Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.03.1990, Az.: 18 OVG L 25/88

Einstellung eines Diplom-Agraringenieurs als nebenberufliche Lehrkraft im Angestelltenverhältnis; Befristung eines Arbeitsverhältnisses als Verstoß gegen Tarifvertragsrecht; Umgehung der Ausschreibung einer Planstelle; Verletzung von Mitbestimmungsrechten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.03.1990
Aktenzeichen
18 OVG L 25/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1990, 17222
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:0321.18OVG.L25.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 17.11.1988 - AZ: PL VG 30/86

Verfahrensgegenstand

Einstellung eines Angestellten als mitbestimmungspflichtige Maßnahme (§ 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds.PersVG)

Der 18. Senat
- Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen -
des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
hat auf die mündliche Anhörung vom 21. März 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig und Schweriner sowie
die ehrenamtlichen Richter Dr. Heidemann und Grevecke
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 17. November 1988 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Unter dem 16. April 1986 beantragte der Leiter der ... schule in ... die Einstellung des Diplom-Agraringenieurs ... als nebenberufliche Lehrkraft im Angestelltenverhältnis zur Beschäftigung mit 22 Wochenstunden und befristet bis zum Ende des laufenden Schuljahres 1985/86. Diesem Antrag stimmte der Lehrerpersonalrat am 18. April 1986 zu. Der Beteiligte legte ihn darauf am 29. April 1986 mit der Bitte um Äußerung innerhalb einer verkürzten Frist von einer Woche dem Antragsteller vor. Das benutzte Formular sieht im Anschluß an die Bitte um Äußerung folgende Ankreuzungsmöglichkeiten vor:

2

Zustimmung wird erteilt/Zustimmung wird nicht erteilt/Auf die beigefügte Stellungnahme wird verwiesen. Der Antragsteller kreuzte die beiden zuletzt genannten Felder an und begründete dies in seiner beigefügten Stellungnahme im wesentlichen wie folgt:

3

Die Befristung des Arbeitsverhältnisses verstoße gegen das Tarifrecht, weil der Beteiligte hierfür nicht die nach der Sonderregelung 2 y zum BAT erforderliche sachliche Begründung gegeben habe. Außerdem legten dem Antragsteller vorliegende Informationen den Schluß nahe, daß der eigentliche Grund der Befristung des Arbeitsvertrages die geplante Ausschreibung einer Planstelle an der ... schule mit der für das beabsichtigte Arbeitsverhältnis ausgewiesenen Fächerkombination sei. Danach plane der Beteiligte, Herrn Rudolph nach Auslaufen des befristeten Arbeitsvertrages in eine Planstelle zu übernehmen. Dies stelle eine Vorentscheidung über die geplante Stellenbesetzung und damit einen Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Lehrerbezirkspersonalrats dar.

4

Der Beteiligte sah diese Zustimmungsverweigerung als unbeachtlich an und stellte Herrn ... wie vorgesehen ein. Er teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 21. Mai 1986 mit:

5

Die Zustimmung sei nicht innerhalb der verkürzten Äußerungsfrist verweigert worden. Außerdem sei die Verweigerung der Zustimmung offenkundig rechtsmißbräuchlich. Wie dem Antragsteller bekannt sei, erfülle der Bewerber nicht die vorbildungsmäßigen Voraussetzungen für den Abschluß eines unbefristeten Vertrages oder für die Einstellung als Beamter. Auch fehle es an einer besetzbaren Planstelle. Es stelle daher eine dem vertrauensvollen Zusammenwirken zwischen dem Beteiligten und dem Antragsteller zuwiderlaufende Unterstellung dar, wenn behauptet werde, die Einstellung in das befristete Arbeitsverhältnis erfolge nur, um dem Bewerber eine bessere Möglichkeit zu verschaffen, zum 1. August 1986 eine Planstelle zu erhalten. Die Besetzung einer nicht vorhandenen Planstelle mit einem Bewerber, der noch keine pädagogische Vorbildung habe, sei sowohl rechtlich als auch tatsächlich ausgeschlossen.

