Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 14.12.2022, Az.: 16 U 201/22
Rechte des Käufers eines vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw Audi mit 3.0l V-TDI-Motor bei Erwerb im Februar 2020
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 14.12.2022
- Aktenzeichen
- 16 U 201/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2022, 69143
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 22.03.2022 - AZ: 20 O 254/21
Rechtsgrundlagen
Redaktioneller Leitsatz
Bei einem Erwerb eines vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw Audi mit 3.0l V-TDI-Motor (hier: EA897 Gen2) im Februar 2020 war die besondere Verwerflichkeit des Handelns des Fahrzeugherstellers bereits entfallen. Denn spätestens ab Beginn des Jahres 2018 hatte die Audi AG Gegenmaßnahmen ergriffen, die ihr Gesamtverhalten ab da nicht mehr als besonders verwerflich erscheinen lassen.
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2022 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 22. März 2022 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
III. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf bis 22.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten unter anderem Schadensersatz im Zusammenhang mit der Betroffenheit seines Fahrzeuges vom sog. "Dieselskandal".
Am 8. Mai 2018 gab die Beklagte eine Pressemitteilung über Auffälligkeiten in der Motorsteuerung von bestimmten Fahrzeugen des Typs A6 bzw. A7 mit V6-TDI-Motoren heraus (Anlage B12 = Anlagenband Beklagte); es folgte eine weitere Presseberichterstattung durch das KBA und in den öffentlichen Medien (Anlagen B13-B21 = ebd.). Ferner stellte die Beklagte in der Folge eine Webseite zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit bereit (Anlagen B22 und B23 = ebd.).
Am 15. Mai 2018 informierte die Beklagte ihre Vertragshändler über das Audi Partner Portal (APP) erstmals durch ein Informationsschreiben über die Anordnung eines Verkaufsstopps für Modelle mit V6 3.0l TDI Motor vom Typ Audi A6 und A7 und die Entwicklung eines Software-Updates (Anlage B7 = ebd.). Am 29. Juni 2018 hob die Beklagte den Verkaufsstopp für Gebrauchtfahrzeuge des betroffenen Typs auf und forderte die Händler auf, die Fahrzeuge vor Aufspielen des Software-Updates nur nach entsprechendem Hinweis an Kaufinteressenten über die Beanstandungen und die erforderliche Software-Aktualisierung zu veräußern (Anlage B8 = ebd.). Am 3. Juli 2018 wurde den Händlern und Servicepartnern über das APP ein entsprechendes Musterschreiben ("Beipackzettel") zur Verfügung gestellt, das den Kaufinteressenten vor einem Kauf auszuhändigen war (Anlagen B9 und B10 = ebd.). Am 12. November und 20. Dezember 2018 wurden die Vertragshändler über die jeweils teilweise Aufhebung des Verkaufsstopps für Neufahrzeuge und das zwingende Aufspielen des Software-Updates vor einer Veräußerung informiert (Anlage B11 = ebd.). Die Halter der Fahrzeuge wurden durch Schreiben aus Dezember 2018 über das Erfordernis eines Software-Updates informiert.
Das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) hat mit Bescheid vom 4. Juni 2018 Nebenbestimmungen zu diesem Fahrzeugtyp wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung hinsichtlich des Emissionsverhaltens angeordnet. Es hat hierzu - in einer Auskunft gegenüber dem Senat vom 13. Oktober 2022 (Bl. 249 f. Bd. II d.A.) - ausgeführt:
Mit einer Pressemitteilung vom 6. Juni 2018 informierte das KBA über den Rückruf unter anderem des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps (Anlage B13 = ebd.). In der Folgezeit entwickelte die Beklagte ein Software-Update, dass vom KBA mit Bestätigung vom 12. November 2018 freigegeben und am 8. Januar 2019 auf das klägerische Fahrzeug aufgespielt wurde. Mit diesem Software-Update wurde (unstreitig) die o.g. Restreichweitenerkennung (sog. Strategie E) beseitigt.
Der Kläger erwarb sodann am 22. Februar 2020 von einer dritten Privatperson einen gebrauchten Audi A6 Avant (FIN: ...) mit einer Laufleistung von 127.954 km zu einem Kaufpreis von 22.750,00 EUR (Anlage K1 = Anlagenband Kläger). Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor vom Typ V6 3.0l TDI mit der Schadstoffnorm Euro 6 ausgestattet (Kläger: EA897; Beklagte: EA897 Gen2Evo).
Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über unzulässige Abschalteinrichtungen, die dazu führen würden, dass es einen wesentlich höheren NOx-Ausstoß aufweise, als die Typgenehmigung des KBA ausweise. In dem Fahrzeug seien eine Aufheizstrategie ("Strategie A") und eine Restreichweitenerkennung ("Strategie E") verbaut, bei denen es sich jeweils um unzulässige Abschalteinrichtungen handele und die eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begründen würden. Zudem komme in der Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes eine Prüfstandserkennung zum Einsatz; während im normalen Fahrbetrieb das sog. dynamische Schaltprogramm zum Einsatz komme, werde auf dem Prüfstand ausschließlich ein sog. Warmlaufschaltprogramm verwendet. Das habe Auswirkungen auf die Abgasemissionen und den Kraftstoffverbrauch. Hierbei handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, weil die Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes Bestandteil des Emissionskontrollsystems sei. Durch das Software-Update sei nur die "Strategie E" beseitigt worden, nicht jedoch die weiteren, im Fahrzeug eingesetzten Abschalteinrichtungen. Deshalb bestehe ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 826, 31 BGB, weil die Beklagte sittenwidrig gehandelt habe, indem sie das Fahrzeug unter Verschweigen einer gesetzeswidrigen Software-Programmierung in den Verkehr gebracht habe. Ferner bestünden Ansprüche gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB.
Die Beklagte hat geltend gemacht, dass die Software des streitgegenständlichen Fahrzeugs bereits vor Vertragsschluss aktualisiert worden sei, so dass - was auch das KBA bestätigt habe - keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorliegen würden. Eine prüfstandabhängige Abschalteinrichtung komme nicht zum Einsatz. Dies gelte auch im Hinblick auf die angebliche unzulässige Abschalteinrichtung im Getriebe. Die gesetzlich vorgesehenen Grenzwerte würden eingehalten und es habe nur bei bestimmten Fahrzeugen (zu denen das hiesige nicht gehöre) einen Rückruf gegeben. Darüber hinaus habe die Beklagte entsprechende Maßnahmen im Verhältnis zu Händlern und potentiellen Erwerbern ergriffen, so dass für den Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens kein Raum sei. Die Vertragshändler seien informiert worden, es habe Schreiben an die Halter gegeben sowie Pressemitteilungen der Beklagten und des KBA. Ferner habe es eine entsprechende Presseberichterstattung gegeben und eine Webseite zur Ermittlung der individuellen Betroffenheit der Halter.
Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung gerichtete Klage durch Urteil vom 22. März 2022 (Bl. 122 ff. Bd. I d.A.), auf das wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts, der tatsächlichen Feststellungen und der Entscheidungsgründe verwiesen wird (§ 540 ZPO), abgewiesen. Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch gem. § 826 BGB zu, weil er eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung nicht vorgetragen habe. Hier habe das KBA das Software-Update freigegeben, woraus sich ergebe, dass der Motortyp untersucht worden sei, aber unzulässige Abschalteinrichtungen nicht hätten festgestellt werden können. Jedenfalls lasse sich keine arglistige Täuschung feststellen. Dafür würden keine greifbaren Anhaltspunkte vorliegen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren auf Rückabwicklung des Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug weiterverfolgt. Entgegen der Annahme des Landgerichts bestehe ein Anspruch aus §§ 826,31 BGB. Es habe sich bereits nicht auf eine Tatbestandswirkung der Typgenehmigung stützen dürfen, weil dies der Einordnung der Funktionen als unzulässige Abschalteinrichtungen nicht entgegenstehe. Es sei keine eigene Überprüfung der Motorsteuerungssoftware durch das KBA erfolgt. Ferner sei lediglich die vom KBA beanstandete Funktion der sog. Restreichweitenerkennung ("Strategie E") entfernt wurden, nicht aber die übrigen Abschalteinrichtungen, wie etwa die manipulierte Getriebesteuerung. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei durch den Abschluss des Kaufvertrages auch ein Schaden eingetreten, weil das Fahrzeug für seinen eigentlichen Zweck nicht brauchbar sei. Darüber hinaus bestehe unter Berücksichtigung der Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH in dem Verfahren C-100/21 auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 18, 26, 46 der Richtlinie 2007/46/EG.
