Landgericht Hannover
Urt. v. 13.01.2010, Az.: 12 O 27/09
Bei bereits verjährter Hauptschuld kann auch eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft nicht mehr erfolgen; Inanspruchnahme einer Gewährleistungsbürgschaft bei verjährter Hauptschuld
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 13.01.2010
- Aktenzeichen
- 12 O 27/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 38629
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2010:0113.12O27.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 195 BGB
- § 199 BGB
- § 765 BGB
- Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB
- Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB
In dem Rechtsstreit Klägerin Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte gegen Beklagte Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 16.12.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Kempe, den Richter am Landgericht Kleybolte und die Richterin Jördens für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Die Klage wird abgewiesen.
- II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
- III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Inanspruchnahme einer Gewährleistungsbürgschaft aus abgetretenem Recht.
Die Klägerin beauftragte die ......... mit dem Neubau eines Mehrfamilienhauses Lange Straße in Grambow.
Die -------- beauftragte ihrerseits mit Vertrag vom 27.11.1995 die ------------ (im Folgenden: Schuldnerin) mit der Durchführung einzelner Arbeiten bzgl. der Errichtung des Mehrfamilienhauses. Auf den als Anlage K 1 vorgelegten Vertrag wird Bezug genommen.
In § 8 Nr. 5 des Bauvertrags ist eine Gewährleistungsfrist von fünf Jahren geregelt.
Die Beklagte verbürgte sich für die "vertragsgemäße Leistung" der von der Schuldnerin ausgeführten Arbeiten bis zu einem Betrag 53.475,00 DM (= 27.341,33 EUR). Insoweit wird auf den als Anlage K 2 vorgelegten Bürgschein vom 04.12.1997 verwiesen.
Am 20.12.1996 erfolgte die Abnahme der Arbeiten. Nachdem die --------- Mängel am Bauwerk festgestellt hatte, fand am 09.03.1999 ein Besprechungstermin zwischen der --------- und der Schuldnerin statt, in der die insoweit Beteiligten das Vorgehen bzgl. der Mangelbeseitigung besprachen.
Da eine Mängelbeseitigung nicht erfolgte, forderte die ............. die Schuldnerin mit Schreiben vom 16.12.2002 (Anlage B 1) unter Fristsetzung bis zum 31.01.2003 zur Mangelbeseitigung auf.
Das Amtsgericht Schwerin eröffnete unter dem Aktenzeichen --------- das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ---------.
Mit Schreiben 17.06.2006 (Anlage K 4) forderte die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf die festgestellten Mängel und der daraus resultierenden Mangelbeseitigungskosten zur Auszahlung des Bürgschaftsbetrags bis zum 27.07.2006 auf. Unter dem 14.09.2007 (Anlage K 5) forderte die Klägerin die Beklagte erneut zur Regulierung auf. Auf das Antwortschreiben der Beklagten reagierte die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2007 (Anlage 6) und setzte der Beklagte eine Frist bis zum 17.10.2007. Mit Schreiben vom 20.12.2007 verzichtete die Beklagte auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.08.2008, soweit die Ansprüche aus den Bürgschaften und die gesicherten Ansprüche nicht bereits verjährt seien. Hinsichtlich des genauen Wortlauts wird auf die Anlage B 2 Bezug genommen. Unter dem 15.02.2008 (Anlage K 8) lehnte die Beklagte eine Einstandspflicht mit Hinweis auf die Einrede der Verjährung der Bürgenschuld ab.
Mit Schreiben vom 22.12.2008 (Anlage K 13) erklärte die Beklagte Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.01.2009, der inhaltlich der Erklärung vom 20.12.2007 entspricht.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte, nachdem die.............ihr sämtliche Ansprüche abgetreten hat, aus dem Bürgenschein in Anspruch.
Die Klägerin meint, aufgrund der Verzichtserklärungen der Beklagten sei eine Verjährung nicht anzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.192,20 EUR nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2006 zu zahlen;
- 2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weitere Schäden, die ihr in Zukunft aus der Sanierung der Feuchteschäden im Keller des Mehrfamilienhauses ----------, auf Basis des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. -------- vom 02.06.2004 zum Aktenzeichen 4 OH 6/03 des Landgerichts Schwerin entstehen bis zu einem Betrag in Höhe von 27.341,33 (= 53.475,00 DM) gemäß Bürgschein Nr. --------- zu ersetzen;
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 825,27 EUR brutto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die Einrede der Verjährung aufrecht. Sie meint, etwaige Ansprüche aus dem Bürgschaftsverhältnis seien am 31.12.2006 verjährt, die Gewährleistungsansprüche seien bereits mit Ablauf des 20.12.2001 verjährt. Der erst danach erklärte Verzicht stehe dem nicht entgegen, da die Erklärung ausdrücklich unter der Bedingung gestellt worden sei, dass Ansprüche aus der Bürgschaft und die gesicherten Ansprüche noch nicht bereits verjährt seien.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2009 (Bl. 59 f. d.A.) sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1.
Ein etwaiger Anspruch der Klägerin aus dem Bürgschaftsvertrag i.V.m. § 765 BGB ist aufgrund der begründeten Verjährungseinrede nicht durchsetzbar.
Gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1, Abs. 4 EGBGB, §§ 199, 195 BGB beträgt die Verjährungsfrist für eine Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft drei Jahre.
