Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.12.2022, Az.: 11 U 17/22
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.12.2022
- Aktenzeichen
- 11 U 17/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 55430
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - AZ: 1 O 221/19
Tenor:
- 1.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 550.000 EUR festgesetzt.
- 2.
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht kommen dürfte, da die Ausführungen des Landgerichts zur Haftung der Beklagten zu 3 dem Grunde nach zwar nicht zu beanstanden sind (dazu unter I.), der Tenor aber aus anderen Gründen (dazu unter II.) abzuändern wäre.
- 3.
Termin zur mündlichen Verhandlung wird bestimmt auf
Donnerstag, den 16. Februar 2023, 11:00 Uhr, Saal 150.
- 4.
Zur Stellungnahme zu den nachfolgenden Ausführungen wird den Parteien sowie den Nebenintervenientinnen eine Frist von 6 Wochen gesetzt.
[Gründe]
I.
Soweit die Beklagte zu 3 mit ihrer Berufung (allein) ihre Verurteilung zur Freistellung der Klägerin von ihrer Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Nebenintervenientin zu 2. wegen der Beschädigung der beförderten PKW angreift, ist die Begründung des Landgerichts nicht zu beanstanden.
Das Landgericht hat seine Verurteilung der Beklagten zu 3 insoweit darauf gestützt, dass die Beklagte zu 3 als ausführende Frachtführerin gemäß §§ 425 Abs. 1, 437 HGB hafte und dass ein Haftungsausschluss nach § 426 HGB nicht in Betracht komme, weil sich die Beklagte zu 3 das Verschulden des Fahrdienstleiters der Beklagten zu 1 als Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 428 HGB zurechnen lassen müsse und die Beschädigung des Frachtgutes somit nicht unvermeidbar gewesen sei.
Dies hält nach Maßgabe der folgenden Ausführungen dem Berufungsangriff der Beklagten zu 3 stand:
1.
Zutreffend ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 3 bei der Beförderung der streitgegenständlichen PKW als ausführender Frachtführer im Sinne des § 437 HGB agierte. Einen Frachtvertrag haben die Klägerin und die Beklagte zu 3 nicht abgeschlossen, sondern erfolgte der Vertragsschluss vielmehr im Verhältnis der Klägerin zur Nebenintervenientin zu 1 als Hauptfrachtführerin, während die spätere Beklagte zu 3 als "Enkelgesellschaft" der Nebenintervenientin zu 1 von dieser mit der tatsächlichen Transportdurchführung beauftragt wurde.
2.
Der ausführende Frachtführer haftet dem Absender (hier der Klägerin) gemäß § 437 Abs. 1 S. 1 HGB wie der Frachtführer selbst, mithin für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder durch Überschreitung der Lieferfrist während der durch ihn ausgeführten Beförderung entsteht. Soweit die Klägerin und die Beklagte zu 3 darüber hinaus unstreitig (auch) durch den Allgemeinen Vertrag für die Verwendung von Güterwagen (AVV) miteinander verbunden sind, begründet dieser zugunsten der Klägerin keine zusätzliche oder alternative Haftung für die PKW-Schäden. Denn dieser regelt allein die Haftung für die Beschädigung der Güterwagen selbst (Art. 22 AVV), was Gegenstand des Tenors zu 1 und der diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts im angegriffenen Urteil, nicht aber Gegenstand der Berufung ist.
3.
Zur Beschädigung bzw. Zerstörung der PKW kam es ferner während des Obhutszeitraums der Beklagten zu 3, nämlich im Sinne des § 425 HGB zwischen der Übernahme der Fahrzeuge und der Ablieferung beim Empfänger.
4.
Zu Recht hat das Landgericht ferner den Haftungsausschluss nach § 426 HGB verneint. Insoweit hat es, was die Berufung einzig angreift, die Beklagte zu 1 wie auch den Fahrdienstleiter als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 3 qualifiziert. Der Senat teilt auch diese Auffassung des Landgerichts:
a) Der ausführende Frachtführer hat für seine Leute wie auch für andere Personen, die er zur Ausführung der Beförderung einschaltet, ebenso einzustehen wie der vertragschließende. Auch für ihn gilt mit anderen Worten die Zurechnungsnorm des § 428 HGB (Herber/Harm in: Münchener Kommentar zum HGB, 4. Auflage 2020, § 437 Rn. 40).