Der Kläger hat zunächst im Berufungsverfahren die Zahlung eines Betrages in Höhe von 20.728,95 EUR abzüglich einer Nutzungsentschädigung geltend gemacht (Bl. 154 Bd. I d.A.). In der mündlichen Verhandlung hat er den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerschaft 19.375,50 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A6 Avant mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ....
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu Ziffer 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Kosten für die Rechtsverfolgung in Höhe von 1.295,43 EUR freizustellen.
Im Übrigen hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt; die Beklagte hat der Erledigungserklärung nicht zugestimmt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das ihr günstige Urteil erster Instanz als richtig. Eine deliktsrechtliche Haftung komme nicht in Betracht, weil die Motorsteuerungssoftware bei Erwerb des Fahrzeugs bereits aktualisiert gewesen sei und in der Folge keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorhanden gewesen seien. Zudem würden eine Täuschung und ein sittenwidriges Verhalten aufgrund der Restreichweitenregelung fehlen, weil es sich nicht um eine prüfstandsabhängige unzulässige Abschaltstrategie gehandelt habe. Das Vorbringen zur Getriebemanipulation sei unsubstantiiert. Es sei lediglich bei einigen Fahrzeugen des Typs A7 und A8 mit V-TDI EU5 Motor zu Rückrufbescheiden gekommen, nicht jedoch bei dem Fahrzeug des Klägers. Das KBA habe folglich die Unbedenklichkeit des klägerischen Fahrzeugtyps bestätigt, obwohl ihm die Getriebeschaltprogramme bekannt gewesen seien. Darüber hinaus könnte der Beklagten auch kein sittenwidriges Verhalten vorgeworfen werden. Sie habe - unter Zugrundelegung der unstreitig ergriffenen Maßnahmen - alles ihr Zumutbare unternommen, um sicherzustellen, dass der Kläger vor dem Erwerb Kenntnis von der Betroffenheit des Fahrzeuges habe erlangen können. Aufgrund ihrer Verhaltensänderung bis zum Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger könnte nach der Rechtsprechung des BGH nicht mehr von einer Sittenwidrigkeit ausgegangen werden. Schließlich fehle es auch an einem Schaden, der Kausalität und den subjektiven Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 826 BGB. Ein Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bestehe nach der Rechtsprechung des BGH ebenfalls nicht.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des KBA, die mit Schreiben vom 13. Oktober 2022 (Bl. 249 f. Bd. II d.A.) erteilt wurde und zu der die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer in beiden Instanzen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerechte Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein durchsetzbarer Anspruch auf Schadensersatz zu.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 826, § 31 BGB.
a) Eine deliktische Haftung nach §§ 826, 31 BGB kommt grundsätzlich in Betracht, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19, VI ZR 397/19 sowie VI ZR 5/20 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20; jew. juris; vgl. auch OLG Celle, Urteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, juris). Die Beklagte ist daher grundsätzlich gegenüber Käufern von Fahrzeugen, deren von ihr hergestellter Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, im Falle des Vorliegens der weiteren Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich wegen vorsätzlicher sittenwidrigen Schädigung nach §§ 826, 31 iVm § 249 BGB verpflichtet, gegen Übereignung des betreffenden Fahrzeugs den um eine Nutzungsvergütung geminderten Kaufpreis zu erstatten.
b) Im Streitfall liegen jedoch die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs gemäß § 826 BGB nicht vor.
aa) Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist eine sittenwidrige Schädigung. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15; vom 12. März 2020 - VII ZR 236/19, VersR 2020, 1120 Rn. 24; jeweils m.w.N.). Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, WM 2021, 1609 Rn. 11; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, VersR 2021, 661 Rn. 12 und vom 19.Januar 2021- VI ZR 433/19, ZIP 2021, 297 Rn. 14; Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, ZIP 2020, 1715 Rn. 29 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15).
Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VI ZR 257/20, juris Rn. 20; vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 21; vom 8. März 2021 - VI ZR 505/19, juris Rn. 19 und vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris Rn. 16 ff.).
Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt deshalb voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschieht (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2021 - VII ZR 257/20, juris Rn. 21 und vom 16. September 2021 - VII ZR 192/20, juris Rn. 22; Beschlüsse vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 19).
Insoweit entspricht es der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass das Kriterium der "Prüfstandsbezogenheit" grundsätzlich geeignet ist, um zwischen nur unzulässigen Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2021 - VII ZR 126/21, juris Rn. 18; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 19; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 27; Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 18). Die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, indiziert eine arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörden (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 21. September 2022 - VII ZR 767/21, juris Rn. 10 mwN). Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für den Motorhersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, so dass es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 28; Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20, juris Rn. 16).
bb) Diesen Maßstab zugrunde gelegt lassen sich dem Vorbringen des Klägers die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gem. § 826 BGB gegen die Beklagte nicht schlüssig entnehmen. Es mangelt bereits an Anhaltspunkten für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs. Zudem hat die Beklagte auch sonst nicht sittenwidrig gehandelt.
(1) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2012 - 1 BvR 1819/10, juris Rn. 16; BGH, Urteile vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 20 und vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19, juris Rn. 19; Beschlüsse vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, juris Rn. 7 und vom 26. März 2019 - VI ZR 163/17, juris Rn. 11; jew. mwN).
Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat. Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 21 f. mwN).
(2) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist eine ausreichende Darlegung von Anhaltspunkten durch den Kläger, dass das Herstellen und Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschehen, und damit objektiv sittenwidrig, zu verneinen.
(a) Der Kläger hat zwar das Vorhandensein verschiedener Abschalteinrichtungen, namentlich eine Restreichweitenregelung ("Strategie E") und eine Aufheizstrategie ("Strategie A") sowie eine Manipulation der Getriebesteuerung behauptet. Allerdings war die Restreichweitenregelung im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs bereits durch ein Software-Update entfernt worden (s. dazu unter Buchst. (b)). Für weitere Abschalteinrichtungen hat der Kläger Anhaltspunkte nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere hat das KBA bei (nachträglichen) Überprüfungen keine weiteren Abschalteinrichtungen festgestellt und deshalb keine Beanstandungen bezüglich einer Abschalteinrichtung bzw. einer Prüfstandserkennung gehabt.
(b) Restreichweitenregelung ("Strategie E")
(aa) Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der behaupteten Restreichweitenregelung ("Strategie E") in der ursprünglichen Motorsteuerungssoftware scheiden vorliegend bereits deswegen aus, weil er das streitgegenständliche Fahrzeug bereits mit aufgespieltem Software-Update erworben hat, so dass ein Mangel nicht ersichtlich ist (vgl. ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 U 240/19, BeckRS 2019, 21289; OLG München, Urteil vom 7. September 2020 - 21 U 6317/19, juris Rn. 29 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 21. Januar 2020 - 13 U 476/18, juris Rn. 12). Er hat das Fahrzeug nach der Aktualisierung der Motorsteuerungssoftware - infolge eines (unstreitigen) Rückrufs des Kraftfahrt-Bundesamtes (im Folgenden: KBA) - und zwar am 22. Februar 2020 erworben. Das Software-Update war bereits am 8. Januar 2019 auf das Fahrzeug aufgespielt worden.
