Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.08.2023, Az.: 14 OB 41/23

abdrängende Sonderzuweisung; aufdrängende Sonderzuweisung; Corona-Pandemie; Enteignender Eingriff

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.08.2023
Aktenzeichen
14 OB 41/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 28391
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0802.14OB41.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 06.03.2023 - AZ: 4 A 3/23

Amtlicher Leitsatz

Zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG (eingeführt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes vom 16.9.2022, BGBl. I S. 1454, mit Wirkung vom 17.9.2022) für die Durchsetzung von Ansprüchen auf Entschädigung wegen Betriebsschließungen während der Corona-Pandemie

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 6. März 2023 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die weitere Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Das Verfahren betrifft die Frage, ob die Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 68 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG, eingeführt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes vom 16.9.2022, BGBl. I S. 1454, mit Wirkung vom 17.9.2022) für die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen auf Entschädigung wegen Betriebsschließungen während der Corona-Pandemie, die sich aus einer analogen Anwendung des § 56 Abs. 1 IfSG ergeben sollen, zuständig ist.

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung erließ unter dem 16. März 2020 eine "fachaufsichtliche Weisung" an alle niedersächsischen Landkreise, kreisfreien Städte und die Region Hannover, wonach durch Allgemeinverfügung auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 IfSG a.F. unter anderem die Schließung von bestimmten Verkaufsstellen des Einzelhandels anzuordnen war.

Der Landkreis D. erließ am 17. März 2020 eine bis zum 18. April 2020 befristete Allgemeinverfügung und stützte diese auf § 28 Abs. 1 IfSG a.F.

Die Klägerin, ein Textil-Discounter mit Verkaufsstellen, die auch im Landkreis D. belegen sind, schloss daraufhin ihre Betriebe.

Am 2. April 2020 erließ das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung - handelnd durch die damalige Ministerin - die Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 dieser Verordnung waren die Verkaufsstellen des Einzelhandels für den Publikumsverkehr zu schließen; diese Verordnung trat am 4. April 2020 in Kraft (Nds. GVBl. S. 55). Die Regelung wurde durch § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 bis zum Ablauf des 6. Mai 2020 verlängert (Nds. GVBl. S. 74).

Die Klägerin beantragte unter dem 17. März 2021 bei dem Landkreis D. eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz für die Betriebsschließungen im März und April 2020.

Diesen Antrag lehnte der Landkreis D. unter dem 30. April 2021 ab und teilte zur Begründung mit, dass weder aus einer direkten noch aus einer analogen Anwendung des Infektionsschutzgesetzes zugunsten der Klägerin ein Anspruch folge.

Die Klägerin hat unter dem 22. Juni 2021 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Mit Schriftsatz vom 27. August 2021 hat sie beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihr den "durch die von dem Beklagten verfügten Betriebsschließungen aufgrund des sog. ersten Lockdowns entstandenen Schaden in Höhe von 83.377,96 Euro [...] seit dem 17. März 2021 zu zahlen" und diesen Anspruch auf § 56 IfSG in analoger Anwendung gestützt (vgl. Bl. 15 ff. der Klagebegründung).

Mit Beschluss vom 12. April 2022 hat das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahrens zum Aktenzeichen 3 B 29/21 ausgesetzt. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob für Ansprüche nach § 56 IfSG in analoger Anwendung der Verwaltungsgerichtsweg eröffnet sei, sei Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Mit Beschluss vom 6. Januar 2023 hat das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit an das Landgericht E. verwiesen und zur Begründung auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2022 (- 3 B 29/21 -, juris) verwiesen.

Unter dem 23. Januar 2023 hat die Klägerin gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und zur Begründung auf die Neufassung des § 68 IfSG verwiesen.

