Landgericht Hannover
Urt. v. 02.12.2010, Az.: 8 S 15/10
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 02.12.2010
- Aktenzeichen
- 8 S 15/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 48086
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2010:1202.8S15.10.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 12.02.2010 - AZ: 515 C 10584/09
In dem Rechtsstreit
Beklagter und Berufungskläger
Prozessbevollmächtigter:
gegen
Klägerin und Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigter:
wegen Betriebskostenabrechnung
hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 09.11.2010 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht , den Richter am Landgericht und die Richterin
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 12.02.2010 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Berufungsstreitwert: 845,60 EUR.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Betriebskostennachforderung für das Jahr 2007 in Anspruch.
Die Parteien schlossen am 14.07.2005 einen Mietvertrag über die Wohnung , Erdgeschoss rechts, in Hannover mit Mietbeginn zum 01.09.2005. In der Wohnung des Beklagten befanden sich seit Beginn des Mietverhältnisses defekte Wärmezähler, sodass der Verbrauch jeweils geschätzt wurde: für das Jahr 2005 nach Gradtaganteilen, für das Jahr 2006 nach vergleichbaren Räumen. Die Reparatur der Verbrauchszähler erfolgte am 05.02.2009, nachdem der Defekt Ende des Jahres der Klägerin von der der Firma , die die Heizkostenabrechnungen für die Klägerin durchführt, angezeigt worden war. Für derartige Mängel verweist die Klägerin durch Aushang auf bestimmte Fachfirmen, die der Mieter im Weg der Mieterbestellung auf Kosten der Klägerin beauftragen kann. Der Beklagte nutzte diese Möglichkeit nicht.
Die Klägerin erteilte dem Beklagten am 03.09.2008 die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007, danach belief sich die Nachforderung auf insgesamt 1.058,69 EUR. Ausweislich der Abrechnung betrugen die Heizkosten gemäß beigefügter Heizkostenabrechung der Firma 1.306,25 EUR. Aus der Heizkostenabrechnung ergibt sich, dass die Verbrauchswerte hinsichtlich dreier Wärmezähler (Küche, Bad und 1 Heizkörper im Wohnzimmer) auf Schätzungen beruhten. Der Beklagte, vertreten durch den Deutschen Mieterbund, monierte mit Schreiben vom 20.09.2008 die Abrechnung in Bezug auf die Heizkosten, da sich die Kosten im Verhältnis zum Vorjahr erheblich erhöht hätten, und außerdem eine Schätzung anhand einer weiteren Schätzung nicht möglich sei. Außergerichtlich hat sich der Beklagte auf sein Zurückbehaltungsrecht berufen. Eine Überprüfung der Heizkostenabrechnung durch die Firma führte zur Erstattung eines Betrages von 150,09 EUR, da ausweislich des Schreibens vom 18.02.2009 fälschlicherweise nicht nach vergleichbaren Räumen, sondern anhand der Schätzung des Vorjahresverbrauchs abgerechnet worden sei.
Die Klägerin erläuterte schriftlich unter dem 04.09.2009 die Schätzmethode anhand des Berechnungsbeispiels für den Heizkörper der Küche. Danach wurde nicht nach vergleichbaren Räumen, sondern nach Umrechnung des Gesamtverbrauchs geschätzt.
Ihre Nachforderung bezifferte die Klägerin mit 845,60 EUR, die sich aus der Nachforderung von 1.058,69 EUR abzüglich Überzahlung aus der Miete für Oktober 2008 i. H. v. 63,00 EUR sowie der Gutschrift der Firma i. H. v. 150,09 EUR zusammensetzt.
Die Klägerin hat die Meinung vertreten, die Heizkostenabrechnung entspreche § 9a HeizkostenV und die Schätzungsmethode sei mehrfach ausführlich und nachvollziehbar dargelegt worden.
Der Beklagte ist hingegen der Ansicht, die Abrechnung sei nicht entsprechend der HeizkostenV erfolgt. Als Grundlage für die Schätzung müsse die Abrechnung einer Mieterin in Höhe von 627,66 EUR aus demselben Haus herangezogen werden.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung der eingeklagten Summe verurteilt.
Zur Begründung führt es unter anderem aus, dass eine Schätzung hätte vorgenommen werden dürfen, da alle Geräte defekt gewesen seien. Der Beklagte hätte im Wege der Mieterbestellung auf Kosten der Klägerin eine Reparatur der Messgeräte in Auftrag geben können. Als Schätzungsgrundlage könne auch der Durchschnittsverbrauch des Gebäudes oder der Nutzergruppe herangezogen werden. Dem Beklagten seien die Schätzgrundlagen ausreichend mit Schreiben vom 26.11.2008, 29.11.2008, 18.12.2008 und 09.04.2009 erläutert worden. Die Abrechnung sei ordnungsgemäß, Bedarf für die Heranziehung der Vergleichswohnung der Mitmieterin bestehe nicht.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.