In diesem Zusammenhang kann deshalb unterstellt werden, dass es sich bei der ursprünglich verwendeten Restreichweitenregelung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelte, die zu einem Mangel des Fahrzeugs geführt hat. Ein solcher Mangel hätte dann nicht allein auf der technischen Ebene vorgelegen, vielmehr hätten dem Käufer eines solchen Fahrzeugs behördliche Anordnungen zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung bis hin zur Stilllegung des Wagens gedroht. Mit der Durchführung des vom KBA freigegebenem Software-Updates ist jedoch die vormalige unzulässige Abschalteinrichtung beseitigt und es droht deswegen auch keine behördliche Maßnahme mehr. Damit ist ein Mangel jedoch nicht (mehr) ersichtlich.
Das KBA hat mit der Freigabebestätigung bestätigt, dass nach dem Software-Update keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorliegen (vgl. Bl. 35R f. Bd. I d.A.). Im Übrigen ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Restreichweitenregelung bzw. "Strategie E" mit dem Software-Update beseitigt wurde; das wird auch von dem Kläger nicht (mehr) in Abrede genommen (vgl. zB Bl. 86R und 160 Bd. I d.A.).
Aus dem klägerischen Vorbringen ergibt sich auch kein konkreter Anhalt dafür, dass es beim streitgegenständlichen Fahrzeug zu irgendwie gearteten Störungen oder Unregelmäßigkeiten bei der Nutzung gekommen ist, die man als Abweichen von der üblichen, zu erwartenden Beschaffenheit vergleichbarer Fahrzeuge qualifizieren könnte. Soweit der Kläger allgemein vorträgt, das Update habe negative Auswirkungen auf die Fahrzeuge, greift dies nicht durch. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14. Januar 2022 (Bl. 35R f. Bd. I d.A.) dargetan, dass das KBA mit der Freigabe ausdrücklich bestätigt habe, dass nach Durchführung der angeordneten Maßnahme alle geltenden Grenzwerte bzgl. der Schadstoffemissionen sowie die sonstigen Anforderungen eingehalten werden. Dem ist der Kläger nicht weiter mit schlüssigem Vorbringen entgegengetreten.
(bb) Darüber hinaus kommen Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte im Zusammenhang mit der ursprünglichen Motorsteuerungssoftware (und der "Strategie E") nicht in Betracht, weil er das streitgegenständliche Fahrzeug erst im Februar 2020 und damit nach Offenlegung der Betroffenheit dieses Fahrzeugtyps von einem Rückruf des KBA aufgrund verschiedener Pressemitteilungen der Beklagten sowie Informationen ihrer Vertragshändler erworben hat.
(1.1) Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln; es ist daher das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 30). Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 30). Deshalb kann im Rahmen des § 826 BGB ein Verhalten, das sich gegenüber zunächst betroffenen (anderen) Geschädigten als sittenwidrig darstellte, aufgrund einer Verhaltensänderung des Schädigers vor Eintritt des Schadens bei dem konkreten Geschädigten diesem gegenüber nicht mehr als sittenwidrig zu werten sein (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 31; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 13). Eine solche Verhaltensänderung kann somit bereits der Bewertung seines Gesamtverhaltens als sittenwidrig - gerade in Bezug auf den geltend gemachten, erst später eingetretenen Schaden und gerade im Verhältnis zu dem erst später Geschädigten - entgegenstehen und ist nicht erst im Rahmen der Kausalität abhängig von den Vorstellungen des jeweiligen Geschädigten zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 31).
Demgemäß endet - entsprechend der ständigen Rechtsprechung zum Motorentyp EA 189 - die Sittenwidrigkeit des Handelns des schädigenden Fahrzeugherstellers mit der Offenlegung des die Täuschung begründenden Sachverhalts (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 34 ff.; OLG Celle, Urteil vom 29. Januar 2020 - 7 U 575/18, juris Rn. 35 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 30. März 2021 - 3 U 1438/20, juris Rn. 32 ff.).
Dies entspricht der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat und auf die wegen der Begründung im Einzelnen jeweils Bezug genommen wird (vgl. BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, aaO Rn. 34 ff.; vom 8. Dezember 2020 - VI ZR 244/20, ZIP 2021, 84 Rn. 11 ff.; vom 23. März 2021 - VI ZR 1180/20, WM 2021, 986 Rn. 9 ff.; vom 22. Februar 2022 - VI ZR 265/20, juris Rn. 10 und vom 21. Dezember 2021 - VI ZR 277/20, juris Rn. 8; OLG Celle, Beschlüsse vom 1. Juli 2019 - 7 U 33/19, juris Rn. 33 ff. und vom 27. Mai 2019 - 7 U 335/18, juris Rn. 32 ff.; Urteil vom 29. Januar 2020 - 7 U 575/18, juris).
Auf eine Kenntnis der betroffenen Käufer von den Maßnahmen der Beklagten und/oder deren Inhalt kommt es dagegen nicht an.
Entsprechendes hat der BGH mit Beschluss vom 12. Januar 2022 (VII ZR 391/21, juris) - in einem dem vorliegenden Streitfall vergleichbaren Verfahren - bestätigt. Danach hat er im Fall eines im April 2018 von einem Audi-Vertragshändler erworbenen, mit einem V6-3-Liter-Motor ausgestatteten Audi SQ5 ein sittenwidriges Handeln der Beklagten verneint, weil im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung ihr Verhalten bis zum Abschluss des dort streitgegenständlichen Kaufvertrags infolge der von ihr zwischenzeitlich ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung einer Täuschung potentieller Fahrzeugerwerber den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht mehr habe rechtfertigen können (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 391/21, aaO Rn. 27 ff.). Der BGH ist von dem Folgenden durch das Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ausgegangen (Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 391/21, aaO Rn. 1 f.):
"Der Kläger nimmt die Beklagte hinsichtlich eines von ihm am 6. April 2018 von einem AUDI-Vertragshändler als Gebrauchtwagen erworbenen und von der Beklagten hergestellten Fahrzeugs AUDI SQ5 in Anspruch. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs V6 3.0 TDI EU 6 ausgestattet und unterfiel wegen der sogenannten Aufheizstrategie einem verpflichtenden Rückruf seitens des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), über den das KBA mit Pressemitteilung vom 23. Januar 2018 informiert hatte.
Die Beklagte hatte ihre Vertriebspartner zuvor über die für die Kommunikation mit diesen eingerichteten internetbasierten Plattform "AUDI Partner Portal" (APP) über den Rückruf informiert. Das APP enthält alle wesentlichen Informationen für die Tätigkeit des Händlers und wird von diesem mehrfach wöchentlich eingesehen. Die Beklagte teilte ihren Vertriebspartnern mit, dass die betroffenen Fahrzeuge, darunter das später vom Kläger erworbene, nur nach entsprechendem Hinweis an den Kaufinteressenten über die Beanstandung des KBA und das erforderliche Software-Update verkauft werden dürften. Zu diesem Zweck stellte die Beklagte den Vertragshändlern über das APP ein Musterschreiben zur Verfügung, welches fortan den Kaufinteressenten vor Abschluss des Kaufvertrages auszuhändigen sei (sogenannter Beipackzettel). In Zusammenarbeit mit dem KBA entwickelte die Beklagte ein Software-Update, mit dem das KBA den gesetzeswidrigen Zustand für beseitigt ansah. Der Kläger ließ das Software-Update aufspielen, um eine Stilllegung des Fahrzeugs zu vermeiden."
