Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.03.1990, Az.: 18 L 16/89

Anfechtung der Wahl eines Lehrerpersonalrates bei den berufsbildenden Schulen; Wahlberechtigung freier Mitarbeiter; Voraussetzungen für das Bestehen eines Wahlrechts

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.03.1990
Aktenzeichen
18 L 16/89
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1990, 19234
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1990:0321.18L16.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 14.02.1989 - AZ: PL 29/88
nachfolgend
BVerwG - 25.02.1991 - AZ: BVerwG 6 PB 15/90

Verfahrensgegenstand

Wahlanfechtung

In der Personalvertretungssache
hat der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 21. März 1990
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig und Schwermer sowie
die ehrenamtlichen Richter Dr. Heidemann und Grevecke
beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 14. Februar 1989 geändert.

Der Antrag der Antragsteller wird abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller fechten die Wahl des Lehrerpersonalrats bei den Berufsbildenden Schuten ... an.

2

Sie sind dort hauptberufliche Lehrer. An den Schulen sind auch ca. 18 nebenamtliche/nebenberufliche Lehrkräfte tätig. Es handelt sich dabei im wesentlichen um Landwirtschafts- und Gärtnernleister, die im Berufsbildungsgrundjahr "Agrarwirtschaft" in ihren Betrieben Schüler bis zu 6 Wochenstunden fachpraktisch ausbilden. Mit ihnen sind Verträge aufgrund des Erlasses des Niedersächsischen Kultusministers vom 17. Mai 1977 (Nieders. MBl. S. 574) geschlossen worden. Die Vergütung wird stundenweise gezahlt und ist von der Zahl der Schüler abhängig. Im September 1988 erhielten sieben dieser Ausbilder mehr als 400,- DM für ihre Tätigkeit.

3

Bei den Berufsbildenden Schulen ... fand am 22./23. September 1988 die (Wiederholungs-)Wahl zum Lehrerpersonalrat statt. Im Wählerverzeichnis war keiner der nebenberuflich tätigen Landwirtschafts-/Gärtnermeister eingetragen.

4

Bei der Wahl wurden 109 gültige Stimmen abgegeben. Sechs Wähler hatten von der Möglichkeit der Briefwahl Gebrauch gemacht. Ihnen war zur Ausübung der Wahl unter anderem ein mit Absender und Anschrift versehener unfrankierter Umschlag zur Rücksendung ihrer Stimme ausgehändigt worden. Es entfielen auf die Vorschlagsliste 1 52 Stimmen, auf die Vorschlagsliste 2 25 Stimmen und auf die Vorschlagsliste 3 32 Stimmen. Im fünfköpfigen Personalrat erhielt der Vorschlag 1 drei Sitze. Die Liste 2 bekam einen Sitz, so daß für die Liste 3, der die Antragsteller angehören, ein Sitz verblieb.

5

Am 4. Oktober 1988 haben die Antragsteller die Wahl angefochten und geltend gemacht, daß mindestens sieben nebenberuflich tätige Landwirtschafts-/Gärtnermeister in das Wählerverzeichnis hätten aufgenommen werden müssen.

6

Die Antragsteller haben beantragt,

festzustellen, daß die am 22. und 23. September 1988 an den Berufsbildenden Schulen ... durchgeführte Lehrerpersonalratswahl ungültig ist.

7

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

8

Er hat vorgetragen, daß die nebenberuflich tätigen Landwirtschafts-/Gärtnermeister nicht in den Lehrbetrieb der Schule eingegliedert seien und deshalb an den Personalratswahlen nicht zu beteiligen seien.

9

Der Beteiligte zu 2) hat keinen Antrag gestellt.

10

Mit Beschluß vom 14. Februar 1989 hat das Verwaltungsgericht die Wahl für ungültig erklärt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, wahlberechtigte Bedienstete i.S. der §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 3 Nds.PersVG seien auch freie Mitarbeiter. Jedenfalls 7 der nebenberuflichen Lehrkräfte mit einem Entgelt von mehr als 440,- DM monatlich seien hier auch mehr als "geringfügig beschäftigt" gewesen. Danach möge offenbleiben, ob die Überlassung eines unfrankierten Rückumschlages für die Briefwähler ebenfalls zur Aufhebung der Wahl hätte führen müssen.

11

Gegen den ihm am 10. April 1989 zugestellten Beschluß richtet sich die am 8. Mai 1989 eingelegte und gleichzeitig begründete Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er unter Berufung auf den Beschluß des Fachsenats vom 20. Dezember 1988 - 18 OVG L 15/88 - Im wesentlichen geltend macht, die hier in Rede stehenden nebenberuflichen Lehrkräfte seien zu Recht nicht in das Wählerverzeichnis aufgenommen worden, weil sie mangels Eingliederung in die Dienststelle nicht zu den wahlberechtigten Bediensteten gehörten.