b) Das Landgericht hat angenommen, dass sich die Beklagte zu 3 sowohl der Beklagten zu 1 als Eisenbahninfrastrukturunternehmen als auch ihres Fahrdienstleiters im Sinne des § 428 S. 2 HGB bei der Ausführung der Beförderung bedient hat. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung stand:
aa) Der Senat verkennt nicht, worauf die Berufung insbesondere hinweist, dass die Beklagte zu 3 aufgrund der Monopolstellung letztlich keine andere Wahl hat als die Infrastruktur der Beklagten zu 1 einschließlich der von dieser eingesetzten Fahrdienstleitung zu nutzen. In der Tat wird der fehlende Einfluss - etwa bei Beamten oder anderen Bediensteten von Behörden - als Argument dafür herangezogen, dass diese nicht als Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 428 S. 2 HGB gelten (Herber/Harm, a.a.O. Rn. 41; Schaffert in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, Handelsgesetzbuch, 4. Auflage 2020, § 428 Rn. 8 m.w.N.). Allerdings hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Haftungszurechnung des Verschuldens des Eisenbahninfrastrukturunternehmens zulasten des Eisenbahnverkehrsunternehmens in seinem Urteil vom 17. Januar 2012 - X ZR 59/11, juris Rn.11 - 14 - indes im Bereich der Personenbeförderung - bereits ausdrücklich bejaht. Dort heißt es auszugsweise:
"Vor der Eisenbahnstrukturreform war in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Eisenbahnunternehmen aufgrund des Beförderungsvertrags verpflichtet ist, für einen sicheren Zugang und Abgang des Fahrgastes zu sorgen, insbesondere von ihm bereitgestellte Anlagen wie Bahnsteige, die der Fahrgast vor und nach der Beförderung benutzen muss, verkehrssicher zu halten (RG, Urteil vom 15. März 1915 - VI 599/14, RGZ 86, 321, 322; RG, Urteil vom 30. Oktober 1929 - VI 318/29, RGZ 126, 137, 141 f.; BGH, Urteil vom 16. April 1959 - II ZR 164/57, NJW 1959, 1366; BGH, Urteil vom 24. November 1969 - III ZR 111/69, VersR 1970, 179 f.). Hieran hat sich durch die rechtliche Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 1994 I S. 2439) nichts geändert. Dies entspricht auch der im Schrifttum vertretenen Auffassung (Filthaut, Haftpflichtgesetz, 8. Auflage, § 12 Rn. 122 ff., 133; Roth in MünchKomm-BGB, 5. Auflage, § 241 Rn. 103; Tavakoli, Privatisierung und Haftung der Eisenbahn, Baden-Baden 2001, S. 324 f., 335; Führich, Reiserecht, 5. Auflage, Rn. 1140; Pohar, Rechtsbeziehungen zwischen Fahrgast und Eisenbahn, Jena 2006, S. 102; Böhm, Haftung von Eisenbahnunternehmen, Hamburg 2008, S. 85 f.).
(...)
Durch die Nutzung der besonderen Bahnanlagen ist der Fahrgast den damit einhergehenden Gefahren in besonderem Maß ausgesetzt. Hiermit geht die Pflicht des Eisenbahnverkehrsunternehmens einher, den Fahrgast vor diesen Gefahren zu schützen und Bahnanlagen, die der Fahrgast vor und nach der Beförderung benutzen muss, verkehrssicher bereitzustellen.