Dies zugrunde legend hat der BGH ausgeführt (Beschluss vom 12. Januar 2022 - VII ZR 391/21, aaO Rn. 28-30):
"(1) Durch die vom Berufungsgericht festgestellten Maßnahmen der Beklagten sind wesentliche Umstände, die den Vorwurf der Sittenwidrigkeit im Hinblick auf die Entwicklung und Implementierung der - revisionsrechtlich zu unterstellenden - manipulativen und prüfstandsbezogenen Aufheizstrategie tragen, bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch den Kläger entfallen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 34, ZIP 2020, 1715). Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung kann das Verhalten der Beklagten bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages im April 2018 mit einer Täuschung nicht mehr gleichgesetzt werden. Selbst wenn analog zu den Feststellungen zur Gesinnung und zum Verhalten der Volkswagen AG gegenüber Käufern, die vor dem 22. September 2015 ein Fahrzeug mit einem Motor des Typs EA 189 erwarben, dessen evident unzulässige "Umschaltlogik" in Millionen von Fällen den sogenannten Dieselskandal erst ausgelöst hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 16 ff., BGHZ 225, 316), unterstellt wird, dass auch die Beklagte ursprünglich aufgrund einer für ihr Unternehmen getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in großem Umfang Fahrzeuge mit Motoren mit unzulässiger Abschalteinrichtung in den Verkehr gebracht habe, womit eine erhöhte Belastung der Umwelt sowie die Gefahr einhergegangen seien, dass bei einer Aufdeckung des Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte, hat das Berufungsgericht zu Recht wegen der festgestellten Verhaltensänderung den Vorwurf der Sittenwidrigkeit im maßgeblichen Erwerbzeitpunkt des Klägers nicht mehr für gerechtfertigt gehalten.
(2) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, hat die Beklagte durch ihr Verhalten gezeigt, dass es ihr nicht mehr darauf ankam, die Fahrzeugkäufer im eigenen Kosten- und Gewinninteresse zu täuschen. Sie hat vielmehr nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts umfangreiche Veranlassungen getroffen, um eine solche - durch ihre Vertragshändler vermittelte - Täuschung der Käufer zu verhindern. Aufgrund der verpflichtenden internen Anweisung auf der für die Kommunikation mit ihren Vertragshändlern maßgeblichen Plattform durfte die Beklagte davon ausgehen, dass Fahrzeugkäufer von den Vertragshändlern der Beklagten grundsätzlich Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung erhielten. In Zusammenarbeit mit dem KBA hat die Beklagte zudem ein Software-Update entwickelt, das den gesetzeswidrigen Zustand und die Stilllegungsgefahr nach Freigabe durch das KBA beseitigt hat.
(3) Entgegen der Auffassung der Revision gebietet die Tatsache, dass die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht analog zur Volkswagen AG und dem von dieser entwickelten Motortyp EA 189 eine Pressemitteilung über den Rückruf veröffentlicht und keine Suchmaschine freigeschaltet hat, mit der anhand der Fahrzeug-Identifizierungsnummer kontrolliert werden konnte, ob das eigene Fahrzeug betroffen war, keine andere Beurteilung. Denn dass die Beklagte eine bewusste Manipulation geleugnet hat und dass sie möglicherweise weitere Schritte zur umfassenden Aufklärung hätte unternehmen können, reicht für die Begründung des gravierenden Vorwurfs der sittenwidrigen Schädigung gegenüber späteren Käufern nicht aus. Insbesondere war ein aus moralischer Sicht tadelloses Verhalten der Beklagten oder eine Aufklärung, die tatsächlich jeden potenziellen Käufer erreicht und einen Fahrzeugerwerb in Unkenntnis der Abschalteinrichtung sicher verhindert, zum Ausschluss objektiver Sittenwidrigkeit nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2020 - VI ZR 244/20 Rn. 16, WM 2021, 50; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 38, ZIP 2020, 1715). Es kommt daher auch nicht darauf an, dass nach den protokollierten Angaben des Klägers bei seiner Anhörung der Vertragshändler, von dem er das Fahrzeug erwarb, ihm nicht nur den "Beipackzettel" nicht aushändigte, sondern ihn sogar unzutreffend informierte, das Fahrzeug sei nicht von einem Rückruf betroffen."
(Hervorhebungen d.d. Senat)
(1.2) Gemessen an diesen Voraussetzungen ist auch im Streitfall in der Gesamtschau ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten beim Fahrzeugerwerb durch den Kläger im Februar 2020 zu verneinen.
(1.2.1) Jedenfalls ab Beginn des Jahres 2018 verfolgte die Beklagte die Strategie, an die Öffentlichkeit zu treten, Unregelmäßigkeiten einzuräumen und in Zusammenarbeit mit dem KBA Maßnahmen zur Beseitigung des gesetzwidrigen Zustandes zu erarbeiten, um die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung zu bannen.
Am 8. Mai 2018 gab die Beklagte eine Pressemitteilung über Auffälligkeiten in Fahrzeugen mit V6-TDI-Motoren heraus (Anlage B12 = Anlagenband Beklagte); es folgte eine weitere Presseberichterstattung durch das KBA und in den öffentlichen Medien (Anlagen B13-B21 = ebd.).
Am 15. Mai 2018 informierte die Beklagte ihre Vertragshändler über das Audi Partner Portal (APP) erstmals durch ein Informationsschreiben darüber, dass für Modelle mit V6 3.0l TDI Motor vom Typ Audi A6 und A7 ein Verkaufsstopp angeordnet und dass ein Software-Update entwickelt werde (Anlage B7 = Anlagenband Beklagte). Am 29. Juni 2018 hob die Beklagte den Verkaufsstopp für Gebrauchtfahrzeuge auf und forderte die Händler auf, die Fahrzeuge vor Aufspielen des Software-Updates nur nach entsprechendem Hinweis an Kaufinteressenten über die Beanstandungen und die erforderliche Software-Aktualisierung zu veräußern (Anlage B8 = ebd.). Am 3. Juli 2018 wurde den Händlern und Servicepartnern über das APP ein entsprechendes Musterschreiben (Beipackzettel) zur Verfügung gestellt, das den Kaufinteressenten vor einem Kauf auszuhändigen war (Anlagen B9 und B10 = ebd.). Am 12. November und 20. Dezember 2018 wurden die Vertragshändler über die jeweils teilweise Aufhebung des Verkaufsstopps für Neufahrzeuge informiert (Anlage B11 = ebd.). Die Halter der Fahrzeuge wurden durch Schreiben aus Dezember 2018 über das Erfordernis eines Software-Updates informiert.
Darüber hinaus konnte auf der Internetseite der Beklagten abgefragt werden, ob ein Fahrzeug mit der vom KBA beanstandeten Bedatung der Motorsteuerung Software ausgestattet ist (vgl. Anlagen B22 und B23 = ebd.; Bl. 40R f. Bd. I d.A.).
(1.2.2) Dementsprechend hat die Beklagte durch ihr Verhalten gezeigt, dass es ihr nicht mehr darauf ankam, die Fahrzeugkäufer im eigenen Kosten- und Gewinninteresse zu täuschen. Sie hat vielmehr umfangreiche Veranlassungen getroffen, um eine solche - durch ihre Vertragshändler vermittelte - Täuschung der Käufer zu verhindern. Aufgrund der verpflichtenden internen Anweisung auf der für die Kommunikation mit ihren Vertragshändlern maßgeblichen Plattform durfte die Beklagte davon ausgehen, dass Fahrzeugkäufer von den Vertragshändlern der Beklagten grundsätzlich Kenntnis von der unzulässigen Abschalteinrichtung erhielten. In Zusammenarbeit mit dem KBA hat die Beklagte zudem ein Software-Update entwickelt, das den gesetzeswidrigen Zustand und die Stilllegungsgefahr nach Freigabe durch das KBA beseitigt hat.