12

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antrag der Antragsteller abzulehnen.

13

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

14

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluß und weisen darauf hin, daß die nebenberuflichen Lehrkräfte hier an einen verbindlichen Ausbildungslehrplan gebunden seien, der die Ausbildungsinhalte und -Zeiten festlege und vom Schulleiter überwacht werde.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Wahlunterlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren.

16

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

17

Sie führt zur Änderung des angefochtenen Beschlusses und zur

18

Ablehnung des Wahlanfechtungsantrages.

19

Die Wahlanfechtung ist nicht begründet, weil die nebenberuflichen Lehrkräfte, um die es hier geht, nicht zu den wahlberechtigten "Bediensteten" i.S. der §§ 9 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nds.PersVG gehören. Das gilt unabhängig davon, ob ihnen im Zeitpunkt der Wahl Schüler für den fachpraktischen Unterricht in ihren Betrieben der Landwirtschaft und des Gartenbaus zugewiesen waren und ob ihre Unterrichtstätigkeit i.S. des § 8 SGB IV so geringfügig war, daß sie aus diesem Grunde keine Wahlberechtigung auslöste (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 11.2.1981 - 6 P 14.80 -, PersV 1982, 110). Denn das Wahlrecht der Landwirte und Gärtner, die nebenberuflich als Lehrkräfte im Berufsgrundbildungsjahr Agrarwirtschaft fachpraktisch Unterricht erteilen, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil sie nicht in einem von der Dienststelle abhängigen Arbeitsverhältnis stehen, sondern ihre Unterrichtstätigkeit in ihren Betrieben selbständig wahrnehmen. Das hat der Senat bereits in seinem den Beteiligten bekannten Beschluß vom 20. Dezember 1988 - 18 L 15/88 - entschieden; daran hält er fest.

20

Wahlberechtigt sind gemäß § 9 Abs. 1 Nds.PersVG alle über 18 Jahre alten Bediensteten, soweit sie ihr Wahlrecht nicht durch eine strafgerichtliche Verurteilung verloren haben. Sonderregelungen bestehen insoweit nur gemäß § 9 Abs. 2 und 3 sowie § 94 a Abs. 3 Nds.PersVG für abgeordnete, im Vorbereitungsdienst befindliche und beurlaubte Bedienstete; diese Fälle sind hier nicht von Interesse. Der vom Gesetz verwendete Begriff des Bediensteten wird im Nds.PersVG nur unvollkommen näher bestimmt, nämlich in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nds.PersVG dahin, daß es sich dabei um Beamte, Angestellte, Arbeiter sowie sonstige in einem Dienstverhältnis stehende Personen handelt. Um Beamte, Angestellte oder Arbeiter i.S. der §§ 4, 5 Nds.PersVG geht es hier unstreitig nicht; bei den hier in Rede stehenden Lehrkräften könnte es sich allenfalls um sonstige in einem Dienstverhältnis stehende Personen handeln. Was darunter zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) in diesem Zusammenhang dargelegt hat, kommt es für die Wahlberechtigung jedoch entscheidend darauf an, daß die übertragene Tätigkeit eine echte Eingliederung in die Dienststelle mit allen damit verbundenen Belangen personeller und sozialer Art begründet. Erst eine solche Eingliederung des Bediensteten, die ein gewisses Maß an Abhängigkeit seiner Lebensgestaltung von Entwicklungen und Vorgängen in der Dienststelle bedingt, rechtfertigt den personalvertretungsrechtlichen Schutz und damit die personalvertretungsrechtliche Wahlberechtigung. Es ist deshalb anerkannt, daß zu den Bediensteten i.S. des § 3 Abs. 1 Nds.PersVG nicht die Personen gehören, die nach den mit Ihnen geschlossenen Verträgen nicht in ein abhängiges Dienstverhältnis zur Dienststelle treten, sondern ihre selbständige Entscheidungsbefugnis behalten (Engelhardt/Ballerstedt, PersonalvertretungsG für das Land Nds., 3. Aufl., § 3 Anm. 1, m.Nachw,; Spohn, Nds.PersVG, 4. Aufl., § 3 Anm. 2, m.Nachw.; ebenso zum Bundesrecht Lorenzen/Haas/Schmitt, § 4 BPersVG, RdNr. 12, m.Nach.). Der abweichenden Ansicht des Verwaltungsgerichts, der Begriff des Bediensteten sei im niedersächsischen Personalvertretungsrecht weiter und umfasse als "sonstige in einem Dienstverhältnis stehende Personen" auch freie Mitarbeiter, mit denen ein freier Dienstvertrag gemäß den §§ 611 ff BGB geschlossen sei, kann danach nicht gefolgt werden. Der Auffangbegriff des sonstigen Bediensteten trägt möglichen Fortentwicklungen des öffentlichen Dienstrechts über die damals bekannten Gruppen hinaus Rechnung, setzt aber ebenfalls die diesen Gruppen gemeinsamen grundlegenden Merkmale voraus. Auch bei den sonstigen Bediensteten muß es sich deshalb stets um eine unselbständige Tätigkeit in einem persönlich abhängigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis handeln. Die für die Annahme eines solchen entscheidende persönliche Abhängigkeit des Dienstleistenden, die durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände ermittelt werden muß, ist bei den Landwirten und Gärtnern, um die es hier geht, nicht gegeben. Sie erteilen in ihren Betrieben den Schülern im Berufsgrundbildungsjahr Agrarwirtschaft selbständig sechs Wochenstunden fachpraktisch Unterricht. Dafür stellten sie aufgrund eines Vertrages mit dem Schulträger als Vermieter ihren Betrieb einschließlich der erforderlichen Einrichtungen und Geräte insoweit zur Verfügung, während die Erteilung des Unterrichts aufgrund des Runderlasses des Kultusministers vom 17. Mai 1977 (Nds. MBl, S. 574) im Rahmen eines freien Dienstvertrages gemäß den §§ 611 ff. BGB erfolgt. An ihrer weitgehend selbständigen Stellung kann auch der Umstand nichts ändern, daß § 6 des Vertragsmusters (a.a.O., S. 576) auf den genannten Runderlaß verweist, in dessen Nr. 3.2 das Dienstverhältnis der nebenberuflichen Lehrkräfte als nicht selbständig qualifiziert wird. Diese Qualifikation trifft für die nebenberufliche Lehrtätigkeit im Berufsgrundbildungsjahr Agrarwirtschaft rechtlich nicht zu. Dementsprechend hat auch die Oberfinanzdirektion ... eine unselbständige Tätigkeit dieser Lehrkräfte im steuerrechtlichen Sinne mit Rundverfügung vom 13. Dezember 1983 verneint.