Dem steht nicht entgegen, dass ein Eisenbahnverkehrsunternehmen die Verkehrssicherheit der Bahnanlagen wegen der rechtlichen Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur nicht in eigener Person gewährleisten kann. Ausreichend ist, dass ihm dies durch das Infrastrukturunternehmen möglich ist, dessen es sich bei der Abwicklung des Beförderungsvertrags bedient. Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen nutzt die Infrastruktur eines Personenbahnhofs aufgrund eines Stationsnutzungsvertrags mit dem jeweiligen Infrastrukturunternehmen, hier der D. S. & S.AG. Aufgrund des Stationsnutzungsvertrags ist das Infrastrukturunternehmen dem Eisenbahnverkehrsunternehmen gegenüber verpflichtet, die Infrastruktur der jeweiligen Personenbahnhöfe für das Erbringen eigener Eisenbahnverkehrsleistungen verkehrssicher bereitzustellen. Dieser vertragliche Anspruch ermöglicht es dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, auf die Verkehrssicherheit der Bahnanlagen auf Personenbahnhöfen hinzuwirken. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen bedient sich des Eisenbahninfrastrukturunternehmens, das die Infrastruktur der Personenbahnhöfe und damit die notwendigerweise vom Fahrgast zu benutzenden Bahnanlagen bereitstellt, als Erfüllungsgehilfen bei der Abwicklung eines Beförderungsvertrags (Filthaut, aaO, Rn. 139; Tavakoli, aaO, S. 338; A. Staudinger, Verbraucherrechte im Öffentlichen Schienen-Personenverkehr, Frankfurt a.M. 2004, S. 70). Die unternehmerische Selbständigkeit des Infrastrukturunternehmens steht seiner Eigenschaft als Erfüllungsgehilfe nicht entgegen (BGH, Urteil vom 30. März 1988 - I ZR 40/86, NJW 1988, 1907, 1908). Das Eisenbahnverkehrsunternehmen kann deswegen den Fahrgast bei einer Schädigung infolge nicht verkehrssicher gehaltener, für die Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen notwendiger Bahnanlagen nicht auf deliktische Ansprüche gegen Dritte verweisen, sondern hat ein etwaiges Verschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens - und im Fall der Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf weitere Dritte deren Verschulden - in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes (§ 278 BGB)."
Auch das Oberlandesgericht N. hat unter Rekurs auf die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Bereich der Personenbeförderung die Zurechnung des Verschuldens des Eisenbahninfrastrukturunternehmens bejaht (OLG Nürnberg, Urteil vom 9. Mai 2012 - 12 U 1247/11, juris Rn. 60 f.). Das Oberlandesgericht Hamm hat, allerdings im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 1 HaftPflG, zudem eine Haftungseinheit zwischen dem Eisenbahninfrastrukturunternehmen, dem Schrankenwärter und dem Eisenbahnverkehrsunternehmen angenommen (OLG Hamm, Urteil vom 11. Juni 2015 - I-6 U 145/14, juris Rn. 36 f.)
bb) Der Senat überträgt die vorstehenden Erwägungen auf die Haftungszurechnung gemäß § 428 S. 2 HGB im Bereich des Frachtvertrages. Mit der rechtlichen Trennung von Fahrbetrieb und Infrastruktur war eine Schlechterstellung für Geschädigte des Bahnbetriebs nicht beabsichtigt. Dies gilt zunächst für den Bereich des Haftpflichtgesetzes (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - VI ZR 69/03, juris Rn. 14 unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien), das jedoch nur einen begrenzten Anwendungsbereich hat (vgl. § 1 Abs. 3 HaftPflG). Zu einer Schlechterstellung des Geschädigten käme es somit, wenn Unfälle im Bahnbetrieb im Verantwortungsbereich des Infrastrukturunternehmens aus der vertraglichen Haftungszurechnung zulasten des Eisenbahnverkehrsunternehmens, dem eigentlichen Leistungserbringer des Geschädigten, herausgenommen würden. Geschädigte wären dann gezwungen, außerhalb des Anwendungsbereichs des Haftpflichtgesetzes ihre Ansprüche auf rein deliktsrechtlicher Grundlage durchzusetzen, wobei aufgrund der Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten durch weitere Dritte die Anspruchsdurchsetzung wegen der regelmäßig bestehenden Exkulpationsmöglichkeit des Eisenbahninfrastrukturunternehmens wie auch des Eisenbahnverkehrsunternehmens gemäß § 831 Abs. 1 S. 2 BGB erheblich erschwert würde.
Im vertraglichen Bereich kann demgegenüber das Fehlverhalten des letzten Gliedes in der Kette dem Eisenbahnverkehrsunternehmen ohne weiteres nach § 278 BGB - bzw. im Bereich des Frachtvertrages primär über § 428 HGB - zugerechnet werden. Das Eisenbahnverkehrsunternehmen wird hierdurch auch nicht über Gebühr benachteiligt. Im Innenverhältnis kann es sich nämlich an das eigentlich verantwortliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen halten. Da in diesem Verhältnis ebenfalls eine vertragliche Sonderverbindung besteht, kann sich das Eisenbahninfrastrukturunternehmen auch nicht exkulpieren, sondern muss sich die Haftung seiner Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.