(1.2.3) Jedenfalls in ihrer Zusammenschau führten die genannten Maßnahmen dazu, dass der Beklagten kein objektiv sittenwidriges Verhalten mehr angelastet werden kann. Dass diese mitunter etwas anders gelagert waren, als die Maßnahmen, welche die VW AG hinsichtlich des Motorentyps EA 189 ergriff, führt insoweit zu keinem anderen Ergebnis. Dass darüber hinaus weitere unzulässige Abschalteinrichtungen im Rahmen der Überprüfung durch das KBA unentdeckt geblieben wären, hat der Kläger nicht substantiiert dargetan. Letztlich hat der Kläger noch nicht einmal ausdrücklich in Abrede genommen, selber von dem Verkäufer des streitgegenständlichen Pkw über die Beanstandungen des KBA informiert worden zu sein. Im Übrigen kommt es auf eine subjektive Kenntnis der betroffenen Käufer von den genannten Maßnahmen ohnehin nicht an. Käufer eines betroffenen PKW, die ihr Fahrzeug jedenfalls ab Februar 2018 erworben haben, können die Beklagte als Motorherstellerin daher nicht (mehr) aus Delikt in Anspruch nehmen.
(c) Aufheizstrategie ("Strategie A")
Der Einwand des Klägers, dass der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aufgrund des Einsatzes der Aufheizstrategie ("Strategie A") begründet sei, die nicht durch das Software-Update entfernt worden sei, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Denn eine entsprechende (unzulässige) Abschalteinrichtung, insbesondere in Gestalt einer Prüfstandserkennung ist in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vorhanden. Der Kläger hat hierfür keine konkreten schlüssigen Anhaltspunkte vorgetragen.
(aa) Aus dem verpflichtenden Rückruf des KBA ergibt sich im Streitfall kein gewichtiges Indiz dafür, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt einer Aufheizstrategie verbaut ist. Denn der Rückruf bezog sich unstreitig lediglich auf die Restreichweitenregelung ("Strategie E") und hatte nicht eine Aufheizstrategie ("Strategie A") zum Gegenstand. Zudem wurde die mit dem Rückruf beanstandete Abschalteinrichtung durch das - hier vor dem Erwerb aufgespielte - Software-Update beseitigt. Folglich unterlag das streitgegenständliche Fahrzeug im Erwerbszeitpunkt keinem Rückruf mehr, der damit im Erwerbszeitpunkt auch kein Anhaltspunkt für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung sein kann.
(bb) Ferner folgt dies aus der im vorliegenden Fall eingeholten amtlichen Auskunft des KBA vom 13. Oktober 2022 (Bl. 249 f. Bd. II d.A.). Diese kann der Senat nach § 273 Abs. 2 Nr. 2, § 358a Satz 2 Nr. 2 ZPO grundsätzlich als Beweismittel verwerten (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 198/13, BGHZ 210, 77 Rn. 97).
Der Senat hat das KBA mit Schreiben vom 27. September 2022 (Bl. 244 f. Bd. II d.A.) um eine amtliche Auskunft unter anderem zu den nachfolgenden Fragen ersucht:
"Sind in dem im Fahrzeug des Klägers (Audi A6 Avant mit der FIN: ...) verbauten Dieselmotor (EA 897, Euro 6) Abschalteinrichtungen nach Maßgabe des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vom 20. Juni 2007 (Euro 5 und 6) verbaut, zum Beispiel in Form:
aa) einer sog. Strategie A (Aufheizstrategie), die zum Einsatz kommt, wenn eine Vielzahl von Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind und die das Ziel hat, die Abgasnachbehandlungssysteme möglichst schnell aufzuheizen;
bb) einer Manipulation der Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes durch zwei verschiedene Getriebeschaltprogramme (Warmlaufschaltprogramm im Prüfstand; DSP für den Straßenbetrieb);"
Diese Fragen hat das KBA mit Schreiben vom 13. Oktober 2022 (Bl. 249 f. Bd. II d.A.) wie folgt beantwortet:
Das KBA hat somit bestätigt, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nur eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt der Restreichweitenerkennung ("Strategie E") vorhanden ist (bzw. im Erwerbszeitpunkt war), nicht jedoch die von dem Kläger behauptete Aufheizstrategie ("Strategie A").
(cc) Mit der Freigabebestätigung hat das KBA darüber hinaus bestätigt, dass nach dem Software-Update keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr vorliegen (vgl. Bl. 35R Bd. I d.A.). Es ist insoweit nichts dafür ersichtlich, dass die Feststellungen des KBA aus dem Jahr 2018 in Bezug auf den streitgegenständlichen Motortyp überholt wären, das also neben der "Strategie E" weitere (unzulässige) Abschalteinrichtungen implementiert sind. Vielmehr bestätigen die von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte vom 22. Februar 2021 gegenüber dem Landgericht Dortmund (Anlage B2 = ebd.) und vom 26. Januar 2021 gegenüber dem Landgericht Potsdam (Anlage B3 = ebd.), dass das KBA auch weiterhin an seiner Beurteilung festhält.
(dd) Es wird in diesem Zusammenhang nicht verkannt, dass die Ausführungen des KBA nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen vermögen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 80; Beschluss vom 14. Dezember 2021 - VIII ZR 386/20, juris Rn. 34). Die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde ist an der objektiven Rechtslage zu messen. Sie hängt nicht davon ab, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche (zunächst) unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, aaO Rn. 82).
Darum geht es jedoch vorliegend nicht, sondern vielmehr um das bloße tatsächliche Vorhandensein einer Abschalteinrichtung in Gestalt einer Aufheizstrategie bzw. Warmlaufstrategie ("Strategie A") und nicht um die - in einem zweiten Schritt vorzunehmende - Bewertung von deren (Un-)Zulässigkeit.
Das KBA hat sowohl die ursprüngliche Motorsteuerungssoftware als auch das Software-Update umfassend geprüft. Dabei hat es jedoch im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp lediglich eine Strategie im Zusammenhang mit der Reduktion der Dosiermenge von AdBlue bei einer Restreichweite von 2.400 km (Restreichweitenregelung bzw. "Strategie E") festgestellt, aber keine Aufheizstrategie ("Strategie A"). Dies, obwohl - wie dem Senat aus zahlreichen Parallelverfahren bekannt ist - dem KBA das grundsätzliche Vorhandensein einer solchen Abschalteinrichtung und deren Unzulässigkeit als Prüfstandserkennung bzw. prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung von anderen Fahrzeugtypen der Beklagten mit V6 bzw. V8 TDI Motoren der Schadstoffnorm Euro 6 bzw. Biturbomotoren mit der Schadstoffnorm Euro 5 bekannt war. Bei diesen Fahrzeugtypen ist das KBA von der Unzulässigkeit der Aufheizstrategie bzw. Warmlaufstrategie ausgegangen, weil diese nur unter Prüfstandsbedingungen eingreift, nicht jedoch unter realen Betriebsbedingungen (vgl. zB BGH, Urteil vom 11. August 2022 - VII ZR 499/21, juris; Senatsurteil vom 29. Juni 2022 - 16 U 71/22, n.v.; OLG Brandenburg, Urteil vom 23. Juni 2022 - 5 U 101/21, juris; OLG München, Urteil vom 23. Februar 2022 - 7 U 5748/21, juris). Im konkreten Fall hat das KBA die "Strategie A" jedoch trotz Prüfung nicht festgestellt, sondern nur die "Strategie E".