6

Der Antragsteller hat am 6. August 1986 die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen angerufen und geltend gemacht: Die von dem Beteiligten vollzogene Einstellung des Bewerbers ... verletze sein Mitbestimmungsrecht. Entgegen § 72 Abs. 2 Satz 1 des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes - Nds.PersVG - habe der Beteiligte in dem hierfür vorgesehenen Vordruck den Antragsteller nicht um dessen Zustimmung, sondern lediglich um Äußerung gebeten, so daß es an der ordnungsmäßigen Einleitung des Beteiligungsverfahrens fehle. Außerdem könne die Fiktion der Zustimmung nur dann eintreten, wenn der Personalrat seine Zustimmung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist verweigere. Wegen der erforderlichen Beteiligung des Lehrerpersonalrats der Michelsenschule habe die Mindestbeteiligungsfrist jedoch zwei Wochen betragen, so daß die Abkürzung der Frist auf eine Woche rechtswidrig sei.

7

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, daß der Beteiligte mit der Einstellung des Diplom-Agraringenieurs ... das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds.PersVG verletzt habe.

8

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

9

und vorgetragen: Der Diplom-Ingenieur ... habe ausdrücklich eine bis zum 31. Juli 1986 befristete Beschäftigung beantragt. Er habe sich bereit erklärt, der ... schule zu helfen und bis zum Schuljahresende den begonnenen Unterricht fortzusetzen, nachdem die Lehrkraft, die bisher diesen Unterricht erteilt habe, plötzlich zum 1. April 1986 in ... ihren Vorbereitungsdienst angetreten habe und die kurzfristige Einstellung einer Ersatzlehrkraft nötig geworden sei. Mit dem Antragsteller bestehe nunmehr Einigkeit darüber, daß die Abkürzung der Frist zur Beteiligung gem. § 82 Abs. 3 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Satz 4 Nds.PersVG auf eine Woche nicht den bestehenden Vorschriften entsprochen habe. Im übrigen entspreche die Begründung der Zustimmungsverweigerung durch den Antragsteller jedoch nicht § 96 b Abs. 5 Nds.PersVG; die vom Antragsteller behauptete Besetzung einer Planstelle, die es gar nicht gegeben habe, mit einem Bewerber, der noch keine pädagogische Ausbildung habe, sei sowohl rechtlich als auch tatsächlich ausgeschlossen und von niemand geplant gewesen. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei gem. § 1 Abs. 1 des Beschäftigungsförderungsgesetzes zulässig und zur Gewährleistung der Unterrichtskontinuität in dem laufenden Schuljahr nach der Sonderregelung 2 y BAT sachlich begründet gewesen.