Der Beklagte tritt dem entgegen: Eine nicht existente Anspruchsgrundlage könne den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht begründen, dies habe das Bundesverwaltungsgericht deutlich gemacht. Als Anspruchsgrundlage komme allein der staatshaftungsrechtliche enteignende Eingriff in Betracht. Die Prüfung dieses Anspruches sei aber den ordentlichen Gerichten vorbehalten. Wie die Erläuterungen zur Gesetzesänderung zeigten, habe der Gesetzgeber lediglich eine "Klarstellung" schaffen wollen; die Gesetzeslage habe er dagegen nicht geändert. Nähme man eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für derartige Ansprüche an, hätte der Bundesgerichtshof - aufgrund der lediglich erfolgten Klarstellung des Rechtsweges - als unzuständiges Gericht entschieden. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei aber vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20. November 2022 (- 1 BvR 1069/22 -, juris) nicht zur Entscheidung angenommen worden, weil keine zwingenden Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG vorgelegen hätten. Nach § 93a Abs. 2 lit. b) BVerfGG hätte aber eine Annahme erfolgen müssen, wenn das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden wäre (§ 90 Abs. 1 BVerfGG i. V. m. Art. 103 GG). Sei aber das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht verletzt worden, folge daraus, dass der zuständige Rechtsweg beschritten worden sei.

Mit Beschluss vom 6. März 2023 hat das Verwaltungsgericht seinen Beschluss vom 6. Januar 2023 aufgehoben. Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet; das Verwaltungsgericht erkläre sich für sachlich und örtlich zuständig. Maßgeblich für die Bestimmung des Rechtsweges sei die Rechtsnatur des Streitgegenstandes. Zwar sei dem Beklagten zuzugeben, dass die Berufung auf eine analoge Anwendung von Anspruchsnormen nicht dazu führen könne, dass ein an sich nicht eröffneter Rechtsweg beschritten werden könne. Der Rechtsweg sei vorliegend aber nicht aufgrund der von der Klägerin geltend gemachten analogen Anwendung des § 56 IfSG eröffnet - diese komme nach einhelliger Rechtsprechung mangels planwidriger Regelungslücke als Anspruchsgrundlage offensichtlich nicht in Betracht -, sondern aufgrund der im September 2022 in das Infektionsschutzgesetz neu aufgenommenen Regelung des § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG. Danach sei der Verwaltungsrechtsweg auch gegeben, soweit andere Ansprüche wegen Entschädigung für Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes geltend gemacht würden. Damit seien die Verwaltungsgerichte nunmehr auch für Streitigkeiten zuständig, in denen eine Entschädigung für eine auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ergangene Maßnahme verlangt werde, §§ 56 ff. IfSG sowie § 65 IfSG als Anspruchsgrundlagen ausschieden und eine analoge Anwendung nicht in Betracht komme. Wenngleich der Gesetzgeber die neue Regelung in § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG lediglich als Klarstellung bezeichnet habe, sei sie nicht nur deklaratorischer Natur. Vielmehr werde mit § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG in der neuen Fassung erstmals im Infektionsschutzgesetz eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Streitigkeiten über Ansprüche geschaffen, die ihre Grundlage außerhalb dieses Gesetzes fänden, also etwa in allgemeinen staatshaftungsrechtlichen Instituten. Die aufdrängende Sonderzuweisung des § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG gehe der abdrängenden Sonderzuweisung in § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO vor. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Klage bereits vor der Gesetzesänderung des § 68 IfSG anhängig gewesen sei. Denn die Zuständigkeit des Gerichts könne sich noch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über dessen Unzuständigkeit aufgrund sich ändernder rechtlicher oder tatsächlicher Umstände ergeben.

Unter dem 24. März 2023 hat der Beklagte gegen den ihm am 21. März 2023 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6. März 2023 Beschwerde eingelegt. Er vertieft sein Vorbringen und trägt überdies vor, der angegriffene Beschluss werde zu einer Rechtswegzersplitterung führen. Es sei mittlerweile hinreichend ausgeurteilt, dass es für den Anspruch der Klägerin keine taugliche Rechtsgrundlage im Infektionsschutzgesetz gebe; einzig in Betracht kämen staatshaftungsrechtliche Ansprüche. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts führe überdies zu einer doppelten Befassung der Gerichte. Bei einer Rechtswegzuweisung könne der Gesetzgeber zudem nur Anspruchsgrundlagen des Infektionsschutzgesetzes in direkter Anwendung regeln; die Zuweisung "einer analogen Anwendung" sei nicht möglich. Sofern das Verwaltungsgericht ausführe, dass die Neuformulierung des § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG keinen klarstellenden, sondern einen konstitutiven Charakter habe, stelle dies eine Gesetzesauslegung dar, die dem stets zu beachtenden Willen des Gesetzgebers widerspreche. Es könne entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nur von einer Bestätigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgrichts ausgegangen werden. Es sei überdies nicht erklärlich, warum der Gesetzgeber einen Sachverhalt den Verwaltungsgerichten habe zuweisen wollen, wenn es für die Verwaltungsgerichte keinerlei taugliche Anspruchsgrundlage gebe, über die sie entscheiden könnten.

