Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.03.1990, Az.: 18 L 21/89
Anspruch eines Personalratsmitglieds auf Erstattung der Tagungsgebühr für eine Schulungsveranstaltung ; Umfang der Rechte des Personalrats; Subjektive Erforderlichkeit der Schulung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.03.1990
- Aktenzeichen
- 18 L 21/89
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1990, 19235
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1990:0321.18L21.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade - 24.05.1989 - AZ: 12 A 3/89
Rechtsgrundlagen
Verfahrensgegenstand
Seminarkosten
In der Personalvertretungssache
hat der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 21. März 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig und Schwermer sowie
die ehrenamtlichen Richter Grevecke und Dr. Heidemann
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Stade - Fachkammer für Personalvertretungssachen des Landes - vom 24. Mai 1989 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragsteller in erstrebt die Feststellung, daß der Beteiligte zu 1) ihr die Tagungsgebühr für eine Schulungsveranstaltung zu erstatten hat. Sie ist als Arbeitervertreterin Mitglied des 13 Mitglieder umfassenden Beteiligten zu 2) und arbeitet bei der Kfz-Zulassungsstelle des Landkreises C., die in einem Gebäude neben der Kreisverwaltung auf demselben Grundstück untergebracht ist. Am 5. Januar 1989 beschloß der Beteiligte zu 2), die Antragstellerin vom 30. Januar 1989 bis 1. Februar 1989 zu einer Seminarveranstaltung der "Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Niedersachsen e.V." in Zusammenarbeit mit dem DGB Niedersachsen, Abteilung Arbeitsrecht, mit dem Thema "Alkohol-Mensch-Arbeit" nach K. zu entsenden. Mit Schreiben vom gleichen Tage bat er den Beteiligten zu 1), der Antragstellerin für diesen Zeitraum Urlaub gemäß § 50 Nds. PersVG unter Fortzahlung der Bezüge und Zusage der Kosten gemäß § 52 Nds. PersVG zu gewähren. Der Beteiligte zu 1) stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 16. Januar 1989 gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 Nds. PersVG für das Seminar von der Arbeit frei, lehnte aber eine Kostenübernahme nach § 52 Abs. 1 Nds. PersVG ab, da bereits andere Personalratsmitglieder entsprechende Seminare auf Kosten der Dienststelle besucht hätten.
Die Antragsteller in hat daraufhin am 2. März 1989 das Beschlußverfahren eingeleitet und vorgetragen: Auch sie als Arbeitervertreterin werde besonders häufig mit Alkoholismusproblemen von Landkreisbediensteten befaßt und bedürfe dieser Fortbildung für eine solide Personalratsarbeit. Bei einem Personalrat, der ca. 1.200 Bedienstete - an mehreren Orten - zu betreuen habe, reiche es nicht aus, wenn nur ein Personalratsmitglied Spezialkenntnisse zu diesem wichtigen Problemkreis besitze.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, daß der Beteiligte zu 1) an sie 195,- DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit für die Teilnahme an dem Seminar der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben e.V. und DGB "Alkohol-Mensch-Arbeit" vom 30. Januar 1989 bis zum 1. Februar 1989 zu zahlen hat.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die subjektive Erforderlichkeit der Schulung bestritten und geltend gemacht: Die freigestellte Vorsitzende des Beteiligten zu 2), Frau Ansorge, habe in der Zeit vom 9. bis zum 13. März 1987 ein entsprechendes Seminar auf Kosten der Dienststelle besucht. Die dort erworbenen Kenntnisse müsse sich auch die Antragstellerin im Rahmen der Personalratsarbeit zurechnen lassen; das folge aus dem höchstrichterlich bestätigten Sparsamkeitsgrundsatz.
