Landgericht Hannover
Urt. v. 20.07.2010, Az.: 2 S 74/09
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 20.07.2010
- Aktenzeichen
- 2 S 74/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 47869
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 23.09.2009 - AZ: 550 C 7392/09
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.9.2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover (550 C 7392/09) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf - bis - 900,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Berufung ist zurückzuweisen und die Klägerin und Widerbeklagte ist nicht auf Zahlung von 740,07 € nebst Zinsen zu verurteilen. Das Urteil des Amtsgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO und auch nicht auf einer unzutreffenden Bewertung der nach § 529 ZPO relevanten Tatsachen. Die Voraussetzung für eine sog. Sachwalterhaftung liegt bei der Klägerin nicht vor, so dass sie zutreffend nicht auf Zahlung gemäß dem Widerklagantrag des Beklagten zu verurteilen war. Die Feststellung der Erledigung in Höhe von 44,00 € ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
Grundlage des Rechtsstreits ist eine von dem Beklagten behauptete telefonische Äußerung der Klägerin gegenüber dem Beklagten am 18.5.2004. Mit Beschluss vom 10.5.2004 waren die bisherigen Betreuer der damaligen Mieterin des Beklagten, Frau .................., entlassen und stattdessen die Klägerin zur neuen Betreuerin bestellt worden. Der Beklagte und Frau ...................... hatten am 7.1.2004 einen Mietvertrag geschlossen. Aus diesem Mietverhältnis bestanden Rückstände, und zwar 229,07 € aus der Betriebskostenabrechnung für Juni 2007 bis Mai 2008, 25,00 € Betriebskostenvorauszahlung für Januar 2009, 350,00 € Miete für März 2009 und 180,00 € Betriebskostenvorauszahlung für März 2009, mithin insgesamt 784,07 €. Der Beklagte begehrte zunächst Zahlung dieses Betrages von der Klägerin, hiergegen richtete sich der ursprüngliche Feststellungsantrag der Klägerin. Der Beklagte vertrat die Ansicht, die Klägerin habe besonderes Vertrauen in Anspruch genommen, daher hafte sie gemäß § 311 Abs. 3 BGB gegenüber dem Beklagten. Er erhob sodann Leistungsklage im Wege der Widerklage in reduzierter Höhe. Der Beklagte hatte von einer Zahlung des Arbeitsamtes vom 16.6.2009 in Höhe von insgesamt 146,67 € einen Teilbetrag von 44,00 € auf die o. a. Forderung von 784,07 € und den Restbetrag für Rechtsanwaltskosten verrechnet. Sodann erklärten die Parteien auf der Grundlage des Schriftsatzes der Klägerin vom 19.8.2009 i. V. m. der mündlichen Verhandlung vom 3.9.2009 den Feststellungsantrag der Klägerin in Höhe von 740,04 € übereinstimmend für erledigt, mithin blieb die Erledigungserklärung der Klägerin betreffend die restlichen 44,00 € einseitig. Die Klägerin hat nicht ihren ursprünglichen Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens eines Anspruchs des Beklagten gegen sie in dieser Höhe ausdrücklich aufrechterhalten.
Das Amtsgericht hielt die Hauptsache auch in Höhe dieser restlichen 44,00 € für erledigt mit der Begründung, der Beklagte habe keinen Anspruch gegen die Klägerin, so dass ihr ursprünglicher Anspruch auf Feststellung, der Beklagte habe keine Forderung gegen die Klägerin, begründet gewesen sei. Hiergegen richtet sich die Berufung, jedoch ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat im Ergebnis richtig entschieden, allerdings mit der falschen Begründung. Erledigt ist die Hauptsache, wenn der Antrag des Klägers durch ein Ereignis nach Eintritt der Rechtshängigkeit gegenstandslos wird. Das war hier der Fall. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatte der Beklagte noch von der Klägerin die Zahlung von 784,07 € begehrt, im Verlauf des Rechtsstreits änderte er die Berechnung seiner Forderung aufgrund der o. a. Zahlung des Arbeitsamtes Mitte, so dass er die Zahlung der verbliebenen 740,07 € von der Klägerin forderte, inzwischen im Wege der Widerklage. Damit hat der Beklagte unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass die Inanspruchnahme der Klägerin in einer Höhe von 44,00 € gegenstandslos geworden war.
Die Widerklage bleibt auch unter Zugrundelegung des Berufungsvorbringens unbegründet. Das Amtsgericht hat die Abweisung der Widerklage zu Recht zum einen darauf gestützt, dass der Mietvertrag bereits im Januar 2004 wirksam abgeschlossen worden war. Für eine Geschäftsunfähigkeit der Frau .................... war nichts vorgetragen. Unabhängig davon, ob oder im Detail welche Äußerung die Klägerin am 18.5.2004 telefonisch gemacht haben soll, wäre diese rechtlich jedenfalls nicht als eine Genehmigung des Mietvertrages zu behandeln gewesen. Das Amtsgericht hat zum zweiten zutreffend die Abweisung der Widerklage damit begründet, dass der Beklagte den Mietvertrag nicht mit der Begründung, dass Frau .................. unter rechtlicher Betreuung steht, hätte anfechten können.
Gemäß § 119 Abs. 2 BGB kann als Irrtum über den Inhalt der Erklärung auch ein Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person anzusehen sein. Darunter fallen sowohl die natürlichen Persönlichkeitsmerkmale als auch tatsächliche und rechtliche Verhältnisse, die infolge ihrer Beschaffenheit und vorausgesetzten Dauer nach den Anschauungen des Verkehrs Einfluss auf die Wertschätzung der Person in allen oder doch in gewissen Rechtsverhältnissen auszuüben pflegen. Abgestellt werden muss insoweit auf das angefochtene Geschäft und seine Zielsetzung. Soll der Begriff des Eigenschaftsirrtums nicht zu sehr verflachen und eine unerträgliche Rechtsunsicherheit hervorrufen, so dürfen als verkehrswesentlich nur solche Eigenschaften der Person berücksichtigt werden, die von dem Erklärenden in irgendeiner Weise erkennbar dem Vertrag zugrunde gelegt worden sind, ohne dass er sie gerade zum Inhalt seiner Erklärung gemacht haben muss (BGHZ 88, 240 ff. d. A.). Es gibt schon keine allgemeine Verkehrsanschauung dazu, dass eine unter rechtlicher Betreuung stehende Person - davon gibt es in der Bundesrepublik Deutschland mehr als eine Million Personen - eine verkehrswesentliche Eigenschaft eines Mietvertragspartners ist. Die Gründe, die zu dem Erfordernis der Einrichtung einer rechtlichen Betreuung führen, sind vielfältiger Natur. Das Amtsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Betreute Frau ...................... bei Abschluss des Mietvertrages im Januar 2004 für den Beklagten ganz offenkundig keinerlei Einschränkungen in ihrer Fähigkeit, einen Mietvertrag abzuschließen, gezeigt hat. Insbesondere fehlt es an der o. a. Voraussetzung, dass die spezielle Streitfrage, hier die Frage einer rechtlichen Betreuung, von dem Beklagten bei Abschluss des Vertrages in irgendeiner Weise erkennbar den Vertrag zugrunde gelegt worden ist. Daher bleibt es unerheblich, ob die Klägerin, wie von dem Beklagten behauptet, am 18.5.2004 - im Hinblick auf die von ihm nun in Erfahrung gebrachte Betreuung - geäußert habe, der Beklagte werde sein Geld (aus dem Mietvertrag) in jedem Fall bekommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 190, 713 ZPO.