II.

Die gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG und §§ 146 Abs. 1, 147 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtswegbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 6. März 2023 ist unbegründet.

1. Für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Eine Streitigkeit wie die hier verfahrensgegenständliche ist diesen durch die aufdrängende Sonderzuweisung in § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG (eingeführt durch Art. 1 Nr. 21 des Gesetzes vom 16.9.2022, BGBl. I S. 1454, mit Wirkung vom 17.9.2022) nunmehr ausdrücklich zugewiesen (so auch LG Hannover, Beschl. v. 10.5.2023 - 8 O 3/23 -, V.n.b.; OLG Celle, Beschl. v. 26.6.2023 - 3 W 19/23 -, juris Rn. 10; Kruse, in: Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand: 8.4.2023, § 68 Rn. 10 h; LAG Hamm, Beschl. v. 5.5.2023 - 14 Ta 368/22 -, juris Rn. 13).

Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist der Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten über Ansprüche nach den §§ 56 bis 58 IfSG und 65 IfSG gegen das nach § 66 Abs. 1 IfSG zur Zahlung verpflichtete Land gegeben. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach Satz 2 auch gegeben, soweit andere Ansprüche wegen Entschädigung für Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes geltend gemacht werden. Artikel 14 Absatz 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt, Satz 3.

Die Klägerin beansprucht eine Entschädigung für Maßnahmen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG. Sie begehrt ausweislich ihres Klageantrages einen Ersatz wegen der Schließung ihres Betriebes im Zuge des "ersten Lockdowns". Diese Schließung war zunächst durch die - sofort vollziehbare - Ziffer 1 der "Allgemeinverfügung zur Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich angesichts der Corona-Epidemie und zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet des Landkreises D." vom 17. März 2020 angeordnet worden; danach waren "alle Verkaufsstellen des Einzelhandels" zu schließen. Diese Allgemeinverfügung hat der Landkreis D. ausdrücklich auf § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG a.F. gestützt. Im weiteren Verlauf wurde das Offenhalten von Verkaufsstellen des Einzelhandels jedenfalls durch § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 der Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 2. April 2020 sowie § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 untersagt; diese Verordnung war auf §§ 32, 28 IfSG gestützt.

Der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges steht nicht entgegen, dass die Klage bereits vor der Gesetzesänderung des § 68 IfSG anhängig war. Denn die Zuständigkeit des Gerichts kann sich aufgrund geänderter Umstände noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ergeben, da der in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG festgelegte Grundsatz der perpetuatio fori als rechtswegerhaltende Vorschrift auf den umgekehrten Fall der sich - wie hier - nach Klageerhebung nachträglich ergebenden Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nicht anwendbar ist (vgl. Ehlers, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: August 2022, § 17 GVG Rn. 5 m.w.N.; BGH, Urt. v. 3.4.1992 - V ZR 83/91 -, juris Rn. 8 m.w.N.).

2. Nichts Gegenteiliges folgt aus dem Verweis des Beklagten auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2022 zur alten Rechtslage (3 B 29/21 -, juris). Das Verfahren betraf Entschädigungszahlungen für einen Verdienstausfall, den der Kläger des dortigen Verfahrens aufgrund von infektionsschutzrechtlichen Veranstaltungsverboten in Baden-Württemberg erlitten hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung erklärt, dass maßgeblich für die Bestimmung des Rechtsweges die Rechtsnatur des Streitgegenstandes sei; dieser werde durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die Rechtsfolge herleite, bestimmt. Erfasst würden alle materiell-rechtlichen Ansprüche bzw. Anspruchsgrundlagen, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem dem Gericht zur Entscheidung vorgetragenen Lebenssachverhalt herleiten ließen (vgl. auch Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 4.6.1974 - GmS-OGB 2/73 -, juris Rn. 4). Ob der geltend gemachte Anspruch aus § 56 IfSG analog - so heißt es weiter - eine Streitigkeit im Sinne von § 68 Abs. 1 IfSG begründe, könne offenbleiben; diese Anspruchsgrundlage komme jedenfalls als Rechtsgrundlage für das Klagebegehren offensichtlich nicht in Betracht (so ausdrücklich Rn. 15).

