durchführen und es ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme eines darüber hinausgehenden, auf Abschluss eines Behandlungs- und Unterbringungsvertrags gerichteten Rechtsbindungswillens.
Schließlich ist nicht von Belang, dass die Übernahme der Geschäftsbesorgung nicht dem Willen der Beklagten als Geschäftsherrin entsprach, denn der entgegenstehende Wille der Beklagten ist vorliegend analog § 679 BGB unbeachtlich. Danach kommt ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn nicht in Betracht, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt worden wäre. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind an die Annahme eines solchen öffentlichen Interesses hohe Anforderungen zu stellen. Dieses darf demnach nicht allein an der Erfüllung der Aufgabe an sich, sondern muss darüber hinaus auch daran bestehen, dass sie in der gegebenen Situation von dem privaten Geschäftsführer wahrgenommen wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.09.1988 - 4 C 5/86 -, BVerwGE 80, 170; VG Gießen, Urteil vom 05.09.2001 - 10 E 2160/01 -, NVwZ-RR 2002, 95). In diesem rechtlichen Zusammenhang sind die einschlägigen Gesichtspunkte, die für dasöffentliche Interesse bestimmend sein können, zu würdigen (BVerwG, Urteil vom 06.09.1988, a.a.O.).
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine Privatperson zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe anstelle und gegen den wirklichen oder mutmaßlichen Willen der jeweils zuständigen Behörde nur höchst ausnahmsweise berechtigt sein kann, da andernfalls der Handlungs- und Entscheidungsspielraum der öffentlichen Verwaltung für die Wahrnehmung der ihr zugewiesenen Aufgaben beseitigt würde. Ein maßgeblicher Gesichtspunkt ist deshalb nach höchstrichterlicher Rechtsprechung das Recht der Behörde, bei der Frage der Verwendungöffentlicher Finanzmittel Prioritäten zu setzen, das untergraben würde, wenn die öffentlichen Haushalte durch Aufwendungsersatzansprüche Privater belastet würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.09.1988, a.a.O.; VG Gießen, Urteil vom 05.09.2001, a.a.O.).
Die notfalltiermedizinische Behandlung der Katze durch den Kläger verletzt den Handlungs- und Ermessensspielraum der Beklagten nicht. Wäre es in der Nacht des 26.12.2007 möglich gewesen, das schwer verletzte Tier der Beklagten bzw. der eilzuständigen Polizei zuübergeben, hätte auch durch diese eine Übergabe an den Dienst habenden Tierarzt der Region erfolgen müssen. Insbesondere war ein Zuwarten mit der Entscheidung über die Veranlassung von Behandlungsmaßnahmen angesichts der Schwere der Verletzungen der Katze nicht angezeigt. Soweit die finanzielle Dispositionsfreiheit der Beklagten in Rede steht, ergeben sich auch hieraus keine anderweitigen Schlüsse. Zwar hat die Beklagte eingewandt, sie hätte an Stelle des Klägers ihr Ermessen für das weitere Verfahren im Sinne einer kostengünstigeren Euthanasie der Katze ausgeübt. Dieser Einwand vermag jedoch nicht durchzugreifen. Die Beklagte war als Fundbehörde für das Wohl der Katze verantwortlich, so dass ihr schon gemäß § 2 des Tierschutzgesetzes die Veranlassung angemessener Pflegemaßnahmen oblag. Eine Euthanasie der Katze hätte diese Pflicht verletzt, so dass eine entsprechende Entscheidung der Beklagten vor dem Hintergrund der Staatszielbestimmungen des Art. 20a GG und des Art. 6b der Niedersächsischen Verfassung als ermessensfehlerhaft zu qualifizieren gewesen wäre.
Somit lag die Notfallbehandlung der Katze durch den Kläger im öffentlichen Interesse, so dass ein entgegenstehender tatsächlicher Wille der Beklagten analog § 679 BGB ausnahmsweise unbeachtlich ist.