Mit Beschluß vom 24. Mai 1989 hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Der Beteiligte zu 1) habe nicht bestritten, daß eine Schulung eines Personalratsmitgliedes zu dem Spezialthema "Alkohol-Mensch-Arbeit" objektiv, aber auch subjektiv, d.h. für das einzelne, zu entsendende Mitglied erforderlich sei. Die Antragstellerin verkenne aber, daß sie als Teil des Personalrates ebenso wie dieser in seiner Gesamtheit und ebenso wie der Beteiligte zu 1) als Dienststellenleiter das Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel zu beachten habe. Das bedeute, daß bestimmte grundlegende Schulungen, z.B. im Personalvertretungsrecht, im Laufe einer Amtsperiode allen Personalratsmitgliedern unter Kostenübernahme der Dienststelle ermöglicht werden sollen.
Schulungen in Teilfachbereichen und Spezialgebieten aber seien - bei Kostenübernahme durch die Dienststelle - einzelnen Mitgliedern vorbehalten; diese hätten dann ihre Spezialkenntnisse in die Gesamtberatung des Personalrates als Gremium im Interesse der nicht spezialgeschulten Mitglieder einzubringen. So liege es hier. Denn die Vorsitzende des Beteiligten zu 2) habe unstreitig eine entsprechende Schulung im Jahr 1987 unter Kostenübernahme durch den Beteiligten zu 1) besucht. Sie habe als freigestelltes Mitglied auch größere Möglichkeiten, dem Personalrat mit ihren so erworbenen Kenntnissen bei Entscheidungsvorbereitungen und bei Beratungen selbst zur Verfügung zu stehen wie auch den Bediensteten, die mit entsprechender Problematik an sie heranträten oder von einem anderen Personalratsmitglied an sie verwiesen würden. Ausnahmen von dem Prinzip, daß ein spezialgeschultes Mitglied ausreichend ist für die verantwortliche Tätigkeit des Personalrats als Gremium, seien denkbar bei sehr großen Behörden mit vielen örtlich auseinandergelegenen Teilbereichen. Das sei hier gerade im Falle der Antragsteller in nicht der Fall. Sie arbeite in der Kfz-Zulassungsstelle zwar in einem selbständigen Gebäude, aber auf dem gleichen Grundstück der Hauptverwaltung, in dem auch die Vorsitzende des Beteiligten zu 2) ihren Dienst versehe und ähnlich schnell für Bedienstete aus C. erreichbar sei.
Gegen den ihr am 7. Juni 1989 zugestellten Beschluß richtet sich die am 11. Juli 1989 eingelegte und - nach entsprechender Verlängerung der Frist - am 15. August 1989 begründete Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht: Als Vorsitzende der Arbeitergruppe sei sie schon wiederholt mit der Alkoholproblematik befaßt worden und habe mehrere Einzelberatungen für Bedienstete aus ihrem Wählerkreis wahrnehmen müssen sowie Entwürfe für eine Dienstvereinbarung besprochen. Angesichts der um sich greifenden Alkoholsucht am Arbeitsplatz könne auch nicht mehr davon ausgegangen werden, daß es sich hier um eine Spezialschulung handele.
Die Antragstellerin beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen. Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Der Beteiligte zu 2) unterstützt das Vorbringen der Antragstellerin, stellt aber keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens aller Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin zu Recht abgelehnt.
1.