Anders als noch in der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Konstellation besteht nunmehr jedoch eine aufdrängende Sonderzuweisung, die - anders als § 68 Abs. 1 Satz 1 IfSG - die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte nicht anhand einer bestimmten Anspruchsgrundlage, die zur Begründung des Anspruches vorgetragen wird, begründet, sondern an das Vorliegen einer Maßnahme auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes anknüpft. Unerheblich für die Frage der sachlichen Zuständigkeit ist somit, auf welche Anspruchsgrundlage das Entschädigungsbegehren gestützt wird, solange nicht die besonderen verfassungsrechtlichen Rechtswegzuweisungen (Art. 14 Abs. 3 Satz 4 und Art. 34 Satz 3 GG) betroffen sind, § 68 Abs. 1 Satz 3 IfSG. Ob der Anspruch auf Entschädigung tatsächlich besteht, ist eine Frage, die von den Verwaltungsgerichten im Rahmen der Begründetheit der Klage zu überprüfen ist.

Auch der Senat hat - wie das Bundesverwaltungsgericht - im Hinblick auf die alte Rechtslage entschieden, dass für die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadensersatz oder Entschädigung wegen Betriebsschließungen während der Corona-Pandemie, die sich aus einer analogen Anwendung des § 56 Abs. 1 IfSG ergeben sollen, der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist (vgl. nur den Beschluss des zuvor für das Infektionsschutzrecht zuständigen 13. Senats vom 3.9.2021 -13 OB 321/21 -, juris; dem hatte sich der beschließende Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen). An diesen Maßgaben hält der Senat jedoch vor dem Hintergrund der modifizierten Regelung nicht mehr fest.

3. Auch aus den Gesetzesmaterialien lässt sich eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte - zumal entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG - nicht begründen. Aus diesen sowie den vorangegangenen Fassungen des § 68 IfSG folgt vielmehr, dass der Gesetzgeber sukzessive immer weitgehendere Zuständigkeiten auf die Verwaltungsgerichte verlagern wollte.

In der Ursprungsfassung des Bundes-Seuchengesetzes vom 18. Juli 1961, die ähnlich wie der nunmehr geltende § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG formuliert ist, war "für Streitigkeiten über Entschädigungsansprüche aus diesem Gesetz" der ordentliche Rechtsweg gegeben, da der Gesetzgeber das damalige Impfschadensrecht als Ausprägung des Aufopferungsanspruchs in der Zuständigkeit der Zivilgerichte angesiedelt sah und eine einheitliche Rechtswegzuweisung für zweckmäßig hielt (BT-Drs. III/1888, S. 30; Kruse, in: Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand: 8.4.2023, § 68 Rn. 1 m.w.N.).