So ist auf das Berufungsurteil des 16. Zivilsenats vom 13. Oktober 2021 (16 U 367/21, n.v.) zu verweisen, mit dem der gegen die Audi AG gerichteten Klage stattgegeben worden ist. Ferner kann auf die Verfahren 7 U 791/21 und 7 U 701/20 Bezug genommen werden. In Letzterem ist bei gleichgelagertem Sachverhalt auszugsweise folgende KBA-Auskunft vom 09. Juli 2021 eingeholt worden:
"Seitens des KBA wurde ein VW Touareg 3.0 l 193 kW Euro 6 untersucht. Die Prüfberichte und Modaldaten sind auf der Internetseite des KBA zu finden: ...
In dem betroffenen Fahrzeug wird eine Art Warmlaufstrategie mit vergleichsweise hohen Raten der Abgasrückführung (AGR) nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 genutzt und außerhalb der gesetzten Bedingungen abgeschaltet, ohne dass ein triftiger Ausnahmegrund vorliegt.
Bereits zum Starten der Strategie wird eine Vielzahl von Initialisierungsparametern verwendet, die über eine UND-Verknüpfung miteinander verbunden sind. D. h. alle Bedingungen müssen gleichzeitig vorliegen, dann wird die Strategie genutzt. Die zu den Parametern gehörenden Werte (Schaltbedingungen) sind so eng eingrenzend, dass die Strategie nahezu ausschließlich im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen wirkt. Mit Nutzung der Strategie wird der Emissionsgrenzwert für Stickoxide eingehalten. Schon kleine Abweichungen in Farbprofil und Umgebungsbedingungen führen zur Abschaltung der Strategie. Dadurch wird die Rate und damit die Wirkung der AGR verringert und die Stickoxidwerte erhöhen sich. Im Falle der betroffenen Fahrzeugkonzepte kann dieser Anstieg der Emissionen auch nicht über das NOx-Nachbehandlungssystem (SCR-Katalysator) kompensiert werden, d. h. ohne die Nutzung erhöhter AGR-Rate-Raten im NEFZ wird der Grenzwert für NOx-Emissionen überschritten.
Diese Strategie wurde durch das KBA als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet, da das Fahrzeug unter Typprüfbedingungen effektivere Emissionskontrollstrategien einsetzt als in angrenzenden Bereichen, die ebenfalls zu den normalen Betriebsbedingungen zählen. Eine legitimierende Begründung dafür im Sinne der Ausnahmebestimmungen gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG konnte der Fahrzeughersteller nicht vorbringen.
Das betroffene Fahrzeug verfügt über eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung. Die in Rede stehenden Fahrzeuge verwenden einen SCR-Katalysator, der systembedingt mit Reagenzmittel (Harnstoff) betrieben werden muss. Fahrzeuge, deren Abgasnachbehandlungssystems mit einem Reagenzmittel betrieben werden, müssen Anhang XVI der Verordnung (EU) Nr. 692/2008 zur Verordnung (EG) Nr. 715/2007 entsprechen. Danach muss sich ein Aufforderungssystem aktivieren, sobald noch eine Strecke von mindestens 2.400 km gefahren werden kann, bevor der Reagenzbehälter leer wird. Sobald das Aufforderungssystem sich voll aktiviert und das Fahrzeug stillgelegt hat, darf es sich nur dann deaktivieren, wenn die nachgefüllte Reagenzmenge einer mittleren Reichweite von 2.400 km entspricht. Nach der Aussage des Motorenherstellers wird bei oben genannten Fahrzeugen nach Aktivierung des Aufforderungssystems nicht über die gesamte Restreichweite des Fahrzeugs gleich viel Reagenz in den SCR-Katalysator eingedüst (bezogen auf vergleichbare Betriebsbedingungen). Dies soll der Sicherstellung der geforderten Restreichweite dienen. Dadurch, dass die Eindüsung von Reagenz gegenüber einem vergleichbaren Betrieb vor Aktivierung des Aufforderungssystems limitiert wird, liegt eine Verminderung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems vor. Nach Auffassung des KBA ergibt sich aus der Vorschrift zwar nicht klar, ob das Reagenz unter allen möglichen Umständen mindestens 2.400 km oder aber nur bei einem "mittleren" Betriebsprofil 2.400 km ausreichen muss. Jedoch verbietet die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 explizit das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen bzw. gestattet sie nur unter in Art. 5 bestimmten Bedingungen, welche hier allesamt nicht zutreffen, sodass insgesamt festzustellen ist, dass durch die Strategie die Wirksamkeit des Abgasnachbehandlungssystems unzulässig verringert wird.
Zu den vom KBA festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen waren im Rahmen der Typengenehmigung keine Angaben des Herstellers im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert. Die genaue Beschreibung der Emissionsstrategien wurde erst ab 16.50.2016 mit der Verordnung (EU) 2016/646 eingeführt, nach der Erteilung der Typengenehmigung für das in Rede stehende Fahrzeug."
(Hervorhebung durch den Senat)
Daraus folgt, dass es für das KBA aufgrund der generellen Kenntnis um die Aufheizstrategie ("Strategie A") ein Leichtes gewesen wäre, diese Strategie auch im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp festzustellen und den Rückruf (neben der Restreichweitenregelung) hierauf zu erstrecken. Das ist aber nicht geschehen, so dass zur Überzeugung des Senats davon auszugehen ist, dass die Aufheizstrategie hier gerade nicht verbaut ist.
(ee) Die vermeintlichen Überschreitungen der gesetzlichen Emissionsgrenzwerte im Straßenbetrieb stellen kein Anzeichen für das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen dar (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20, juris Rn. 23; s. auch OLG Celle, Urteil vom 13. November 2019 - 7 U 367/18, juris Rn. 42). Denn die für die Einhaltung der Euro-5- bzw. Euro-6-Norm relevanten, im NEFZ Verfahren gemessenen Werte entsprechen grundsätzlich auch ohne unzulässige Beeinflussung des Messverfahrens nicht den im Rahmen des tatsächlichen Gebrauchs des Fahrzeugs anfallenden Emissionswerten (so auch OLG München, Urteil vom 5. September 2019 - 14 U 416/19, BeckRS 2019, 26072 Rn. 168). Daher ist der Straßenbetrieb mit der Prüfstandssituation nicht vergleichbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich des angegebenen Kraftstoffverbrauchs als auch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte "ideale", nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., so dass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Soweit ein Fahrzeug also höhere Emissionswerte im Straßenbetrieb aufweist als unter Prüfstandsbedingungen, kann dies auch auf andere Umstände als den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung zurückzuführen sein, weshalb nicht notwendigerweise beim Vorliegen höherer Emissionswerte im Realbetrieb von dem Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegangen werden muss.
(d) Manipulierte Getriebesteuerung
Schließlich vermag der Kläger auch nicht mit der behaupteten manipulierten Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes in Form eines Warmlaufschaltprogramms (das im NEFZ zum Einsatz kommt) und eines dynamischen Schaltprogramms (das im realen Straßenbetrieb verwendet wird) durchzudringen. Dem Vorbringen des Klägers lassen sich die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schadensersatz gem. § 826 BGB gegen die Beklagte nicht schlüssig entnehmen.
(aa) Es fehlt bereits schlüssiges Vorbringen zu dem Vorliegen einer (unzulässigen) Abschalteinrichtung iSv Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007.
