Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.03.1990, Az.: 18 L 2/89
Anforderungen an die Anfechtung einer Personalratswahl; Umfang der Rechte des Personalrats; Ermittelbarkeit der abgegebenen Briefwahlstimmen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.03.1990
- Aktenzeichen
- 18 L 2/89
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1990, 19236
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1990:0321.18L2.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 17.11.1988 - AZ: PL VG 18/88
Rechtsgrundlage
Verfahrensgegenstand
Wahlanfechtung
In der Personalvertretungssache
hat der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 21. März 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig und Schweriner sowie
die ehrenamtlichen Richter Dr. Heidemann und Grevecke
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 17. November 1988 aufgehoben, soweit mit ihm die Ungültigkeit der Wahl der Vertreter der Gruppe der Beamten für den Polizeihauptpersonalrat bei dem Niedersächsischen Minister des Innern im Bereich der Kriminalpolizeiinspektion ... festgestellt worden ist.
Die weitergehende Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die ... - Landesverband ...-ficht die vom 7. bis 9. März 1988 durchgeführte Wahl der Vertreter der Gruppe der Beamten für den Polizeihauptpersonalrat beim Niedersächsischen Minister des Innern, dem Beteiligten zu 1., an. Im Vordergrund der Wahlanfechtung stehen Wahlverstöße, die bei der Wahl im Bereich des Polizeiabschnitts ... unterlaufen sind.
Unter dem 14. März 1988 gab der Hauptwahlvorstand für den Polizeihauptpersonalrat die Ergebnisse der angefochtenen Wahl für die Gruppe der Beamten wie folgt bekannt:
Gültige Stimmen für die
Vorschlagsliste 1 | (Gewerkschaft der Polizei) | 10.321 |
---|---|---|
Vorschlagsliste 2 | (Bund Deutscher Kriminalbeamten) | 2.186 |
Vorschlagsliste 3 | (Antragstellerin) | 2.941. |
Sitzverteilung nach dem Höchstzahlsystem im neunköpfigen Polizeihauptpersonalrat:
Vorschlagsliste 1 | 7 Sitze |
---|---|
Vorschlagsliste 2 | 1 Sitz |
Vorschlagsliste 3 | 1 Sitz. |
Nach der Wahlbekanntmachung des örtlichen Wahlvorstands des Polizeiabschnitts ... waren dort 119 Stimmen für die Liste 1 und 16 Stimmen für die Liste 3 abgegeben worden; die Zahl der hierin enthaltenen Briefwahlstimmen ist nicht mehr exakt ermittelbar. Wahlberechtigt waren im Polizeiabschnitt 163 Beamte.
Am 22. März 1988 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Braunschweig das Beschlußverfahren mit dem Antrag eingeleitet, die Unwirksamkeit der hier in Rede stehenden Wahl für die Gruppe der Beamten im Bereich des Polizeiabschnitts ... sowie für diesen Bereich die Unwirksamkeit der gleichzeitig durchgeführten Wahlen zum örtlichen Personalrat und zum Bezirkspersonalrat festzustellen. Zur Begründung der Wahlanfechtungsbegehren hat sie die im Verfahren 18 OVG L 13/88 geltend gemachten Wahlverstöße gerügt.
Mit Beschluß vom 7. Juni 1988 hat sich das Verwaltungsgericht Braunschweig auf Antrag der Antragstellerin für örtlich unzuständig erklärt, soweit es die Wahl zum Polizeihauptpersonalrat angeht, und die Sache insoweit an das Verwaltungsgericht Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - verwiesen.
Wegen der Wahlen im Bereich der Kriminalpolizeiinspektion ... hatte die Antragstellerin bei der Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des Verwaltungsgerichts Stade Wahlanfechtungsverfahren anhängig gemacht. Dieses hat das Verfahren betreffend die Wahl zum Polizeihauptpersonalrat mit Beschluß vom 15. August 1988 ebenfalls zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - verwiesen. Jenes Verfahren hat das Verwaltungsgericht durch Beschluß vom 13. Oktober 1988 - PL VG 30/88 - nach Antragsrücknahme (Schriftsatz der Antragstellerin vom 3. Oktober 1988) eingestellt.
