Landgericht Hannover
Beschl. v. 26.01.2010, Az.: 3 S 79/09
Berechtigung eines Treuhänders zum Widerruf einer im Lastschriftverfahren abgebuchten Forderung über das Vermögen einer Schuldnerin
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 26.01.2010
- Aktenzeichen
- 3 S 79/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 35336
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2010:0126.3S79.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - AZ: 568 C 9396/09
Rechtsgrundlagen
- § 36 InsO
- § 242 BGB
- § 54 SGB I
- § 850c ZPO
Fundstellen
- DStR 2010, 13
- NZI 2010, 44
- NZI 2010, 23
- NZI 2010, 6
- NZI 2010, 268-269
In dem Rechtsstreit
...
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
am 26.01.2010
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Harcke,
die Richterin am Landgericht von der Straten und
die Richterin Flesch
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurück gewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger als Treuhänder über das Vermögen der Schuldnerin ... berechtigt war, eine von ihrem bei der Beklagten geführten Konto im Lastschriftverfahren abgebuchte Forderung zu widerrufen. Die streitgegenständlichen Buchungen waren zu Gunsten des Versorgungsträgers, den, erfolgt. Die zugrundeliegenden Forderungen waren fällig und durchsetzbar. Auf dem Konto der Schuldnerin gingen in dem streitgegenständlichen Zeitraum von Januar bis März 2009 Leistungen der Familienkasse Celle und der Arbeitsagentur Hannover sowie der Stadt Burgdorf und des Finanzamtes Burgdorf ein.
Zur Vermeidung von Widerholungen wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
II.
Die beabsichtigte Berufung bietet nach dem Vorbringen der Parteien keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.
Dem Kläger steht ein Widerrufsrecht bezüglich der streitgegenständlichen Buchungen gemäß §242 BGB und dem Rechtsgedanken des §36 InsO nicht zu.
Die streitgegenständlichen Buchungen zugunsten der Stadtwerke Burgdorf erfolgten aus Mitteln, die gemäß §54 SGB I i.V.m. §850 c ZPO nicht pfändbar sind.
Die Leistungen der Arbeitsagentur Hannover, der Stadt Burgdorf sowie der Familienkasse Celle gehören gemäß §36 InsO ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht in die Insolvenzmasse. Dies bedeutet, dass die Rechte des Schuldners bezüglich Forderungen, die nicht der Pfändung unterliegen, nicht gemäß §§313, 304, 80 InsO auf den Treuhänder übergehen. Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte der Kläger also keine Handhabe dahingehend, die Einkünfte der Schuldnerin aus den genannten Sozialleistungen zugunsten der Insolvenzgläubiger zu verwerten, da diese außerhalb des Insolvenzverfahrens stehen und somit weiterhin der Schuldnerin zur eigenen Disposition zur Verfügung stehen. Hintergrund des §36 InsO ist die Intention des Gesetzgebers, dem Schuldner auch während des laufenden Insolvenzverfahrens die Möglichkeit zu gewähren, die Belange des täglichen Lebens selbstständig zu regeln. §36 InsO dient also genau wie die Pfändungsschutzvorschriften der§§850 ff. ZPO dem Schutz des Schuldners vor einer Kahlpfändung.
Zwar schützt §36 InsO gewährte Sozialleistungen erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters/Treuhänders und damit dem Zugriff der Gläubiger. Etwas anderes kann jedoch auch nicht für den Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten, für den es insoweit keine gesetzliche Reglung gibt, so dass aufgrund der Regelungslücke der Rechtsgedanke des §36 InsO auch für die hier streitgegenständlichen Buchungen anzuwenden ist.
Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde. Hätte die Schuldnerin ihre Verpflichtungen gegenüber den Stadtwerken in bar oder per Überweisung erfüllt, hätte sie die ihr gewährten Sozialleistungen bestimmungsgemäß verbraucht und der Kläger hätte keinerlei Handhabe, die gewährten Leistungen zurückzufordern und der Insolvenzmasse gut zu bringen. Lediglich die Tatsache, dass die Beklagte in Nr. 7 (3) ihrer AGB dem Kunden für das Lastschriftverfahren ein Widerrufsrecht zubilligt, versetzt hier den Kläger in die theoretische Lage, durch Widerruf auf Sozialleistungen zurückzugreifen, die normalerweise nicht zur Insolvenzmasse gehören. Ein solches Widerrufsrecht widerspräche nach Auffassung der Kammer jedoch dem Sinn und Zweck von Sozialleistungen, sowie dem Sinn der Pfändungsschutzvorschriften. Durch die gewährten Sozialleistungen sollte die Schuldnerin in die Lage versetzt werden, die Belange ihres täglichen Lebens selbständig zu regeln, insbesondere soll sie in der Lage sein, ihren Verpflichtungen nachzukommen, um ihr und ihrer Familie ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Hierzu gehört auch, dass die Schuldnerin ihren Verpflichtungen gegenüber Versorgungsträgern nachkommt, um so die Versorgung mit Strom, Heizung ... sicherzustellen. Durch die den Stadtwerken erteilten Einzugsermächtigungen hat die Schuldnerin genau dies getan. Sie wollte die ihr gewährten Sozialleistungen bestimmungsgemäß für ihre Daseinfürsorge verwenden. Sollte man unter diesen Umständen einen Widerruf zulassen mit der Folge, dass gewährte Sozialleistungen dann den Insolvenzgläubigern zugeführt werden könnten und nicht bestimmungsgemäß bei dem Leistungsempfänger zur Deckung seines Lebensbedarfs verbleiben würden, würde die Schuldnerin zum einen Gefahr laufen, dass wegen dann auftretender Rückstände ihre Vertragspartner kündigen, bzw. ihre Leistungen einstellen, oder aber die Allgemeinheit in Form der Arbeitsagentur müsste einspringen und die Leistungen erneut auszahlen, um die Lebensgrundlage der Schuldnerin sicherzustellen. All dies kann nicht gewollt sein, so dass zumindest der Rechtsgedanke des §36 InsO dahingehend angewendet werden muss, dass ein Widerruf von erfolgten Lastschriften seitens des Treuhänders dann nach §242 BGB ausgeschlossen ist, wenn die zugrundeliegenden fälligen und einredefreien Forderungen aus Sozialleistungen getilgt wurden.
Zwar geht der 9. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 25.10.2007 (BGHZ 174, 84 ff.) grundsätzlich davon aus, dass der Treuhänder im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgten Lastschriften widersprechen darf und zwar unabhängig von der Frage, ob dem Schuldner Einwendungen gegen die Gläubigerforderung zustehen. Der BGH hat sich in dieser Entscheidung allerdings nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Widerruf auch dann möglich sein soll, wenn die zugrundeliegende Forderung aus pfändungsfreiem Einkommen getilgt wurde. Daher stehen die Ausführungen des BGH der hier vertretenen Rechtsansicht nicht entgegen. Soweit das Amtsgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 28.6.2007, Az. 68 g IK 272/07, die Meinung vertritt, auf die Frage, ob die dem Widerruf unterliegenden Buchungsvorgänge das pfändbare oder das unpfändbare Einkommen des Schuldners betreffen würden, käme es nicht an, ein Widerruf sei immer möglich, kann sich die Kammer dieser Rechtsmeinung aus oben dargestellten Gründen nicht anschließen.