Der Beklagte meint unter Bezugnahme seines erstinstanzlichen Vortrags insbesondere, dass eine Pflicht seinerseits zur Mängelanzeige nicht bestehe, da die Klägerin spätestens nach Abrechnung für das Jahr 2006 gewusst habe, dass die Abrechnung wegen fehlerhafter Zähler auf Schätzungen basiere, da sie die Abrechungen übersende. Im Übrigen könne der Beklagte davon ausgehen, dass die Firma die Klägerin informiere. Des Weiteren behauptet er, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichts die Einsatzwerte für die Schätzung und der Rechenweg in den im Urteil genannten Schreiben nicht nachvollziehbar seien, da zunächst mit Schreiben vom 26.11.2008 über die Verbrauchstendenz, dann mit Schreiben vom 29.12.2008 über die Notwendigkeit der Schätzung informiert worden sei. Mit Schreiben vom 18.02.2009 habe er die korrigierte Abrechnung und mit Schreiben vom 09.04.2009 nur eine Beispielrechnung für einen Zähler in der Küche erhalten. Die Schätzung stelle eine 33,68 %-ige Steigerung des Vorjahreswertes dar.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 12.02.2010, Az. 515 C 10584/09, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte die Zähler mutwillig zerstöre, um keine Heizkosten zahlen zu müssen, da nach erfolgter Reparatur die Zähler bislang zweimal erneut hätten ausgetauscht werden müssen. Sie habe erst Ende des Jahres Kenntnis von den fehlerhaften Zählern gehabt; sie übersende 15.000 Abrechungen, die sie nicht alle darauf kontrollieren könne, ob sie auf Schätzungen beruhen oder nicht. Sie meint, für die Berechnung und Schätzung nach § 9a HeizkostenV komme es nicht darauf an, ob sie von defekten Verbrauchserfassungsgeräten gewusst habe.
Von einer weitergehenden Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die fristgerecht eingelegte und im Übrigen zulässige Berufung hat vollumfänglich Erfolg.
1. Das amtsgerichtliche Urteil ist abzuändern, da die Voraussetzungen einer prüffähige Abrechnung i. S. v. §§ 556, 556a BGB sowie die einer zulässigen Schätzung nach § 9a HeizkostenV nicht gegeben sind. Der Klägerin steht daher der Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Betriebskostennachforderung für das Jahr 2007 nicht zu. Im Einzelnen:
a) Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts hat die Klägerin die Abrechnung nicht ordnungemäß erteilt. Für einen Anspruch aus §§ 556, 556 a BGB fehlt es vorliegend an einer formell ordnungsgemäßen Abrechnung, auf die die geltend gemachte Nachzahlungsforderung gestützt werden kann. Gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB hat die Abrechnung innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Abrechnungszeitraumes vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2007 zu erfolgen. In der Abrechnung sind die Einsatzwerte und der Rechenweg zur Ermittlung des Schätzbetrages in der Heizkostenabrechnung rechnerisch nachvollziehbar darzustellen (vgl. LG Berlin, Urt. v. 11.06.2007, Az. 67 S 472/06). Die Klägerin selbst hat erstmals mit Schreiben vom 09.04.2009, also nach Ende des Abrechnungszeitraumes zum 31.12.2008, die Berechungsmethode bzw. Schätzgrundlage nebst konkreten Werten näher erläutert. Allerdings war diese Abrechnung insoweit immer noch nicht ausreichend, als von drei defekten Zählern beispielhaft nur die Berechung anhand der Einzelwerte für den Zähler Küche erfolgte. Weitere Werte zur Überprüfung der Schätzung hinsichtlich der übrigen defekten Zähler wurden dem Beklagten nicht übersandt. Die vorherigen Schreiben enthielten auch keinerlei konkrete Darlegung der Berechnungsmethode sowie der zugrundeliegenden Werte. Erstmals wies das Schreiben der Firma vom 29.12.2008 die konkrete Methode der Verbrauchsermittlung aus, darin waren aber keine Werte, die für eine Nachvollziehbarkeit der Abrechnung erforderlich gewesen wären, enthalten.