Durch die anschließende Unterbringung der Katze in den Praxisräumen des Klägers ist der auch insoweit bestehende Ermessensspielraum der Beklagten gleichfalls nicht verletzt worden. Dies folgt daraus, dass die Beklagte trotz mehrfacher Aufforderungen durch den Kläger das ihr zustehende Ermessen gerade nicht ausgeübt hat. Ihr war der Sachverhalt bekannt und es hätte in ihrer Macht gelegen, die Katze jederzeit abzuholen. Stattdessen berief sie sich stets nur auf die Pflichten des Tierschutzvereins L., so dass es ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen ist, dass das Tier über mehrere Monate beim Kläger verblieb. Etwas anderes gilt auch nicht für die Zeit zwischen dem 26.12.2007 und dem 08.01.2008. Aus dem nachfolgenden Verhalten der Beklagten lässt sich schließen, dass sie die Abholung der Katze auch dann nicht veranlasst hätte, wenn der Kläger sie bereits am 27.12.2007 benachrichtigt hätte. Die späte Benachrichtigung war deshalb nicht für die Entstehung unnötiger Kosten kausal.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Einwand der Beklagten, der Kläger habe die Katze nur "Zug-um-Zug" gegen Zahlung der bisher entstandenen Kosten herausgeben wollen und so einen unnötigen Anstieg der Unterbringungskosten veranlasst. Zwar mag die Formulierung des Klägers in seinem Schreiben vom 08.01.2008, die Katze solle "gegen Begleichung der bisher entstandenen tierärztlichen Gebühren abgeholt werden", für sich genommen den Eindruck erweckt haben, dass die Abholung unter der Bedingung der Bezahlung stehe. Jedoch lässt sich aus dem sonstigen Verhalten des Klägers schließen, dass es ihm vorrangig auf eine Abholung der Katze ankam. Dies legen die weiteren Schreiben vom 22.01.2008 und 14.03.2008 nahe, die eine solche Bedingung keineswegs formulieren. Daher bestand für das Gericht auch keine Veranlassung, über diese Frage weiteren Beweis zu erheben. Soweit die Beklagte die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Kläger mit einem erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben vom 14.04.2008 zu belegen versucht, folgt die Kammer dem nicht. Die Verfasserin des Schreibens bezeichnet sich als 2. Vorsitzende des Tierschutzvereins N. e. V. und es mangelt an jeglichem Nachweis, dass sie zur Vertretung der Beklagten berechtigt war. Sollte der Kläger ihr gegenüber die Herausgabe der Katze von Bedingungen abhängig gemacht haben, so wäre dies unerheblich, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gegenüber einer dritten, unbeteiligten Person Auswirkungen auf das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten hätte entfalten können. Vorrangig zu bewerten ist die Korrespondenz zwischen dem Kläger und der Beklagten, in der der Kläger nach den vorstehenden Ausführungen auf eine unbedingte Abholung der Katze gedrängt hat.
Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen sind ihm in voller Höhe zu ersetzen. Der Kläger hat die Geschäftsführung nicht als "Privatperson", sondern als Tierarzt ausgeführt, was der Beklagten auch bekannt war. Es ist deshalb folgerichtig, dass er seine Abrechnung (auch hinsichtlich der Unterbringungskosten) nach der Gebührenordnung für Tierärzte vorgenommen hat. Dies folgt aus einer anerkannten entsprechenden Anwendung des § 1835 Abs. 3 BGB (vgl. Sprau in: Palandt, a.a.O., § 683 Rn. 3a m.w.N.). Der Kläger hat beanstandungsfrei den seit 1999 geltenden Kostentarif zugrunde gelegt und die in diesem genannten DM-Beträge in Euro umgerechnet.
Ein Zinsanspruch des Klägers ist für den Zeitraum ab Rechtshängigkeit der Klage begründet. Öffentlich-rechtliche Geldforderungen sind mangels ausdrücklicher fachgesetzlicher Normierung analog § 291 BGB ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit zu verzinsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.2001 - 5 C 34/00 -, BVerwGE 114, 61; OVG Lüneburg, Urteil vom 23.01.2004 - 11 LB 257/03 -, [...]). Somit steht dem Kläger zu seinem Aufwendungsersatzanspruch ein Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.08.2008 zu.
Der Kläger hat dagegen keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Verzugsschadens in Form der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie weitergehender Verzugszinsen.
Grundsätzlich erfordert die Geltendmachung eines Verzugsschadens gemäß § 286 BGB die Wirksamkeit und Fälligkeit des Anspruchs sowie eine Nichtleistung trotz Mahnung (Grüneberg in: Palandt, a.a.O., § 286 Rn. 8). Eine Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die Leistung zu erbringen (vgl. Grüneberg in: Palandt, a.a.O., § 286 Rn. 16). Eine derartige Zahlungsaufforderung ist jedoch gegenüber der Beklagten nicht ergangen. Zwar ist ohne Zweifel feststellbar, dass der Kläger mit seinem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 14.03.2008 einen Zahlungsanspruch geltend gemacht und auf dessen Erfüllung bestanden hat. Jedoch ist gegenüber der Beklagten selbst nie eine Forderungsaufstellung ergangen bzw. der Zahlungsanspruch konkret beziffert worden. Die Rechnungen für die vom Kläger getätigten Aufwendungen sind vielmehr stets an den Tierschutzverein L. e.V. gerichtet worden, der insoweit nicht Schuldner des hier in Frage stehenden Anspruchs auf Aufwendungsersatz ist. Es fehlt mithin an den gesetzlichen Voraussetzungen für einen Verzug, sodass die Klage hinsichtlich der als Verzugsschaden geltend gemachten Positionen unbegründet ist.