cc) So liegt der Fall hier. Während die Klägerin hinsichtlich der PKW-Schäden infolge des Haftungsausschlusses in § 1 Abs. 3 Nr. 2 HaftPflG gegen die Beklagte zu 3 nicht erfolgreich nach dem Haftpflichtgesetz vorgehen kann, scheitern deliktische Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 3 aber auch gegenüber der Beklagten zu 1 an § 831 Abs. 1 S. 2 BGB (vgl. LGU, S. 20). Zugleich besteht jedoch zwischen den Beklagten zu 1 und 3 ein Grundsatz-Infrastrukturvertrag in Form eines Trassennutzungsvertrages (vgl. § 49 Eisenbahnregulierungsgesetz). Dieser verschafft der Beklagten zu 3 nicht nur einen Ersatzanspruch gemäß § 280 BGB, sondern verpflichtet die Beklagte zu 1 bereits im Sinne des Primäranspruchs, die Infrastruktur für das Erbringen der Eisenbahnverkehrsleistungen verkehrssicher bereitzustellen. Dieser vertragliche Anspruch ermöglicht es der Beklagten zu 3 als Eisenbahnverkehrsunternehmen mit anderen Worten, auf die Verkehrssicherheit der Bahnanlagen einschließlich deren Überwachung und Nutzung hinzuwirken (vgl. erneut BGH, a.a.O. Rn. 14 für die Stationsnutzung).
dd) Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 3 kann hier somit auch kein belastbarer Vergleich zu den Straßenmeistereien oder den staatlichen Trägern der Straßenbaulast hergestellt werden. Denn anders als im vorliegenden Fall durch den Trassennutzungsvertrag besteht seitens eines Frachtführers auf der Straße gegenüber den Trägern der Straßenbaulast kein vertraglicher Anspruch zur Instandhaltung der Infrastruktur. An dieser Bewertung ändert auch die sog. LKW-Maut in Deutschland nichts. Denn hier wird die Maut aufgrund des Gesetzes über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen (Bundesfernstraßenmautgesetz) geschuldet, ohne dass ein individueller Anspruch des Mautschuldners auf Instandhaltung der Infrastruktur der Bundesfernstraßen begründet wird; stattdessen wird in § 11 Bundesfernstraßenmautgesetz lediglich allgemein haushalterisch die Mittelverwendung in groben Zügen geregelt.
ee) Auch unter dem Aspekt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung erscheint eine Haftungszurechnung geboten. So findet sich in den einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM), dort Art. 40, folgende Regelung:
"Der Beförderer haftet für seine Bediensteten und für andere Personen, deren er sich bei der Durchführung der Beförderung bedient, soweit diese Bediensteten und anderen Personen in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln. Die Betreiber der Eisenbahninfrastruktur, auf der die Beförderung erfolgt, gelten als Personen, deren sich der Beförderer bei der Durchführung der Beförderung bedient." (vgl. dazu etwa Freise in: Münchener Kommentar zum HGB, 4. Auflage 2020, CIM, Art. 40 Rn. 8)
Wenngleich die CIM ausschließlich für die Beförderung von Gütern im Bereich von mindestens zwei Mitgliedstaaten gelten (Art. 1 § 1 CIM), ist für den Senat kein Grund ersichtlich, warum eine Haftungszurechnung mittels einer anderen Auslegung des § 428 HGB dann ausscheiden soll, wenn der Beförderungsweg ausschließlich das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland berührt. Für eine derartige Schlechterstellung des Geschädigten gegenüber einem grenzüberschreitenden Sachverhalt gibt es vielmehr keine sachliche Rechtfertigung. Vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sein Urteil vom 7. September 2000 (11 U 145/97, juris) noch zur alten Rechtslage der CIM ohne Art. 40 S. 2 erging (vgl. zur Neuregelung der EIU als Erfüllungsgehilfe des EVU etwa BT-Drs. 14/8172, S. 207).
Schließlich bestätigt gleichermaßen ein Blick auf die CUV (Einheitliche Rechtsvorschriften für Verträge über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr) und die dazu ergangene Rechtsprechung die Richtigkeit der Haftungszurechnung im Falle einer Verantwortlichkeit des Eisenbahninfrastrukturunternehmens. Soweit in den CUV Regelungen für die Haftung bei der Beschädigung von Güterwagen als Beförderungsmittel getroffen werden, bestimmt Art. 9 § 2 CUV:
"Haben die Parteien des Vertrages nichts anderes vereinbart, so gelten die Betreiber der Eisenbahninfrastruktur, auf der das Eisenbahnverkehrsunternehmen den Wagen als Beförderungsmittel verwendet, als Personen, deren sich das Eisenbahnverkehrsunternehmen bedient."