10

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluß vom 17. November 1988 abgelehnt und im wesentlichen ausgeführt: Der Beteiligte habe das im vorliegenden Fall geboten gewesene Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Dem Antragsvordruck sei eindeutig zu entnehmen, daß er den Antragsteller um förmliche Zustimmung im Mitbestimmungsverfahren bitten wollte. Wie die Reaktion des Antragstellers auf den Antrag zeige, habe dieser den Zustimmungsantrag offensichtlich auch selbst insoweit als ordnungsgemäß gestellt angesehen. Das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers sei auch nicht deshalb verletzt, weil der Beteiligte die Frist für die beantragte Entscheidung des Antragstellers auf eine Woche abgekürzt habe. Diese Abkürzung der Äußerungsfrist verstoße zwar gegen § 72 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 82 Abs. 3 Satz 2 Nds.PersVG. Dies stelle auch keinen Verfahrensmangel dar, den der Antragsteller nur innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfristen wirksam habe rügen können; dies könne nur für die Fälle angenommen werden, in denen die Dienststelle von ihrem gesetzlichen Fristverkürzungsrecht in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang Gebrauch mache, dem Personalrat also die nach dem Gesetz vorgeschriebene Mindestfrist von einer Woche und in den Fällen des § 82 Abs. 3 Satz 2 Nds.PersVG von zwei Wochen in vollem Umfang zur Verfügung stehe. Eine über die Mindestfrist hinausgehende Abkürzung der Entscheidungsfrist für den Personalrat habe jedoch nur zur Folge, daß die regelmäßige Erklärungsfrist zu laufen beginne. Innerhalb dieser Frist habe der Antragsteller zwar von seinem Recht zur Verweigerung der Zustimmung Gebrauch gemacht; er habe sie jedoch nicht im Sinne von § 72 Abs. 2 Satz 5 Nds.PersVG unter Angabe von Gründen verweigert, so daß seine Zustimmung als erteilt gelte. Denn nach § 96 b Abs. 5 Nds.PersVG könne der Personalrat die Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung von Lehrkräften im Angestelltenverhältnis nur verweigern, wenn die Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Bestimmung in einem Tarifvertrag, eine gerichtliche Entscheidung oder eine Verwaltungsanordnung verstoße oder die durch Tatsachen begründete Besorgnis bestehe, daß der Bewerber den Frieden in der Dienststelle durch unsoziales oder gesetzwidriges Verhalten stören werde. Durch diese Vorschrift sei das Beteiligungsrecht nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds.PersVG gesetzlich beschränkt worden, soweit es um die Einstellung und Eingruppierung von Lehrkräften im Angestelltenverhältnis gehe. Die Begründung der Zustimmungsverweigerung des Antragstellers liege offensichtlich außerhalb dieser gesetzlichen Verweigerungsgründe. Denn im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BVerwG sei davon auszugehen, daß sich die Mitbestimmung bei der Einstellung von Angestellten allein auf die zur Einstellung vorgesehene Person, auf die von ihr auszuübende Tätigkeit und auf die mit der Übertragung der Tätigkeit verbundene tarifliche Bewertung beziehe, während das mit der Einstellung in aller Regel zu begründende Beschäftigungsverhältnis in die Vereinbarungsfreiheit der Vertragsparteien gestellt sei und deshalb weder hinsichtlich seiner Art noch in bezug auf seinen Inhalt der Mitbestimmung des Personalrats unterliege. Soweit sich der Antragsteller in seiner Zustimmungsverweigerung gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses gewandt und auf den Vorrang der tariflichen Regelung verwiesen habe, handele es sich jedoch um Rechtsfragen, die nicht in diesem Sinne Teil der Einstellung seien, sondern vielmehr Einzelfragen über die Gestaltung des Arbeitsvertrages betrafen. Die daneben zur Begründung der Zustimmungsverweigerung geäußerten Vermutungen des Antragstellers ließen ebenfalls nicht erkennen, daß die bis zum Ende des Schuljahres 1985/86 für wenige Wochen erfolgte Einstellung des Angestellten gegen die in § 96 b Abs. 5 Nr. 1 Nds.PersVG genannten Vorschriften verstoßen konnte. Denn diese Einwendungen hätten sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der Begründung des befristeten Arbeitsverhältnisses oder die Eingruppierung des Bewerbers bezogen, sondern auf Vorgänge, die angeblich nach Ablauf des Beschäftigungsverhältnisses geplant gewesen sein sollten. Insbesondere sei durch diese Einwendungen keine Benachteiligung anderer Beschäftigter dargetan.