Gemäß § 52 Abs. 1 Nds. PersVG hat die Dienststelle die notwendigen Kosten zu tragen, die durch die Tätigkeit des Personalrats oder eines seiner Mitglieder entstehen. Soweit es um Schulungskosten geht, liegt dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 20.3.1985 - 18 OVG L 4/84 - und v. 27.11.1986 - 18 OVG L 16/85) auch im niedersächsischen Personal Vertretungsrecht die kostenverursachende Tätigkeit nicht in der Teilnahme des Personalratsmitglieds an der Schulungsveranstaltung, sondern in dem Entsendungsbeschluß des Personalrats. Dieser Beschluß muß sich auf ein konkretes Mitglied und eine bestimmte Veranstaltung beziehen, er muß ferner das Ergebnis der dem Personalrat - unter Beachtung des Gebots der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel - aufgegebenen rechtlichen Prüfung sein, ob die Schulung objektiv und subjektiv erforderlich ist, also objektiv von ihrer Thematik her Sachgebiete betrifft, die zu den Aufgaben dieses Personalrats gehören und subjektiv gerade für das zu entsendende Mitglied notwendig ist. Denn nur unter dieser Voraussetzung handelt es sich um notwendige Kosten i.S. des § 52 Abs. 1 Nds. PersVG, die von der Dienststelle zu tragen sind. Dagegen genügt es für eine Erstattungspflicht der Dienststelle nicht, daß eine Schulung der Personalratsarbeit dienlich ist und insoweit gemäß § 50 Abs. 2 Satz 3 Nds. PersVG dem Personalratsmitglied ein Anspruch auf den dafür erforderlichen Urlaub zusteht. Denn die Voraussetzungen einer Urlaubsgewährung für eine Schulungsveranstaltung sind in einer von der Kostenregelung des § 52 Abs. 1 Nds. PersVG abweichenden Weise geregelt; wie nach dem Bundesrecht (vgl. BVerwGE 58, 54 zu § 46 Abs. 6 BPersVG) hat die Dienststelle auch gemäß § 52 Abs. 1 Nds. PersVG nur die Kosten einer solchen Schulung zu tragen, bei der Kenntnisse vermittelt werden, die für die Arbeit in dem betroffenen Personalrat benötigt werden und derer das zu entsendende Mitglied bedarf.
2.
Auf dieser Grundlage hat das Verwaltungsgericht einen Erstattungsanspruch der Antragsteller in zutreffend verneint. Ohne Erfolg wendet sie ein, es handele sich hier nicht um eine Spezialschulung, sondern um eine Grundschulung. Eine personalvertretungsrechtliche Grundschulung hat die Vermittlung von Grundkenntnissen über das Personalvertretungsrecht zum Gegenstand, die jedes Personalratsmitglied braucht, um seine Tätigkeit im Personalrat überhaupt sachgemäß ausüben zu können. Demgegenüber werden bei einer Spezialschulung Kenntnisse über Spezialgebiete vermittelt, die für einen besonderen Aufgabenbereich innerhalb der Personalvertretung benötigt werden (BVerwGE a.a.O. S. 65). Mit der Qualifizierung als "Spezialschulung" ist dabei keinerlei Abwertung in der Richtung verbunden, daß es bei ihr um unwichtige, wenig bedeutsame Dinge gehe. Das ergibt sich schon daraus, daß so wichtige Themenbereiche wie das Arbeitsrecht, das Tarifrecht oder Fragen der Arbeitssicherheit der Spezialschulung zugeordnet werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.4.1979 - 6 P 17.78 - PersV 1981, 161; Beschl. v. 22.7.1982 - 6 P 42.79 - PersV 1983, 374; Beschl. v. 16.11.1987 - 6 PB 14.87 -, DVBl 1988, 686; Besch. v. 27.4.1979 - 6 P 40.78 -, PersV 1981, 29). Die Bezeichnung "Spezialschulung" bringt nur zum Ausdruck, daß ihr Inhalt nicht Kenntnisse im Personalvertretungsrecht sind, die als notwendiges Rüstzeug der Personalratsarbeit für jedes Mitglied unentbehrlich sind, sondern besondere Kenntnisse auf Fachgebieten, über die nicht jedes Personalratsmitglied verfügen muß. Im Hinblick auf das auch für Personalvertretungen geltende Gebot der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel wird es dabei dem Personalrat zur Ausübung seiner Beteiligungsrechte regelmäßig genügen, daß eines seiner Mitglieder über diese besonderen Fachkenntnisse verfügt und diese bei der Beratung der konkreten Beteiligungsangelegenheiten einbringen kann; eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn der Personalrat ohne die zusätzliche Schulung des zu entsendenden weiteren Mitglieds seine gesetzlichen Befugnisse nicht sachgerecht wahrnehmen kann (BVerwG, Beschl. v. 16.11.1987, a.a.O.).