Im Termin zur mündlichen Anhörung vom 17. November 1988 hat die Antragstellerin in der vorliegenden Sache beantragt,
die Unwirksamkeit der Wahl der Vertreter der Gruppe der Beamten für den Polizeihauptpersonalrat bei dem Niedersächsischen Minister des Innern festzustellen,
hilfsweise:
die Unwirksamkeit der Wahl im Bereich des Polizeiabschnitts ... festzustellen.
Die Fachkammer hat mit Beschluß vom 17. November 1988 unter Ablehnung des weitergehenden Antrags der Antragstellerin die Unwirksamkeit der in Rede stehenden Wahl in den Bereichen des Polizeiabschnitts ... und der Kriminalpolizeiinspektion ... festgestellt, und zwar im wesentlichen aus folgenden Gründen: Der Antrag sei zulässig. Es sei unschädlich, daß die Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin bei Einleitung des Verfahrens nur über eine vom Kreisverbandsvorsitzenden Polizeiobermeister ... erteilte schriftliche Prozeßvollmacht verfügt hätten. Denn der Landesverbandsvorsitzende ... der Antragstellerin habe die Prozeßführung jedenfalls nachträglich genehmigt, so daß ursprüngliche etwaige Zulässigkeitsmängel geheilt worden seien. Der Antrag sei auch teilweise begründet. Es sei rechtlich geboten, den Ausspruch über die Ungültigkeit der Wahl auf die Wahlbereiche des Polizeiabschnitts ... und der Kriminalinspektion ... zu beschränken, da nur für diese Bereiche Verstöße gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens festzustellen seien. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht bezüglich des Polizeiabschnitts ... dargelegt, daß sämtliche gerügten Verstöße zur Unwirksamkeit der dortigen Wahl führten. Daneben seien im Rahmen des gestellten Hauptantrags von Amts wegen auch die Mängel zu berücksichtigen, die dem örtlichen Wahlvorstand bei der Kriminalpolizeiinspektion ... unterlaufen seien. Die dort abgegebenen Stimmen seien ungültig, weil sie nicht in einem Wahlumschlag abgegeben worden seien.
Gegen den ihm am 10. Dezember 1988 zugestellten Beschluß hat der Beteiligte zu 1. am 10. Januar 1989 Beschwerde eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 30. Januar 1989, eingegangen am 1. Februar 1989, wie folgt begründet hat: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Zulässigkeit des Anfechtungsantrags ausgegangen. Der Antrag sei von dem dazu nicht berufenen Kreisverbandsvorsitzenden ... als Vertreter der Antragstellerin eingebracht worden; weder er noch der Kreisverband ... seien satzungsmäßige Vertreter der Antragstellerin. Eine nachträgliche Genehmigung der Prozeßführung durch den Landesvorsitzenden der Antragstellerin sei unbeachtlich, weil sie jedenfalls nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 26 Satz 1 Nds.PersVG erfolgt sei. Abgesehen davon habe das Verwaltungsgericht die Wahl jedenfalls nicht für den Bereich der Kriminalinspektion ... für unwirksam erklären dürfen. Den diesbezüglichen Anfechtungsantrag habe die Antragstellerin in der Sache PL VG 30/88 zurückgenommen. Dieser Antrag könne in der vorliegenden Sache nicht "wieder zum Leben erweckt werden".
Der Beteiligte zu 1. beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung der Fachkammer.
Der Beteiligte zu 2. stellt keinen Sachantrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Akten VG Hannover PL VG 30/88 und VG Stade PL VG 8/88 sowie der von dem Beteiligten zu 1. vorgelegten Wahlunterlagen (Beiakte C bis E) Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet. Die Fachkammer hätte nicht die Unwirksamkeit der in Rede stehenden Wahl auch für den Bereich der Kriminalpolizeiinspektion ... feststellen dürfen. Im übrigen ist der angefochtene Beschluß im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Beschwerde macht zu Unrecht geltend, der Wahlanfechtungsantrag sei vollen Umfangs unzulässig, weil der Kreisverbandsvorsitzende ... das Wahlanfechtungsverfahren im Namen der Antragstellerin nicht habe einleiten können. Dieser Einwand hat sich spätestens durch die Klarstellungen der Antragstellerin im Termin zur Anhörung vor dem Senat erledigt. Danach war die Einleitung des Beschlußverfahrens von Anbeginn an auch von einem Beschluß des Landesvorstandes getragen (vgl. dazu auch das im Anhörungstermin überreichte Schreiben der Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin vom 21. März 1988).