(1.1) Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen unzulässig, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern. Abschalteinrichtung ist nach Art. 3 Nr. 10 ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird
(1.2) Die Beklagte nutzte mit der Einrichtung unterschiedlicher Getriebemodi - anders als die Volkswagen AG im Falle der Schummelsoftware des EA 189 - lediglich einen vorgegebenen Gestaltungsspielraum aus. Die Richtlinie 70/220/EWG des Rates vom 20. März 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Abgase von Kraftfahrzeugmotoren mit Fremdzündung sieht im Anhang III gemäß Ziffer 1.3.3. für Fahrzeuge mit automatischem Getriebe - anders als für Fahrzeuge mit Schaltgetriebe - für die Verwendung des Getriebes im Fahrzyklus auf dem Rollenprüfstand keine vorgegebenen Schaltpunkte vor. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich, dass die in der Anlage 1 angegebenen Schaltpunkte hier nicht gelten:
"1.3.3. Fahrzeuge mit automatischem Getriebe sind beim höchsten Übersetzungsverhälnis ( drive ) zu prüfen . Das Fahrpedal ist so zu betätigen, daß möglichst konstante Beschleunigungen erzielt werden , die es dem Getriebe ermöglichen , die verschiedenen Gänge in der normalen Folge einzuschalten . Ausserdem gelten hier nicht die in der Anlage 1 angegebenen Schaltpunkte; die Beschleunigungen müssen entlang der Geraden vorgenommen werden , die das Ende des Leerlaufabschnitts mit dem Anfang des darauffolgenden Abschnitts konstanter Geschwindigkeit verbindet . Es gelten die Toleranzen gemäß Punkt 1.4."
Damit räumt die Richtlinie den Fahrzeugherstellern einen Freiraum für die Bedatung von Automatikschaltgetrieben ein. Diesen ist es folglich nicht verwehrt, bei Automatikgetrieben die Schaltpunkte so zu wählen, dass sich die gewählten Schaltpunkte auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs auf dem Rollenprüfstand (günstig) auswirken. Im Typgenehmigungsverfahren mussten keine Angaben zur Getriebeschaltpunktsteuerung gemacht werden, sodass insoweit auch ein täuschungsähnliches Verhalten gegenüber dem KBA nicht naheliegt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. März 2022 - 8 U 177/20, juris Rn. 70; OLG Schleswig, Beschluss vom 18. Juli 2022 - 7 U 198/21, juris Rn. 20; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Juli 2022 - 5 U 80/21, juris Rn. 34).
(1.3) Darüber hinaus ist die Getriebeschaltpunktsteuerung nicht Bestandteil des Emissionskontrollsystems selbst. Die besondere Steuerung des Getriebes durch das Warmlaufschaltprogramm auf dem Prüfstand hat damit jedenfalls nur mittelbare Auswirkungen auf die Emissionen und auf die Einhaltung des NOx-Grenzwerts (vgl. ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. März 2022 - 8 U 177/20, aaO Rn. 71; OLG Schleswig, Beschluss vom 18. Juli 2022 - 7 U 198/21, aaO Rn. 20; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Juli 2022 - 5 U 80/21, aaO Rn. 35).
(1.4) Schließlich waren die Getriebeschaltprogramme dem KBA bekannt. Es hatte nämlich (unstreitig)einen Rückrufbescheid erlassen, der bestimmte (wenige tausend) Fahrzeuge des Typs A7 bzw. A8 V-TDI EU5 betraf (vgl. Bl. 119 f. Bd. I d.A.). Gleichwohl hat das KBA in Kenntnis dessen den Rückruf für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht auf eine unzulässige Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit den Getriebeschaltprogrammen erstreckt, obwohl dies unproblematisch möglich gewesen wäre, wenn eine solche manipulierte Schaltpunktsteuerung vorgelegen hätte. Das dies jedoch nicht geschehen ist, spricht zur Überzeugung des Senats dafür, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine manipulierte Schaltpunktsteuerung vorliegt.
(bb) Darüber hinaus ist eine ausreichende Darlegung von Anhaltspunkten durch den Kläger, dass das Herstellen und Inverkehrbringen des Fahrzeuges mit einer (unterstellten) unzulässigen Abschalteinrichtung in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer - billigend in Kauf genommenen - Unrechtmäßigkeit geschehen, und damit objektiv sittenwidrig ist, zu verneinen.
(1.1) Die objektiven technischen Gegebenheiten sind vom Kläger bereits unbeachtlich ins Blaue hinein behauptet. Die Bezugnahme auf das interne Dokument der Volkswagen AG (Bl. 100 ff. Bd. I d.A.) übersieht bereits, dass es dort auf Seite 3 heißt: "Vorstellung ähnlichen Sachverhalts beim KBA am 16.9.16". Damit aber kommt ein Anspruch des Klägers nicht mehr in Betracht, weil das KBA noch vor dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeuges Kenntnis von dem Warmlaufprogramm bzw. der Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes hatte. Im Übrigen hat die Beklagte - ebenfalls vom Kläger unwidersprochen - vorgetragen, dass zwar das KBA einen Rückrufbescheid erlassen hat, dass dieser aber nur (wenige tausend) Fahrzeuge des Typs A7 bzw. A8 V-TDI EU5 betraf und nicht das streitgegenständliche Fahrzeug (Bl. 119R Bd. I d.A.).
(1.2) Mit Blick auf die vorgenannte Präsentation der Warmlaufprogramme (Bl. 100 ff. Bd. I d.A.) übersieht der Kläger zudem erkennbar, dass diese von der Volkswagen AG und nicht von der beklagen Audi AG erstellt wurde. Bereits angesichts dessen bleibt die vom Kläger postulierte Schlussfolgerung, die Beklagte habe vorsätzlich sittenwidrig gehandelt, ohne tatsächliche Grundlage und ein nicht zu berücksichtigender Vortrag "ins Blaue".
Insbesondere lässt sich ein sittenwidriges Verhalten der verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten nicht mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründen. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt nämlich voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil (BGH, Urteil v. 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, juris, Rn. 13, 22 f., 27 mwN). Denn so wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lässt, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente "mosaikartig" zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde, so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen.
Die Annahme von Arglist käme zwar in Betracht, wenn die für die Beklagten handelnden Personen gewusst hätten, dass die von Audi gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Software ausgestattet waren, und die Fahrzeuge sodann trotz Kenntnis dieses Umstandes mit dem betreffenden Motor versahen und in den Verkehr brachten (BGH, Urteil vom 8. März 2021 aaO Rn. 21). Hierfür hat der Kläger aber nicht ansatzweise Anhaltspunkte dargetan.
(1.3) Der Kläger hat zudem nicht schlüssig dargelegt, dass sich die behauptete prüfstandspezifische Getriebesteuerung auf den (Fort-)Bestand der Zulassung des Fahrzeugs auswirken kann. Abgesehen davon, dass schon die Relevanz der Getriebeschaltpunkte für die Stickoxidemissionen von der Beklagten in Abrede gestellt worden ist, ohne dass der Kläger greifbare Anhaltspunkte für eine Auswirkung auf diese oder andere im Rahmen der Typgenehmigung bedeutsame Schadstoffemissionen vorträgt, liegt es nahe, dass allenfalls eine behördlich veranlasste Neuprogrammierung der Getriebeschaltpunkte zu erwarten ist, und zwar dergestalt, dass das Getriebe auch außerhalb des Prüfstands die dort gewählten - angeblich emissionsbeschränkenden - Schaltpunkte einhält. Dass mit einer solchen Umprogrammierung erhebliche Einbußen der Tauglichkeit des Fahrzeugs verbunden wären, etwa in Gestalt eines gleichsam unzumutbaren Verlusts an Beschleunigungsvermögen oder Agilität, kann nicht unterstellt werden.
(1.4) Nicht zuletzt ließe sich im Hinblick auf unterschiedliche Schaltpunkte des Automatikgetriebes auch keine arglistige Täuschung des KBA durch die Beklagte feststellen.