3.
Diese Ausnahme lag hier nicht vor Gegenstand des Seminars "Alkohol-Mensch-Arbeit" war es, die Teilnehmer mit den Ursachen des Problems Alkohol bekanntzumachen, arbeits- und sozialrechtliche Konsequenzen der im Zusammenhang mit Alkoholgenuß auftretenden Folgen für Bedienstete offenzulegen und Wege aufzuzeigen, wie Alkoholkranken im Betrieb geholfen werden kann und Alkoholgefährdete geschützt werden können. Mit diesem Inhalt lag das Seminar aber nur teilweise innerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises des Personalrats. Denn es gehört, wie insoweit zutreffend der Beteiligte zu 2) selbst ausführt, nicht zu den Aufgaben des Personalrats, alkoholkranke Mitarbeiter zu behandeln oder einer Gefährdung vorzubeugen. Wenn dies aus persönlicher Zuwendung unter Kollegen geschieht, ist es verdienstvoll; es handelt sich dabei aber nicht um eine Aufgabe der Personalvertretung als Organ der Dienststellenverfassung. Die therapeutische Behandlung, Beratung und Vorbeugung auf diesem Gebiet ist besonderen Institutionen vorbehalten, die dafür auch in besonderer Weise qualifiziert sind. Die Antragsteller in kann ihren Anspruch deshalb nicht darauf stützen, daß sie mehrere langwierige Einzelberatungen zur Alkoholproblematik für Bedienstete aus ihrem Wählerkreis habe durchführen müssen. Ein anderer wesentlicher Teilbereich des Seminarinhalts war aber, wie der Beteiligte zu 2) selbst wiederum zu Recht erkennt, von der personalvertretungsrechtlichen Grundschulung abgedeckt, die auch die Antragstellerin schon vorher erhalten hatte. Denn soweit es um die arbeitsrechtlichen Folgen des Alkoholgenusses geht, ist dieser nur die Ursache für Maßnahmen und Probleme, die auch auf anderen Gründen beruhen können und die Personalvertretungen häufig beschäftigen, z.B. Umsetzungen, Versetzungen, Kündigungen, Abmahnungen, Fragen der Unfallverhütung und der Arbeitssicherheit.
Bei dieser Sachlage reiche es hier aber aus, daß die freigestellte Vorsitzende der Antragsteller in aufgrund einer früheren fünftägigen Schulung über denselben Gegenstand im Frühjahr 1987 mit der Alkoholproblematik hinreichend vertraut war. Angesichts des Umstandes, daß nur ein Teil dieser Problematik zum gesetzlichen Aufgabenkreis des Beteiligten zu 2) gehört und ein anderer wesentlicher Teil durch die eigenständige Grundschulung jedes Mitglieds abgedeckt wird, muß sich der Beteiligte zu 2) hier auf die vorhandenen Kapazitäten in Gestalt des überschießenden Spezialwissens seiner freigestellten Vorsitzenden verweisen lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.4.1979 - 6 P 17.78 -, PersV 1981, 161), die diese in die jeweilige Beratung der konkreten Beteiligungsangelegenheiten einbringen kann. Das gilt um so mehr, als nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin eine Vertreterin der örtlichen Alkoholberatungsstelle zu Beginn des Jahres 1989 im Beteiligten zu 2) über die Problematik referierte und dabei allen Mitgliedern jedenfalls Grundkenntnisse auf diesem Gebiet vermittelte, ferner der Beteiligte zu 1) ebenfalls im Frühjahr 1989 eine öffentliche Veranstaltung für alle Bediensteten mit einem Verein zur Bekämpfung von Suchtgefahren durchgeführt hat, auf der Ärzte sowie Betriebsräte aus anderen Betrieben über die Problematik referiert haben.
Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Ladwig
Schwermer
Dr. Heidemann
Grevecke