b) Die Klägerin hätte auch nicht anhand einer wiederholten Schätzung zur Verbrauchserfassung nach § 9a HeizkostenV abrechnen dürfen, weshalb sie keine Nachzahlung wegen des über die geleisteten Vorauszahlungen hinausgehenden Mehrverbrauchs verlangen kann (vgl. Lammel, Heizkostenverordnung, 2. Aufl. 2004, § 9a Rn. 17). Grundsätzlich kann die Schätzung gemäß § 9a HeizkostenV erfolgen, wenn die installierten Geräte im Abrechnungszeitraum vorübergehend keine Messungen vornehmen konnten. Dabei ist streitig, ob die Schätzung gemäß dem Wortlaut des § 9a HeizkostenV nur für einen Abrechnungszeitraum erfolgen darf (AG Schöneberg, Urt. v. 22.07.2003, Az. 17 C 57/03B; Gruber NJW 2000, 842, 844; MünchKomm/Schmid, BGB, 5. Aufl. 2008, § 9a HeizkostenV Rn. 4; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, § 9a HeizkostenV Rn. 8, 9; Lammel, Heizkostenverordnung, 2. Aufl. 2004, § 9a Rn. 22) oder aufeinanderfolgende Schätzungen trotz andauernden Hindernisses vorgenommen werden dürfen, da weder Sinn und Zwecke noch der Wortlaut entgegen stünden und auch keine Gefahr erkennbar sei, dass bei der Zulassung von Wiederholungsschätzungen aus Bequemlichkeit auf die individuelle Erfassung verzichtet werde (OLG Hamburg, Beschl. v. 12.05.2004, Az. 2 Wx 103/96). Teilweise wird eine wiederholte Schätzung nur bei veränderter Schätzungsmethode bejaht (LG Berlin, Urt. v. 04.06.1996, Az. 64 S 97/96).
Die Kammer hält im konkreten Fall eine wiederholte Schätzung insbesondere vor dem Hintergrund, dass die vorangegangen Jahre 2005 und 2006 infolge defekter Zähler die Verbrauchsermittlung ebenfalls jeweils aufgrund von Schätzungen erfolgte, für unzulässig. Eine erneute Schätzung zur Verbrauchsermittlung, basiert sie auch auf einer anderen Schätzgrundlage als zuvor, nämlich der Umrechnung nach dem Gesamtverbrauch und nicht nach Gradanteilen oder vergleichbaren Räume, beinhaltet jedenfalls das Risiko, dass die der Abrechnung zugrunde gelegten Werte immer ungenauer werden. Insbesondere ist eine erneute Schätzung hier abzulehnen, da die Klägerin nach zwei Abrechnungszeiträumen auf Schätzbasis keinerlei Abhilfe geschaffen hat. Zwar kommt es in Bezug auf die defekten Verbrauchszähler nicht auf ein Verschulden des Gebäudeeigentümers oder des Nutzers an (MünchKomm/Schmid, BGB, 5. Aufl. 2008, § 9a HeizkostenV Rn. 1) und die Klägerin trägt diesbezüglich vor, erst Ende des Jahres 2008 von der Firma ista von den defekten Zählern in den Räumen des Beklagten in Kenntnis gesetzt worden zu sein, doch kann die Nichtermittlung tatsächlicher Verbrauchswerte aufgrund eines fortbestehenden Fehlers nicht zu Lasten des Beklagten gehen, zumal die Klägerin nach § 4 HeizkostenV die Ausstattungs- und Erhaltungspflicht hinsichtlich der Verbrauchserfassung trägt. Außerdem übersendet sie die Abrechnungen der Firma und muss sich insoweit die Kenntnis der Firma zurechnen lassen.
Ob der Beklagte wegen der möglichen Mieterbestellung sich wegen § 242 BGB nicht auf die fehlerhafte Schätzung berufen kann, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, da jedenfalls eine wiederholte Schätzung als Abrechnungsbasis ausscheidet.
Soweit die Klägerin nunmehr behauptet, der Beklagte zerstöre die Zähler mutwillig, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Vortrag in zweiter Instanz ist als neues Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen.
Es kommt nicht weiter darauf an, ob die hier gewählte Schätzgrundlage anhand des Durchschnittsverbrauch aller Wohnungen des Hauses grundsätzlich neben den in § 9 a HeizkostenV aufgeführten Schätzkriterien (individuelles Ersatzverfahren anhand früherer Abrechnungszeiträume oder generelles Vergleichsverfahren anhand vergleichbarer Räume anderer Nutzer) herangezogen werden kann (verneinend OLG Hamburg ZMR 2004, 769; AG Charlottenburg, Beschl. v. 11.04.2003, Az. 73/77 II 644/02; Lammel, Heizkostenverordnung, 2. Aufl. 2004, § 9a Rn. 29; bejahend für Gradzahlmethode gemäß § 9b HeizungsV BGH. Urt. v. 16.11.2005, VIII ZR 373/04).
c) Da die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung der Betriebskostennachforderung hat, ist auch der Zinsanspruch unbegründet.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.