Der Beschwerde ist aber darin zuzustimmen, daß die Fachkammer aus prozessualen Gründen nicht die Unwirksamkeit der Wahl auch für den Bereich der Kriminalinspektion ... feststellen durfte. Dieser Ausspruch ist durch das Wahlanfechtungsbegehren in der Antragsschrift vom 21. März 1988 nicht gedeckt, weil die Antragstellerin mit ihr nur die Feststellung der Teilungültigkeit für den Bereich des Polizeiabschnitts ... beantragt hat. Den im Verfahren PL VG 30/88 ursprünglich gestellten Antrag, der den Bereich der Kriminalinspektion ... betraf, hat die Antragstellerin förmlich zurückgenommen. Zwar ist dem Rücknahmeschriftsatz vom 3. Oktober 1988 (Zurücknahme des Antrags "im Hinblick auf das zunächst beim VG Braunschweig anhängige Verfahren") zu entnehmen, daß sich die Antragstellerin offenbar von der - irrigen - Vorstellung hat leiten lassen, die Wahl der Vertreter der Gruppe der Beamten für den Polizeihauptpersonalrat sei insgesamt schon Streitgegenstand der vorliegenden Sache; ein solcher Motivirrtum würde sie aber nicht zur Anfechtung ihrer Rücknahmeerklärung berechtigen, die sie im übrigen auch nicht erklärt hat. Soweit sich die Fachkammer zur Teilunwirksamkeitserklärung auch für den Bereich der Kriminalpolizeiinspektion ... im Hinblick auf den im Termin zur mündlichen Anhörung gestellten umfassenden Anfechtungsantrag der Antragstellerin als berechtigt angesehen hat, hat sie übersehen, daß dieser erweiterte Antrag nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 26 Satz 1 Nds.PersVG gestellt und mithin unzulässig ist.
Die Teilunwirksamkeitserklärung für den Bereich des Polizeiabschnitts ... ist demgegenüber im Ergebnis nicht zu beanstanden. Insoweit stimmen die Verfahrensbeteiligten darin überein, daß die dortige Wahl ungültig ist, weil die Stimmen - abgesehen von den Briefwahlstimmen - entgegen den zwingenden Vorschriften der Wahlordnung nicht in Wahlumschlägen abgegeben worden sind (vgl. dazu auch den Senatsbeschluß vom heutigen Tage in der Sache 18 OVG L 13/88). Es stellt sich somit allein noch die Frage, ob die Wahlverstöße im dortigen Bereich - wie erforderlich - potentiell das Gesamtwahlergebnis beeinflußt haben können. Das ist nach den Wahlunterlagen und den festgestellten Wahlergebnissen zu bejahen, wie folgende Alternativberechnung zeigt: Wie bereits dargelegt, sind im Bereich des Polizeiabschnitts 116 Stimmen für die Liste der Gewerkschaft der Polizei und 16 Stimmen für die Liste der Antragstellerin abgegeben worden. Zieht man diese Stimmen von den in der Wahlniederschrift wiedergegebenen Stimmen ab und schlägt man zusätzlich der Liste der Antragstellerin 163 Stimmen zu (Zahl der Wahlberechtigten), so ergibt sich folgende Sitzverteilung nach dem Höchstzahlsystem:
Liste 1 | Liste 2 | Liste 3 | ||||
---|---|---|---|---|---|---|
10.205 | (1) | 2.186 | (6) | 3.088 | (4) | |
:2 | 5.102 | (2) | 1.093 | 1.544 | (9) | |
:3 | 3.401 | (3) | 1.029. | |||
:4 | 2.551 | (5) | ||||
:5 | 2.041 | (7) | ||||
:6 | 1.700 | (8) | ||||
:7 | 1.457 |
Es ist folglich nicht auszuschließen, daß der Antragstellerin bei korrekter Durchführung der Wahl im Polizeiabschnitt ... ein weiterer Sitz im Polizeihauptpersonalrat zugefallen wäre. Davon gehen auch die Verfahrensbeteiligten nach ihren Erklärungen im Anhörungstermin übereinstimmend aus.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Ladwig
Schwermer
Dr. Heidemann
Grevecke