21

Zu einer anderen Beurteilung kann auch nicht das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 1982 - 2 AZR 254/81 - (PersV 1984, 209) führen. Wenn dort eine das Dienstverhältnis prägende persönliche Abhängigkeit und Gebundenheit an Weisungen des Dienstherrn für teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen bejaht wurde, war dafür maßgebend, daß diese Lehrer hinsichtlich des Ortes und der Zeit ihrer Dienstleistungen vollständig an Weisungen des Dienstherrn und darüber hinaus an den Ausbildungs- und Lehrplan der jeweiligen Klasse gebunden sind. Insoweit liegen die Verhältnisse bei den Landwirten und Gärtnern, die in ihren Betrieben aufgrund eines freien Dienstvertrages selbständig sechs Wochenstunden fachpraktischen Unterricht erteilen, aber wesentlich anders. Ihnen fehlt diese persönliche Abhängigkeit; sie sind nicht, wie es für ihre Wahlberechtigung erforderlich wäre, in der Dienststelle weisungsgebunden beschäftigt (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 23.8.1988, ZBR 1989, 25). Daß sie gelegentlich zu Dienstbesprechungen in der Schule hinzugezogen werden, an Fachkonferenzen und mittelbar durch gewählte Vertreter an der Gesamtkonferenz teilnehmen können und hinsichtlich der Unterrichtsinhalte an Richtlinien und Weisungen gebunden sind, reicht für eine solche Eingliederung ebensowenig aus wie der Umstand, daß ihre Notengebung für die Schüler u. U. erhebliche Bedeutung haben kann.

22

Die Wahl ist auch nicht deswegen ungültig, weil den 6 Briefwählern entgegen § 17 Abs. 2 WO-PersV nicht Freiumschläge, sondern unfrankierte Umschläge ausgehändigt wurden. Dieser von den Antragstellern nicht innerhalb der Frist des § 26 Nds.PersVG gerügte Verstoß war nicht wesentlich und hat das Wahlergebnis jedenfalls nicht beeinflußt, da die Briefwähler ihr Wahlrecht gleichwohl ausgeübt haben.

23

Auf die Beschwerde war danach unter Änderung des angefochtenen Beschlusses der Antrag der Antragsteller abzulehnen.

24

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski
Ladwig
Schwermer
Dr. Heidemann
Grevecke