Streitigkeiten im Hinblick auf §§ 56 ff. sowie § 65 IfSG waren bis zum Jahr 2020 den ordentlichen Gerichten zugewiesen. Im Zuge der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber jedoch mehrfach neue Zuständigkeiten für die Verwaltungsgerichte begründet: Mit Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BGBl. I 2397) am 19. November 2020 wurden zunächst Klagen betreffend Ansprüche nach §§ 56 bis 58 IfSG der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen; für Ansprüche nach § 65 IfSG blieben zunächst die ordentlichen Gerichte zuständig (vgl. BT-Drs. 19/24334, S. 75). Obgleich den Gesetzesmaterialien für die dahingehende Änderung des Gesetzes keine Begründung zu entnehmen ist, dürfte Ziel des Gesetzgebers gewesen sein, durch die Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung die Bestandskraft von verwaltungsaktförmigen behördlichen Entscheidungen über jene Ansprüche zu ermöglichen (vgl. dazu die Stellungnahme des Bundesrates BT-Drs. 19/24232, S. 41; Kümper, NWVBl. 2022, S. 225 [230]; Kümper, NVwZ 2021, S. 1254; Kruse, in: Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, Stand: 8.4.2023, § 68 Rn. 1 m.w.N.). Kurz darauf wies der Gesetzgeber auch die Ansprüche aus § 65 IfSG mit Wirkung ab dem 31. März 2021 ebenfalls den Verwaltungsgerichten zu. Zur Begründung heißt es, dass vielfach aus beiden Anspruchsgrundlagen Ansprüche verfolgt würden und eine Rechtswegzersplitterung bei einer einheitlichen Entscheidung gleicher Sachverhalte nicht praxisgerecht erscheine (vgl. BT-Drs. 19/27291, S. 63).

Aus den Gesetzesmaterialien zu § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG ergibt sich, dass der Gesetzgeber habe "klarstellen" wollen, dass der Verwaltungsrechtsweg auch dann eröffnet sei, soweit andere Ansprüche wegen Entschädigung für Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes geltend gemacht würden (BT-Drs. 20/2573, S. 25). Soweit der Beklagte dem entnehmen will, dass die Gesetzesänderung rein deklaratorischer Natur sei, sodass sie inhaltlich keinen eigenen - im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage - neuen Regelungscharakter hätte und in der Folge der Weg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet wäre, tritt der Senat dem nicht bei. Es ist vielmehr naheliegend, dass der Gesetzgeber bereits im Rahmen der Gesetzesänderung im Jahr 2021 eine Rechtswegzersplitterung vermeiden und eine umfassende Zuweisung von Ansprüchen nach dem Infektionsschutzgesetz an die Verwaltungsgerichte erreichen wollte (vgl. zu diesem Anliegen ausdrücklich BT-Drs. 19/27291, S. 63: so auch LG Hannover, Beschl. 10.5.2023 - 8 O 3/23 -, V.n.b.), und nunmehr die bisher insoweit unvollständige Regelung modifiziert hat. Anders als der Beklagte meint, stehen damit weder die Rechtsprechung des B noch des Bundesgerichtshofes im Widerspruch zu den (damaligen) Vorgaben des Gesetzes.

