Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.12.2022, Az.: 9 W 104/22
Elektronische Einreichung von Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister in öffentlich beglaubigter Form; Erfüllung der daraus folgenden Anforderungen im Ausland durch eine ausländische Urkundsperson
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.12.2022
- Aktenzeichen
- 9 W 104/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 64217
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lüneburg - 20.05.2022
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB
- § 129 Abs. 1 Satz 1 BGB
Fundstellen
- AG 2023, 456
- FGPrax 2023, 159-160
- GWR 2023, 258
- GmbHR 2023, 559-560
- NZG 2023, 1028-1029
In der Handelsregister-Beschwerdesache
pp.
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 28. Dezember 2022 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die Beschwerde der betroffenen Gesellschaft vom 11. Juli 2022 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Registergerichts - Lüneburg vom 20. Mai 2022 aufgehoben und das Registergericht angewiesen, dem Eintragungsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats Fortgang zu geben.
- 2.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe
I.
Mit Anmeldung vom 18. Dezember 2020 (Bl. 21 f. d.A.) meldete der Alleingeschäftsführer unter Verweis auf einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss vom 27. März 2020 und beigefügte beglaubigte Übernahmeerklärungen der Übernehmer eine Erhöhung des Stammkapitals der betroffenen Gesellschaft um € 4.623,- auf € 162.965,- zur Eintragung in das Handelsregister an. Die vom verfahrensbevollmächtigten Notar der betroffenen Gesellschaft elektronisch eingereichten Erklärungen der Inferenten sind im Ausland abgegeben und beglaubigt worden: Die Anmeldung der Kapitalerhöhung selbst sowie die Übernahmeerklärung des finnischen Unternehmens D. O. hat eine belgische Notarin, die Übernahmeerklärung des Übernehmers M. L. hat ein Beamter der Stadtverwaltung der Stadt Luxemburg und die Übernahmeerklärungen der übrigen Übernehmer haben jeweils finnische Notare beglaubigt; wegen der Einzelheiten der jeweiligen Erklärungen und der Beglaubigungsvermerke nebst beglaubigter Übersetzungen wird auf deren ausgedruckte Fassungen in gesonderter Heftung verwiesen.
Das Registergericht hat - nach Erledigung einer Mehrzahl vorangegangener Beanstandungen - mit der angefochtenen Zwischenverfügung (Bl. 69 f. Bd. II d.A.) beanstandet, den Beglaubigungsvermerken lasse sich nicht entnehmen, auf welche Weise sich die beurkundende Person jeweils von der Identität des Erklärenden überzeugt habe; insoweit seien noch Bestätigungen der beurkundenden Personen erforderlich, wodurch diesen die Identität der Erklärenden offenbart worden sei. Anderenfalls fehle es an der rechtlichen Gleichwertigkeit der im Ausland erfolgten Beglaubigungen zu entsprechenden inländischen Beglaubigungen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der betroffenen Gesellschaft vom 11. Juli 2022 (Bl. 75 f. Bd. II d.A.), der das Registergericht mit Beschluss vom 29. November 2022 nicht abgeholfen hat (Bl. 77 f. Bd. II d.A.).
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere frist- und formgerecht erhobene Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
1.) Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister sind gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Die daraus folgenden Anforderungen (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 1 BGB, §§ 39, 40 BeurkG) können auch im Ausland durch eine ausländische Urkundsperson erfüllt werden, wenn die von diesen vorgenommenen Beglaubigungen dem entsprechenden Beurkundungsvorgang nach deutschem Recht gleichwertig sind (vgl. nur KG, Beschluss vom 1. Juli 2022 - 22 W 31/22 -, juris Rn. 20 m.w.N.). Gleichwertigkeit ist gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - II ZB 6/13 -, juris Rn. 14; BGH, Beschluss vom 16. Februar 1981 - II ZB 8/80 -, juris; MünchKomm/Krafka, HGB, 5. Aufl. 2021, § 12 Rn. 16).
2.) Gemessen an diesem Maßstab kann die Gleichwertigkeit der im Ausland erfolgten Beglaubigungen im Streitfall nicht verneint werden.
a) Mit Blick auf die tätig gewordenen Urkundspersonen (finnische und belgische Notarinnen und Notare, Beamter der Stadt Luxemburg) hat das Registergericht keine Zweifel an der Gleichwertigkeit zu entsprechenden Beglaubigungen eines deutschen Notars geäußert. Sie drängen sich auch dem Senat nicht auf, zumal bei bloßer Beglaubigung der Echtheit von Unterschriften einschließlich der Identität der Unterzeichnenden keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. MünchKomm/Spellenberg, BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 11 EGBGB Rn. 100; Staub/Koch, HGB, 5. Aufl. 2009, § 12 Rn. 76; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl. 2020, Anh. zu § 12 Rn. 130), weshalb auch die Beglaubigung durch einen städtischen Beamten der Stadt Luxemburg im konkreten Fall als (noch) ausreichend anzusehen ist.
b) Soweit das Registergericht sodann aber gemeint hat, die Beglaubigungen seien nicht als gleichwertig anzusehen, weil die Beglaubigungsvermerke nicht erkennen ließen, dass und wie sich die Urkundspersonen von der Identität des jeweils Erklärenden überzeugt hätten, und weil die Erklärenden nicht hinreichend individualisiert worden seien, kann dies keinen Bestand haben.