Unter Bezugnahme hierauf hat der Oberste Gerichtshof W. im Rahmen der Haftung eines Eisenbahnverkehrsunternehmens für beschädigte Güterwagen nach Art. 22 AVV - mangels abweichender Regelung in den AVV - eine Zurechnung des Fehlverhaltens der Bediensteten eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens bejaht und deren Eigenschaft als Dritte im Sinne des Art. 22.2 AVV verneint mit der Folge, dass sich der gemäß Art. 22.1 AVV zu führende Entlastungsbeweis auch auf den betreffenden Mitarbeiter des Eisenbahninfrastrukturunternehmens erstrecken muss (OGH, Urteil vom 20. Juni 2017 - 2 Ob 76/17s, RdTW 2018, 270 Rn. 34).
Auch insoweit gilt, dass der Senat nicht erkennen kann, warum vor dem Hintergrund nahezu identischer Ausgangsbedingungen im vorliegenden Streitfall die Beklagte zu 3 als Eisenbahnverkehrsunternehmen nur deshalb privilegiert sein soll, weil sich ihre Haftung für die beschädigten PKW nach dem deutschen Frachtvertragsrecht beurteilt, das eine derartige Spezialregelung für den Eisenbahngüterverkehr nicht bereithält. Vielmehr erscheint es nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen geboten, § 428 S. 2 HGB, dessen Wortlaut dies ohne Weiteres zulässt, im Sinne desselben Regelungsgehaltes auszulegen.
c) Demgemäß kann die Verantwortlichkeit des Triebwagenführers der Beklagten zu 3 dahinstehen, da der Beklagten zu 3 auch unabhängig davon die ihr nach § 426 HGB grundsätzlich offenstehende Entlastung nicht gelingt. Denn zwischen den Parteien ist (inzwischen) unstreitig, dass der Fahrdienstleiter der Beklagten zu 1 hätte erkennen können und müssen, dass der Zug auf Gleis 27 nicht grenzzeichenfrei stand und demgemäß eine Freigabe zur Einfahrt des Klägerzuges nicht hätte erfolgen dürfen. Beschädigung und Verlust der PKW waren für die Beklagte zu 3 somit nicht unabwendbar.
II.
Das Urteil kann jedoch hinsichtlich des angegriffenen Tenors keinen Bestand haben, was seine Ursache in der Besonderheit des hier geltend gemachten Befreiungsanspruchs hat. Im Einzelnen:
1.
Freistellung bedeutet eine Handlung, durch die der in Anspruch Genommene (hier die Beklagte zu 3) eine Schuld der Klägerin zum Erlöschen bringt. Dementsprechend muss der Antrag auf Verurteilung zur Freistellung die Forderung so genau bezeichnen, dass die Beklagte notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung gemäß § 887 ZPO zur Befriedigung des Drittgläubigers angehalten werden kann (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1980 - IVa ZR 32/80, juris Rn. 11). Vorliegend fehlt es an einem solchen bestimmten Klageantrag, weil dieser keinen Anhalt für den Umfang dieser Verbindlichkeit bietet, von der die Beklagte zu 3 die Klägerin durch Erfüllung freistellen soll (§§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 308 Abs. 1 S. 2 ZPO); es mangelt mithin bereits an der vollstreckungsfähigen Kennzeichnung der Anspruchshöhe im Antrag wie auch im Tenor (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, juris Rn.18). Stattdessen ist dort die Rede von "allen Ansprüchen" der Nebenintervenientin zu 2.
Im Übrigen steht gegenwärtig auch nicht fest, dass die Klägerin insoweit tatsächlich mit der Verbindlichkeit beschwert ist, was ein auf Freistellung gerichteter Schadensersatzanspruch wegen der Belastung mit einer Verbindlichkeit gleichfalls voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1989 - IX ZR 249/88, juris Rn. 30). Denn im angefochtenen Urteil bleibt offen, ob überhaupt und gegebenenfalls inwieweit der Anspruch der Nebenintervenientin zu 2 begründet ist; stattdessen setzt das Landgericht die Inanspruchnahme offenbar mit dem Bestehen dieses Anspruchs gleich, obwohl im Urteil die diesbezüglichen Umstände sämtlichst als streitig dargestellt werden und sogar von möglichen weiteren Schäden die Rede ist (LGU, S. 5 f., dazu auch sogleich noch unter II. 2.).