4. Soweit der Beklagte meint, dass es zu einer mehrfachen Befassung unterschiedlicher Gerichte bzw. zu einer Rechtswegzersplitterung kommen werde, teilt der Senat diese Einschätzung nicht. Der Gesetzgeber hat durch die Neufassung des § 68 Abs. 1 IfSG vielmehr deutlich gemacht bzw. "klargestellt", dass nunmehr die Verwaltungsgerichte für die Prüfung sämtlicher "andere[r] Ansprüche wegen Entschädigung für Maßnahmen aufgrund" des Infektionsschutzgesetzes zuständig sein sollen; diese umfassende Zuweisung der Zuständigkeit findet allein - dies folgt auch aus dem Wortlaut des § 68 Abs. 1 Satz 3 IfSG - eine Grenze in den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 14 Abs. 3 Satz 4 und Art. 34 Satz 3 GG. Auf der Grundlage der aufdrängenden Sonderzuweisung können die Verwaltungsgerichte im Kontext des Infektionsschutzrechts nunmehr etwa Ansprüche aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff, die bisher aufgrund der abdrängenden Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO den ordentlichen Gerichten zugewiesen waren, überprüfen (zum Zurücktreten des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinter einem spezielleren Gesetz vgl. nur BSG, Beschl. v. 6.3.2023 - B 1 SF 1/22 R -, juris Rn. 25 [zu § 81b Abs 1 SGB X] und BFH, Beschl. v. 28.6.2022 - II B 92/21 -, juris Rn. 13 [zu § 32i Abs. 2 AO]; OLG Celle, Beschl. v. 26.6.2023 - 3 W 19/23 -, juris Rn. 10 [zu § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG]; Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: August 2022, § 40 Rn. 540 mit zahlreichen Beispielen und weiteren Nachweisen; die Klägerin stützt ihr Begehren in dem Schriftsatz vom 14. April 2023 auf einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, Bl. 2). Werden Ansprüche aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff geltend gemacht - darauf weist der Senat mit Blick auf Bl. 2, 3 der Beschwerdeschrift vom 24. März 2023 hin -, wird eine solche Klage nicht von den verfassungsrechtlichen Rechtswegzuweisungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 und Art. 34 Satz 3 GG erfasst. Die abdrängende Sonderzuweisung erfolgt vielmehr einfach-gesetzlich durch § 40 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 bzw. 3 VwGO (vgl. Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: August 2022, § 40 Rn. 502 [zum engen Begriff der Enteignung], 548 [zur dahingehenden Auslegung des § 40 VwGO]; Papier/Shirvani, in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Stand: Januar 2023, Art. 34 GG Rn. 52 [zur Rechtswegzuweisung beim enteignungsgleichen Eingriff], 53 [zur Rechtswegzuweisung beim enteignenden Eingriff] und 313 [zum Anwendungsbereich des § 40 VwGO einerseits und demjenigen des Art. 34 Satz 3 GG andererseits]). Bereits vor der hier maßgeblichen Gesetzesänderung haben die Verwaltungsgerichte daher gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG auch über Ansprüche aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff entscheiden können, ohne dass dies durch Verfassungsrecht versperrt gewesen wäre (vgl. statt vieler ausdrücklich BVerwG, Urt. v. 24.6.1993 - 7 C 26/92 -, juris Rn. 55; zwischen der verfassungsrechtlichen Rechtswegzuweisung und derjenigen des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO ebenfalls differenzierend der bereits zuvor zitierte Beschluss des BVerwG vom 1.6.2022 - 3 B 29/21 -, juris Rn. 9 einerseits und Rn. 10 andererseits).

5. Schließlich verfängt der Verweis der Klägerin auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2022 (- III ZR 79/21 -, juris) nicht. Der Sache nach ging es um Entschädigungsansprüche eines Gewerbetreibenden aufgrund der Betriebsschließungen im Rahmen von Infektionsschutzmaßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19. Geprüft hat der Bundesgerichtshof Ansprüche aus Amtshaftung, nach dem IfSG, nach dem Polizei- und Ordnungsrecht, aber auch aus einem enteignungsgleichen und enteignenden Eingriff. Der Bundesgerichtshof hat keine ausdrückliche Erklärung zur Zuständigkeit abgegeben. Wegen § 17a Abs. 5 GVG war das jedoch auch entbehrlich und lässt keinen Rückschluss auf die Zulässigkeit des Rechtswegs zu. Zu beachten ist im Übrigen, dass die Vorschrift des § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG seinerzeit noch nicht existierte (OLG Celle, Beschl. v. 26.6.2023 - 3 W 19/23 -, juris Rn. 19).

6. Lediglich klarstellend weist der Senat darauf hin, dass der Beschluss insoweit unanfechtbar ist, als dass die Kammer die eigene sachliche und örtliche Zuständigkeit gemäß § 83 Satz 1 i.V.m. § 17a Abs. 3 GVG bejaht hat, § 83 Satz 2 VwGO.

III. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, die von § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG nicht erfasst werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.10.1993 - BVerwG 1 DB 34.92 -, juris Rn. 18), folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

IV. Ein Streitwert ist nicht festzusetzen. Für die Höhe der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gilt der streitwertunabhängige Kostentatbestand in Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG - Kostenverzeichnis -.

V. Gründe für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht liegen nicht vor. Die Beschwerde ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG nur zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Zwar kommt der Senat zu einer anderen Entscheidung als das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschl. v. 1.6.2022 - 3 B 29/21 -, juris), dies ist aber der Änderung der Rechtslage geschuldet und stellt somit keine "Abweichung" im Sinne der Vorschrift dar. Eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit sieht der Senat in Bezug auf das Verständnis des § 68 Abs. 1 Satz 2 IfSG nicht, weil sich dieses eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes und seiner Entstehungsgeschichte ergibt und divergierende obergerichtliche Auffassungen hierzu nicht ersichtlich sind.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).