Landgericht Hannover
Urt. v. 08.02.2010, Az.: 1 S 29/09
Belegeinsicht; Zurückbehaltungsrecht; Hinausschieben der Fälligkeit bei Betriebskostennachforderung
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 08.02.2010
- Aktenzeichen
- 1 S 29/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 40399
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2010:0208.1S29.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 01.07.2009 - AZ: 550 C 15694/08
Rechtsgrundlagen
- §§ 273
- 274
- 556 BGB
Fundstelle
- ZMR 2010, 450-451
Redaktioneller Leitsatz
- 1..
Kündigt der Vermieter auf die Bitte des Mieters um Belegeinsicht an, er werde sich zwecks Terminabsprache bei dem Mieter melden, besteht auch nach Ablauf der Einwendungsfrist ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters gegenüber der Nachforderung.
- 2..
Die gleiche Rechtsfolge tritt ein, wenn der Mieter um Überlassung von Belegen bittet und der Vermieter hierauf überhaupt nicht reagiert.
In dem Rechtsstreit
...
gegen
...
wegen Forderung
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 15.01.2010 durch
die Vizepräsidentin des Landgerichts Dr. Knüllig-Dingeldey,
die Richterin am Landgericht Weißenborn und
den Richter am Landgericht Dr. Kannengießer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung d« weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Amtsgerichts Hannover vor 01.07.2009 wie folgt abgeändert:
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, anöden Kläger 375,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2007 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage als zurzeit nicht fällig abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 7/10 und die Beklagten als Gesamtschuldner 3/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Auf die Bezugnahme der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil im Sinne von § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen dieses Urteil nach § 26 Ziffer 8 EGZPO ausgeschlossen ist.
II.
Der Kläger macht gegenüber seinen Mietern, den Beklagten, die Nachzahlung von Nebenkosten für die Jahre 2003, 2004 und 2005 geltend. Die Beklagten, die jeweils nach Erhalt der Nebenkostenabrechnungen umgehend Belegeinsicht gefordert haben, berufen sich gegenüber den geltend gemachten Forderungen auf ein Zurückbehaltungsrecht.
III.
Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
1. Hinsichtlich der Nebenkostennachforderungen für die Jahre 2003 und 2004 war das angefochtene Urteil insoweit abzuändern, als die Klage nur mangels Fälligkeit abzuweisen ist. Die Beklagten haben nämlich wirksam die Einrede des Zurückbehaltungsrechtes erhoben. Ihnen steht aus dem Mietverhältnis mit dem Kläger ein Anspruch auf Einsicht in die den Nebenkostenabrechnungen zugrundeliegenden Belege zu, so dass sie gemäß § 273 Abs. 1 BGB zur Leistungsverweigerung berechtigt sind.
Grundsätzlich kann ein Mieter gegenüber der Nachforderung des Vermieters ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, so lange der Vermieter ihm keine Überprüfung der Abrechnung ermöglicht (BGH, Urteil vom 08.03.2006, VIII ZR 78/05). Die Beklagten hatten zwar keinen Anspruch auf Übermittlung von Kopien von Belegen, auch wenn der Kläger seinen Sitz in Berlin hat, während die Beklagten in Hannover wohnen. Denn der Kläger hat eine Niederlassung in Hannover, bei der die Beklagten Belege hätten einsehen können. Das Recht dazu hätte ihnen aber konkret gewährt werden müssen, was hinsichtlich der Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2003 und 2004 nicht geschehen ist. Auf das Schreiben des Mietervereines Hannover vom 10. Dezember 2004, mit dem dieser gegenüber der Hausverwalterin des Klägers Belegeinsicht für die Nebenkostenabrechnung 2003 erbat, hat die Hausverwalterin mit Schreiben vom 08. März 2005 wie folgt reagiert:
"Selbstverständlich werden wir Ihre Einspruchsgründe prüfen und Ihnen dann die gewünschten Belege zur Verfügung stellen bzw. Akteneinsicht in unserer Niederlassung Hannover gewähren.
Sofern Sie Akteneinsicht gewünscht haben, wird sich ein Mitarbeiter zwecks Terminabsprache bei Ihnen melden."
Aufgrund dieses Schreibens konnten die Beklagten davon ausgehen, dass ihnen die Hausverwaltung entweder die Belege zur Verfügung stellt oder sie selbst sich bei dem Kläger bzw. der Hausverwalterin nur hätten melden müssen, wenn sie Akteneinsicht gewünscht hätten. Sie waren nicht verpflichtet, die zur Verfügungstellung von Belegen anzumahnen.
Auf das Schreiben des Mietervereins Hannover vom 12.12.2005, mit dem bezüglich der Nebenkostenabrechnung 2004 um die Überlassung von Belegen gebeten wurde, hat der Kläger bzw. seine Hausverwaltung ausweislich des Akteninhaltes überhaupt nicht reagiert. Auch hier hatten die Beklagten keine weiteren Verpflichtungen, den Kläger an die Erfüllung ihres Einsichtsrechtes zu erinnern, das nur der Kontrolle dessen eigenen Anspruchs diente.
Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes durch die Beklagten führt entgegen § 274 BGB nicht dazu, dass die Beklagten Zug-um-Zug gegen Gewährung von Belegeinsicht zur Zahlung verurteilt werden. Denn es wäre unsachgemäß, den Mieter schon gegen Gestattung der Einsicht ohne ausführliche Prüfung zur Zahlung zu verpflichten (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Auflage 2007, § 556 Rdnr. 492). Deshalb ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes des Mieters gegenüber der Nebenkostennachforderung des Vermieters zum Hinausschieben der Fälligkeit führt (AG Langenfeld WuM 1996, 426 [AG Langenfeld 07.03.1996 - 23 C 547/95]; AG Bonn WuM 1996, 629; Landgericht Düsseldorf DWW 1999, 182).
Die Beklagten sind auch nicht durch die in § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB normierte Einwendungsausschlussfrist gehindert, sich auf ihr Zurückbehaltungsrecht zu berufen. Nach dieser Vorschrift muss der Mieter Einwendungen gegen die Abrechnung dem Vermieter spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang der Abrechnung mitteilen. Dieser Verpflichtung sind die Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Nebenkostenabrechnungen nachgekommen, indem sie jeweils binnen Jahresfrist um Belegeinsicht gebeten haben. Der Kläger handelt treuwidrig, wenn er sich nun auf die Einwendungsausschlussfrist beruft, nachdem er selbst das Recht der Beklagten auf Überprüfung der Nebenkostenrechnungen vereitelt hat.
2. Fällig ist hingegen der Anspruch des Klägers auf Begleichung des sich aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2005 ergebenden Saldos. Hier sind die Beklagten gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB gehindert, nach Ablauf der Jahresfrist Einwendungen geltend zu machen. Die Verwalterin des Klägers hatte nämlich den Deutschen Mieterbund mit Schreiben vom 12. März 2007 wie folgt informiert:
"Für einen Termin der Belegprüfung bitten wir Sie sich mit der zuständigen Verwalterin, ..., telefonisch unter folgender Rufnummer in Verbindung zusetzen.
Rufnummer ... .
Auf dieses Angebot hätten die Beklagten ihrerseits reagieren müssen, was sie jedoch nicht getan haben. Damit sind ihnen nun auch inhaltliche Einwendungen abgeschnitten, deren Berechtigung sie bei Ausübung des Belegeinsichtsrechtes hätten überprüfen können.
Hinsichtlich der Zahlung des offenen Saldos aus der Abrechnung für das Jahr 2005 befinden sich die Beklagten aufgrund der in der Rechnung wirksam gesetzten Zahlungsfrist seit dem 2.1.2007 in Verzug, müssen also gemäß §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 1 BGB Zinsen im tenorierten Umfang leisten.
III.
Die Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.
Die Entscheidung ist zweifelhaft.
1.
Richtigerweise geht das Landgericht Hannover davon aus, dass der Mieter grundsätzlich keinen Anspruch auf Überlassung von Belegkopien hat. Wenn der Mieter sich in dieser Situation auf die entsprechende Bitte dahin äußert, er werde sich zwecks Terminsabsprache bei dem Mieter melden, entsteht dadurch ohne Zweifel ein Vertrauenstatbestand. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Begleichung der Nachforderung die Pflicht des Mieters bleibt.
Wenn der Vermieter innerhalb der Einwendungsfrist, die noch 9 Monate lief, nicht auf seine Ankündigung zurückkommt, handelt der Mieter fahrlässig, wenn er nicht spätestens 3 Monate nach Erhalt der Ankündigung nachfragt, wie mit der Sache weiter verfahren wird.
2.
Dies gilt erst recht, wenn der Mieter allein um Überlassung von Belegkopien gebeten hat.
Formal muss der Vermieter hierauf gar nicht reagieren, weil der Mieter einen Anspruch geltend macht, der ihm nicht zusteht.
Die mangelnde Reaktion kann allenfalls als positive Vertragsverletzung (§ 280 BGB) angesehen werden. In diesem Fall müsste der Mieter jedoch darlegen, dass er z.B. bei einer Mitteilung des Vermieters Belege würden nicht per Kopie überlassen, die Einsichtnahme vor Ort durchgeführt hätte.
2.
Dies gilt erst recht, wenn der Mieter allein um Überlassung von Belegkopien gebeten hat.
Formal muss der Vermieter hierauf gar nicht reagieren, weil der Mieter einen Anspruch geltend macht, der ihm nicht zusteht.
Die mangelnde Reaktion kann allenfalls als positive Vertragsverletzung (§ 280 BGB) angesehen werden. In diesem Fall müsste der Mieter jedoch darlegen, dass er z.B. bei einer Mitteilung des Vermieters Belege würden nicht per Kopie überlassen, die Einsichtnahme vor Ort durchgeführt hätte.
Auch hier bleibt die Begleichung der Nachforderung die Pflicht des Mieters. Er muss sich um die Realisierung seiner Rechte (auf Belegeinsicht) selber bemühen und kann nicht ohne Fahrlässigkeit erwarten, dass der Vermieter auf ein Schreiben reagiert, mit dem ein nicht bestehender Anspruch geltend gemacht wird.
3.
Damit war in beiden Fällen in jedem Fall die Frist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB abgelaufen.