Richtigerweise hätte der Klageantrag vielmehr auf Feststellung der Verpflichtung zur Freistellung lauten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1990 - VI ZR 6/90, juris Rn. 10 f.), was die Klägerin am Anfang des Verfahrens, wenngleich ohne Hilfsantrag, zunächst auch als Antrag angekündigt hatte. Wie auch in der vorstehend zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs, sieht sich der Senat aber aufgrund der weiteren Antragshistorie gehindert, den zuletzt gestellten Leistungsantrag auf Freistellung in einen Feststellungsantrag umzudeuten. Da die vorstehend dargelegte Problematik erstinstanzlich indes nicht erörtert wurde, sieht sich der Senat derzeit ebenso gehindert, die Klage auf die Berufung der Beklagten zu 3 als unzulässig abzuweisen. Die Klägerin wird hiermit vielmehr ausdrücklich auf die Unzulässigkeit ihres (noch verbleibenden) Leistungsantrags hingewiesen, wobei eine Umstellung auf einen Feststellungsantrag nach Auffassung des Senats sachdienlich wäre (vgl. auch BGH, a.a.O., Rn. 11).
2.
Aber auch im Hinblick auf einen möglichen Feststellungsantrag muss der Senat im Rahmen der Begründetheit davon überzeugt sein, dass eine begründete Inanspruchnahme durch die Nebenintervenientin zu 2 hinreichend wahrscheinlich und vor allem rechtlich möglich ist. Hierzu ist noch Folgendes anzumerken:
Die Klägerin verweist im Rahmen ihrer Umstellung auf die Leistungsanträge (im Schriftsatz vom 15. Oktober 2019, S. 11, Bl. 233) unter Rekurs auf Anlage K 17 auf den Anspruch der Nebenintervenientin zu 2. Hieraus ergibt sich eine Inanspruchnahme der Klägerin in Höhe von SEK 5.659.861, abzüglich eines Schrotterlöses von 14.750,- €. Diese wiederum soll auf einer Abtretungsvereinbarung (Anlage K 18) zwischen der Nebenintervenientin zu 2 (Zessionarin) und der V. K. GmbH & Co. OHG (Zedentin) über etwaige Ansprüche gegen die Klägerin beruhen.
Es fragt sich allerdings, welche Ansprüche hierbei übergegangen sein sollen. So war nicht die V. K. GmbH & Co. OHG, sondern die V. AG bzw. die A. AG nach dem Verständnis des Senats Verkäuferin und Eigentümerin der beförderten PKW. Außerdem wird klägerseits vorgetragen, dass die Käuferin der PKW, also die V. G. S. AB, das hier realisierte Transportrisiko aufgrund Vereinbarung des I. CPT getragen habe (Schriftsatz der Nebenintervenientin zu 2 vom 19. August 2019, vgl. auch LGU, S. 5), weshalb ein eigener Schaden auf Seiten der V. K. GmbH & Co. OHG bislang nicht recht ersichtlich ist. Geschädigte dürfte vielmehr die V. G. S. AB sein, die zwar keinen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin hat, aber einen gesetzlichen aus § 421 Abs. 1 S. 2 HGB. Der geltend gemachte Freistellunganspruch bezieht sich indes auf eine Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber der Nebenintervenientin zu 2, nicht gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin. Die Abtretungsvereinbarung aus Anlage K 18 kann Ansprüche der V. G. S. AB von vornherein nicht erfassen (obwohl in § 1 S. 2 so formuliert), da diese nicht Partei der Vereinbarung war. Inwiefern das schwedische Recht einen gesetzlichen Forderungsübergang vergleichbar § 86 VVG vorsieht, hat der Senat bislang nicht geprüft, da die Nebenintervenientin zu 2 mit Schriftsatz vom 19. August 2019 die Vorlage einer Abtretungsvereinbarung mit ihrer Versicherungsnehmerin angekündigt hatte, die aber bislang nicht vorliegt.