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Registergericht zwar angenommen, dass die Erlangung von Gewissheit über die Person des Erklärenden wesentlicher Zweck des Beglaubigungserfordernisses ist und daher eine Identitätsprüfung desjenigen, dessen Unterschrift beglaubigt werden soll, vorgenommen werden muss (vgl. insoweit nur MünchKomm/Krafka, a.a.O., § 12 Rn. 14).
bb) Zu Unrecht ist das Registergericht aber davon ausgegangen, dass die Gleichwertigkeit im Streitfall deshalb zu verneinen sei, weil die Beglaubigungsvermerke der ausländischen Urkundspersonen nicht erkennen ließen, auf welche Weise sich diese von der Identität der Erklärenden überzeugt hätten. Denn die bloße Abweichung in der Fassung des Beglaubigungsvermerks gegenüber dessen Gestaltung in Deutschland ist unschädlich (vgl. unter ausdrücklicher Bezugnahme auf u.a. das belgische Notariat Staudinger/Hertel, BGB, Neubearbeitung 2017, § 129 Rn. 158a; ebenso Hausmann/Odersky/Schäuble, Internationales Privatrecht in der Notar- und Gestaltungspraxis, 4. Aufl. 2021, § 16 Rn. 123). Dass die Urkundspersonen bei Vornahme der Beglaubigung die jeweils für sie geltende Form, die sich nach dem Recht des Staates richtet, in dem die Beglaubigung vorgenommen wurde, nicht eingehalten hätten, kann nicht angenommen werden: Vielmehr spricht ein Erfahrungssatz des internationalen Rechtsverkehrs dafür, dass öffentliche Behörden und Notare die für sie maßgebenden Zuständigkeits- und Formvorschriften beachten, sofern nur die (hier jeweils nicht angezweifelte) Echtheit der ausländischen öffentlichen Urkunde feststeht und keine gewichtigen Anhaltspunkte für ihre fehlerhafte oder kompetenzwidrige Errichtung vorliegen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 22. Januar 1999 - 3 W 246/98 -, juris Rn. 4; BeckOGK/Scheller, BGB Stand: 1. Februar 2022, § 129 Rn. 32). Dafür, diesen Erfahrungssatz nicht zur Anwendung zu bringen, besteht, da konkrete, für eine fehlerhafte oder kompetenzwidrige Vornahme der hier in Rede stehenden Beglaubigungen sprechende Umstände nicht ersichtlich sind, im Streitfall kein Anlass.
cc) Anderes folgt schließlich auch nicht aus dem vom Registergericht angeführten Umstand, dass die Beglaubigungsvermerke jeweils - ohne weitere individualisierende Merkmale - nur die Namen der jeweiligen Erklärenden wiedergeben. Denn dies wird regelmäßig dann als unschädlich angesehen, wenn sich die Personalien des Unterzeichnenden aus dem darüber stehenden Text oder anderweitig einwandfrei feststellen lassen (vgl. Hausmann/Odersky/Schäuble, a.a.O.; Staudinger/Hertel, a.a.O.). So liegt der Fall hier, weil sich die Erklärenden entweder über die von ihnen ausgeübte Funktion als vertretungsberechtigtes Organ einer (ausländischen) Gesellschaft (für die sich das Registergericht jeweils eine Vertretungsbescheinigung hat vorlegen lassen) oder, soweit es sich um Privatpersonen handelt, durch die Angabe ihres jeweiligen Wohnortes in den Übernahmeerklärungen und die weiteren personenbezogenen Angaben in der mit der Anmeldung der Kapitalerhöhung vorgelegten neuen Gesellschafterliste (noch) hinreichend individualisieren lassen.
dd) Anderes folgt schließlich auch nicht aus dem Umstand der Strafbewehrung der Anmeldung des Geschäftsführers der betroffenen Gesellschaft gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG (vgl. insoweit für den Fall der Bestellung eines Liquidators und die Strafvorschrift des § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG KG, Beschluss vom 1. Juli 2022 - 22 W 31/22 -, juris Rn. 20). Denn nach den vorstehenden Ausführungen ist im Streitfall von einer hinreichenden Identifizierung der Erklärenden und deren ausreichender Individualisierung auszugehen, während eben dies im den Gegenstand der vorgenannten Entscheidung bildenden Fall nicht angenommen werden konnte.
3.) Eine Kostenentscheidung ist derzeit nicht veranlasst.