Selbst wenn die Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren wäre, genügte der darin liegende Gesetzesverstoß des Fahrzeug- und Motorherstellers jedenfalls nicht, dessen Gesamtverhalten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, juris Rn. 26). Der Aspekt der Gesetzkonformität ist nämlich von der Frage eines sittenwidrigen Handelns strikt zu trennen. Dies gilt dabei sogar dann, wenn dieser Verstoß seitens des Herstellers aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung getroffen und mit der Entwicklung und dem Einsatz der Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt worden sein sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19, juris Rn. 13). Denn die Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes ist nicht mit der Verwendung einer Prüfstandserkennungs-software zu vergleichen, da letztere unmittelbar auf eine Täuschung der Typengenehmigungsbehörde abzielt und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung des Fahrzeugerwerbers in der Bewertung gleichsteht, während der Einsatz einer unterschiedlichen Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes nicht von Vornherein durch Arglist geprägt ist (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20, aaO Rn. 27).
Vielmehr müsste die Beklagte die Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps vorsätzlich mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen und die Genehmigungsbehörde, d.h. das KBA hierüber arglistig getäuscht haben (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 aaO und Urteile jeweils vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19 und VI ZR 397/19; jew. juris). Zu einem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG müssen deshalb weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen.
Greifbare Anhaltspunkte, die auf ein solches Vorstellungsbild hindeuten könnten - beispielsweise, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren erforderliche Angaben verschwiegen, insbesondere verschleiert hätte, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch unterschiedliche Schaltpunkte des Automatikgetriebes mitbestimmt wird - hat der Kläger jedoch weder erstinstanzlich, noch im Rahmen ihrer Berufungsbegründung vorgetragen. Sich zu den Einzelheiten der von der Beklagten erfolgten Angaben im Typengenehmigungsverfahren zu erklären, obläge ihr erst dann, wenn der Kläger seinerseits hinreichende Anhaltspunkte für unzureichende oder unrichtige Angaben vorgetragen hätte. Eben hieran fehlt es vorliegend jedoch nach den vorangehenden Ausführungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
(cc) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Programmierung der Getriebeschaltpunktsteuerung in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 zu verwenden. Die Definition einer unzulässigen "Abschalteinrichtung" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007, wie sie in Art. 3 Nr. 10 der VO erfolgt ist, ist nicht eindeutig. Auch das KBA vertritt die Auffassung, dass die Schaltpunktsteuerung des automatischen Getriebes nicht Teil des Emissionskontrollsystems sei, da es die Emissionsstrategien des Emissionskontrollsystems nicht berühre. Daher liege schon aus formalen Gründen keine Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) Nr. 715/2007 vor (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. März 2022 - 8 U 177/20, aaO Rn. 73; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Juli 2022 - 5 U 80/21, aaO Rn. 36).
Auch hier verkennt der Senat nicht, dass die Ausführungen des KBA nicht die rechtliche Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG zulässig ist, einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung zu entziehen vermögen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19, juris Rn. 80; Beschluss vom 14. Dezember 2021 - VIII ZR 386/20, juris Rn. 34). Im Rahmen des § 826 BGB kommt es jedoch nicht darauf an, ob die von der Beklagten vorgenommene rechtliche Bewertung richtig ist. Entscheidend ist vielmehr, dass angesichts der vom KBA vertretenen Auffassung ein Vorsatz der für die Beklagte handelnden Personen, mit der konkreten Programmierung der Getriebeschaltpunktsteuerung eine unzulässige (Abschalt-)Einrichtung zu verwenden, nicht festgestellt werden kann. Die von der Beklagten und dem KBA vertretene Rechtsauffassung, das Getriebe sei kein Teil des Emissionskontrollsystems und die Programmierung des Automatikgetriebes durch die Beklagte folglich keine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung, ist zumindest nicht unvertretbar. Durch den eingelegten Getriebegang wird zwar das Emissionsverhalten des Fahrzeugs beeinflusst. Anders als der vom KBA beanstandeten Aufheizstrategie wird durch den eingelegten Getriebegang aber nicht die Arbeitsweise des Emissionskontrollsystems als solches auf dem Prüfstand verändert, indem wie bei der Aufheizstrategie die NH3-Konzentration im SCR-Katalysator erhöht wird (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. März 2022 - 8 U 177/20, aaO Rn. 74; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Juli 2022 - 5 U 80/21, aaO Rn. 37).
2. § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 18, 26, 46 der Richtlinie 2007/46/EG
Darüber hinaus hat der Kläger gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB iVm Art. 18, 26, 46 der Richtlinie 2007/46/EG bzw. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV.
a) Es kann dahinstehen, ob Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46 Schutzgesetzcharakter haben, weil sie - wie der Generalanwalt beim EuGH Rantos in der Rechtssache C-100/21 meint (juris Rn. 50) - die Interessen eines individuellen Erwerbers eines Kraftfahrzeugs schützen, insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist. Selbst wenn dies - entgegen der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris) - der Fall sein sollte, würde dies einen schuldhaften (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Verstoß gegen das Schutzgesetz voraussetzen. Das ist hier jedoch nicht der Fall.
b) Zunächst liegt bereits objektiv kein Verstoß gegen ein Schutzgesetz vor, weil der Kläger das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung iSv Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 in seinem Fahrzeug im Erwerbszeitpunkt nicht schlüssig dargelegt hat. Folglich ist sein Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, nicht betroffen. Nach den vorangehenden Ausführungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, war die Restreichweitenregelung bzw. "Strategie E" im Erwerbszeitpunkt bereits unstreitig durch das Software-Update entfernt worden. Für eine Aufheizstrategie bzw. "Strategie A" hat der Kläger keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen; auf eine solche Abschalteinrichtung bezog sich weder der Rückruf des KBA noch hat das KBA sie bei seinen Prüfungen festgestellt. Dasselbe gilt für die behauptete Manipulation der Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes.
c) Nicht zuletzt hat die Beklagte weder vorsätzlich noch fahrlässig gegen ein Schutzgesetz verstoßen. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Getriebeschaltpunkte so gewählt sind, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird, hätte die Beklagte nicht fahrlässig gehandelt.
Die Richtlinie 70/220/EWG räumt den Fahrzeugherstellern einen Freiraum für die Bedatung von Automatikschaltgetrieben ein; im Typgenehmigungsverfahren mussten auch keine Angaben zur Getriebeschaltpunktsteuerung gemacht werden. Ferner ist die Definition einer unzulässigen "Abschalteinrichtung" im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 insoweit nicht eindeutig. Selbst das KBA vertritt die Auffassung, dass die Schaltpunktsteuerung des automatischen Getriebes nicht Teil des Emissionskontrollsystems sei, da es die Emissionsstrategien des Emissionskontrollsystems nicht berühre (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. März 2022 - 8 U 177/20, aaO Rn. 73; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Juli 2022 - 5 U 80/21, aaO Rn. 37). Auch die Beklagte ging davon aus, dass es sich nicht um ein "defeat device" handele, weil das Getriebe nicht Teil des Emissionskontrollsystems sei (vgl. Anlage Bl. 101 d.A.).
Dies zugrunde gelegt kann der Beklagten kein Fahrlässigkeits- und erst recht kein Vorsatzvorwurf gemacht werden. Insbesondere wurde nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen (§ 276 Abs. 2 BGB).
3. § 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB
Schließlich haftet die Beklagte wegen der fehlenden Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers und den denkbaren Vermögensvorteilen der Beklagten nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20, juris Rn. 24).
4.
Mangels Anspruchsgrundlage steht dem Kläger somit weder der von ihm geltend gemachte Zahlungsanspruch zu, noch kann infolgedessen ein Annahmeverzug der Beklagten oder die teilweise Erledigung des Rechtsstreits festgestellt und diese zur Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Klägers verurteilt werden. Ebenso besteht kein Anspruch auf Verzugszinsen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes war gem. §§ 47, 43 GKG, §§ 3 ff. ZPO auf bis 22.000,00 EUR festzusetzen.
Gründe die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen liegen nicht vor.