11

Gegen diesen ihm am 30. November 1988 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 29. Dezember 1988 Beschwerde eingelegt, die er am 27. Januar 1989 begründet hat. Er macht geltend: Darin, daß der Antragsteller lediglich um eine Äußerung zu der Personalangelegenheit gebeten worden sei, liege ein materieller Rechtsfehler, der das Beteiligungsverfahren von Anfang an fehlerhaft mache. Das bloße Äußerungsersuchen habe die Zustimmungsfiktion daher nicht auslösen können. Unzutreffend sei auch, daß die vom Antragsteller angegebenen Ablehnungsgründe unter keinen der im Gesetz geregelten Verweigerungstatbestände fielen. Er - der Antragsteller - habe sich ausdrücklich auf einen Verstoß gegen tarifliche Bestimmungen berufen. Damit sei ein gesetzlicher Versagungsgrund geltend gemacht, ohne daß es darauf ankomme, daß rechtlich im Ergebnis tatsächlich ein Verstoß gegen einen Tarifvertrag vorliege. Wenn das Verwaltungsgericht ausführe, daß der Hinweis auf die Unzulässigkeit der Befristung rechtlich unbeachtlich sei, da dies außerhalb des Zustimmungsbereichs der Personalvertretung liege, so sei dies eine unzulässige Gesetzesanwendung gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut.

12

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem in erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen.

13

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

14

Er hält den angefochtenen Beschluß für zutreffend.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten mit den Schriftsätzen der Beteiligten und den von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

16

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

17

Bedenken begegnet bereits die Zulässigkeit des von dem Antragsteller gestellten Antrags. Denn auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren bedarf es grundsätzlich in jedem Verfahrensstand eines Rechtsschutzbedürfnisses. Dieses ist, wenn sich der konkrete Streitfall - wie hier durch Zeitablauf - erledigt hat, nur gegeben, wenn die auf der Grundlage des Verfahrens erörterten Rechtsfragen einer unverzüglichen Klärung bedürfen. Das ist nur der Fall, wenn sich diese Fragen zwischen den Beteiligten mit hoher Wahrscheinlichkeit bald wieder stellen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.8.1988 - 6 P 5.87 -, BVerwGE 80, 50). Das erscheint jedoch zweifelhaft. Denn es ist kaum anzunehmen, daß der Beteiligte dem Antragsteller nochmals ein Zustimmungsersuchen "zur Äußerung" in der im vorliegenden Fall erfolgten Art und Weise vorlegen wird. Auch mit einer Abkürzung der Äußerungsfrist, wie sie im vorliegenden Fall erfolgt ist, ist in Zukunft nicht mehr zu rechnen, nachdem der Beteiligte selbst eingeräumt hat, daß diese Abkürzung fehlerhaft war. Ebensowenig gibt es einen Anhalt dafür, daß in absehbarer Zeit wieder eine solche kurzfristige Einstellung einer Hilfslehrkraft erforderlich sein wird, wie dies im vorliegenden Fall notwendig war.

18

Aber auch wenn man das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für gegeben hält, kann seine Beschwerde jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben. Der Senat tritt dem Verwaltungsgericht insoweit darin bei, daß der Antragsteller, soweit er um eine Äußerung in Gestalt einer Zustimmung, Zustimmungsverweigerung und/oder weiteren Stellungnahme aufgefordert worden ist, in rechtmäßiger Weise beteiligt worden ist. Das Verwaltungsgericht hat die formularmäßige Aufforderung zu Recht dahin ausgelegt, daß es sich dabei objektiv nicht nur um eine unverbindliche Aufforderung zu einer Äußerung, sondern um ein Zustimmungsersuchen i.S. von §§ 72 Abs. 2 Satz 1, 82 Abs. 2 Satz 1 Nds.PersVG gehandelt hat. Diese Zustimmung hat der Antragsteller aus Gründen, die nicht im Rahmen des Mitbestimmungstatbestandes "Einstellung und Eingruppierung" (§ 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds.PersVG) lagen und damit unbeachtlich waren, versagt. Im einzelnen wird hierzu unter Hinweis auf die den Beteiligten bekannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. BVerwGE 68, 30) zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

19

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

20

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski
Ladwig
Schwermer
Dr. Heidemann
Grevecke