Der Verjährungsbeginn richtet sich nach der Fälligkeit der Bürgenschuld, die wiederum mit der Hauptschuld fällig wird. Der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz ist mit Ablauf der der Schuldnerin bis zum 31.01.2003 gesetzten Frist zur Nacherfüllung fällig geworden. Beginn der Verjährungsfrist der Bürgenschuld war danach der 01.02.2003, Ende der Verjährungsfrist der 31.12.2006. Da die Klage erst unter dem 30.01.2009 erhoben wurde, war der Anspruch aus dem Bürgschaftsvertrag zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt.
Die Verjährung ist auch nicht gehemmt worden. Etwaige Verhandlungen mit der Hauptschuldnerin, die gemäß § 203 Satz 1 BGB die Verjährungsfrist hemmen, sind nicht anzunehmen soweit sich die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Vereinbarungen bei der Abnahme am 20.12.1996 oder dem Ortstermin am 09.03.1999 beruft. Da zu diesen Zeitpunkten der Bürgschaftsanspruch mangels Fristsetzung zur Nacherfüllung der Gewährleistungsansprüche noch nicht fällig war, lief die Verjährungsfrist insoweit noch nicht. Verhandlungen über eine Unterbrechung der Gewährleistungsfristen konnten daher keine Auswirkungen auf die erst später eingetretene Verjährung der Bürgenschuld entfalten.
Soweit sich die Klägerin auf Verhandlungen mit der Beklagten im Zeitraum zwischen dem 17.07.2006 und dem 10.10.2007 beruft - es wird auf die als Anlagen K 4 bis K 7 vorgelegten Schreiben der Klägerin verwiesen - ist schon nicht ersichtlich, inwieweit hier zweiseitige Verhandlungen stattgefunden haben sollen. Das Schreiben der Klägerin vom 17.07.2006 (Anlage K 4) stellt lediglich eine einseitige Aufforderung dar, die keinen Verjährungsunterbrechenden Tatbestand begründet. Es könnten allenfalls Verhandlungen für den Zeitraum zwischen dem 14.09.2007 und dem 10.10.2007 anzunehmen sein. Da aber die Verjährung bereits zum 31.12.2006 eingetreten war, konnten etwaige Verhandlungen zu diesem Zeitpunkt keine hemmende Wirkung mehr entfalten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Erklärungen der Beklagten, auf die Einrede der Verjährung verzichten zu wollen. Da die Beklagte die Erklärungen ausdrücklich unter der Bedingung abgab, dass Ansprüche aus der Bürgschaft im Zeitpunkt der Erklärung noch nicht bereits verjährt sind, konnten die Verzichtserklärungen keine Wirkung mehr entfalten. Denn im Zeitpunkt der erstmaligen Verzichtserklärung im Schreiben vom 20.12.2007 war die Verjährung des Anspruchs aus der Bürgschaft i.V.m. § 765 BGB bereits eingetreten.
Die gesetzliche Verjährungsfrist ist auch nicht im Hinblick auf die unterschiedlich langen Verjährungsfristen von Haupt- und Bürgenschuld lückenhaft. Während die Gewährleistungsansprüche nach § 8 Nr. 5 des Bauvertrags binnen fünf Jahren nach der Abnahme verjähren, die Ansprüche nach Ablauf der Nacherfüllungsfrist zum 01.02.2003 fällig und zum 31.12.2008 verjährt waren, gilt für Ansprüche aus der Bürgschaft die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren.
Ansprüche aus der Haupt- und der Bürgenschuld stehen selbstständig nebeneinander und wirken sich nicht aufeinander aus. Dementsprechend ist eine Angleichung der unterschiedlichen Verjährungsfristen auch nicht durch eine ergänzende Auslegung des Bürgschaftsvertrags geboten. Denn auch in Fällen, in denen die Verjährungsfrist der gesicherten Schuld über die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren hinausgeht, hat der Gläubiger einer Bürgschaftsforderung ausreichend Gelegenheit, seinen Anspruch gegen den Bürgen geltend zu machen, weil es ihm unbenommen ist, innerhalb der gesetzlichen Regelverjährungsfrist verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. Der Zeitpunkt des Verjährungsbeginns ist für den Gläubiger auch dann ohne weiteres erkennbar, wenn die Bürgschaftsforderung mit Fälligkeit der Hauptschuld im Sinne von § 198 BGB "entsteht", denn er ist zugleich Gläubiger der Hauptschuld und kann sich deshalb über ihren Bestand Kenntnis verschaffen.
Die gesetzliche Verjährungsregelung enthält deshalb keine verdeckte Regelungslücke, die im Wege ergänzender Auslegung geschlossen werden müsste oder könnte, zumal die Möglichkeit von Unzuträglichkeiten im Gesetzgebungsverfahren erörtert worden ist, wie sich aus der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 09.10.2001 (BT-Drucks. 13/7052, S. 206 zu Nr. 55) ergibt, (Brandenburgisches OLG, 14.06.2007, 12 U 216/06, Rn. 36 ff.).
Da die Parteien im Bürgschaftsvertrag auch keine von der gesetzlichen Regelung abweichende, gleichlaufende Verjährungsfrist vereinbart haben, war die Klage abzuweisen.
2.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.